Evolutionskritik als Film - Poppenbergs Videos
Thomas Waschke
„Die Evolutionstheorie wurde nie massenmedial angekratzt. Alternative kreationistische Arbeiten oder solche, welche die Evolution kritisieren, blieben im Schattenbereich unter Gleichgesinnten." (Rolf Höneisen, factum)
Rolf Höneisen ist Chefredakteur der im Zitat genannten Zeitschrift, die seit vielen Jahren genau das oben Beschriebene macht: Sie versorgt den Schattenbereich der Gleichgesinnten mit kreationistischen Arbeiten. Über einen relativ geschlossenen Kreis ist diese Art Evolutionskritik selten hinausgelangt. Mit dem ersten evolutionskritischen Film von Fritz Poppenberg, der im Auftrag eines öffentlich-rechtlichen Senders produziert und immerhin ein Mal in einem dritten Programm (Sender Freies Berlin (SFB), 12.10.1998) ausgestrahlt wurde, hätte sich das ändern können, die Wende blieb jedoch aus. Der jüngst erschienene dritte evolutionskritische Film von Fritz Poppenberg ist Anlass, sich etwas umfassender mit diesem im deutschen Sprachraum relativ neuen Medium der Verbreitung evolutionskritischen Gedankenguts zu befassen.
Wer ist Fritz Poppenberg?
Fritz Poppenberg (geb. 1950) bezeichnet sich als „Autor, Regisseur, Kameramann, Produzent" und beschäftigt sich seit dem Abschluss seines Studiums an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin mit der Produktion von Filmen. Nach Kamera-, Ton-, Cutter- und Regieassistenzen sowie Kameraarbeit führte Poppenberg in bisher 17 Filmen Regie und schrieb die Drehbücher. Die meisten dieser Filme befassen sich mit Außenseitern im weitesten Sinn. Poppenberg drehte mehrere Filme über die Verfolgung der Zeugen Jehovas (sowohl im Dritten Reich als auch in der ehemaligen DDR), über die AIDS-Problematik (in diesem Fall sind die Außenseiter die Autoren, die einen Zusammenhang zwischen dem HIV-Virus und AIDS bestreiten) und eben auch die evolutionskritischen Filme, mit denen sich der vorliegende Bericht befasst. Poppenbergs Motivation für seine evolutionskritischen Filme ist sicher vielschichtig. In Interviews betonte er, dass er sich eigentlich erst zwei Jahre vor seinem ersten evolutionskritischen Film mit dieser Thematik befasst habe. Bis 1996 war er nach eigenen Angaben durchaus kein Evolutionskritiker. Poppenberg wollte zunächst auch keinen Film über diese Thematik drehen, weil ihm ein derartiges wissenschaftliches Thema filmisch nur schwer umsetzbar schien. Im Lauf seiner Arbeit an anderen Filmen lernte er aber Menschen kennen, die an Schöpfung glaubten. Namentlich erwähnt wird Dr. Henning Kahle, ein Zeuge Jehovas, der ein sehr sachliches evolutionskritisches Buch verfasst hat, das 1999 in der 4. Auflage erschien [1] (interessanterweise ab dieser Auflage mit einem Vorwort von Wolf-Ekkehard Lönnig und einem Nachwort von Fritz Poppenberg). Dadurch könnte die Vermutung nahe liegen, dass Poppenberg den Zeugen Jehovas angehört. Nach den mir vorliegenden Informationen ist das aber nicht der Fall. In Interviews hat Poppenberg geschildert, dass er noch nicht ganz am Ziel seiner spirituellen Suche angekommen sei. Die Bibel habe aber auf diesem Weg einen einzigartigen Stellenwert bekommen.
