Von Krista Federspiel, Elisabeth Ponocny-Seliger, Ivo Ponocny, Andreas Hergovich
Wir Wiener Skeptiker haben eine Versuchsreihe mit Geistheilern durchgeführt, die in Zusammenarbeit mit einer Fernsehredaktion öffentlich vorgestellt wurde. Von den Testergebnissen und von unseren Erfahrungen mit der seltsamen Berufsgruppe und dem Medium handelt unser Bericht.
Im Oktober des vergangenen Jahres wandte sich ein Redakteur der Sendereihe „helpTV" an die Wiener Regionalgruppe der GWUP mit der Idee, gemeinsam einen Beitrag über Geistheiler
zu gestalten. „Help TV" ist ein zweiwöchentliches Konsumentenschutz-Magazin des österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Voll Tatendrang sagten wir zu und einigten uns bald auf einen Test ähnlich dem, den die Schülerin Emily Rosa in den USA mit Praktikern des Therapeutic Touch durchgeführt hatte (Rosa 1998): Die zugrunde liegende Idee besteht darin, dass jemand, der das sogenannte Energiefeld eines Klienten wahrnehmen und auch beeinflussen will, zumindest spüren können sollte, ob sich dort überhaupt ein (Energie ausstrahlender) Körper befindet. Wir boten an, die Tests kostenfrei durchzuführen; die Fahrtspesen der Kandidaten wollte „helpTV" erstatten und das Ergebnis der Tests in der Sendung vorstellen. Im Gegenzug wurde uns eingeräumt, die Gestaltung des TV-Beitrags zu kontrollieren und eine Videoaufnahme der Sendung nach unserem Belieben im Rahmen von Vorträgen u. ä. zu verwenden.
Aufruf im Fernsehen
Ende Oktober 2004 rief „help TV" zum Geistheilertest auf und lockte auch mit dem 1-Million-Dollar-Preis, den James Randi in den USA für nachweislich PSI-Fähige ausgesetzt hat. Bis Weihnachten meldeten sich 39 Heiler aus ganz Österreich und sogar aus Nachbarländern an, offenbar fasziniert von der Vorstellung, ins Fernsehen zu kommen. Die Namens- und Adressliste wurde uns übergeben; wir telefonierten mit allen Interessenten und erklärten ihnen das Testdesign. Einige äußerten Bedenken, weil der Versuch sich von ihrer üblichen Tätigkeit deutlich unterschied. Etliche befanden ihn durchaus als ihren Fähigkeiten entsprechend, wenn nicht sogar als ihre „Spezialität". Dieser Punkt sei gleich an dieser Stelle erwähnt, da wir nachher mit der Kritik konfrontiert wurden, der Versuch sei völlig irrelevant und zeige nur unser Unverständnis auf. Vor der Bekanntgabe der Ergebnisse waren alle Kandidaten mit dem Design aber durchaus einverstanden und bestätigten dies durch ihre Unterschrift unter den Vertrag, der die Zustimmung zu den Testbedingungen und Fernsehaufnahmen enthielt.
An drei Nachmittagen im Jänner und zwei weiteren Terminen im Februar wollten wir die Tests durchführen. Welch ein Glück, dass wir allen Kandidaten geraten hatten, daheim Vorversuche zu machen, um sich eine vergebliche Anreise zu ersparen. Daraufhin sagten einige ab - „Ich hatte gedacht, das sei ein Kinderspiel, aber ich schaffe es nicht!", gab eine Kandidatin unumwunden zu - und der reichliche Schneefall sorgte für weitere Absagen. Interessant war die Reaktion zweier akademischer Geistheiler - der eine ein Elektrotechniker, der andere ehemaliger Lehrer: Sie riefen mehrmals an, wollten den Test bezweifeln, diskutieren, verändern - und sagten im letzten Moment ebenfalls ab. Es blieb genug zu tun. Ohne das Engagement unserer Mitglieder Erich Eder, Christiane Viola und der Autoren und ohne die Mithilfe des Studienassistenten von Andreas Hergovich, Reinhard Schott, sowie seiner Praktikanten vom Institut für Psychologie hätten wird das Projekt kaum geschafft. Weil uns einige der Kadidaten sehr seltsam anmuteten, beschloss Hergovich, ihnen vor dem Test auch noch den Fragebogen eines Persönlichkeitstests vorzulegen, den alle bereitwillig ausfüllten. Die Ergebnisse sollen gemeinsam mit Aussagen einer Vergleichsgruppe von Masseuren publiziert werden.
