Das vollständige Programm zur GWUP-Konferenz 2013 in Köln finden Sie auf der offiziellen Konferenzseite.
Donnerstag, 9. Mai 2013
Alexander und Alexa Waschkau: Düstere Legenden
"Düstere Legenden" ist nicht nur eine Spielfilmreihe, sondern auch eine von vielen Bezeichnungen für kurze, außergewöhnliche und manchmal phantastische Geschichten, die wir uns im Alltag erzählen oder sogar als kuriose Meldung unter "Vermischtes" in der Zeitung finden.
Wie führte so eine Geschichte zur Enstehung von "Hoaxilla - Der skeptische Podcast aus Hamburg"? Wie erkennt man "Düstere Legenden" - oder vielmehr "Moderne Sagen" und warum erzählen wir sie so gerne weiter? Wie modern sind "Moderne Sagen" wirklich und wie entsteht so eine Geschichte? Diesen und anderen Fragen gehen wir anhand von Beispielen auf den Grund und laden dabei zum Miträtseln ein.
Alexa Waschkau hat Europäische Ethnologie, Anglistik und Germanistik studiert und arbeitet derzeit als Autorin, Journalistin und Podcasterin. Alexander Waschkau ist Psychologe und arbeitet in der Erwachsenenfortbildung mit Schwerpunkt E-Learning und Medien. Zusammen betreiben beide als Hoaxmistress und Hoaxmaster "Hoaxilla", den skeptischen Podcast aus Hamburg. Dort lauschen sie auch regelmäßig in die GWUP hinein – das Ergebnis lässt sich etwa einmal im Monat im "Skeptoskop" hören.
Sebastian Bartoschek: Spukt's?
Ghosthunting - Geisterjagd. Klingt spannend, spooky, strange. Die Ghosthunter selbst sehen es als wichtig, wissenschaftlich, wirkungsvoll an. Unbestritten: Menschen haben Spukerlebnisse. Sie hören Geräusche und Stimmen, spüren Wesenheiten, sehen Schatten und Schemen - wo eigentlich nichts ist. Oder doch? Wie kommt das? Sind es wirklich Geister Verstorbener, die noch schnell eine Nachricht loswerden wollen? Paralleluniversen, die unseren Raum durchdringen? Und wieso glaubt eigentlich mit Sebastian Bartoschek ein Psychologe daran, etwas zur Klärung dieser Fragen beitragen zu können? Eine Reise durch die Welt von Spuk, Wahrnehmung und vielleicht unklärbaren Fragen.
Sebastian Bartoschek ist Psychologe und in der Kinder- und Jugendhilfe tätig. Seit drei Jahren außerdem publizistisch tätig, sowohl online wie auch offline (u. a. "Skeptiker", wissenrockt.de, Wirtschaftspsychologie aktuell, Psychologie heute). Gerade hat er seine Dissertation zum Thema Verschwörungstheorien abgeschlossen und einen Interviewband zu grenzwissenschaftlichen Themen veröffentlicht. Im Sommer erscheint ein Buch zum Thema Ghosthunting (mit der Koautorin Alexa Waschkau). Sebastian Bartoschek ist auf seiner persönlichen Website, auf Facebook und auf Twitter zu finden, seinen Vortrag zu Verschwörungstheorien bei den Rhein-Ruhr-Skeptikern können Sie auf Youtube anschauen.
Mark Benecke: Seltsame Dinge mit Mark
Mark Benecke ist Kriminalbiologie mit schier unglaublichen Themenbreite: Vampirismus, ewiges Leben, Spaßnobelpreise, historische Serienmörder, spektakuläre Kriminalfälle... Zuletzt erschienen von ihm "Das knallt dem Frosch die Locken weg (Experimente für kleine und große Forscher)" und eine neue Sammlung von spektakulären Kriminalfälle" ("Aus der Dunkelkammer des Bösen"). Seine Website benecke.com ist eine Fundgrube für jeden, der sich auch nur ansatzweise für diese Themen interessiert. Fans können Mark Benecke jeden Samstag bei den "Profis" auf radioeins rbb hören und ihm auf der offiziellen Fanseite auf Facebook folgen.
