24.04.2018 (GWUP): Ein weltweiter Umstieg auf biologische Landwirtschaft in in reiner Form hätte erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt und auf die Lebensgrundlagen der Menschen.
Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle, von der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) finanzierte umfassende Studie von Eva-Marie Meemken und Matin Qaim [1] von der Universität Göttingen.
Gleichzeitig unterstreicht die Studie, dass Öko-Landbau durchaus unter bestimmten Bedingungen und in bestimmten Regionen eine sinnvolle Alternative sein kann und auch positive Auswirkungen hat. Weder die Hochstilisierung von Bio als das Leitbild für global nachhaltige Landwirtschaft noch die pauschale Ablehnung seien gerechtfertigt. Für die Untersuchung werteten Eva-Marie Meemken und Matin Qaim rund 150 Einzelstudien, Übersichtsstudien und Meta-Analysen zu den Effekten des Ökolandbaus in unterschiedlichen Teilen der Welt aus. Lesen Sie im Folgenden eine Zusammenfassung.
Bio-Anbau weltweit
Heute wird lediglich auf 1 % der gesamten Agrarfläche nach Bio-Prinzipien angebaut, wobei Australien mit fast 45% den Spitzenreiter stellt. Deutschland liegt mit rund 2 % der weltweiten Biofläche noch hinter China und Indien. Mit 88 % befinden sich die meisten Biobauern in Asien, Afrika und Lateinamerika. Indien hat mit 600 000 Bauern die meisten Biobauern.
In Asien, Afrika und Lateinamerika produziert der Bio-Landbau hauptsächlich für den Exportmarkt. Entscheidend für Biobauern in diesen Ländern ist der Zugang zu hochpreisigen Premiummärkten, vor allem in Europa und Nordamerika, sowie die Unterstützung durch Regierungen und Entwicklungshilfe. In den jeweiligen Ländern selbst spielen Bioprodukte kaum eine Rolle. Dort ist lediglich eine kleine Oberschicht bereit, die Premiumpreise zu bezahlen.
Hinderlich für Bio sind die strikten Vorschriften für den Einsatz von risikoreduzierenden Maßnahmen, wodurch der Ernteertrag gefährdet sein kann.
Was ist Bio?
Für den biologischen Landbau hat man sich auf eine Reihe von Vorschriften geeinigt. Beim Ackerbau sind dies u.a.:
- Verbot von synthetischen Düngemitteln und chemischen Pestiziden,
- Verbot von Gentechnik,
- Verbot von Klärschlamm,
- ausschließliche Nutzung von organischem Saatgut und lokal adaptierten Sorten,
- Praxis der Fruchtfolge, Einsatz von organischen Düngemitteln sowie Beschränkung auf mechanische, biologische und thermische Schädlingsbekämpfung.
Bei der Tierproduktion gelten:
- Verbot von Wachstumshormonen und prophylaktischer Anwendung von Antibiotika,
- Verbot von Gentechnik,
- Tierhaltung, die natürliches Verhalten der Tiere erlaubt, u.a. genügend Raum und Zugang zu Weiden,
- Verwendung von organischen Futtermitteln.
Um als Bio zu gelten, müssen alle Bedingungen eingehalten werden. Die Einhaltung von „Fairtrade“-Bedingungen bzw. fairem Handel hingegen ist keine Voraussetzung.
Unterschiede beim Ertrag
Insgesamt zeigt sich, dass der Ertrag im Biolandbau niedriger liegt als in der konventionellen Landwirtschaft. Drei umfassende Metaanalysen [2,3,4] belegen für Bio eine Ertragslücke von 19 – 25 %. Eine frühere Übersichtsstudie [5], die dem ökologischen Landbau zum Teil höhere Erträge bescheinigte, wurde wegen methodischer Mängel stark kritisiert.
Während der Ackerboden im Öko-Landbau einen höheren Humusgehalt mit besserer Wasserspeicherung und mehr Mikroorganismen hat, sind die Nährstoffversorgung der Pflanzen und die Schädlingsbekämpfung komplizierter als in der konventionellen Landwirtschaft.
Die Nährstoffversorgung weist auch auf eine andere Problematik hin: Für einen erfolgreichen Bio-Landbau ist mehr Wissen erforderlich. Da alle Metaanalysen sich eher auf experimentelle Flächen berufen, kann die Lücke im Praxisbetrieb höher ausfallen, wo ein ähnlich hoher Wissensstand nicht vorausgesetzt werden kann. Das gilt vor allem in Asien, Afrika und Lateinamerika. Für manche Getreidesorten kann so die Ertragslücke im realen Betrieb 50 % oder mehr betragen.
Nährwert und Gesundheitseffekte
Obgleich Produkte aus ökologischem Landbau insgesamt weniger Pestizidrückstände aufweisen, ist die gesundheitliche Relevanz vor allem in Europa fraglich, da hier für alle Lebensmittel strenge Vorschriften und maximal zulässige Grenzwerte gelten. Bei Verunreinigung durch Bakterien oder Pilze gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen Biolebensmitteln und solchen aus konventioneller Landwirtschaft.
