13.06.2014 (GWUP): Letzte Woche veröffentlichten Schweizer Skeptiker einen Aufruf an die schweizerische Regierung, um gegen Pläne, unbewiesene „alternativmedizinische" Heilverfahren künftig von den gesetzlichen Krankenkassen erstatten zu lassen, zu protestieren. Wir fragten eine der Unterzeichnerinnen, die Molekularbiologin Jasmin Barman-Aksözen, nach den Gründen für diese Aktion.
GWUP: Sehr geehrte Frau Barman-Aksözen, sie gehören zu den Unterzeichnern des ,,Schweizer Appells". Was stört Sie an „alternativen" Heilverfahren?
Jasmin Barman-Aksözen: Bei den sogenannten alternativen Heilverfahren besteht kein Nachweis für die behauptete Wirkung. Als Patient kann man also mit einer Therapie behandelt werden, die nichts nützt, auch bei schweren Erkrankungen. Darüber hinaus werden bei alternativen Heilmethoden die Nebenwirkungen und Risiken nicht systematisch untersucht. Dabei enthalten gerade vermeintlich sanfte Heilmittel aus der Alternativmedizin häufig giftige Substanzen.
GWUP: Im Appell ist von einer „Verhöhnung des Volkswillens" die Rede. Ist es nicht so, dass sich die Schweizer Bevölkerung mit dem Volksentscheid 2009 eindeutig für die Erstattung komplementärer Behandlungsmethoden über die gesetzlichen Krankenkassen ausgesprochen hat?
J. B-A.: Nein, im Volksentscheid ging es lediglich um die „Berücksichtigung“ der Komplementärmedizin. Eine Qualitätskontrolle und der Nachweis der Wirkung sind trotzdem wichtig und notwendig. Niemand kann ernsthaft wollen, dass wirkungslose, ungeprüfte oder sogar gefährliche Substanzen an Patienten abgegeben werden. Eine solche Berücksichtigung ließe sich z. B. umsetzen, indem man mehr Forschungsmittel zur Verfügung stellt, um den Erfahrungsschatz der Pflanzenheilkunde (Phytomedizin) systematisch und wissenschaftlich zu untersuchen. Mit solchen Studien, die übrigens auch schon jetzt durchgeführt werden, kann man herausfinden, welche Substanzen aus Pflanzen eine erwünschte Wirkung haben und welche Nebenwirkungen verursachen und vermieden werden sollten.
GWUP: In Deutschland gibt es eine ähnliche Situation wie in der Schweiz mit dem so genannten „Binnenkonsens". Danach werden einzelne „alternativmedizinische" Verfahren wie die Homöopathie von den Krankenkassen erstattet, wenn sie zum Behandlungsstandard gehören, unabhängig von einem Wirkungsnachweis. Warum, glauben Sie, machen sich Politiker für solche wissenschaftlichem Denken widersprechenden Regelungen stark?
J.- B.-A.: Fälschlicherweise haben alternativmedizinische Methoden das Image, effektiv und frei von Nebenwirkungen zu sein. Lobbyisten fördern diesen Eindruck auch noch gezielt - mit Komplementärmedizin lässt sich eben auch viel Geld verdienen. Hier sehe ich einen großen Aufklärungsbedarf über die zum Teil sehr absurden Behauptungen der Alternativmedizin: Wenn man weiss, dass sogenannte „hochpotenzierte“ homöopathische Globuli aus reinem Zucker bestehen, der sich an bestimmte Wirkstoffe „erinnern soll“ wird man sich das doppelt überlegen, ob man sein krankes Kind damit behandelt. Niemand würde sich mit Haushaltszucker ernähren, auch wenn dieser mal eine Erbse oder Kartoffel gesehen hat - zum Gemüse wird der Zucker deshalb ja trotzdem nicht.
GWUP: Sie haben auf der „Skepkon" über Bleivergiftungen nach Ayurveda-Behandlungen referiert Sind die in der Schweiz nun zur Erstattung gedachten Verfahren wie Homöopathie und traditionelle chinesische Medizin nicht eher harmlos?
J. B.-A: Wie Ayurvedaprodukte auch, sind Mittel aus der sogenannten traditionellen chinesischen Medizin häufig mit Schwermetallen und Pestiziden belastet oder beinhalten sogar Giftpflanzen. Viele Befürworter wissen auch nicht, dass häufig Arzneimittel wie Steroide, starke Schmerzmittel und Antirheumatika beigemischt sind. Kein Wunder, wenn begeisterte Nutzer von Wirkungen berichten – da man allerdings nie weiß, welche Substanzen enthalten sind und in welchen Dosen und Mischungen, setzt man sich mit der Einnahme unkalkulierbaren Risiken aus. Homöopathie dagegen wird generell als ungefährlich dargestellt, da die Wirkung mit der Verdünnung steigen soll und die meisten Globuli keine Wirkstoffe mehr enthalten. Allerdings gibt es Mittel, die weniger verdünnt werden und damit toxische Substanzen wie Arsen oder Quecksilber in durchaus gefährlichen Mengen enthalten. Harmlos sind alternative Heilmethoden also mit Sicherheit nicht.
Frau Barman-Aksözen, vielen Dank für das Gespräch!
Holger von Rybinski