Ein Gespräch mit Martin Lambeck und Andreas Hergovich
Der geheimnisvolle Faktor "PSI" - er stand im Mittelpunkt einer sechsteiligen ARD-Reihe, die Ende 2003 über den Bildschirm ging. Als fachlicher Berater zeichnete Dr. Walter von Lucadou von der Wissenschaftlichen Gesellschaft zur Förderung der Parapsychologie (WGFP). Wie realistisch gaben die Macher von "Dimension PSI" den aktuellen Forschungsstand der Parapsychologie wieder? Ein Gespräch mit Prof. Martin Lambeck, Physiker an der TU Berlin und Mitglied des GWUP-Wissenschaftsrats, und Prof. Andreas Hergovich, Psychologe an der Universität Wien.
"Rätselhafte Kräfte" war die erste Folge von "Dimension PSI" überschrieben, in der es um die Parapsychologie ging. Wie "rätselhaft" waren die dargestellten Fälle wirklich?
Hergovich: Also, zunächst einmal war ich positiv überrascht. Es war wirklich eine spannende Sendung, gut gemacht, passende Musik. Inhaltlich wurde ein kurzer Streifzug durch die Geschichte der Psychokinese innerhalb der PSI-Forschung geboten. Angefangen mit den großen Medien des 19. Jahrhunderts (z. B. Daniel Dunglas Home und Eusapia Palladino) bis hin zu den berühmtesten Medien des 20. Jahrhunderts (Nina Kulagina und Uri Geller) waren alle vertreten. Die Filmaufnahmen von Geller und Kulagina waren für sich genommen sehr interessant, der Kommentar dazu wenig objektiv. So kamen Parapsychologen zu Wort, die meinten, dass es für Frau Palladino schwer gewesen wäre, unter den strengen Bedingungen und Kontrollen der damaligen Sitzungen zu schwindeln, obwohl sie mehrmals des Betrugs überführt wurde. Genauso bei Uri Geller. Sein Scheitern bei der Johnny Carson Show wurde in der ARD-Sendung in den Kontext einer persönlichen Krise gestellt. Tatsächlich war Geller bei dem Ex-Zauberkünstler und späteren Talkmaster Carson deshalb erfolglos, weil er die von Carson vorbereiteten Utensilien nicht präparieren konnte. Verschwiegen wird auch, dass der Ruf Gellers bereits Anfang der 1970er in seiner Heimat Israel ruiniert war - die Jerusalem Post erklärte ihn da schon öffentlich zum Schwindler. Leider erfuhr der interessierte Zuschauer auch nichts über die zahlreichen Zauberer, die Gellers Tricks simulieren konnten und ihn auch aktiv beim Betrug ertappten, wie der US-Trickzauberer James Randi (1989).
Die Tatsache, dass man vermeintliche PSI-Phänomene tricksen kann, heißt nicht zwingend, dass es nicht auch echte Phänomene geben könnte. Was halten Sie zum Beispiel von Uri Gellers Fähigkeiten?
Lambeck: Man kann grundsätzlich nicht beweisen, dass ein Phänomen X nicht existiert, wenn dessen Eigenschaften nicht genau bekannt sind. Ich kann also nicht beweisen und werden daher auch nicht behaupten, dass Uri Geller keine "übernatürlichen" Fähigkeiten besitzt. Ich kann nur auf die Tatsache hinweisen, dass Trickzauberer in der Lage waren, qualitativ gleiche Kunststücke wie Geller vorzuführen. Sie verraten nicht, wie es gemacht wird, weil sie als Mitglieder des Magischen Zirkels zum Schweigen verpflichtet sind bzw. als Berufszauberer von solchen Tricks leben. Sie zeigen nur, dass es auch ohne "übernatürliche" Kräfte geht. Ich habe selbst von GWUP-Zauberern die unglaublichsten Kunststücke vorgeführt bekommen. Obwohl ich direkt neben ihnen saß, habe ich nicht erkennen können, wie sie es gemacht haben.
Das heißt aber, dass Uri Geller zumindest ein faszinierender Zauberkünstler ist?