Auch beim Vergleich der Nährstoffe zeigt sich ein gemischtes Bild. So enthalten Bio-Lebensmittel mehr sekundäre Pflanzeninhaltstoffe, aber weniger Aminosäuren und Proteine. Kohortenstudien zufolge wirken sich ökologisch produzierte Produkte positiv auf Allergien und Ekzeme aus, während systematische Übersichtsstudien keinen Unterschied fanden.
Die beschränkte Evidenz erlaubt keine allgemeinen Schlussfolgerungen im Vergleich von Nährwert oder Gesundheitseffekten. Die Schwankungen unter Produkten aus biologischem Anbau und unter denen aus konventionellem Anbau sind größer, als die Unterschieden zwischen den beiden Kategorien.
Umwelteffekte
Landwirtschaft wirkt sich negativ auf Klimawandel, Biodiversität, Ackerboden und Wasserqualität aus. Der Glaube an den vermeintich schonenderen Bio-Landbau veranlasst Regierungen zu Fördermaßnahmen.
Doch auch hier sind die Studienergebnisse sehr gemischt. Während Bio einen Vorteil beim Energieverbrauch nicht nur nur im Hinblick auf die angebaute Fläche, sondern auch bezogen auf die Produktionsmenge hat, gibt es bei den Emissionen insgesamt keinen nennenswerten Unterschied.
Bei Nährstoffauswaschung und dem Eintrag ins Grundwasser schneidet der Öko-Landbau sogar schlechter ab als die konventionelle Landwirtschaft, insbesondere, weil es schwieriger ist, eine Balance zwischen dem Bedürfnis an Nährstoffen und der Nährstoffversorgung der Pflanzen zu finden. Tierischer Dünger kann im Vergleich zu synthetischen Düngern sogar zu einem erhöhten Eintrag von Stickstoff und Phosphor in die Umwelt führen.
Während die Verunreinigung der Gewässer mit synthetischen Pestiziden bei Bio ausbleibt, hat die Verwendung von kupferbasierten Pflanzenschutzmitteln bei Bio durchaus negative Auswirkungen auf das Leben in den Gewässern.
In Sachen Ackerbodenqualität haben ökologisch bewirtschaftete Anbauflächen eindeutig die Nase vorn, sowohl was die Fähigkeit zur Wasserspeicherung betrifft, als auch den Reichtum an Mikroorganismen.
Weiter weisen Bio-Landflächen ziemlich klar eine höhere Biodiversität auf. Der ökologische Landbau benötigt jedoch für die gleiche Produktionsmenge mehr Ackerfläche als die konventionelle Landwirtschaft. Insgesamt kann die höhere Biodiversität auf Bio-Ackerflächen den höheren Verbrauch an Land und die damit verbundene Inanspruchnahme von Lebensräumen für Flora und Fauna nicht wettmachen.
Kann Bio die Welt ernähren?
Die Autoren der Studie halten es für unrealistisch, die ökologisch bewirtschaftete Agrarfläche von derzeit 1 % auf 100 % auszubauen. Gleichwohl spielen sie ein solches Szenario durch:
Wir können nicht davon ausgehen, dass alle künftigen Biobauern das notwendige Knowhow besitzen oder erwerben. Deshalb muss bei einem weltweiten Umstieg auf Öko-Landbau von einer Vergrößerung der Agrarfläche zwischen 43 % und 67 % gegenüber dem konventionellen Betrieb ausgegangen werden. Zudem weisen die Autoren darauf hin, dass Biobauern stark auf tierischen Dünger angewiesen sind. 100 % Bio-Agrarfläche würde also einen Ausbau der Nutztierhaltung und damit einen größeren Bedarf an Futtermitteln erfordern. Eine Alternative wäre der Anbau von mehr Hülsenfrüchten zur Deckung des Stickstoffbedarfs, was wiederum mehr Ackerland benötigt. In seiner Gesamtheit hätte ein kompletter Umstieg auf Bio negative Auswirkungen auf Treibhausgasemissionen und Biodiversität.
Die Autoren weisen darauf hin, dass theoretische Simulationen gezeigt hätten, dass wir auch im Jahr 2050 bei kompletten Umstieg auf Biolandbau nicht mehr Landfläche brauchen würden, wenn alle sich die gesamte Menschheit vegan ernähren würde und es keine Verluste durch Verschwendung und Transport gäbe. Sie halten es jedoch für fraglich,ob eine rein vegane Ernährung realistisch oder aus gesundheitlichen Gründen wünschenswert wäre. Auch Null-Verluste seien unrealistisch. Eine reine vegane Ernährung der Weltbevölkerung passe auch nicht mit dem zusätzlichen Bedarf an tierischem Dünger zusammen, der bei einem gleichzeitigen und vollständigen Umstieg auf Bio verbunden wäre.
Ein wesentliches Problem für die Nachhaltigkeit stellen die höheren Preise dar. In reichen Ländern geben Konsumenten gern mehr Geld für Bio aus. Doch wenn Haushalte die Hälfte des Einkommens für Lebensmittel ausgeben, wie in vielen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas, ist es kaum vertretbar, ihnen nur noch teure Bioprodukte anzubieten.