Mark Benecke & Bernd Harder: Magister of Mystery – 5 Mal Rätselhaftes und dreieinhalb Erklärungen
Bernd Harder ist Redakteur verschiedener medizinischer Zeitschriften, Buchautor sowie Pressesprecher und Chefblogger der GWUP. Seine Publikationen drehen sich um düstere bis absurde Themen von den Nostradamus-Prophezeiungen über moderne Hexen, moderne Großstadtsagen bis zum Weltuntergang. Zuletzt erschienen das "Lexikon der unterdrückten Wahrheiten" und "Die Wahrheit über Vampire, Zombies und Werwölfe". Der ideale Partner also für ein Plauderstündchen mit Mark Benecke über Rätselhaftes, Absurdes und Abgründe an den Rändern der Wissenschaft.
Ralf Weber: Ganz normale Wunder – Zaubervorstellung
Ralf Weber zaubert unter dem Motto "Ganz normale Wunder" professionell für kleines und großes Publikum und auch auf wissenschaftlichen Kongressen.
Freitag, 10. Mai 2013
Jan Oude-Aost: Pseudomedizin bei Autismus
Das Thema "Autismus" bekommt in den letzten Jahren zunehmend Aufmerksamkeit in den Medien. Meist konzentriert sich die Berichterstattung jedoch auf erwachsene Menschen mit Autismus, deren besondere Fähigkeiten in den Mittelpunkt gestellt werden: sei es die besondere Wahrnehmung von Autisten, die sich ein Softwareunternehmen aus Berlin zu Nutze macht, oder außergewöhnliche und spektakuläre Fähigkeiten sogenannter Savants mit einer Autismusspektrumsstörung. Weniger berichtet wird über die Schwierigkeiten, die betroffene Kinder und deren Eltern in den frühen Jahren ihrer Entwicklung erleben. Oft dauert es Jahre, bis eine Diagnose gestellt wird, und wer nicht das Glück hat, in der Nähe eines spezialisierten Zentrums zu wohnen, hat es schwer, an kompetente Hilfe zu kommen.
Autismus ist nicht heilbar, und es gibt gegen die Kernsymptome keine Medikamente. Die Therapie des Autismus ist symptomatisch, und verhaltenstherapeutische Ansätze sind aktuell die vielversprechendsten und in ihrer Wirksamkeit am besten belegten. Ziel ist es dabei, das für das Individuum höchstmögliche Maß an Autonomie zu erreichen. Doch die Verhaltenstherapie von Kindern mit Autismus ist ein langer und für alle Beteiligten anstrengender Weg. Hier öffnet sich ein Tätigkeitsfeld für Pseudomediziner. Mit einfachen Erklärungen und Lösungen für eine komplexe Störung kosten sie im besten und häufigsten Fall Zeit und Geld, im schlechtesten und seltensten das Leben.
Nach einer Ausbildung zum Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger und dem Studium der Humanmedizin arbeitet Jan Oude-Aost seit der Approbation als Arzt 2012 in der Autismus-Ambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Dresden. Seit einigen Jahren beschäftigt er sich vermehrt mit Komplementär- und Alternativmedizin und kombiniert in diesem Vortrag Hobby und Beruf.
Heike Dierbach: Vorsicht, Seelenpfuscher! Wie alternative Psychotechniken Patienten schädigen
Würde man seinen Körper bei jemandem unters Messer legen, der nicht Medizin studiert hat? Sondern aus Wochenendseminaren oder spiritueller Eingebung zu wissen glaubt, wo er schneiden muss? Kaum. Aber Tausende Menschen tun dies mit ihrer Seele. Oft enttäuscht von kassenfinanzierten Psychotherapien sind sie bereit, sich auf „unkonventionelle" Methoden einzulassen – zumal, wenn diese sich mit Beschreibungen wie „ganzheitlich" oder „sanft" schmücken. Schaden kann's ja nicht? Das ist leider ein Irrtum: Die Seele ist einer der verletzlichsten Teile des Menschen. Pfusch daran hat gravierende Folgen. Vielen Menschen geht es nach der Teilnahme an einer Pseudotherapie schlechter als vorher.