Lambeck: Ja, durchaus, ich halte Geller für einen faszinierenden Trickzauberer, der z. B. das Löffelbiegen erstmals einer breiten Öffentlichkeit erschlossen und dem Publikum glänzend vorgeführt hat; einen Beweis für "übernatürliche" Fähigkeiten sehe ich bisher nicht erbracht. Derartige scheinbar "übernatürliche" Fähigkeiten möchte ich mit anderen Fähigkeiten vergleichen: Es gibt Sportler, die den "Ironman" schaffen, und Pianisten, die ganze Klavierkonzerte auswendig spielen können. Derartige Leistungen sind mir völlig unzugänglich, ich könnte sie also "übernatürlichen" Fähigkeiten zuschreiben. Tatsächlich kommen sie dadurch zustande, dass diese Personen zunächst eine natürliche Begabung dafür besitzen und dann zehn Jahre lang jeden Tag mindestens zehn Stunden lang üben. Auf diese Weise kommen Fähigkeiten zustande, die anderen Menschen als übernatürlich erscheinen können. Auch Physiker arbeiten mitunter zehn Jahre lang zehn Stunden am Tag. Auf diese Weise kommen sie zu Erfolgen auf dem Gebiet der Physik, aber sie sind nicht darauf trainiert, Tricks und Illusionen zu durchschauen. Daher ist es wichtig, dass neben Wissenschaftlern auch Trickexperten zu Rate gezogen werden.
Hergovich: Aus meiner Sicht hat Geller es auf den Punkt gebracht, worauf es in der Zauberkunst wirklich ankommt, nämlich Show und Unterhaltung. Aus rein tricktechnischer Perspektive sind seine Effekte sehr simpel. Jemandem über die Schulter zu sehen, um einen gezeichneten Inhalt zu erraten, eingeweihte Zuseher verwenden, Löffel in der allgemeinen Hektik einer TV-Kulisse schnell zu verbiegen, sodass es niemand merkt - das ist keine große Kunst. Mit solchen Techniken hätte Geller als Zauberkünstler sicher nicht reüssiert. Denn dann hätte man ihm auf die Finger gesehen und hätte nicht stundenlang gewartet, bis etwas passiert. Man darf auch nicht vergessen, dass Gellers Versuche häufig fehlschlugen. Das passiert keinem Hobby-Zauberkünstler. Andererseits hat er es mit umwerfendem Charme und Keckheit verstanden, seine Zuseher davon zu überzeugen, dass er über übernatürliche Fähigkeiten verfügt. Selbst Prof. Lambeck hält es für möglich, dass hier zehn Stunden am Tag geübt werden musste. Geller weist damit auf einen zentralen Punkt der Zauberkunst hin: Auf die Schauspielkunst und den Verkauf eines Effekts kommt es an: Da kommt einer mit einem Mickey-Maus-Trick daher und begeistert die Zuseher. Ein anderer übt jahrelang an einem Trick und bricht sich bildlich gesprochen die Finger dabei. Die Zuseher denken dann: "Ganz nett. Aber etwas verkrampft, und die Fingerhaltung war so unnatürlich." Technische Fähigkeiten sollten also nie im Vordergrund stehen, denn wenn der Zuseher einmal denkt: "Der muss aber geübt haben" - dann kann er nicht gleichzeitig denken: "Was für ein Wunder." Geller ist aber das andere Extrem: Seine Tricks sind von der technischen Seite her zu schwach, als dass sie jeden Abend in einer Show die Zuseher von den Sitzen reißen könnten. Um das zu erkennen, müssen Sie sich nur einmal Videos von Gellers Effekten unter der Prämisse anschauen, es handele sich um einen Zauberkünstler. Geller lebt nur von der Show und der Erwartungshaltung, der sich der Zuseher gerne hingibt.
Uri Geller stand allerdings nicht allein im Fokus der ersten Sendung.
Hergovich: Nach den Medien wurde im Zeitraffer die quantitative Erforschung der Psychokinese gestreift, von den Würfelexperimenten des Joseph Banks Rhine über die Schmidtschen Experimente bis hin zur Gegenwart. Hier wurde vor allem auf die Studien des PEAR (Princeton Engineering Anomalies Research) und die Arbeiten von Nelson und Radin eingegangen. Daneben wurde auch über Arbeiten des Institut Métaphysique International in Paris berichtet, unter anderem über einen an sich witzigen Versuch, bei dem die Versuchsperson neben einem Tisch, auf dem sich ein lärmender kleiner Roboter befand, schlafen sollte. Ohne schlafende Person tobte der Roboter auf dem Tisch herum, mit Versuchsperson zog er sich brav in eine Ecke möglichst weit weg von der Versuchsperson zurück.
Und was wurde daraus gefolgert?
Hergovich: Für die Forscher lag der Schluss nahe, dass die Versuchsperson auf psychokinetische Weise den Roboter beeinflusst habe. Ähnliche in der Sendung nicht erwähnte Experimente wurden mit in einem kleinen Käfig befindlichen Küken durchgeführt, die auf den Roboter geprägt wurden und den Roboter angeblich so beeinflussen konnten, dass er sich in ihrer Nähe aufhielt. Auf die Replikation dieser Experimente durch unabhängige Forscher bin ich gespannt.