Studien zu den sozioökonomischen Auswirkungen des ökologischen Landbaus zeigen gemischte Ergebnisse. Während manche Biobauern in Asien, Afrika und Lateinamerika durchaus besser dastehen, sollten wir dabei nicht vergessen, dass sie derzeit hauptsächlich für den Export in Premiummärkte produzieren. Biobauern erhalten zudem sowohl bei Anbau als auch bei der Vermarktung viel technische Unterstützung und werden oft auch finanziell durch Entwicklungsprojekte gefördert. Dieser Vorteil gegenüber konventionellen Landwirten würde verschwinden, sobald Techniken einer guten Agrarpraxis auch allgemein zur Verfügung gestellt werden. Dieser Vorteil würfde ebenfalls schwinden, wenn alle Bauern auf Bio umsteigen, denn das spezielle Knowhow erfordert intensives Training, welches nicht flächendeckend für alle Bauern gleichermaßen gewährleistet werden kann.
Schlussfolgerungen der Autoren
Die weit verbreitete Einschätzung von Verbrauchern aus reichen Ländern, Öko-Landwirtschaft sei grundsätzlich gesünder oder umweltschonender, lässt sich so nicht bestätigen. Bio-Landbau in Reinform erweist sich als untaugliches Modell für die Welternährung. Trotzdem ist es sinnvoll, ökologischen und konventionellen Anbau intelligent zu kombinieren. Vor allem das Verbot von Pestiziden und synthetischen Düngemitteln sowie von Gentechnik erschwert eine ausreichende Nährstoffzufuhr und effiziente Schädlingsbekämpfung.
Eine globale Umsetzung hin zu einer Bio-Agrarwirtschaft ist nicht nachhaltig wegen des hohen Aufwandes an ausreichender Wissensvermittlung über diese Art der Landwirtschaft in Asien, Afrika und Lateinamerika, sowie wegen des drohenden Verlustes des Lebensraumes für Lebewesen.
Trotzdem kann Bio unter bestimmten Umständen durchaus sinnvoll sein. Bauern können in wohlorganisierten zertifizierten Märkten, in denen Verbraucher bereit sind, hohe Premiumpreise zu zahlen, erfolgreich agieren. Allerdings ist dies kein Rezept für Länder mit niedrigerem Einkommen.
Einige Bioverfahren haben deutliche Vorteile, zum Beispiel in der Qualität des Ackerbodens, aber solche Vorteile können weiter verbessert werden, wenn moderate Mengen synthetischer Düngemittel erlaubt wären. Die Autoren plädieren für eine Überwindung der ideologischen Barrieren der Befürworter und Gegner der Biolandwirtschaft hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft.
Abschließend plädieren die Autoren für mehr Forschung über die Auswirkungen von Bio- und konventioneller Landwirtschaft, sowie für deren Vergleich mit noch besserer Methodik. Diese sollten die immer vorhandenen störenden (confounding) Faktoren und Variablen ausschließen oder zumindest reduzieren. Das Ziel soll ein besseres Verständnis darüber sein, welche Faktoren sowohl aus der Bio-Landwirtschaft, als auch aus konventionellem Anbau sinnvoll im Sinne der Nachhaltigkeit sind, und welche nicht.
Ich weise auch auf eine englische Zusammenfassung der Studie von Mark Lynas [6], die Pressemitteilung der Universität Göttingen [7], sowie auf ein Interview mit Prof. Qaim [8] hin.
Amardeo Sarma
Referenzen
[1] Meemken, EM, Qaim M. Organic Agriculture, Food Security, and the Environment. Annu. Rev. Resour. Econ. 2018. 10:4.1–4.25. https://doi.org/10.1146/annurev-resource-100517-023252
[2] Seufert V, Ramankutty N, Foley JA. 2012. Comparing the yields of organic and conventional agriculture. Nature 485:229–32
[3] de Ponti T, Rijk B, van Ittersum MK. 2012. The crop yield gap between organic and conventional agriculture. Agric. Syst. 108:1–9
[4] Ponisio CP, M’Gonigle LK, Mace KC, Palomino J, de Valpine P, Kremen C. 2015. Diversification practices reduce organic to conventional yield gap. Proc. R. Soc. B 282:20141396
[5] Badgley C, Moghtader J, Quintero E, Zakem E, Chappell MJ, et al. 2007. Organic agriculture and the global food supply. Renew. Agric. Food Syst. 22:86–108
[6] Lynas, M. New study challenges beliefs about organic ag. https://allianceforscience.cornell.edu/blog/2018/04/new-study-challenges-beliefs-organic-ag/
[7] Georg-August-Universität Göttingen. Presseinformation: Effekte des Ökolandbaus auf Klima, Umwelt und Gesundheit. Nr. 72/2018 - 06.04.2018 http://www.uni-goettingen.de/de/effekte+des+%c3%96kolandbaus+auf+klima%2c+umwelt+und+gesundheit/585830.html
[8] NeFo-Interview mit Professor Matin Qaim. Schwarzweißmalerei zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft überwinden. 16. April 2018. http://www.biodiversity.de/produkte/interviews/Matin_Qaim