Das liegt zum einen an der mangelnden Ausbildung der Anbieter. Zum anderen bergen viele esoterische Techniken bereits in ihrer Theorie Risiken. Oft wird mit Schuld argumentiert: Krankheiten und Schicksalsschläge sind angeblich die Strafe für Charakterschwächen und falsches Verhalten. Wer gesund werden will, muss hart an sich arbeiten und auch die absurdesten Übungen mitmachen. Dabei reißen die Pseudotherapeuten oft in kurzer Zeit viel auf und schicken den Patienten dann nach Hause. Wer damit nicht zurechtkommt, ist selbst verantwortlich: Er wolle eben gar nicht gesund werden.
Zunehmend bieten auch Psychologen und Ärzte und sogar Psychotherapeuten solche riskanten Techniken an. Die wissenschaftliche Psychotherapie scheut bisher die notwendige klare Abgrenzung.
Heike Dierbach, Jahrgang 1970, ist Diplompsychologin und Wissenschaftsjournalistin. Sie schreibt unter anderem für Stern, Zeit und Süddeutsche Zeitung. Buch: Die Seelenpfuscher – Pseudo-Therapien, die krank machen. Rowohlt, Reinbek, 2009.
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Christian Weymayr: Wie wirksam ist ein Buch? Zum Beispiel "Die Homöopathie-Lüge"
Bücher können großen Einfluss haben, siehe „Harry Potter", „Die Grenzen des Wachstums" und „Bittere Pillen". Ich möchte anhand des Buchs „Die Homöopathie-Lüge", das Nicole Heißmann und ich geschrieben haben und das im Oktober vergangenen Jahres bei Piper erschienen ist, analysieren, wie wirksam ein Buch ist, das sich kritisch mit einer weit verbreiteten Glaubenslehre der Medizin auseinandersetzt. Ich möchte mich dabei an dem Wirksamkeitsbegriff der Medizin orientieren: Dass etwas wirksam ist, bedeutet noch nicht, dass es auch nützlich ist, aber es ist die Voraussetzung dafür.
In meinem Vortrag möchte ich die Wirksamkeit des Buchs auf mehreren Ebenen betrachten: auf der kommerziellen, der inhaltlichen und der gesundheitspolitischen Ebene. Ich möchte also fragen: Welche Resonanz hat das Buch ausgelöst? Welche Argumente hat es provoziert? Und welche Veränderungen hat es bewirkt?
Eine Veränderung in der gesundheitspolitischen Diskussion kann auch diese Tagung bewirken: Ich möchte die GWUP dazu aufrufen, sich als erste Organisation (noch vor dem Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin) der wichtigsten These unseres Buches anzuschließen, die besagt, dass klinische Studien viel zu fehleranfällig sind, um gesicherte Erkenntnisse der Naturwissenschaft bestätigen oder widerlegen zu können. Daraus folgt, dass klinischen Studien zur Wirksamkeit homöopathischer Arzneien irrelevant und wegen der Gefahr des Missbrauchs kontraproduktiv sind und deshalb unterbleiben sollen.
Christian Weymayr ist promovierter Biologe und freier Medizinjournalist. Er arbeitet derzeit unter anderem als Redakteur für den IGeL-Monitor (ein ausführlicher Steckbrief ist auf Christian Weymayrs Website zu finden). Auf nachdenken-bitte.de gibt es ein ausführliches Interview zum Buch "Die Homöopathie-Lüge".
Samstag, 11. Mai 2013
Claudia Graneis: Globuli und Pharmazie – Eine Liebesgeschichte?
Homöopathie ist auf dem Vormarsch. Obwohl ein sinnvoller Wirkungsnachweis bislang unterblieben ist, hält sich die Irrlehre Samuel Hahnemanns nicht nur seit über 200 Jahren - sie wird in zunehmendem Maße auch von Politik und Gesundheitswesen hofiert. Die Auswirkungen sind vor allem in den Apotheken zu spüren: hier werden Kunden oft Globuli empfohlen, ohne dass sie danach gefragt hätten; mitunter für Konditionen, die einen Arztbesuch dringend erfordern.
Wieso scheinen Pharmazeuten für die Lehre von den Zuckerkügelchen so anfällig zu sein? Inwiefern ist die pharmazeutische Ausbildung betroffen? Welche Rolle spielen Lobbyarbeit und politische Einflussnahme? Welche Gefahren birgt der gegenwärtige Zustand?