So hat die Wiener GWUP getestet
In Kenntnis der kritischen Studien zum Geistheilen waren wir äußerst neugierig, ob wir beim Test einen paranormalen Effekt entdecken könnten. Um ihn randomisiert und doppelblind zu gestalten, mussten sieben Mitarbeiter den Testablauf begleiten: Zur Vorbereitung wurden aus 40 Jetons, je zur Hälfte in den Farben Gelb und Rot, von einem Mitarbeiter nacheinander 20 Jetons gezogen und jeweils gleich wieder in den Korb gegeben. Das Ergebnis jedes Zugs - Gelb für ja, Rot für nein - wurde von einem weiteren Mitarbeiter in das Protokoll A eingetragen.
Dieses Protokoll wurde in einem Nebenraum verdeckt abgelegt und von einem dritten Mitarbeiter übernommen. Dieser begleitete den Kandidaten zum Tisch und nahm neben ihm Platz. Auf dem Tisch war ein Paravent befestigt, der die Sicht auf die andere Seite nahm. Der Kandidat steckte seine Unterarme mit den Handflächen nach oben durch zwei Löcher im Paravent. Ein Tuch über den Löchern verhinderte die Durchsicht auf die andere Seite. Auch über die Handflächen des Kandidaten wurde ein Tuch gelegt, um Reize durch einen Lufthauch oder Wärme auszuschließen. Testpartner und Beisitzer nahmen am Tisch dem Kandidaten gegenüber Platz, dann wurde das Protokoll A dem Testpartner vorgelegt, um genau nach den Eintragungen vorzugehen. Beim Kommando „Jetzt", das sein Beisitzer zugleich mit Auslösen einer Stoppuhr gab, hielt er nun seine Handflächen gemäß dem Protokoll A über die des Kandidaten - oder nicht. Der Kandidat hatte die Aufgabe zu erspüren, ob der Testpartner seine Handflächen im Abstand von 10 cm tatsächlich darüber hielt. Ein Klingelton meldete den Ablauf von 20 Sekunden und der Kandidat bekam darüber hinaus noch mindestens 10 Sekunden Zeit, sein Urteil - „Ja, ich spüre die Handflächen" oder „Nein, ich spüre nichts" - abzugeben. Die Aussagen des Kandidaten wurden von seinem Beisitzer in das Protokoll B eingetragen. Um alle Abläufe zu überwachen, war in diesem Raum auch der Versuchsleiter anwesend. Den Kandidaten wurde die Möglichkeit eingeräumt, einen Testpartner auszuwählen oder Versuchsdurchgänge zu wiederholen.
Zur Auswertung verglichen zwei Helfer in einem dritten Raum die Protokolle A und B, zählten die Treffer und trugen sie in Protokoll C ein. Der Testleiter übergab das Ergebnis dem Kandidaten, nachdem dieser durch Unterschrift den korrekten Testablauf bestätigt hatte. Von jedem Kandidaten wurden pro Durchgang 20 Ja/Nein-Entscheidungen verlangt. Mehr als 20 Durchgänge erschienen für die Kandidaten nicht zumutbar und unrealistisch, was die verfügbare Zeit anbelangt.
Durch reines Raten können bei diesem Test 10 Treffer (= 50 %) - mit einer Schwankung bis zu vier Treffern darüber - erreicht werden. Erst 15 Treffer ergeben eine Signifikanz. Sollte ein Kandidat im ersten Durchgang 15 Treffer (= 75%) erreichen, war vereinbart, den Test mit gleichem Ablauf zu wiederholen. Sollten wieder 15 Treffer erreicht werden, wäre dies erst als Erfolg zu werten. Genaue statistische Daten sind online unter www.gwup.org nachzulesen.