Die drei Filme
Der erste Film der Reihe (1998, „Hat die Bibel doch recht? Der Evolutionstheorie fehlen die Beweise", 44 min) entstand im Auftrag des SFB und wurde auch im Herbst 1998 gesendet. Obwohl die Resonanz des Publikums angeblich sehr positiv war, hat es auch Einwände von Fachwissenschaftlern gegeben. Der Film kam dann auf den Stapel ‚für Fernsehaussendungen gesperrt‘, offiziell, weil der Film Fremdmaterial mit Rechten anderer Sendeanstalten enthielt [2]. In Kreationistenkreisen hingegen wird behauptet, dass Forscher, die im Film interviewt wurden, mit rechtlichen Schritten drohten. Dank einer „guten Fügung" hatte sich Poppenberg aber die Videorechte gesichert, und der Film fand auf Kassette in evolutionskritischen Kreisen offenbar solchen Absatz - bis Anfang 2002 wurden 40 000 Kassetten verkauft -, dass Poppenberg mit dem Erlös die Arbeiten an einem zweiten, nicht mehr für das öffentlich-rechtliche Fernsehen konzipierten Film finanzieren konnte. „Hat die Bibel doch recht?" wurde preisgekrönt, allerdings von religiös motivierten Vereinigungen (1999 Goldener Kompass der Konferenz Evangelikaler Publizisten und 1. Preis für hervorragende Gestaltung auf dem Film- und Videofestival Chicago, 2000). Der zweite Film („Gott würfelt nicht. Über den erbitterten Kampf zwischen Wissenschaft und Ideologie", 2001, 75 min) wurde dann ausschließlich kommerziell vertrieben. Eigentlich war geplant, für diesen Film auch Forscher im Ausland zu interviewen, vor allem Michael Behe, Phillip Johnson und Fred Hoyle (zu diesen Autoren s. Skeptiker 4/03, S. 128ff.), was aber aus Kostengründen nicht möglich war. Offenbar gelang es Poppenberg nicht, Rundfunkanstalten zur Unterstützung des Projektes zu bewegen oder anderweitig Fördermittel zu erhalten. Ende letzten Jahres ist dann der dritte und bisher letzte Film dieser Reihe erschienen („Der Fall des Affenmenschen. Die Evolutionstheorie kann die Herkunft des Menschen nicht erklären", 2004, 50 min). Neben den genannten Filmen hat Poppenberg auch einen Vortrag von Prof. Dr. Siegfried Scherer in Berlin gefilmt („Was Darwin nicht wissen konnte. Der Streit um die Entstehung des Lebens", 2003, 75 min, gekürzt 47 min) Dieser Film, der als erster (und bisher einziger) Teil einer Serie mit dem Titel „Wissenschaftler kritisieren die Darwin'- sche Theorie" gekennzeichnet wird, soll uns hier nicht weiter beschäftigen. Inhalt der Filme Alle drei Filme sind im Prinzip gleich aufgebaut. Die zentralen Aussagen werden durch Interviews mit Wissenschaftlern vermittelt. Daneben gibt es viele ästhetisch ansprechende, durch passende Musik unterlegte Naturaufnahmen. Ein Sprecher stellt während dieser Passagen Fragen, auf welche dann meist als Experten für die jeweiligen Gebiete vorgestellte Forscher in Form eines kurzen Beitrags antworten. Diese Aufmachung erinnert an den ‚Klassiker‘ des kreationistischen Films in Europa („So entstand die Welt. Schöpfung contra Evolution", 1980, 100 min), der in den Niederlanden entstand und auf Poppenbergs Website erworben werden kann. Angepriesen wird er mit den Worten: „Dieser hervorragende Film (in den 80er Jahren gedreht) darf nicht in Vergessenheit geraten!") Dort traten neben Alfred E. Wilder- Smith, dem damals bekanntesten Kreationisten Europas, nur noch der amerikanische Kreationist Duane Gish und der bekannte Science-Fiction-Autor Isaac Asimov auf. Poppenberg hingegen hat sich zunächst bemüht, auch nicht-evolutionskritische Wissenschaftler für seine Filme zu gewinnen. Im ersten Film traten noch etliche Forscher auf, die nicht zum Kreis der Evolutionsgegner zählen. Evolutionsgegner sehen in Androhungen rechtlicher Schritte durch diese Forscher, die sich nicht hinreichend darüber informiert sahen, in welchen evolutionskritischen Kontext ihre Aussagen gestellt wurden, den Grund dafür, dass der Film nicht mehr im öffentlichrechtlichen Fernsehen gezeigt werden darf. Tatsächlich ist diese Befürchtung nicht von der Hand zu weisen - wenn auch der Fernsehanstalt