In diesem Vortrag soll versucht werden, derlei Fragen zu beantworten und einen Überblick über die Auswirkungen der (bildungs- und gesundheits)politischen Gegebenheiten im Deutschland des 21. Jahrhunderts zu verschaffen.
Claudia Graneis studiert Pharmazie und hat ihr Unbehagen über homöopathische Inhalte im Studium in einem Blogposting kundgetan, was zu lebhaften Reaktionen führte. Sie bloggt neuerdings unter "Cloudpharming".
Benedikt Matenaer: "Vorsicht, Bestechung!" – Die Akupunktur skeptisch betrachtet
Die Akupunktur ist eine der populärsten Therapieformen. Aber ist Popularität gleichbedeutend mit Effektivität? Was sagt die Forschung zu der Frage, ob und, wenn ja, warum diese „bestechende Heilmethode" wirkt? Was passiert nach dem Stich? Welche Erkenntnisse sind gesichert, wo beginnt der Mythos? Was hat es mit der „Lebensenergie" Chi auf sich? Und kann man wirklich mit einer Nadel am kleinen Zeh eine Geburt einleiten?
Im Vortrag geht es um den aktuellen Forschungsstand, die Erfolge aber auch die Auswüchse der Akupunktur als Wirtschaftskomplex im deutschen Gesundheitswesen. Und: was unterscheidet den erfahrenen Akupunkteur vom Anfänger? Braucht man überhaupt eine Ausbildung, am besten noch in China, oder sind unspezifische Effekte für die Wirkung verantwortlich?
Doch wenn es letztendlich egal ist, wohin man sticht, darf dann Akupunktur mit öffentlichen Geldern vergütet werden? Lässt es sich mit den Prinzipien der Weiterbildungsordnung von Ärztekammern vereinbaren, eine „Pseudo"-Ausbildung mit einer Zusatzbezeichnung zu adeln? Warum wird von Ärzten einerseits die Anwendung evidenzbasierter Verfahren gefordert, andererseits aber der Akupunktur der Eintritt in das öffentliche Gesundheitswesen gestattet, einem Verfahren, dessen Grundlagen bislang reine Spekulation sind?
Benedikt Matenaer ist Anästhesist, Palliativmediziner und Schmerztherapeut. Er arbeitet auf der Palliativstation des St. Agnes-Hospitals in Bocholt und in eigener Praxis mit dem Schwerpunkt Tumorschmerztherapie und ambulanter Palliativversorgung. Matenaer ist Mitglied im Prüfungsausschuss der Ärztekammer Westfalen-Lippe für den Bereich Palliativmedizin und Inhaber des B-Diploms für Akupunktur.
Johannes Ring: Im Spannungsfeld zwischen Wahrheitsfindung und Heilkraft – Unkonventionelle Verfahren in der Allergologie*
Wenige Gebiete der Medizin zeichnen sich durch eine vergleichbare Beliebtheit von unkonventionellen Methoden aus wie allergische Erkrankungen. Der praktizierende Allergologe verbringt einen Großteil seiner Zeit mit Debatten über Für und Wider von unkonventionellen Methoden. In einer groß angelegten Übersicht wurden über 120 verschiedene Verfahren verglichen, die in der Diagnostik oder Therapie von allergischen Erkrankungen eingesetzt werden, und über die gemeinhin zugänglichen „Evidenz-Grade" hinaus nach potentieller Sinnhaftigkeit unterteilt; sowie wissenschaftliche Evidenz vorliegt, kann ein Verfahren ja nicht mehr als „unkonventionell" bezeichnet werden. Die Grenzen zwischen neu zu erprobenden wissenschaftlichen Ansätzen und unkonventionellen Methoden sind fließend. Dies zeigt sich auch in der Namengebung, die von „Natur-", „alternativ", „komplementär", „unkonventionell" bis zu „integrativ" über die Jahre hin wechselte. Nach dieser Einteilung gibt es durchaus Verfahren, die empfohlen werden können, deren Sinnhaftigkeit ist aber noch nicht ganz klar bewiesen. Daneben gibt es Verfahren, die auf Grund einer theoretischen Überlegung oder von Einzelfallbeobachtungen eine wissenschaftliche Untersuchung interessant erscheinen lassen. In die dritte Kategorie fallen Verfahren, die wiederholt in wissenschaftlichen Studien geprüft wurden, ohne dass eine Wirksamkeit nachgewiesen werden konnte. (Es ist festzuhalten, dass die Nicht-Wirksamkeit eines Verfahrens aus erkenntnistheoretischen Gründen niemals bewiesen werden kann.) Die vierte Gruppe umfasst all jenes, was mit dem gesunden Menschenverstand nicht nachvollziehbar und – bar jeder Evidenz – auch nicht empfehlenswert ist.