Die Ergebnisse unseres Tests
Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die von den einzelnen Kandidaten erreichten Trefferzahlen. Nur für den einen Kandidaten, welcher 15 Treffer erreichte und damit das Signifikanzkriterium beim ersten Durchgang erfüllte,
gab es noch einen zweiten offiziellen Durchgang, wobei er nur sieben Treffer erreichte. Diesen Versuch annullierte er aber selber noch vor Bekanntgabe seiner Trefferquote. In dem von ihm selbst autorisierten Versuch an einem weiteren Tag erreichte er zwölf Treffer und verfehlte somit das Kriterium für statistische Signifikanz. Bei den Kandidatinnen mit 14 Treffern wurden ebenfalls sicherheitshalber weitere Durchgänge ausgeführt, aber außer Konkurrenz gewertet. Sie führten auch zu keinen Signifikanzen mehr. Kein einziger der 21 Kandidaten konnte ein signifikantes Resultat erzielen.
Treffer | ... | 06 | 07 | 08 | 09 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 |
Häufigkeit | ... | 1 | 1 | 1 | 7 | 3 | 3 | 2 | 1 | 2 | 1 |
Die Gesamtbilanz zeigte ebenfalls kein in irgendeiner Weise auffälliges Ergebnis: Von den absolvierten 22 mal 20 = 440 Einzeldurchgängen waren 227 Treffer und 213 falsch, das entspricht einer Trefferquote von 51%, was im Bereich der Zufallsschwankung um den unter Ratebedingungen erwarteten Wert von 220 liegt (50%). Fast jedes vierte Mal würde auch unter reinen Ratebedingungen ein Ergebnis mit ebenso vielen oder noch mehr Treffern resultieren (p-Wert: 0.23). Die Quoten der Kandidaten unterschieden sich also statistisch in keiner Weise von einer Zufallsserie mit Ratewahrscheinlichkeit 0.5. Mit 95-prozentiger Sicherheit liegt die tatsächlich zugrundeliegende Quote zwischen 45% und 55%, reichte also nicht an die nötige (und mit den Kandidaten besprochene) Quote von 75% heran. Auch die Verteilungen der korrekten und nicht korrekten Ja-Antworten sowie der korrekten und nicht korrekten Nein-Antworten wichen nicht signifikant von den Zufallserwartungen ab. Insbesondere beging jeder Kandidat Fehler in beide Richtungen, d.h. in jedem Durchgang wurden sowohl vorhandene Hände nicht erfühlt als auch irrtümlich das Vorhandensein von Händen angegeben. Nur eine Kandidatin gab - trotz mehrfachen Nachfragens seitens der Versuchsleitung - jedes Mal die Antwort „Ja".
Diskussion
Besondere Fähigkeiten der Kandidaten konnten durch die Testserie nicht nachgewiesen werden. Das Design war so gewählt, dass ein positiver Ausgang des Experiments ein klares Indiz für das Vorhandensein von Phänomenen geliefert hätte, welche sich im Rahmen der etablierten Naturgesetze kaum erklären ließen. Der negative Ausgang des Experiments lässt aber zwei Erklärungsmöglichkeiten zu: Es kann einerseits daran liegen, dass besondere Fähigkeiten der Kandidaten gar nicht existieren, oder der Fehler liegt andererseits im Experiment selbst begründet. Insbesondere könnte die Methode der Messung ungeeignet sein, was etwa schon aufgrund technischer Details wie etwa dem über den Händen liegenden Tuch der Fall sein könnte. (Tatsächlich hat einer der Kandidaten das gestärkte Baumwolltuch kritisiert, konnte aber in einer Wiederholung des Versuchs mit einem von ihm akzeptierten weichen Baumwolltuch auch kein besseres Resultat liefern. Eine andere Kandidatin wiederum wählte explizit ein Seidentuch, weil sich das Baumwolltuch nicht eigne.) Auch weitere Störfaktoren sind denkbar, z.B. Nervosität oder die Präsenz zu vieler Personen bei der Testung - immerhin war auch das Fernsehteam anwesend, das alle Kandidaten beim Test filmte. Und prinzipiell könnte die vorgenommene Art der Testung einfach an der Natur der Fähigkeiten der Kandidaten vorbeigehen.
