14.04.2018 (GWUP): Am 12.04.2018 versammelte die ,,ZEIT-Doctor"-Redaktion in Berlin eine interessante Diskussionsrunde. Erörtert wurde, warum viele Menschen trotz immer größerer Fortschritte in der modernen Medizin auf ,,alternative" Heilmethoden zurückgreifen.
„Glauben oder Wissen? Patientenbedürfnisse zwischen Schul- und Alternativmedizin" lautete die den Bildern der Aufzeichnung nach offenbar gut besuchte Veranstaltung. Dazu fanden neben der Wissenschaftsjournalistin Claudia Wüstenhagen (als Moderatorin) Professor Gerd Antes von Cochrane Deutschland, Professor Gustav Dobos, der eine Klinik für Naturheilkunde und integrative Medizin leitet, der Psychologe Professor Winfried Rief von der Universität Marburg und Professor Eckhard Nagel von der Uni Bayreuth zusammen. Gleich zu Anfang empfahl Gert Antes, Patienten sollte eine Frage immer im Hinterkopf haben: „Wo ist der Beweis?". Es sei gefährlich, irrationalle Entscheidungen zu treffen und fortschrittliche Methoden ungenutzt zu lassen oder den richtigen Zeitpunkt für eine wirksame Behandlung zu verpassen. Eckhard Nagel wies darauf hin, durchaus verständliche Angst sei der ,,größte Treiber, sich irrational zu verhalten". Aber bei der Medizin sei man angewiesen auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Eindrucksvoll schilderte anhand eines dramatischen Beispielsaus der eigenen Familie, wie ein Antibiotikum erfolgreich eingesetzt werden konnte. Das ging nur, weil die Wirkung von Medizin wissenschaftlich nachgewiesen war. Auch der Einwand, dass sich viele einst etablierte Therapien im Nachhinein als überflüssig erwiesen haben, wie etwa unnötige Röntgenaufnahmen, oder Knieathroskopie, wurde diskutiert. Dies bereite vielen Patienten Schwierigkeiten, der evidenzbasierten Medizin zu vertrauen. Gerd Antes meinte, auch in der Schulmedizin werde viel falsch gemacht. Aber bewusst auf sicher nachgewiesene Methoden zu verzichten, das sei nicht nachzuvollziehen. Der Fachmann für Naturheilverfahren Gustav Dobos wies darauf hin, dass auch pflanzliche Arzneien starke Nebenwirkungen haben und beispielsweise die Wirksamkeit von Chemotherapien beeinträchtigen können. Der Psychologieprofessor Rieff erläuterte, wie wichtig die Arzt-Patienten-Beziehung bei der Wirkung von Medikamenten ist, wie Placebos wirken und was der Nocebo-Effekt ist. Dazu passend meinte Gerd Antes: „ Wir vergessen dabei, dass der mächtigste Arzt die Natur ist, ohne Unterstützung."
Gegen Ende der Gesprächsrunde, bei der auch die Zuschauer Fragen stellen konnten, wurde auch noch die Forderung laut, die Gesundheitserziehung schon in der Schule beginnen zu lassen.
Die 1 Stunde und 48 Minuten dauernde Aufzeichnung kann auf ZEIT online oder auf Facebook angesehen werden.
Holger von Rybinski