Dr. Norbert Aust
31.01.2021 (GWUP): Heute vor genau fünf Jahren wurde das Informationsnetzwerk Homöopathie (INH) gegründet, ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern und wissenschaftlich interessierten Laien, mit dem Ziel, die Öffentlichkeit mit kritischen, wissenschaftlich korrekten Informationen über die weit verbreitete Homöopathie zu versorgen. Anlässlich des Jubiläums haben wir einem der Gründungsmitglieder, dem Maschinenbauingenieur Dr. Norbert Aust, ein paar Fragen gestellt.
GWUP: Norbert, zunächst herzlichen Glückwunsch zum 5-jährigen Bestehen des ,,Informationsnetzwerkes Homöopathie! Das INH wurde seinerzeit ziemlich schnell mit großem Medienecho aus der Taufe gehoben. Was habt ihr in der Zwischenzeit erreicht?
Norbert Aust: Danke für die Glückwünsche. Als Skeptiker weiß man natürlich, was ein Post-hoc-ergo-propter-hoc-Fehlschluss ist. Demnach können wir zwar sehen, welche Veränderungen eingetreten sind, aber es wäre vermessen, dies alleine unserem Wirken zuzuschreiben, schließlich weht der Homöopathie derzeit auch international der Wind ins Gesicht. Aber wir sind sicher, zumindest einen Anteil geleistet zu haben, nämlich
- dass sich inzwischen 10 von 17 Landesärztekammern auf ihren Ärztetagen gegen einen Verbleib der Zusatzbezeichnung Homöopathie in den Landesweiterbildungsordnungen entschieden haben,
- dass in den Medien weitaus kritischer zur Homöopathie berichtet wird als vor fünf Jahren,
- dass die Homöopathie auch in der Politik zum Thema geworden ist, man denke an die Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen 2019, auf der das Verhältnis zur Homöopathie diskutiert werden sollte,
- dass die Umsätze von Homöopathika zurückgehen.
GWUP: Was waren und was sind die größten Schwierigkeiten, mit denen das INH bisher zu kämpfen hatte?
Norbert Aust: Wie zu erwarten, haben sich die Homöopathieorganisationen in Deutschland klar gegen uns positioniert und können natürlich erheblich mehr personelle und finanzielle Mittel einsetzen. Das größte Problem sehe ich allerdings in dem hohen Ausmaß, in dem vollkommen irrationale Argumente seitens unserer Gegenspieler verfangen und die Bereitschaft der Menschen, ihre Überzeugungen zu hinterfragen, generell offenbar nur sehr gering ausgeprägt ist. Besonders schwerwiegend ist das, wenn dies bei Ärzten und Naturwissenschaftlern der Fall ist. Man stelle sich nur einmal vor: Organisationen und Einzelpersonen, die mit der Homöopathie ihren Lebensunterhalt zu einem mehr oder weniger großen Teil bestreiten, werfen uns wirtschaftliche Interessen vor!
GWUP: Trotz der Aufklärungsarbeit des INH scheinen Homöopathie und andere „alternative" Behandlungsmethoden unverändert fest im deutschen Gesundheitswesen verankert zu sein. Woran liegt das? Liegt nicht auf der Hand, dass die Homöopathie keine Alternative zur evidenz-basierten Medizin sein kann?
Norbert Aust: Ja, das ist das, was mich in den letzten fünf Jahren am meisten erstaunt hat und es immer noch tut: Fakten, die klar auf der Hand liegen, werden geleugnet. Wenn die Homöopathie so wirkmächtig wäre, wie ihr von interessierten Kreisen zugeschrieben wird, dann müsste es doch ein Leichtes sein, dies in geeigneter Form nachzuweisen. Wieso ist es so schwierig zu erkennen, dass es ausschließlich in der Homöopathie so sein soll, dass weniger bis kein Wirkstoff mehr bewirkt? Das ist in der ganzen Pharmazie andersherum, in Naturwissenschaft, Technik und täglichem Leben. Kein Mensch würzt Suppe, indem er sie verdünnt. Trotzdem werden die Postulate der Homöopathen als zutreffend angesehen.
GWUP: Seit einiger Zeit wird die Vereinigung von Frau Professor Hübner geführt, einer renommierten Onkologin und Kritikerin ,,alternativer" Heilmethoden. Hat sich dadurch an der Ausrichtung des INH etwas geändert?
Norbert Aust: Natalie Grams hat sich im Frühjahr 2020 wieder ihrem alten Beruf zugewandt und Frau Professor Hübner hat die Führung übernommen. Damit hat sich allerdings wenig in der Ausrichtung des INH verändert, wir haben die gleichen Ziele wie zuvor, wie sie in der Freiburger Erklärung niedergelegt sind. Wir wollen nach wie vor, dass den Menschen bewusst ist, dass die Homöopathie eine Pseudomedizin ohne über Placebo hinausgehende Wirksamkeit ist. Wir wollen, dass die Homöopathie aus dem öffentlichen Gesundheitswesen und aus den Universitäten als Bestandteil der diversen Curricula verschwindet. Aber wir mussten unsere Arbeitsweise ändern, nicht zuletzt wegen Corona. Seit Frühjahr wurden praktisch alle öffentliche Auftritte abgesagt, über die die Medien hätten berichten können. Außerdem haben die Entscheidungsträger im Gesundheitswesen jetzt wirklich heftigere Sorgen und größere Probleme als die Homöopathie.
GWUP: Vor dem Lockdown aufgrund der derzeitigen Pandemie haben Natalie Grams und du selbst jedes Jahr zahlreiche kritische Vorträge über die Homöopathie gehalten. Oft wurdet ihr von Leuten aus dem Publikum heftig angegangen. Natalie Grams hat sich mittlerweile aus beruflichen Gründen etwas zurückgezogen. Wirst du selbst nach der Pandemie wieder Vorträge halten?
Norbert Aust: Im Prinzip ja. Wie die Werbung für Homöopathie als Prophylaxe oder Therapie bei Covid-19 zeigt, besteht nach wie vor ein sehr großer Bedarf an Aufklärungsarbeit. Und diese wird nicht leichter, angesichts dessen, wie leicht die Menschen heutzutage reihenweise auf völlig absurde Verschwörungstheorien hereinfallen. Man wird aber einiges aufwenden müssen, um dieses Thema wieder in den Blickpunkt zu rücken.
GWUP: Angenommen, das INH erreicht sein Ziel, und es werden eines Tages keine öffentlichen Gelder mehr für homöopathische Anwendungen bereitgestellt. Wird dann die Aufklärungsarbeit eingestellt?
Norbert Aust: Gute Frage. Angenommen, alle Menschen haben das kritische Denken verinnerlicht? Was macht dann die GWUP? Ich glaube, die Lösung dieses Problems können wir beruhigt auf den Zeitpunkt verschieben, wenn das Problem eingetreten ist.
GWUP: Norbert, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg für eure Arbeit beim INH!
Die Fragen stellte Holger von Rybinski