Dennoch wirft der Testausgang die Frage auf, warum eine Aufgabe nicht gelöst werden kann, die für den Außenstehenden doch einfacher wirkt als eine Diagnose oder gar eine Heilung. Und alle Kandidaten waren ausgesprochen zuversichtlich, den Test zu bestehen. Deshalb kann der Kritik, nur mit der Materie nicht vertraute Personen könnten so ein Design für passend halten, entschieden entgegengetreten werden.
Solange angeblich paranormale Phänomene nur in Zusammenhängen auftreten, die auch nicht-paranormale Erklärungsmöglichkeiten für die Beobachtungen zulassen, können die von Geistheilem behaupteten besonderen Fähigkeiten niemals nachgewiesen werden. Das Experiment war ein Versuch, die paranormalen Anteile der Geistheiler-Tätigkeit zu isolieren und gezielt zu beobachten. Ein Nachweis solcher übernatürlicher Gaben ist gescheitert.
Schwierige Zusammenarbeit mit Unterhaltungs-TV
In der Sendung „helpTV" vom 16. Februar 2005, welche 921 000 Zuschauer erreichte, wurde das Ergebnis des Tests vorgestellt - und zum besseren Verständnis wollte die Moderatorin Barbara Stöckl den Test mit einer Besucherin im Studio nachstellen: Diese erriet jeden der drei Durchgänge richtig und erntete Applaus, obwohl die Demonstration natürlich nichts besagte. Überdies wurden jene drei Heiler, die bei unserem Test die höchsten Trefferzahlen erreicht hatten, in die Sendung gebeten, um an drei Patienten Diagnosen zu erstellen. Die Redaktion wollte die Kranken selbst auswählen. Nach unserem Protest, weil auf diesem Weg die korrekten Diagnosen hätten durchsickern können, fanden wir selbst drei junge Patienten und brachten sie ins Studio, wo sie separiert von den Geistheilem ihren Auftritt abwarteten. Es waren ein Mädchen und zwei junge Männer, die eine genau umschriebene Krankheit hatten: eine besondere Art von Herzrhythmusstörungen (WPW), Diabetes und Asthma. Auch die Bedingungen hatten wir festlegen müssen, um Tricks und Täuschungen auszuschließen: Während der Diagnostik durfte kein Wort gesprochen werden, und die Patienten trugen Masken, um sich nicht durch mimische Reaktionen zu verraten.
Die Moderatorin aber gab den Diagnosestellern einen Hinweis: Die Krankheiten seien einem Organ zuzuordnen. Eine Heilerin hat den Wink verstanden und „wellenförmige Krämpfe im oberen Verdauungstrakt" diagnostiziert - was bei der Moderatorin seltsamerweise den Kommentar auslöste, damit sei sie der Diagnose Diabetes nahe gekommen. Nun, es geht um die Quote, deshalb versuchte sie offenbar, eindeutige Aussagen zu vermeiden bzw. zu verschleiern. Deshalb hatte sie auch Rüdiger Dahlke, den Bestsellerautor für esoterische Medizin-Deutung, ins Studio geladen und zehn Minuten lang über die Fähigkeiten der Geistheiler - insbesondere desjenigen, der in seiner Praxis arbeitet - schwadronieren lassen. Im Grunde waren die Diagnosen katastrophal: „Probleme der Wirbelsäule bis in beide Beine" wurden der Asthma-Patientin attestiert; bei dem Herzpatienten waren es „Probleme im rechten Knie und im Magen". Wer solche Krankheiten (er)findet, kann sie auch „heilen".
