14.01.2011 (GWUP): Alles wieder auf Anfang: Nachdem 2009 ein Volksbegehren trotz des Widerstandes des damaligen Gesundheitsministers zu Gunsten der Erstattung alternativer Behandlungsmethoden ausfiel , hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) nun entschieden, dass fünf Verfahren der Alternativmedizin vom 1. Januar nächsten Jahres befristet bis einschließlich 2017 wieder vergütet werden können. Befristet, weil die Neuraltherapie, die Homöopathie , die Phytotherapie, die anthroposophische Medizin und die traditionelle chinesische Medizin, die unter bestimmten Voraussetzungen wieder erstattungsfähig sein sollen, eigentlich die Kriterien für eine Erstattungsfähigkeit nicht erfüllen, u. a., weil wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit dieser Behandlungsmethoden fehlen. Weil dem Eidgenössischen Departement des Inneren jedoch die Entscheidungskompetenz über die Erstattungsmöglichkeiten obliegt, wurde diese Kompromisslösung gesucht. In den folgenden fünf Jahren sollen die kritischen Aspekte zur Erstattungsfähigkeit noch einmal geprüft werden, Vertreter der Alternativmedizin sollen an einem Konzept zur Evaluation mitarbeiten (was interessant werden dürfte), außerdem soll eine international anerkannte Institution die Wirksamkeit dieser komplementärmedizinischen Methoden prüfen (wir schlagen die Cochrane-Gesellschaft vor), die bis 2015 ein Gutachten sowie Empfehlungen für oder gegen die Bezahlung der Anwendungen abgeben. Dann wird die EDI neu entscheiden und der Regierung Vorschläge für die weitere Vorgehensweise unterbreiten. Außerdem wird über die Schaffung von Diplomen für komplementärmedizinische Studiengänge nachgedacht.
Ähnlich wie in Deutschland, wo der Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach letztes Jahr eine Diskussion über die Erstattungsfähigkeit von Homöopathika in Gang brachte (GWUP berichtete) , wird nun also auch in der Schweiz wieder über die Wirksamkeit von Anwendungen diskutiert, die eigentlich gut untersucht und deren Unwirksamkeit und Gefahren auch gut dokumentiert sind. Kritiker, wie der Basler Gesundheitsökonom Heinz Locher in einem Interview mit der ,,Basler Zeitung" fürchten einen ,,Dammbruch" und eine Aufweichung der Kriterien für die Kostenerstattung von Therapien. Schließlich genügten seiner Ansicht nach auch viele schulmedizinische Methoden nicht den Kriterien der evidenzbasierten Medizin. Anstatt auch diese strengeren Überprüfungen zu unterziehen, würden nun Therapien erstattet, von denen schon bekannt sei, dass sie die notwendigen Voraussetzungen nicht erbrächten. Er glaubt nicht, dass es den Komplementärmedizinern gelingen wird, die Wirksamkeit ihrer Methoden zu beweisen. Den gewünschten Bericht von 2017 könne man ,,..heute schon schreiben. Man wird wieder gleich weit sein." Immerhin, es war der Wille der Schweizer, derartige Methoden wieder über die Krankenkassen erstatten zu lassen, und der muss natürlich respektiert werden. Aber die unpopuläre Entscheidung, unwirksame Anwendungen nicht durch die Krankenkassen bezahlen zu lassen, wird wieder verschoben. Offensichtlich ist es den Verantwortlichen nicht gelungen, die Öffentlichkeit über Risiken und Gefahren der umstrittenen Therapien aufzuklären. Hier besteht noch viel Arbeit für Verbraucherschützer.
Holger von Rybinski