Höhepunkt und Rahmenhandlung für "Rätselhafte Kräfte" war der wiederholte und mit Bildern vom Ereignis garnierte Hinweis auf angeblich abnorm reagierende Zufallsgeneratoren in der ganzen Welt am 11. September 2001. Worum handelt es sich bei diesem Global Consciousness Projekt?
Lambeck: Dabei werden in einer großen Zahl von Ländern Zufallszahlengeneratoren aufgestellt. Es wird behauptet, dass diese deutliche Abweichungen vom Zufallsverhalten zeigen, wenn viele Menschen gleichzeitig starke Emotionen haben, z. B. am 11. September 2001. Wenn das der Fall sein sollte, dann wäre die Physik grob unvollständig; dann würde durch die Physik ein Sturm fegen, verglichen mit dem die Relativitäts- und Quantentheorie nur eine müde Brise waren. Für ein ähnliches Experiment in Europa bin ich um Rat gebeten worden. Ich habe empfohlen, zwei Geräte aufzustellen. Diese dürfen aber nicht aus dem Stromnetz gespeist werden, da es durch seine Spannungsspitzen die Geräte synchronisieren könnte. Vielmehr sollten die Geräte unabhängig voneinander aus Akkumulatoren versorgt werden. Wenn die Geräte immer dann und nur dann ausschlagen, wenn der Lieblingsverein der Stadt ein Tor schießt, dann wäre die Physik - wie gesagt - als grob unvollständig erwiesen. Das Ergebnis des Versuchs bleibt abzuwarten.
Hergovich: Ein groß angelegter Wiederholungsversuch früherer interessanter Ergebnisse hatte bereits Ende der 1990er nicht funktioniert (siehe Webtipp [b]). In der Sendung wurde das freilich verschwiegen.
Wie gut gab "Rätselhafte Kräfte" aus Ihrer Sicht den wissenschaftlichen Stand der Parapsychologie wieder?
Hergovich: Na ja, es handelte sich doch um eine recht einseitige Darstellung. Faktum ist, dass die Parapsychologie als Wissenschaft nicht anerkannt ist. Fakt ist, dass alle diese Medien und Experimente heftigst kritisiert wurden und werden, dass es prinzipielle ungelöste Probleme gibt, z. B. kann kein Mensch sagen, was PSI eigentlich sein soll, höchstens, was es nicht ist, und dass die meisten Studien auch nicht wiederholt werden konnten. Schade, dass hier die Chance vertan wurde, über ein an sich interessantes Thema seriös zu berichten. Leidtragende sind in erster Linie die Parapsychologen selbst, deren Daten dieser Darstellung sicherlich nicht gerecht werden. Vielleicht hätte man gar nicht auf Effekthascherei verzichten müssen, wenn z. B. Zauberkünstler Tricks hätten simulieren können. Jedenfalls hätte man Kritiker dieser Experimente ausführlicher zu Wort kommen lassen müssen. Aber wahrscheinlich sind die Sendungsmacher zu Recht von der These ausgegangen: Die Menschen wollen an diese Phänomene glauben und sie wollen Bedeutung in unerklärlichen Ereignissen sehen. Wie Adorno einst meinte: "Wenn die objektive Realität den Lebendigen taub erscheint wie nie zuvor, so suchen sie ihr mit Abrakadabra Sinn zu entlocken." In diesem Sinn hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland seine Zuschauerinnen und Zuschauer reich bedient.
Welchen Sinn konnten die Zuschauer den weiteren "Dimension PSI"-Folgen entlocken?
Lambeck: Das kommt darauf an, wie genau man zusah. Ein Skeptiker konnte bemerken, dass die anfangs aufgestellten Behauptungen später zurückgenommen wurden. Z. B. wurde zunächst über großartige Erfolge mentaler Militärspionage berichtet, die später als wertlos und nicht reproduzierbar gekennzeichnet wurden. Ebenso wurde zunächst über Spukerscheinungen unter der South Bridge in Edinburgh berichtet, nachher aber gezeigt, dass diese auch mit einer 3D-Brille hervorgerufen werden konnten. Ein Wiedergeburtsbericht wurde relativiert, und es wurde gezeigt, dass die "Nahtoderscheinungen" auch am Gesunden durch Hyperventilation und Stimulation des rechten Temporallappens des Großhirns hervorgerufen werden können. Die Betonung war jedoch so, dass beim Normalzuschauer der Eindruck des ersten Teils überwiegen musste.
