01.05.12 (GWUP): Hilft Akupunktur nun bei Reizdarmbeschwerden oder nicht? Neue Studien lassen wieder mal viele Fragen offen.
Wie die "Chicago Tribune" meldet, legen aktuelle, im "American Journal of Gastroenterology" präsentierte Studien nahe, dass Akupunktur bei Reizdarmbeschwerden besser als Medikamente helfen kann. Dann aber werden die Ergebnisse relativiert, da die Nadelung manchmal offenbar nicht besser als eine Scheinakupunktur wirkte. Eric Manheimer vom "Center for Integrative Medicine" der "University of Maryland School of Medicine" hält die Belege für die Wirksamkeit hier auch für "fragwürdig." Auf der Suche nach Alternativen zu den verschiedenen Medikamenten, die den Patienten mit Reizdarmsyndorm offenbar verabreicht werden (dem Artikel zufolge werden hier sowohl Mittel, die den Darm beruhigen, als vereinzelt offenbar auch Schmerzmittel sowie angsthemmende Medikamente verschrieben) und die Nebenwirkungen haben können, ist man nun offenbar bei der Akupunktur gelandet (Hypnose und Verhaltenstherapie sollen gut helfen). Das Reizdarmsyndrom ist aus ärztlicher Sicht ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von verschiedenen, meist funktionellen Störungen mit unterschiedlichen Ursachen. Bei fünf aktuellen Studien schnitt dabei die Scheinakupunktur nicht schlechter ab als die klassische Nadeltherapie. Chinesische Untersuchungen hingegen schienen Erfolge für die Akupunktur zu zeigen, wenn sie beispielsweise anstelle von Durchfallmitteln verabreicht wurde. Lt. Eric Manheimer haben die Studien jedoch einen Haken: Für die Tests, bei denen Akupunktur anstelle von Medikamenten verabreicht wurde, wurden Patienten von Kliniken für traditionelle chinesische Medizin herangezogen. Manheimer hält es für möglich, dass allein schon die Erwartungshaltung dieser Patienten die Ergebnisse beinflusst. Klingt logisch: Wer ohnehin schon an diese spezifische Behandlungsmethode glaubt, wird wohl eher eine Besserung empfinden als jemand, der der Akupunktur kritisch gegenübersteht. Ein anderes Problem sieht der Arzt (neben zu kleinen Versuchsgruppen) darin, dass es unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, was eine "Scheinakupunktur" ist: Wenn an anderen als den klassischen Akupunkturpunkten gestochen wird (und ein echter physiologischer Effekt ausgelöst wird) oder nur, wenn die Nadel gar nicht in die Haut eindringt? Auch dies scheint in den Untersuchungen nicht immer klar gewesen zu sein, weshalb Manheimer vorschlägt, bei künftigen Untersuchungen größere (Scheinakupunktur-) Gruppen zu untersuchen als in den chinesischen Studien. Außerdem wäre es interessant, im Vorfeld der Behandlung die Erwartungshaltung der Patienten zu ermitteln, um beispielsweise zu sehen, ob diejenigen, die im Vorfeld bereits eine Besserung erwarten, später auch eher von einer Linderung ihrer Beschwerden berichten.
Über die Wirksamkeit der Akupunktur wird seit langem diskutiert. Während bei einzelnen Schmerzbehandlungen positive Wirksamkeitsstudien vorliegen, fehlt bei vielen anderen Indikationen ein Wirksamkeitsnachweis (siehe hierzu auch den GWUP-Themeneintrag Akupunktur). Ein älterer Artikel im "Ärzteblatt"sieht immerhin eine positive Wirkung bei Reizdarmpatienten durch die Betreuung während der Therapie, ansonsten scheint hier eine starke Placebowirkung vorzuliegen.
Im Zweifel bitte den Arzt fragen.
Holger von Rybinski