Wir wirksam ist Geistheilen?Was ist Geistheilen? Von Wolf-Braun (1999, S. 209) stammt folgende Definition: „Das geistige Heilen umfasst sehr unterschiedliche Konzepte und Praktiken, die offenbar in den letzten Jahren immer vielfältiger werden, [...es] handelt sich [...] um Vorgänge zwischen einem Heiler und einem Heilungssuchenden, bei denen unterschiedliche geistige Einwirkungen (Kräfte) die Veränderung einer Störung bzw. Krankheit hervorrufen sollen". Für mentales (geistiges) Heilen finden sich Bezeichnungen wie geistig-energetisches Heilen, spirituelles Heilen, Therapeutic Touch, Reiki, Wenden, Besprechen, Fernheilen, Beten, Fürbitten etc., darunter Methoden mit und ohne Körperkontakt. Im Grunde handelt es sich beim Geistheilen um eine paranormale Gabe, da Phänomene berichtet werden, die derzeit wissenschaftlich nicht erklärt werden können (Hergovich 2001): etwa die Fähigkeiten Metall elektrostatisch aufzuladen, Licht um mehrere Zehnerpotenzen stärker abzustrahlen als Durchschnittspersonen, oder die Infrarot-Absorption von Wasser zu verändern, und Lebewesen über beliebig weite Distanzen zu beeinflussen (Boesch). Außerdem sind bei Heilvorgängen subjektiv und objektiv Wärmeprozesse und elektrische Phänomene wie Veränderungen des EEGs oder des Hautwiderstandes und andere Parameter messbar (Boesch). Als Konsequenz werden von Anhängern der Geistheiler-Methoden häufig alternative Heilungskonzepte zur Erklärung der Wirkungen gefordert und ebenso alternative Forschungsdesigns, um die Wirkung des Geistheilens zu dokumentieren. Im letzten Jahrzehnt ist die klinische Forschung auf die Heilkunst aufmerksam geworden. In einer Arbeit von Harris et al. (1999) wurde die Effektivität von Fürbitten bei Patienten nach akutem Herzinfarkt untersucht. 484 Patienten in der Versuchsgruppe zeigten einen günstigeren Krankheitsverlauf als 559 Personen in der Kontrollgruppe. Die Anzahl der Tage im Krankenhaus unterschied sich jedoch nicht. Cox und Hayes (1999) untersuchten die Wirkung von Therapeutic Touch auf physiologische Parameter von Patienten der Intensivmedizin, weil diese durch permanente Überwachung ständig Stress ausgesetzt sind. Es konnte keine signifikante entspannende Wirkung festgestellt werden. Harkness und andere (2000) führten an 84 Patienten eine Studie zur Fernheilung bei Hautwarzen durch und mussten feststellen, dass es keinen Unterschied zwischen der behandelten Gruppe und der unbehandelten Kontrollgruppe gab. Im selben Jahr fanden Astin, Harkness und Ernst in Datenbanken insgesamt 23 randomisierte klinische Studien zu Fernheilung, mit insgesamt 2.774 Teilnehmern (Astin 2000). Fünf dieser Studien betrafen Beten, elf Therapeutic Touch und sieben testeten andere Formen der Geistheilung. Ein Studie ergab negative Effekte, 9 keinerlei Effekte, aber 13 (57%) dieser Arbeiten ergaben signifikant positive Ergebnisse, was auf den ersten Blick eine Wirksamkeit der Geistheilung nahe legte. Nach den Goldstandard-Kriterien evaluiert, die randomisierte Doppelblind-Versuche vorsehen, zeigten diese Arbeiten jedoch zahlreiche methodische Schwächen, deshalb konnte nicht gefolgert werden, dass Geistheilungen erfolgreich sind. In eine weitere Analyse (Ernst 2003) wurden 17 andere Untersuchungen aufgenommen, die insgesamt 1.226 Patienten erfassten. Acht dieser Arbeiten entsprachen