Hergovich: Da würde ich differenzieren. Die Folge zu Teufelsaustreibungen hätte auch von der GWUP stammen können. Da wurde der Fall der Anneliese Michel von 1976 dokumentiert, der ja wirklich für sich spricht, ohne dass der Kommentar ernsthaft Dämonen in Erwägung gezogen hat. Die Folge zu Telepathie ähnelte sehr der ersten Folge zu Psychokinese. Die Folgen zu Reinkarnation und Spuk liefen im Großen und Ganzen nach dem Muster ab, zunächst einen Effekt aufzubauschen, ihn großartiger darzustellen, als er wirklich ist, um dann auch moderat normalwissenschaftliche Erklärungen abzugeben. Ein Restmysterium sollte aber immer bestehen bleiben.
Herr Hergovich, Sie sind Psychologe und beschäftigen sich mit der Trickzauberei. Was können wir von der Zauberei über PSI lernen?
Hergovich: Sehr viel, da für mich phänomenologisch kein Unterschied zwischen dem Erleben einer Trickvorführung und einem parapsychologischen Erlebnis besteht. Prof. Lambeck hat ja schon erwähnt, wie sehr ihn Zaubertricks beeindruckt haben. Deshalb ist es meines Erachtens lohnenswert, zu untersuchen, wie das Erlebnis eines Wunders beim Zuseher eines Zaubertricks zustande kommt. Wir müssen dann nicht mehr auf PSI-Spontanerlebnisse warten. PSI und Zaubertricks ähneln sich in einem weiteren Punkt. Je mehr man sich damit beschäftigt, desto größer ist die Desillusionierung. Selbst wenn man sich nicht mit der Magie befasst und einen einzigen perfekt vorgeführten Trick wiederholte Male sieht und analysiert, wird man irgendwann dahinterkommen, wie es gehen könnte. Die einfachste gefundene Lösung ist dann meist die richtige. Der Schlüssel zum Verständnis ist die Abweichung vom natürlichen Vorgang - wenn z. B. ein Zauberkünstler einen Gegenstand von der rechten in die linke Hand gibt, anstatt ihn gleich mit der linken Hand zu nehmen. Aus diesem Grund würde ich raten: Wenn Sie Zauberkunst erleben und genießen wollen, fangen Sie nicht an zu analysieren.
Ähnlich wie bei PSI?
Hergovich: Genau. Am Anfang ist man vielleicht beeindruckt von der Fülle der Belege, fasziniert von der Möglichkeit, unsere physikalischen Gesetze aufheben zu können. Aber wenn man in die Literatur hineinschaut, hat man ebenfalls sein Enttäuschungserlebnis. Das garantiere ich. Die Belege halten der nüchternen Prüfung nicht stand. Aber das Enttäuschungserlebnis bei der Zauberei und bei PSI hat man nicht deshalb, weil sich das Wunder der Analyse entzieht, sondern deshalb, weil nichts Unerklärliches überbleibt. Von der Zauberkunst könnte der Parapsychologe auch lernen, dass ein Unterschied zwischen Schein und Sein besteht. Das bedeutet, dass man nicht von vornherein ein Wunder vermuten muss, wenn man nicht weiß, wie ein Phänomen zustande kommt. Kein Zauberkünstler wird bei einem Kollegen, der ihm einen Trick zeigt, von dem er sich verblüffen lässt, vermuten, dass dieser plötzlich über PSI-Fähigkeiten verfügt. Nicht zuletzt könnte man von Zauberkünstlern wirklich lernen, wie PSI-Fähigkeiten simuliert werden können.
Was halten Sie als Psychologe von Gedankenübertragung und den unzähligen Berichten von Personen, die glaubhaft von solchen Erfahrungen berichten?
Hergovich: Gedankenübertragung oder Telepathie gilt halt als eine Spielart von PSI. Ich glaube schlicht nicht, dass das in dem Sinne möglich ist, wie es die PSI-Forscher behaupten. Natürlich werden solche Erfahrungen gemacht und ich zweifle nicht an dem Realitätsgehalt der Erlebnisse. In der Regel handelt es sich dabei um eine Koinzidenz der Gedanken. Wenn meine Frau und ich vor dem Fernseher sitzen und ich denke mir gerade, der Moderator ist aber geschmacklos angezogen, und im selben Moment spricht es meine Frau aus, dann nicht deshalb, weil ich meine Gedanken übertragen habe oder umgekehrt, sondern deshalb, weil wir einen ähnlichen Geschmack haben. Außerdem gibt es auch Personen, bei denen das sehr massiv auftritt, die sich als Opfer von Gedankenübertragung fühlen, aber hier handelt es sich meist um Symptome aus dem Bereich des schizophrenen Formenkreises. Der Konsum bestimmter Drogen kann ebenfalls solche Erlebnisse hervorrufen.