zufolge für die Entscheidung andere Gründe maßgeblich waren (s. o.) Über den Rahmen, in den seine Ausführungen im zweiten Film gestellt wurden, hat sich Prof. Dr. Dr. Olaf Breidbach, der Leiter des Ernst-Haeckel- Hauses in Jena, so massiv beschwert, dass den Kassetten angeblich inzwischen ein ‚Beipackzettel‘ beiliegt, in dem sich Breidbach von dem „Machwerk" distanziert. Poppenberg hat offenbar nicht aus diesen Vorfällen gelernt. Auch Dr. Jörns Fickel, der als einziger Forscher aus dem Lager der Evolutionsbefürworter im dritten Film zu der möglichen Kreuzung zwischen Mensch und Menschenaffe befragt wurde, hat mir mitgeteilt, dass er nicht darüber informiert wurde, in welchem Kontext seine Aussagen erscheinen würden. Fickel distanziert sich in dieser Mail explizit vom evolutionskritischen Inhalt des Films. [3] Die meisten Wissenschaftler jedoch, die in Poppenbergs Filmen zu Wort kommen, lehnen eine naturalistische Evolution ab. Der Genetiker Dr. Wolf-Ekkehard Lönnig vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung und Genetik in Köln und der Molekularbiologe Prof. Dr. Siegfried Scherer von der Technischen Universität München treten in allen drei Filmen auf und kommen mehrfach zu Wort. Auf dem Datenträger des dritten Film findet man zudem ein längeres Interview, das Poppenberg mit Lönnig geführt hat. Diese beiden Wissenschaftler dürften mit die derzeit bekanntesten evolutionskritischen Autoren im deutschen Sprachraum sein. Lönnig, der den Zeugen Jehovas angehört, ist eher ein „Einzelkämpfer", der vor allem im Eigenverlag und auf seiner Webseite publiziert, während Scherer in der Studiengemeinschaft Wort und Wissen mitarbeitet und in diesem Rahmen schon einige evolutionskritische Arbeiten veröffentlicht hat. Als weitere Mitarbeiter der Studiengemeinschaft Wort und Wissen spielen Frau Dr. Sigrid Hartwig-Scherer (im ersten und dritten Film) und Dr. Michael Brandt (im dritten Film) mehr oder weniger tragende Rollen.
Der dritte Film
Auf den Inhalt dieses Films kann hier nur sehr kurz eingegangen werden. Im ersten Teil wird der Frage nachgegangen, ob erwiesen ist, dass der Mensch von affenähnlichen Vorfahren abstammt. Aufhänger sind Ivanovs Versuche zur Kreuzung von Menschen und Schimpansen (1926) [4]. Im Film wird eine ideologische Grundlage für diese Versuche angegeben: Es ging angeblich darum, die Abstammung des Menschen von Menschenaffen zu beweisen. Dieser Teil des Films ist als Reportage gestaltet. Zurück in Deutschland werden weitere Nachforschungen angestellt, die aber letztlich keine Klarheit über die damaligen Experimente bringen. Im Rest des Films werden die wesentlichen Sachverhalte, wie oben geschildert, im Rahmen von Interviews mit Wissenschaftlern vermittelt. Dr. Jörns Fickel macht deutlich, warum er es für nicht möglich hält, dass derartige Kreuzungen zu lebensfähigen Nachkommen führen könnten. Durch das Scheitern dieses ‚direkten‘ Ansatzes werden nach Auffassung von Poppenberg Fossilien als wesentliche Belege für diese Verwandtschaft erforderlich. Im Film wird versucht zu zeigen, dass die angeblichen Vorfahren des Menschen entweder ‚echte‘ Affen (Ramapithecus, Australopithecus) oder aber vollwertige Menschen (Neandertaler, Homo erectus) sind und damit jeweils als Übergangsformen nicht in Frage kämen. Diese Argumentation wird von Brandt und Hartwig-Scherer vorgetragen. Schon in diesem Rahmen bringt Poppenberg die Unterstellung ins Spiel, dass Evolutionisten selbst vor Betrug nicht zurückschrecken, um die erforderlichen Zwischenformen zu erhalten. Am Beispiel der Zahlenangaben zur genetischen Ähnlichkeit von Mensch und Schimpanse wird behauptet, dass Thesen, die in das evolutionistische Weltbild passen, in den Vordergrund gestellt werden, während weniger passende Befunde unterdrückt oder totgeschwiegen werden. Angeblich sind auch die genetischen und morphologischen Unterschiede zwischen Mensch und Schimpanse so groß, dass keine direkte Verwandtschaft belegt werden kann. Diese Argumentation