wissenschaftlichen Standards, in der Gesamtschau sind auch diese Untersuchungen wenig überzeugend. Fazit: „Das Ergebnis spricht nicht für die These, dass Geistheilung mehr als einen Placeboeffekt hervorrufen kann." Viel diskutiert wurde eine Studie von Leibovici (2001). Von 3.393 Patienten mit Blutvergiftung wurde für die Hälfte in Abwesenheit ein kurzes Gebet für Gesundung und Wohlbefinden durch einen Priester aufgesagt. Die Sterblichkeitsrate war in der Gruppe, für die gebetet wurde, signifikant niedriger (28,1%) als in der anderen Gruppe (30,2%). Zu kritisieren ist hier allerdings, dass keinerlei Erklärungsmodell vorliegt. Aufgrund der hohen Anzahl von Versuchspersonen schwach signifikante Daten alleine genügen eben nicht, um die Existenz eines Effekts nachzuweisen (Hergovich 2001). Vorausgesetzt, es lag keine Datenmanipulation vor, könnte man die Studie beliebig wiederholen und würde wahrscheinlich auch in die andere Richtung signifikante Ergebnisse erhalten. Aus skeptischer Sicht ist somit zu sagen, dass zwar einige Studien mit positiven Befunden vorliegen, von denen etliche jedoch von geringerer Qualität sind, und dass die Kontrollgruppen vereinzelt keinerlei Behandlung erhielten. Durch Geistheilung kann es andererseits zu dramatischen Schäden kommen: Salib und Youakim (2001) fanden heraus, dass schizophrene Patienten nach spiritual healing häufiger Rückfälle erlitten. Dokumentiert sind auch viele Fälle von psychischer Abhängigkeit vom Geistheiler und auch von finanzieller Ausbeutung (Oepen 1998). |
Scharlatanerie
Eine Diskussion zwischen dem bekannten Grazer „Heiler" Peter Hofer und Krista Federspiel sollte das Geistheiler-Thema in der Sendung abrunden. Dass Hofer unseren Test kurzfristig abgesagt hatte, begründete er nun mit der Behauptung, der Test sei „unzutreffend". Allerdings hatte er einige Monate zuvor - das haben unsere Recherchen erbracht - auch einen klinischen Test abgebrochen, bei dem es tatsächlich um die Fähigkeit des Heilens gegangen war: Prof. Dr. Heinz Ludwig hatte in seiner Onkologie-Abteilung im Wiener Wilhelminenspital zwei Gruppen von jeweils 40 Patienten gebildet und eine dem Heiler Hofer, die andere einem Schauspieler zugeteilt, der einen Heiler mimen sollte. Es wurden mehrere physiologische Parameter gemessen und das Befinden abgefragt. Bald hatte Hofer die Spielregeln gebrochen und seiner Gruppe verraten, dass er der „echte Heiler" war. Trotzdem ergab die Zwischenbilanz nach zwei Monaten, dass der Schauspieler bei den Kranken deutlich mehr Wohlbefinden erzielt hatte, worauf Hofer - so wird erzählt - wütend die Klinik verließ und die Studie abbrach. Laut Aussage von Prof. Ludwig wird sie allerdings trotzdem publiziert werden. Als Krista Federspiel dies in der Sendung publik machte, geriet Hofer arg in Bedrängnis. Die Moderatorin löste die peinliche Situation, indem sie Krista Federspiel das Wort entzog und es Rüdiger Dahlke erteilte. Sofort kippte die Stimmung des Publikums in Heiler-Sympathie um.
Der seriöse und geistreiche, zusammenfassende Bericht, den der Redakteur über unseren Test gestaltet hatte, wofür er die Geistheiler auch bei ihrer Heilarbeit gefilmt und einige als Scharlatane entlarvt hatte, wurde durch diese Aktionen nahezu neutralisiert. Das Medium hat seine eigenen Gesetze und Sendungsmacher haben ihre eignen Interessen.