Herr Lambeck, Sie wurden im Vorfeld von der Produktionsfirma von "Dimension PSI" in München interviewt. Was kam dabei raus?
Lambeck: Es war ein fast zweistündiges Interview auf hohem Niveau. Angesprochen wurden u. a. die Erklärungsversuche der Parapsychologie über die Quantentheorie, die Eigenschaften des radioaktiven Zerfalls, Lucadous Modell der pragmatischen Information, die Erzeugung von Zufallszahlen sowie die Tatsache, dass James Randi für die Vorführung eines paranormalen Effekts eine Million Dollar ausgelobt hat. Besonders wies ich darauf hin, dass die Parapsychologen bei den spektakulären Kriminalfällen (Entführung von Peter Lorenz und Jan Philipp Reemtsma, Suche nach Kindermördern und entsprungenen Mehrfachmördern) total versagt haben, obwohl der Nestor der Parapsychologie, Hans Bender, die Kriminaltelepathie als "recht häufiges Phänomen" bezeichnet. Von alledem wurde kein Wort gesendet. Gesendet wurde lediglich in der ersten Folge mein Satz "Trickser können nur durch Trickser entlarvt werden".
Was halten Sie von den Rhineschen Kartenexperimenten, bei denen die Versuchspersonen zufällige Symbolfolgen durch außersinnliche Wahrnehmung erkennen sollen?
Hergovich: Wie in meinem Buch (Hergovich 2001) dargestellt, gibt es eine Reihe von Fehlerquellen, die Rhine sich wohl selbst in seiner Euphorie und seinem Glauben an die Ehrlichkeit seiner Versuchspersonen einhandelte. Neben Betrug und methodischen Mängeln sind die Probleme bei den Kartenexperimenten, dass die Zufälligkeit der Ratenserien z. T. nicht gegeben war, verwendete Karten Fingerabdrücke und Ähnliches aufweisen und durch Feedback die Wahrscheinlichkeit für eine bessere Trefferrate erhöht wird.
Herr Lambeck, haben die Rhineschen Kartenexperimente etwas mit dem in Ihrem Buch "Irrt die Physik?" erwähnten psycho-physikalischen Hauptsatz zu tun? Und können Sie kurz schildern, worum es dabei geht?
Lambeck: Mein als widerlegbare Vermutung formulierter Hauptsatz lautet: "Kein Mensch kann allein durch Denken (mental) Wirkungen außerhalb des eigenen Körpers hervorbringen oder Informationen aus der Umwelt aufnehmen." Dieser Satz ist durch ein einziges Gegenbeispiel zu widerlegen (falsifizieren). Aber - wie ich auch im Interview sagte: Bisher hat noch nie ein Parawissenschaftler unter kontrollierten Bedingungen die Leistungen vollbracht, von denen er vor dem Versuch behauptet hatte, dass er sie unter kontrollierten Bedingungen vollbringen könnte.
Glauben Sie, dass es Menschen mit "übernatürlichen" Fähigkeiten gibt?
Hergovich: Die Formulierung halte ich schon für selbstwidersprüchlich, weil Fähigkeiten doch etwas sehr Natürliches sind. Abgesehen davon glaube ich nicht, dass es solche Menschen gibt. Lambeck: Ich kann es nicht ausschließen, aber ich habe noch keinen gesehen. Und auch Herr Dr. Dr. Walter von Lucadou, der seit Jahrzehnten Paraphänomene erforscht, konnte mir auf meine Fragen bei einer Podiumsdiskussion keine einzige Person mit paranormalen Fähigkeiten nennen.
Sie diskutieren seit längerem mit Dr. Walter von Lucadou über das Verhältnis zwischen Parapsychologie und Physik. Worum geht es da konkret?
