19.07.2015 (GWUP): Trotz der Kritik von Wissenschaftlern, fordert ein namhafter britscher Arzt weiterhin die Verwendung von Homöopathika in Großbritannien.
Erst kürzlich wurden Briefe veröffentlicht, in denen sich der britsche Thronfolger Prince Charles für eine Förderung „alternativmedizinischer" Heilverfahren stark machte. Nach Kritik durch namhafte Wissenschaftler an der Förderung solcher Therapien durch das staatliche Gesundheitssystem gingen Verschreibungen für derartige Verfahren in den letzten Jahren laut einer Meldung in „The Telegraph" um 94 Prozent zurück. In einem Beitrag für das „British Medical Journal" fordert nun der Arzt der Queen, Dr. Peter Fisher vom Royal London Hospital for Integrated Medicine, die für den britischen staatlichen Gesundheitsdienst National Health Service (NHS) arbeitenden Ärzte sollten ihre „Befangenheit" gegenüber „alternativmedizinischen" Verfahren überwinden. Diese Therapien würden seiner Meinung nach missverstanden. Er widerspricht der von Wissenschaftlern vertretenen Annahme, „alternative" Behandlungen wirkten nur durch einen Placeboeffekt. Für den Einsatz von Homöopathika spreche seiner Meinung nach, dass sie sicher seien. Studien zeigten, dass sie, eingesetzt in Kombination mit konventioneller Medizin, zu besseren Heilungsergebnissen und einem reduzierten Einsatz von potentiell schädlichen Medikamenten führten. Außerdem verringerten sich durch deren Einsatz die Behandlungskosten. Die Gegenposition zu Dr. Fishers eigenwilligen Thesen bezieht Prof. Edzard Ernst, der davor warnt, homöopathische Behandlungen könnten sogar tödlich enden, wenn sie eine wirksame Therapie ersetzten. Für den homöopathischen Wirkmechanismus gebe es keine rationale Erklärung und die Vorteile überwögen nicht die Risiken. Laut Ernst sei es daher „unlogisch, sogar unmoralisch" wenn professionelle Mediziner deren Einsatz empfählen.
Dr. Fishers Forderung hat ein breites Echo in den britischen Medien ausgelöst. So geht Ed Cara in „Medical Daily" auf die angeblich positiven Studien ein, die von Fisher zitiert werden. Zwar gebe es immer wieder Studien, die positive Effekte beim Einsatz von Homöopathika zeigen, die Mehrzahl der wissenschaftlich korrekten Studien (Cara verweist hier auf eine Übersicht von 1800 Studien, die von der australischen Regierung erstellt wurde - und die wiederum von Dr. Fisher kritisiert wird) wiedersprächen jedoch der Annahme, Homöopathie sei eine effektive Behandlungsmethode. Rachel Rettner stellt in „Fox News" die Frage, ob Homöopathika „helfen oder schaden" (Homeopathic treatments: Do they help or do they harm?), etliche andere Artikel fassen die Thesen von Ernst und Fisher zusammen und bieten die Möglichkeit, diese zu kommentieren. Nicht überall jedoch trifft die Veröffentlichung vom 14. Juli im „British Medical Journal" auf Verständnis. In den „ScienceBlogs" kritisiert ein Blogger namens Orac, dass es keinen guten Grund gebe, in einem angesehenen wissenschaftlichen Magazin eine Debatte über (die magisch-esoterische Methode) Homöopathie zu veröffentlichen, ebensowenig wie es einen Grund gebe, etwa eine Debatte über Kreationismus zu publizieren. Sicher führten derartige Artikel zu mehr Zugriffen, aber die Herausgeber müssten sich laut Orac fragen, ob diese dann das Gespött wert waren.
Immerhin, der Artikel im „British Medical Journal" listet die gängigsten Argumente von Homöopathiebefürwortern sowie deren Kritikern auf, vertreten durch zwei Fachleute, die beide Erfahrungen als Vertreter der evidenz-basierten Medizin sowie mit ,,alternativen" Behandlungsmethoden haben. Edzard Ernst selbst wägte in seinem Blog vor wenigen Stunden kritisch ab, ob es sinnvoll ist, sich an einer derartigen Gegenüberstellung zu beteiligen (er kannte beim Verfassen seines Artikels den Text von Peter Fisher nicht) kommt jedoch in seinem Fall zu der Überzeugung, dass es richtig war. Er äußerte die Hoffnung, weil das „British Medical Journal" so ein exzellentes Journal sei, mögen die beiden Artikel die Debatte überleben und einige Leute mögen diese sorgfältig lesen und die Quellen prüfen. Nach Abwägung der Argumente müsste es den Lesern dann möglich sein, Fakt und Fiktion zu trennen.
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Holger von Rybinski