Die rund 50 Reaktionen auf die Sendung - Mails und Anrufe bei Krista Federspiel - illustrieren das eindringlich: Jeder zweite Anrufer fragte nach einer Heileradresse. Die wurde verweigert, doch in eingehenden Gesprächen konnte möglicherweise ein Weg zu professioneller Hilfe gezeigt werden. Auch Werbezuschriften von Heilinstituten langten ein - und einige Beschimpfungen esoterischer und handfester Art.
Der WiedererkennungstestEine Kandidatin wollte einen Wiedererkennungstest versuchen, welcher folgendermaßen ablief: Die Kandidatin verbrachte mit jeder der vier Testpartnerinnen ein paar Minuten allein, um sich auf diese einzustimmen. Diese vier zogen sich daraufhin in ein Zimmer zurück, welches durch einen blickdichten Vorhang abgedeckt war. Gemäß einem Zufallsprotokoll stellte sich jeweils eine Testpartnerin knapp hinter den Vorhang, und die Kandidatin versuchte, sie richtig zu benennen. Leider gelangen ihr bei 20 Versuchen nur 5 Treffer, das entspricht genau der Ratewahrscheinlichkeit. Dieser Versuch wurde aufgrund des abweichenden Designs gesondert behandelt und nicht gemeinsam mit den anderen Tests ausgewertet. |
Realitätsverweigerung
Erstaunlicherweise waren nahezu alle Getesteten mit ihren Resultaten zu frieden - obwohl wir ihnen auch brieflich mitgeteilt hatten, dass reines Raten ein ebensolches Ergebnis gebracht hätte. Die wenigsten hatten überhaupt begriffen, dass sie versagt hatten. Einem rutschte allerdings die Bemerkung her aus: „Was herauskommt ist egal, Hauptsache ich komme ins Fernsehen." Eine Heilerin hatte trotz Pendelschwingen nur elf Treffer erzielt - und war damit rundum zufrieden. Eine andere - Akademikerin und mit Statistik vertraut - erschrak über ihr Elf-Treffer-Ergebnis, doch fünf Minuten später erzählte sie die Anekdoten aus ihrer Heilerkarriere, als wäre der Test nicht negativ ausgegangen. Nur eine Heilerin rief an, um sicherzustellen, dass sie möglichst nicht in der Sendung gezeigt werden sollte. „Das Feuer ist vorbei, ich kann's nicht mehr!", stellte sie enttäuscht fest.
Unsere Kandidaten kamen aus unterschiedlichen Berufen - vom Bauer über Biologin, Fernfahrer, Friseurin, Hausfrau, Lehrer, Metzger, Masseur, Musiker, Pensionistin bis zur Sekretärin - alle waren von ihrer übernatürlichen Fähigkeit überzeugt: „Ich weiß nicht was es ist, aber ich kann es!", beteuerten sie und berichteten über verschiedene Künste: Der eine wollte mit der Kraft der Mutter Gottes „alle Krankheiten aller Menschen erkennen und heilen" können; gefährlich für seine Kunden ist jedoch, dass er Kranken von ihren Medikamenten abrät. Der andere erzählte, er sei vor einem Fluch, der auf der Familie laste, nach Ungarn geflüchtet, aber im Jahr 2002 Berater beim FBI gewesen, um mit seiner Energie den Irak-Krieg abzuwenden - was leider nicht gelungen war. Eine Frau war überzeugt, den Tod anderer voraussehen zu können. Eine Heilerin arbeitet als Tier-Therapeutin, eine „spricht" durch ihre eigenen Organe: ihr Herz kommuniziere mit den Herzen ihrer Klienten, der Magen mit deren Mägen - und das funktioniere auch übers Telefon. Ein Heiler legt via Telefon auch Karten für seine Kunden.