Lambeck: Dr. Lucadou behauptet, einige Menschen könnten den radioaktiven Zerfall eines Präparates beeinflussen oder irgendwie mit ihm verbunden sein. Hierbei spielten die psychologischen Eigenschaften der Versuchsperson wie introvertiert, extrovertiert, maskulin, feminin usw. eine entscheidende Rolle. Diese Eigenschaften werden durch einen Fragebogen ermittelt. Deshalb stellte ich vor 13 Jahren folgende Frage: "Angenommen, der Assistent, der den Fragebogen bringt, findet eine weibliche Versuchsperson besonders nett und sagt zu ihr: ,Hast Du heute Abend Zeit? Wenn ja, konzentriere Dich darauf, den Zerfall besonders hoch einzustellen!' Wenn dann nach dem Versuch, der drei Stunden dauert, der Assistent am Zähler einen besonders hohen Wert abliest, kann er sich auf einen angenehmen Abend freuen." Darauf entgegnete Dr. Lucadou, das ginge nicht, denn damit würde eine Information übertragen und dann verschwinde die Möglichkeit, dass eine Versuchsperson den radioaktiven Zerfalls beeinflussen könnte. Das folge aus seinem zweiten Hauptsatz der pragmatischen Information, und das habe ich bis heute nicht verstanden. Dr. Lucadou hat mich gebeten, einen Aufsatz zu schreiben über die Frage: "Können paranormale Phänomene durch die Quantentheorie erklärt werden?". Dieser Aufsatz, seine Replik und meine Antwort erschienen in seiner Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie. Da diese Zeitschrift schwer zugänglich ist, habe ich ihn gebeten und er hat zugestimmt, diese Aufsätze ins Internet zu stellen. Sie finden sie auf der GWUP-Homepage unter www.gwup.org/themen/texte/parapsychologie/media/lambeck_kritisches_forum.pdf.
Im Begleitbuch zur Serie (Lucadou 2003) ist zu lesen, dass Sie der Verbindung der Quantengesetze mit Dr. Lucadous "Modell der pragmatischen Information" widersprechen. Stichwort: EPR-Korrelation.
Lambeck: Tatsächlich gibt es im Bereich der Quanten - der kleinen Teilchen wie Elektronen und Photonen (Lichtteilchen) - ein Phänomen, das unserer Alltagserfahrung völlig fremd ist: Eine Kerzenflamme sendet die Lichtteilchen völlig ungeordnet aus. Der Empfang des Lichtes ist wie der Kauf von Kartoffeln auf einem Markt. Man bekommt so viele Kartoffeln, wie man bezahlen kann, aber die Kartoffeln haben keine Beziehung untereinander. Seit der Entwicklung des Lasers ist es aber auch möglich geworden, ein Atom zu veranlassen, zwei Photonen gleichzeitig gemeinsam auszusenden. Nach der Quantenphysik sind diese "Zwillings-Photonen", weil sie vom selben Atom stammen, in einer besonderen Weise untereinander verbunden; man nennt sie "verschränkt". (Diese Verschränkung ergibt sich aus einem Gedankenexperiment, das 1935 von Einstein und seinen Mitarbeitern Podolsky und Rosen vorgeschlagen wurde, woraus sich die Bezeichnung EPR-Korrelation erklärt.) Diese verschränkten Photonen verhalten sich nicht wie Kartoffeln, sondern wie Schuhe. Man bekommt immer nur Paare. Wären die Schuhe so klein wie Photonen, so würden wir an ihnen ein uns völlig unverständliches Geschehen beobachten: Wenn wir den einen putzen, wird der andere auch blank, selbst wenn die Schuhe weit voneinander entfernt sind. Hieraus haben viele Autoren gefolgert, auch in unserer Umwelt könnten hierdurch Verbindungen zwischen Personen oder Personen und entfernten Gegenständen entstehen, weil sie durch die quantenmechanische Verschränkung miteinander verbunden seien. Dabei entstanden Formulierungen wie: "Alles ist in allem", "Jeder Teil ist zugleich das Ganze" oder "Wir sind alle eins".
Schlagwörter, die z. B. von der New-Age- Bewegung bereitwillig aufgenommen wurden.
Lambeck: Die Autoren übersehen jedoch zwei Tatsachen: Erstens sind entfernte Gegenstände wie die Gehirne zweier Personen nicht in einem solchen atomaren "Zwillingsquanten-Erzeugungsprozess" entstanden. Sie waren also niemals verschränkt. Zweitens: die Verschränkung der "Schuhe" besteht nur so lange, wie sie "im Laden" sind. Wenn sie getragen werden, also mit den Füßen und der Straße in Berührung kommen, "vergessen" sie ihre Verschränkung. Sie haben dann ebenso wenig gemeinsam wie ein italienischer Tanzschuh mit einem norwegischen Bergsteigerstiefel. Ihre Verschränkung ist durch den Einfluss der Umwelt zerstört worden. Wenn wir blanke Schuhe haben wollen, müssen wir beide putzen. Daher ist es nicht möglich, PSI-Phänomene auf die Quantentheorie zu stützen. Die Zerstörung der Verschränkung durch die Umwelt nennt man "Dekohärenz". Ich möchte hierfür das deutsche Wort "Entschränkung" vorschlagen (analog zu den Wortpaaren Verzerrung/Entzerrung bzw. Verflechtung/Entflechtung).