Weil ein Arzt, der auf dem Boden der Wissenschaft steht, sich nicht vorwerfen will, „Scheuklappen" zu tragen, haben wir in den letzten Jahrzehnten neben klassischen klinischen Studien eine Reihe von sorgfältig angelegten Plazebo-kontrollierten Doppelblindstudien mit verschiedenen „unkonventionellen Verfahren" selbst durchgeführt oder analysiert. Dabei ergaben sich – mit einer Ausnahme – leider keine wissenschaftlich haltbaren Wirksamkeitsnachweise, weder für Bioresonanz, Kinesiologie, Homöopathie, noch für orale Gabe von mehrfach ungesättigten Fettsäuren bei atopischem Ekzem (Neurodermitis). Interessant war, dass in der diagnostischen Aussagekraft ein Verfahren (Kinesiologie) sogar schlechter abschnitt als die Zufälligkeit eines Würfels, sowie das Ergebnis einer Doppelblindstudie, bei der Plazebo eindeutig besser war als Verum. Einer der Autoren erhält noch Jahre nach dieser Studie Dankespost zu Weihnachten von Patienten der Plazebo-Gruppe mit der Aussage „Sie haben mich geheilt".
Interessant ist bei vielen Studien in der Allergie der extrem hohe Bereich der Plazebo-Response, der bis zu 70 % (in einer eigenen Studie mit oraler Hyposensibilisierung) reichen kann. Psychoneurologische Forschungen mögen diesen Befund der hohen „Suggestibilität" näher erforschen, die möglicherweise bei Allergikern stärker ausgeprägt ist als bei Normalpersonen. Eine erfreuliche Ausnahme waren die Untersuchungen, die wir mit Akupunktur durchführten: Sowohl in der Bekämpfung von experimentell-induziertem (gesunde Freiwillige), aber auch spontan entstehendem Juckreiz (bei atopischem Ekzem) fanden sich signifikante Effekte einer klassischen Akupunktur in einer Doppelblindstudie. Ebenso war in einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützten randomisierten Doppelblindstudie klassische Akupunktur bei allergischer Rhinokonjunktivitis wirksam.
Wir schließen aus unseren Erfahrungen, dass die Suggestivkraft eines guten Arztes in der Behandlung von Patienten mit chronischen Erkrankungen nicht unterschätzt werden sollte. In der Auseinandersetzung mit sektiererhaft propagierten unkonventionellen Methoden hilft die Aussage: „Das ist wie Religion, und ich streite mit meinen Patienten nicht über Weltanschauung". Der gute Arzt muss zuhören können, offen sein, dem einzelnen Patienten gegenüber tolerant – ohne die Bedeutung wissenschaftlicher Evidenz zu verleugnen – und seine Überzeugung von den positiven Wirkungen der von ihm vorgeschlagenen Therapieoptionen glaubhaft vermitteln. Als wissenschaftlicher Mediziner müssen wir den „Plazebo-Effekt" mitnehmen, auf den sich dann die bewiesene gesteigerte Wirksamkeit eines Verfahrens aufbaut.
*Koautor Florian Pfab
Johannes Ring ist Dermatologe und Allergologe und Inhaber des Lehrstuhls für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum der TU München. Er hat mehrere hundert Artikel und Beiträge in Fachpublikation veröffentlicht, war in den Vorständen mehrere internationaler Fachgesellschaften und wurde mehrfach für seine wissenschaftliche Arbeit ausgezeichnet, unter anderem mit der Staatsmedaille "Umwelt und Gesundheit" des Freistaats Bayern.