wird von Lönnig ausgeführt. Nach seiner Auffassung ist es zudem eher wesentlich, die Unterschiede zwischen Mensch und Menschenaffen zu betonen. In Form von nicht näher belegten Statements erklärt dann der Sprecher, dass die Vorstellung einer naturalistischen Evolution die Forschung oft behindert habe. Diese Passagen hätten eigentlich einen harmonischen Schluss des Films bilden können. Nach diesem Bruch in der Argumentationskette - der erste Teil des Films befasst sich mit dem Versuch der Widerlegung der üblichen Argumente für eine Abstammung des Menschen von affenähnlichen Vorfahren, nun wird die Vorstellung einer naturalistischen Evolution allgemein kritisiert - wird nach einer Alternative zur Evolution gesucht. Lönnig plädiert in diesem Zusammenhang für Intelligent Design (ID) und charakterisiert diesen Ansatz als „Wissenschaft, die Signale, Zeichen und Kennzeichen von Intelligenz studiert". Scherer verdeutlicht das vermeintliche Problem der Unmöglichkeit von Übergangsformen und damit einer naturalistischen Evolution anhand des Standard-Beispiels der IDBewegung, der Mausefalle. Erst das fertige Produkt ist funktionsfähig, was keinesfalls für die isolierten Einzelbestandteile gilt. Zudem zerstört das Fehlen eines Bauteils die Funktion. Der Film endet mit der Frage „Sind der Mensch und alle anderen Lebewesen also doch getrennt voneinander von Gott geschaffen worden? Zusätzlich zum eigentlichen Film ist als ‚Zugabe‘ auf dem Datenträger noch ein Gespräch zwischen Poppenberg und Lönnig vorhanden. Lönnig schildert darin auf der Basis seiner Biographie Gründe für seine Ablehnung einer naturalistischen Evolution. In diesem Rahmen wird auch Lönnigs Sicht der Vorgänge um die Sperrung seiner Internet-Seite beim Max Planck-Institut dargestellt. Lönnig hatte diese offizielle Instituts-Seite zur Verbreitung evolutionskritischer Inhalte, die nicht im Interesse seines Arbeitgebers liegen konnten, missbraucht.
Argumentationsweise
Selbstverständlich ist es Poppenbergs gutes Recht, argumentative Mängel oder auch falsche Interpretationen in der Geschichte der Evolutionsforschung aufzuzeigen. Eventuell könnte man auch noch eine gewisse Einseitigkeit der Darstellung tolerieren, weil die Argumente für die Evolutionsauffassung Standard sind und buchstäblich in jedem Schulbuch stehen. Das darf aber nicht dazu führen, dass Strohmänner aufgebaut werden. Da kein Evolutionsforscher behauptet, dass Menschen von Schimpansen abstammen, ist eine fehlende Kreuzungsmöglichkeit kein Argument gegen die Annahme eines gemeinsamen Vorfahren. Man kann sich zudem fragen, warum den ethisch verwerflichen Experimenten Ivanovs an prominenter Stelle so viel Platz eingeräumt wurde, obwohl deren Ergebnisse für die eigentliche Fragestellung aus den genannten Gründen irrelevant waren. Hier scheint es Poppenberg wohl vor allem daran gelegen zu haben, die gesamte Evolutionsforschung zu diskreditieren, indem das Fehlverhalten einzelner Forscher herausgestellt wird. Auch einstmalige Fehleinschätzungen von Fossilien sind kein Einwand gegen eine Verwandtschaft zwischen Mensch und Menschenaffe. Selbstverständlich erfolgten im Lauf der Wissenschaftsgeschichte Fehlinterpretationen und gelegentlich auch Fälschungen. Und natürlich wurden Befunde verzerrt wahrgenommen. Entscheidend ist aber, dass die Naturwissenschaft über Selbstreinigungskräfte verfügt. Alle Fehlinterpretationen wurden von Evolutionsforschern erkannt und korrigiert, alle Fälschungen wurden von Wissenschaftlern aufgedeckt. Auf diesen enorm wichtigen Aspekt wird an keiner Stelle des Films eingegangen. Selbst der Evolutionskritiker Scherer, der im Film zu sehen ist, weist in seiner Rezension auf diese Einseitigkeit hin [5]. Man benötigt keine in Richtung Schöpfung orientierten Evolutionskritiker, um die Evolutionsforschung voranzubringen. Gegenüber dieser Einseitigkeit fallen die auch vorhandenen fachlichen Fehler nicht ins Gewicht. Obwohl die sachlich vorgetragenen Argumente von Brandt und