Als Erwiderung auf Ihre Kritik führt der Autor an, dass vielleicht die Urknalltheorie die Verschränkung von Gehirnprozessen und Quantenmechanik erklären würde. Was sagen Sie dazu?
Lambeck: Die Anwendung verschränkter Photonen ist heute ein sehr intensiv bearbeitetes Gebiet, weil man sich hiervon die Entwicklung enorm leistungsfähiger Quantencomputer und Fortschritte in der Ver- und Entschlüsselung von (wirtschaftlichen und militärischen) Daten in Form der sogenannten Quantenkryptographie erhofft. Bis heute gelingt es nur unter Aufbietung aller Tricks der Experimentalphysik, die Verschränkung zweier Photonen auch nur für Sekundenbruchteile aufrecht zu erhalten. Danach sind die Photonen wieder entschränkt. Die Vorstellung, eine Verschränkung von Gehirn und Außenwelt könnte auf den Urknall vor ca. 14 Milliarden Jahren zurückgehen, findet daher in der Physik keine Stütze.
Ist PSI nun ein psychologisches, ein physikalisches oder doch ein psycho-physikalisches Phänomen?
Hergovich: Gute Frage, weil sie meines Erachtens sehr wichtig für das Verständnis ist. Dass PSI bzw. der Glaube daran ein psychologisches Phänomen ist, zeigt die Literatur in der Psychologie. Als physikalisches Phänomen hat sich PSI noch nicht etablieren können und ich denke, das wird auch nie gelingen, da PSI im Widerspruch zu physikalischen Gesetzlichkeiten steht. Meines Erachtens besteht auch nicht die Hoffnung, die Psychologie auf die Physik reduzieren zu können. Vielleicht die Neuropsychologie oder Psychologie als Naturwissenschaft, aber sicher nicht die Erlebnispsychologie oder allgemeiner gesagt die Innensicht. Als psycho-physikalisches Phänomen würde ich es nur insoweit bezeichnen, als jedes psychologische Phänomen eine neuropsychologische und damit physikalische Entsprechung hat. Aber noch einmal: Man wird beide Gegebenheitsweisen nebeneinander bestehen lassen müssen. Die Frage, die mit Descartes aufkam und die die Parapsychologie und auch so manchen Bewusstseinsforscher entscheidend antreibt, nämlich wie der Geist die Materie beeinflussen kann - nicht nur auf paranormalem Wege - , ist daher meiner Meinung nach eine ganz falsche Frage, die aus dem Glauben an die Mathematik als einheitliche Erkenntnismethode resultiert - was man Descartes natürlich nicht vorwerfen kann. Hier werden zwei Gegebenheitsweisen als Gegenstände verabsolutiert, die man nachträglich - als Erkenntnisresultate - natürlich schwer vermitteln kann. Aber über die Frage gilt es ernsthaft nachzudenken, zu philosophieren. Die Philosophie wäre nämlich die dritte Instanz, die die scheinbar rätselhafte Trennung von Subjekt (als Gegenstand der Psychologie) und Objekt (als Gegenstand der Physik) einzig zu vermitteln wüsste. Damit möchte ich sagen, dass die Frage nach der Einordnung jeglicher Bewusstseinsphänomene eine zutiefst philosophische Frage ist, eine Frage auch, die a priori unabhängig von empirischen Resultaten zu klären ist. Ohne das jetzt hier durchargumentieren zu können, bin ich der Überzeugung, dass eine gründliche philosophische Reflexion den Standpunkt des parapsychologischen Gedankengebäudes gänzlich zum Einsturz bringt.
Herr Lambeck, wo würden Sie die Parapsychologie aktuell einordnen?
Lambeck: Erst müsste durch Widerlegung meines Hauptsatzes die Existenz eines Paraphänomens nachgewiesen werden. Dann könnten wir über seine Einordnung und seine Erklärung nachdenken.
Was halten Sie von den angeblichen Belegen der Parapsychologieforschung, auf die Befürworter gerne verweisen?