Grenzverletzungen
Aufgefallen ist uns, dass einige Heiler die Grenzen anderer Menschen nicht respektieren: Da kam eine in unser Büro, wo wir die Tests durchgeführt hatten, und begann sofort, bei einem Anwesenden „die Kundalini-Energie aufzuwecken". Dazu hielt sie die Hände über seinen Scheitel und rief begeistert, wie sehr nun seine vorher stumpfen Augenglänzten - und das werde nun lebenslang anhalten. Zwischen Tür und Angel wollte sie diesen Service auch dem Filmemacher anbieten und war erstaunt, als er ablehnte. Die Feng-Shui-Beraterin, die sich für den Wiedererkennungstest ein „Bild" ihrer Testpersonen machen wollte, malte von jeder ein verbales „Persönlichkeitsbild", wobei sie ungefragt auch sexuelle Missbrauchserfahrungen ansprach. Es ist zu fragen, ob solche Personen ihren Klienten im Ernstfall nicht Schaden zufügen können.
Interessant ist auch der Umgang der Heiler mit Geld: Weil Geld Energie entziehe, meinte ein Heiler, nehme er nur Spenden an. Andere behandeln expressis verbis nur Bekannte und Verwandte. Die Feng-Shui-Beraterin ist offiziell unter der Berufsbezeichnung Consulter tätig. In Österreich gibt es den Beruf des „Energetikers", der „zur Erreichung einer körperlichen bzw. energetischen Ausgewogenheit" verschiedene Mittel - von der Bioresonanz bis zu Heilsteinen - einsetzen darf. Ein Befähigungsnachweis ist dafür nicht nötig, es genügt die Anmeldung bei der Gewerbebehörde. Es sind bereits 11.000 solcher „Helfer" angemeldet - doch nur eine unserer Kandidaten hat einen solchen Gewerbeschein - es muss also darüber hinaus eine hohe Dunkelziffer geben. Eine Heilerin erzählte, dass sie acht Jahre lang in der Praxis einer Natur-Ärztin Diagnosen erstellt (!) habe, bis diese von der Steuer eine kräftige Nachzahlung erhielt. Sie selbst sei nicht belangt worden, da sie von den Patienten nur Spenden erhalten habe. Der Kartenleger berichtete vage, dass er einem von ihm behandelten Spielsüchtigen laut Gerichtsbeschluss einen großen Betrag zurückzahlen müsse. Die Gefahr mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten, besteht für alle, die Geistheilen gewerbsmäßig betreiben: Diagnostizieren und Behandeln ist in Österreich - laut „Kurpfuscherparagraph" des Strafgesetzes - anderen als Ärzten verboten. Aber wen juckt's?
Dr. Krista Federspiel, Medizinjournalistin und Buchautorin, ist Mitglied des Wissenschaftsrats der GWUP. Prof. Dr. Andreas Hergovich ist am Institut für Psychologie der Universität Wien im Bereich der Sozialpsychologie tätig. Dr. Elisabeth Ponocny-Seliger ist als selbständige sozialwissenschaftliche Methodikerin tätig. Darüber hinaus arbeitet sie als Methodikerin an der Medizinischen Universität Wien. Der Psychologe und Mathematiker Dr. Ivo Ponocny ist Leiter des Bereichs „Soziales und Bildung" der Direktion Bevölkerung an der STATISTIK AUSTRIA. |
Der Artikel erschien im "Septiker" 2/2005.
Literatur
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Hergovich, A. (2001). Der Glaube an Psi. Die Psychologie paranormaler Überzeugungen. Huber, Bern.
Leibovici, L. (2001): Effects of remote, retroactive intercessory prayer on outcomes in patients with bloodstream infection: randomised controlled trial. British Medical Journal, 323, 1450-1451.
Oepen, I. (1998): Wunderheiler brauchen eine Erlaubnis nach dem heilpraktikergesetz. Skeptiker, 11, 16,115-116.
Rosa, L.; Rosa, E.; Sarner, L, Barrett, S. (1998): A close look at Therapeutic Touch. Journal of the American Medical Association, 279, 1005 - 1010.
Salib, E., Youakim, S. (2001): Spiritual healing in elderly psychiatric patients: A case-control study in an Egyptian psychiatric hospital. Aging and Mental Health, 5,366-370.
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