25.04.2017 (GWUP): Ich heiße Amardeo Sarma und bin hier als Vertreter der Skeptikerbewegung. Wir klären seit 30 Jahren über Pseudowissenschaften und Pseudofakten auf – also das, was man heute „alternative Fakten“ nennt.
Wissenschaftliche, evidenzbasierte Medizin
Beginnen möchte ich mit den Kritikern der wissenschaftlichen Medizin. Wo stehen wir heute? Wer weiß noch, dass vor hundert Jahren hunderttausende von Menschen an Infektionen gestorben sind, gegen die wir heute wirksame Impfungen haben? Das kennen wir nur noch aus Geschichtsbüchern. Ein Kind, das heute in New Delhi geboren wird, hat eine höhere Lebenserwartung als der reichste Mann, die reichste Frau von vor zweihundert Jahren. Wie sind wir so weit gekommen?
Das haben wir vor allem der wissenschaftlichen Medizin zu verdanken – und damit der Impfung. Doch eine perfide Anti-Kampagne macht Stimmung gegen diese unschätzbare Errungenschaft: Ein Impfgegner-Streifen mit dem Titel "Vaxxed" läuft in den Kinos der Republik. Die Folge solcher Propaganda: Die Masern kehren zurück nach Deutschland und bringen Kindern den Tod.
An dieser Entwicklung hin zu Pseudowissenschaft in der Medizin sind wissenschaftliche Institutionen nicht ganz unschuldig. Die Homöopathie wird – man glaubt es nicht – an über 30 medizinischen Fakultäten in Deutschland angeboten: Pseudowissenschaftliche medizinische Verfahren an deutschen Universitäten und Kliniken. Wo sind die Professorinnen und Professoren, die sich dagegen wehren? Sagen wir Nein zu alternativen Fakten. Gerade in der sogenannten „alternativen Medizin“!
Wissenschaft unter Beschuss
Allein mit dem Ablehnen von Pseudofakten ist es nicht getan. In gleichem Maße müssen wir Wissenschaft verteidigen. Genau dies schrieb schon mein Freund Kendrick Frazier, Chefredakteur der Zeitschrift Skeptical Inquirer, in seinem Buch „Science under Siege“ auf Deutsch: „Wissenschaft unter Beschuss“.
Er griff darin die bedeutenden Themen auf – Klimawandel, Impfungen, Evolution – schon vor vielen Jahren!
Der Forschungsstand zum Klimawandel ist Grundlage für dringend notwendige Entscheidungen zur Rettung des Weltklimas. Dennoch werden diese Daten von einigen beiseite gewischt. Gemeinsam mit anderen Skeptikern haben wir ein viel beachtetes Statement zur Verteidigung der Klimaforschung veröffentlicht: „Deniers are not Skeptics“. Es geht bei den Gegnern um Leugnung, nicht um wissenschaftliche Skepsis. Viele, bis hin zu Nobelpreisträgern, haben unterschrieben.
Noch länger dauert der Kampf gegen die Leugnung der Evolutionstheorie an. In den Vereinigten Staaten laufen führende Politiker gegen die Evolutionstheorie Sturm. In der Türkei ist man schon einen Schritt weiter gegangen: Die Evolutionstheorie wurde gänzlich aus dem Lehrplan gestrichen. Und bei uns? Es sind nicht nur christliche Fundamentalisten oder Jehovas Zeugen an Bahnhöfen, die Evolution ablehnen. Diverse neue Gruppen kommen hinzu.
Bereiten wir uns also vor: Die Evolution als Lernstoff muss schon ab der Grundschule Pflicht werden.
Es ist einfach, die Stimme zu erheben, solange kein Widerstand zu befürchten ist. Was aber, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse vom Establishment und der öffentlichen Meinung geleugnet werden? Wenn es nur so von „Fake News“ wimmelt?
Beispiel Landwirtschaft: Unser heutiger Wohlstand basiert zu einem guten Teil auf der enormen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion durch die grüne Revolution und auf den Leistungen des Agrarwissenschaftlers und Friedensnobelpreisträgers Norman Borlaug. Die grüne Gentechnik eröffnet uns die Möglichkeit, auch die Ernährungssituation in Entwicklungsländern entscheidend zu verbessern. Doch einflussreiche Lobbygruppen in Europa und den USA stellen sich quer.
Beispiel "Golden Rice": Diese Reissorte wurde durch Gentechnik mit Vitamin A angereichert und kann Kinder in Asien und Afrika vor dem Erblinden oder sogar dem Tod retten. Doch einflussreiche Lobbygruppen in Deutschland und Europa tragen dazu bei, dass in Afrika und Asien Golden Rice nicht angebaut wird.
Auch andere Errungenschaften der Gentechnik werden der Bevölkerung von Entwicklungsländern vorenthalten. In Tansania wurde kürzlich – da gentechnisch erzeugt – dürreresistenter Mais einfach verbrannt. Er könnte vielen Menschen in dem armutsgeplagten Land das Leben retten. Mischen wir uns ein für Golden Rice und für dürreresistenten Mais in Afrika. Setzen wir uns auch hier für Wissenschaft ein!
Schluss und Einladung
Blicken wir trotz all dem optimistisch in die Zukunft: Das Ziel der Vereinten Nationen, die absolute Armut bis 2030 aus der Welt zu schaffen, ist greifbar nahe. Wir sind auf gutem Wege dahin. Aber: Um es zu erreichen, müssen wir uns an Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren. Und uns gegen Pseudowissenschaften und "alternative Fakten" zur Wehr setzen.
Die Initiative March for Science kommt zur richtigen Zeit, um ein Zeichen für Wissenschaft zu setzen. Tun wir alles dafür, dass heute erst der Anfang ist!
In diesem Sinne machen wir Skeptiker in einer Woche weiter. Bei der SkepKon in der Berliner Urania geht es vom 29. April bis 1. Mai 2017 um Klimawandel, Verschwörungstheorien und Pseudomedizin.
Wissenschaft und Fakten sind unabdingbar für unsere Zukunft. Dass sie außerdem auch spannend und unterhaltsam sein können, werden wir mit Witz und Humor beweisen. Kommen Sie am 29. April nach Berlin zum Skeptical!
22.04.2017, Amardeo Sarma