Hergovich: Im Gegensatz zu vielen Parapsychologen überzeugen mich die neueren quantitativen Experimente sehr wenig, vor allem die auf Metaanalysen basierenden Ergebnisse. Die gefundenen Effekte sind so klein und selten repliziert, und die Metaanalyse als Methode hat so ihre Mängel. Auch hier gilt: Wenn man sich mal mit Statistik beschäftigt hat und versucht hat, mit allen Regeln der Kunst signifikante Resultate aus einem Datensatz herauszulocken, nimmt man die Signifikanz an sich auch nicht mehr so für bare Münze, so, als wäre das jetzt ein und für alle Male ein Beleg für die eigene Theorie. Die alten quantitativen Studien überzeugen natürlich umso weniger. Die besten Belege sind daher für mich immer noch die Spontan-Erlebnisse, und wenn mich etwas von meiner Meinung abbringen könnte, dann wäre es eine wundersame Häufung persönlicher Erlebnisse. Ein richtig gutes Argument für PSI fällt mir jetzt nicht ein, nur ein scheinbar gutes, dass man immer wieder hört: Vielleicht kann man PSI nicht beweisen, aber sie können auch nicht beweisen, dass es das nicht gibt.
Klingt doch recht plausibel, oder?
Hergovich: Nehmen wir mal an, ich habe Recht, und es gibt PSI nicht. Wie sollte ich das beweisen können? Beweisen heißt doch, etwas zur Existenz bringen, und das Nicht-Existente kann ich unmöglich zur Existenz bringen, das ist ein Widerspruch. Die einzige Möglichkeit wäre, aus der Existenzbehauptung einen Widerspruch zu folgern, woraus folgern würde, dass die Behauptung falsch ist. Aber das geht nur bei mathematisch-logischen Wahrheiten und nicht bei empirischen Sachverhalten. Der Widerspruch, der sich in der Physik ergibt, wird von Parapsychologen ja nicht gelten gelassen, da sagen sie dann einfach, die Physik gehört geändert. Deshalb kann ich die Nicht-Existenz von etwas Gedachtem nicht beweisen oder belegen, weder die des Weihnachtsmannes oder des Osterhasen noch die von PSI. Wer jetzt in Analogie zu den Okapis oder Quastenflossern darauf beharrt, dass PSI doch existieren könnte, hat prinzipiell schon Recht - nur ist das kein Argument für die Existenz. Vielmehr ist derjenige aufgefordert, seine Vermutung zu belegen, womit wir wieder am Anfang der Debatte sind. Die Beweislast liegt bei dem, der die Behauptungen aufstellt, und solange keine positiven Belege vorhanden sind, handelt es sich um eine ganz leere Feststellung, dass die Nicht-Existenz nicht bewiesen werden könne.
Wie sehen Sie die Zukunft der Parapsychologie?
Hergovich: Die Parapsychologie kann m. E. als Wissenschaft nur dann anerkannt werden, wenn es ihr gelingt, PSI begrifflich positiv zu fassen. Erst der Begriff setzt die stets problematische Identität von Denken und Sein, die sich dann an der Erfahrung zu bewähren sucht. Gelingt dies nicht, bleibt PSI auf alle Fälle ein interessantes Phänomen der Psychologie, aber nicht nur der Psychologie, sondern auch der anderer Disziplinen wie Geschichte, Soziologie, Medizin, Ethnologie oder Kulturwissenschaften. Aus dem Alltag wird PSI sowieso nie verschwinden.
Interview: Rouven Schäfer.
Literatur
- Henke, R. (1997): Uri Geller und seine Fernseh-Tricks. In: Skeptiker 3/1997, 82-87
- Hergovich, A. (2001): Der Glaube an PSI - Die Psychologie paranormaler Überzeugungen. Huber-Verlag, Bern
- Lambeck, M. (2003): Irrt die Physik? Über alternative Medizin und Esoterik. C.H.Beck, München
- Lucadou, W. (2003): Dimension PSI. Fakten zur Parapsychologie. List, München
- Randi, J.: (1989): The Truth about Uri Geller. Prometheus Books, New York
Weblinks
- Website zur Serie "Dimension PSI" (die Seite existiert nicht mehr, der Verweis führt zur letzten aktualisierten Fassung vom 26.01.2008 beim Internetarchiv "Wayback Machine")
- Christoph Drösser: "Würfeln mit dem Hirn", ZEIT Nr. 26/2000
- Christoph Drösser: "Spuk im Ersten", ZEIT Nr. 47/2003
- Irrt die Physik? (Buch von Martin Lambeck)
- Themeneintrag "Parapsychologie" im Weblexikon der Skeptiker
- "PSIdiotie in der ARD" (Newsmeldung der GWUP vom 18.11.2003)
- Andreas Hergovich: "ARD-Dokumentation" 'Dimension Psi' zwischen Qualität und Quote" (Newsmeldung der GWUP vom 19.11.2003)
Dieser Artikel erschien im "Skeptiker", Ausgabe 1/2004.