Hartwig-Scherer durchaus bedacht werden müssen, ist der erste Teil des Films durch die tendenziöse Gesamtdarstellung als reine Propaganda zu werten. Der größte inhaltliche Mangel des zweiten Filmteils ist darin zu sehen, dass die Alternative ID inhaltlich überhaupt nicht dargestellt oder gar begründet wird. Lönnig betont nur apodiktisch, dass es sich bei ID um eine echte Wissenschaft handelt, eine Einschätzung, die von Nicht-Anhängern dieser Bewegung nicht geteilt wird. Es gibt kaum ein besseres Lehrstück, dass ID nur von der Ignoranz lebt, als diesen Film. Es stimmt schlicht und ergreifend nicht, dass es eine Wissenschaft von übernatürlichem Intelligent Design gibt oder dass mit wissenschaftlichen Methoden derartiges Design festgestellt werden kann. Deshalb ist auch der zweite Teil des Films inhaltlich eher belanglos.
Inhaltliche Probleme
Mit viel Wohlwollen lässt sich der Film noch als „einseitig" charakterisieren, denn Poppenberg beruft sich darin bis auf Fickel ausschließlich auf Forscher, die einer naturalistischen Evolution gegenüber kritisch eingestellt sind. Der Film lebt von den Forschern, die als Gewährsleute auftreten. Man muss sich natürlich die Frage stellen, ob diese Wissenschaftler über eine hinreichende Kompetenz verfügen, den aktuellen Stand der Fachwissenschaften darzustellen. In diesem Kontext ist bezeichnend, wie die jeweiligen Forscher durch Untertitel charakterisiert werden. Ein Beispiel: Im Lauf des Films werden zu Lönnig drei verschiedene Untertitel eingeblendet: Er wird zuerst als Genetiker, dann als Autor von „Artbegriff, Evolution und Schöpfung" und schließlich von „Mutationen: Das Gesetz der rekurrenten Variation" vorgestellt. Das klingt auf den ersten Blick wie eine umfassende Qualifikation. Lönnig arbeitet zwar als Genetiker beim Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, er befasst sich aber vor allem mit Löwenmäulchen. Seine in anerkannten Fachzeitschriften erschienenen Arbeiten haben daher mit der Evolution des Menschen wenig zu tun. Das erste genannte Werk erschien im Eigenverlag [6] und bei der zweiten Quelle handelt es sich um einen Internet-Artikel [7]. Mit beiden Publikationsformen wird jegliche Qualitätskontrolle durch unabhängige Fachleute (peer review) umgangen, der wissenschaftliche Wert derartiger Publikationen ist daher nicht vergleichbar mit dem von Arbeiten, die in Fachzeitschriften oder Büchern anerkannter Fachverlage erscheinen. Deshalb muss sich der Autor des Films die Frage gefallen lassen, ob er hier die Autorität eines Gewährsmanns nicht unzulässig zu steigern versucht. Auch die fachliche Kompetenz anderer im Film vorgestellter Forscher kann man hinterfragen. Weder Dr. Brandt noch Dr. Hartwig-Scherer befassen sich hauptberuflich mit Paläoanthropologie. Indes wird Brandt nur als „Autor von Der Ursprung des aufrechten Gangs" vorgestellt, obwohl er von Beruf Radiologe ist. Hartwig-Scherer ist zwar promovierte Paläoanthropologin, arbeitet jedoch seit etlichen Jahren als Verhaltenstherapeutin. Der Film stellt sie vor als „Autorin von Ramapithecus - Vorfahr des Menschen". Die genannten Bücher erschienen in der Reihe „Studium Integrale" der evolutionskritischen Studiengemeinschaft Wort und Wissen [8], sind also auch nur bedingt als objektive Darstellungen des aktuellen Stands der Anthropologie zu betrachten. Dieser Anspruch wird zwar im Film nicht erhoben, aber die Art der Darstellung entspricht der in den üblichen populärwissenschaftlichen Filmen, in denen Fachwissenschaftler zu Wort kommen. So muss sich Poppenberg den Vorwurf gefallen lassen, seine Argumentation nicht auf den aktuellen Stand der Forschung, sondern auf die Auffassungen von wissenschaftlichen Außenseitern zu stützen. Hier soll selbstverständlich nicht die fachliche Qualifikation der genannten Autoren angezweifelt werden. Wenn in einem Film aber derart weit reichende Einwände gegen den Stand der Forschung erhoben werden, müssten auch allgemein anerkannte Fachwissenschaftler zu Wort kommen.
Zusammenfassung
Die von Poppenberg produzierten Filme sind nach der Art der üblichen Edutainment-Filme gestaltet. Die Standpunkte, die dort von Poppenberg durch die Sprecher der verbindenden Sequenzen vertreten werden, gewinnen durch die mit filmischen Mitteln herausgestellte Kompetenz der interviewten Wissenschaftler den Anschein, sie seien wissenschaftlich abgesicherte Einwände gegen eine naturalistische Evolution. Tatsächlichen Fehlinterpretationen und sogar Fälschungen wird ein viel zu hoher Stellenwert beigemessen, während der Zuschauer nicht einmal am Rande erfährt, dass alle diese Probleme durch die Fachwissenschaftler der jeweiligen Gebiete korrigiert bzw. aufgedeckt wurden. Nirgends wird deutlich gemacht, dass die mitwirkenden Wissenschaftler in den relevanten Disziplinen eine Außenseiterposition vertreten. Zuschauer, welche nicht über den Stand der Forschung oder über die Art und Weise, wie Naturwissenschaft funktioniert, informiert sind, bekommen so ein vollkommen falsches Bild von der Erkenntnisgewinnung in den Naturwissenschaften. Daher kann vor diesen Filmen nur gewarnt werden.
Thomas Waschke (www.waschke.de) hat Biologie, Chemie und Informatik für das Lehramt an Gymnasien studiert und befasst sich seit langem mit Evolutionskritikern.
Quellen
Falls nicht gesondert angegeben, beziehen sich die Angaben auf Arbeiten, die auf der Webseite von Fritz Poppenberg unter dem Menüpunkt „Reaktionen" abrufbar sind. Dort sind Artikel aus verschiedenen Quellen zusammengestellt, in denen Hintergründe um die Diskussion über die besprochenen Filme zur Sprache kommen.
[1] Kahle, H. (1999) Evolution. Irrweg moderner Naturwissenschaft? 4. Aufl. Buchverlag Edeltraud Mindt, Bielefeld.
[2] E-Mail rrb Zuschauerredaktion v. 12.2.05.
[3] E-Mail Jörns Fickel v. 31.1.05.
[4] Einige Angaben zu diesem Komplex findet man in Geus, A. (1997): Anthropologie und Menschenzucht. Biologistische Utopien im 19.und 20. Jahrhundert. In: Schmutz, H.-K. (Hrsg.): Phantastische Lebensräume, Phantome und Phantasmen. Aufsätze des Züricher Symposions der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften vom 10. und 11. Oktober 1996. Basilisken-Presse, Marburg, S. 221-238, speziell S. 232f.
[5] http://www.genesisnet.info/aktuelles/news.php?ID=32, letzter Zugriff am 14.3.05.
[6] Lönnig, W.-E. (1993): Artbegriff, Evolution und Schöpfung. 3. Aufl. Eigenverlag, Köln [auch unter http://www.weloennig.de/Artbegriff.html, letzter Zugriff am 14.3.05].
[7] http://www.weloennig.de/Gesetz_Rekurrente_Variation.html, letzter Zugriff am 14.3.05.
[8] Das Buch von Brandt wird unter http://www.wort-und-wissen.de/index2.php?artikel=si/bio/gang_l.html vogestellt, das von Hartwig-Scherer unter http://www.wort-und-wissen.de/index2.php?artikel=si/bio/ramapi.html, für beide letzter Zugriff am 14.3.05.
Dieser Artikel erschien im "Skeptiker", Ausgabe 1/2005.