Martin Lambeck: Parawissenschaften als gesellschaftlich akzeptierte Parallelwissenschaften
Es wird gezeigt, dass die Auffälligkeiten in der alternativen Medizin und einigen deutschen Universitäten auf mindestens fünf Parallelwissenschaften beruhen: Alchemie, romantischer Naturphilosophie, Signaturenlehre, Esoterik und Falschphysik. Diese Lehren erfreuen sich der Akzeptanz durch den Gesetzgeber, medizinische Fachgesellschaften, prominente Politiker, Versicherungsgesellschaften und den Gesundheitsausschuss des Bundestages. Sie erreichen akademisches Niveau im Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften der Universität Frankfurt/Oder (IntraG), im Institute of Complementary Medicine (INCOM) der Steinbeis Hochschule Berlin und der Rolf-Schneider-Akademie.
Die Rezeptur einiger Homöopathika und Anthroposophika wird untersucht. Wenn diese richtig ist, muss die Physik stärker geändert werden als durch Planck und Einstein, die Medizin stärker als durch Semmelweis und Koch, und zahlreiche Nobelpreise sind fällig.
Martin Lambeck ist emeritierter Professor für Physik an der TU Berlin und Mitglied im Wissenschaftsrat der GWUP. Seine Schwerpunkte in der GWUP sind Grenzgebiete von Physik, Philosophie und Medizin. Buch: Irrt die Physik? Über alternative Medizin und Esoterik. C.H.Beck, München, 2. Auflage 2005.
Holm Hümmler: Nazis über uns? Von Flugscheiben und Neuschwabenländlern
Spätestens mit der 2012 erschienenen Filmsatire Iron Sky wurden die Geschichten um Hitlers Gefolgsleute, die in einer geheimen Basis im antarktischen Neuschwabenland das Kriegsende überstanden haben und mit ihren Flugscheiben bis zum Mond fliegen, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Für einen überzeugten Kreis von Verschwörungstheoretikern ist dies jedoch keine absurde Science-Fiction, sondern systematisch verschwiegene Realität. Tatsächlich gehört die Neuschwabenland-Verschwörung zu einer kleinen Zahl von Verschwörungstheorien, die besonders charakteristisch für den Verschwörungsglauben unserer Zeit sind. Sie hat nicht nur im Web große Verbreitung, sondern war bereits Gegenstand ernsthafter wissenschaftlicher Untersuchungen.
Wie müssten die beschriebenen Flugscheiben funktionieren, und wie realistisch ist das? Welche tatsächlich funktionierenden oder wenigstens geplanten Flugscheiben gab es in der Zeit des zweiten Weltkrieges, und welche Fähigkeiten hatten sie? Wie soll eine Basis in der Antarktis ausgesehen und funktioniert haben? Welche Eigenschaften müsste sie haben, um eine hinreichende Zahl von Menschen ohne Versorgung von außen über Jahre zu versorgen? Kann das funktionieren?
Wo nimmt der Glauben an die deutschen Wunderwaffen des zweiten Weltkriegs seinen Anfang? Welche Funktion hatte er damals, und welche hat er heute? Und schließlich – sind die heutigen Neuschwabenland-Gläubigen harmlose Spinner oder doch eine ernsthafte Gefahr für unsere Demokratie?
Dr. Holm Gero Hümmler, Geschäftsführer einer mittelständischen Unternehmensberatung, studierte Physik mit Nebenfach Meteorologie an der Universität Frankfurt und Betriebswirtschaft an der FernUniversität Hagen. Bis zu seinem Wechsel in die Wirtschaft forschte er am Max-Planck-Institut für Physik in München, dem CERN in Genf und dem Brookhaven National Laboratory. Interessengebiete innerhalb der GWUP sind Grenzgebiete der Physik sowie die Öffentlichkeitsarbeit.
Holm Hümmler zu "Tachyonen, Felder, Freie Energie - wie die Esoterik die Begriffe der Physik missbraucht" (Vortragsfolien, PDF-Datei), Shaolin-Kräfte im TV-Test (PDF-Datei, aus dem "Skeptiker" 1/2009) und im "Skeptoskop".
Jessica Bahr: Sex-Mythen - Fakt und Fiktion in der Sexualität
Jessica Bahr studierte Medizin an der Universität Hamburg und wählte populäre Sexmythen zum Thema ihrer Doktorarbeit. Einen Vorgeschmack gibt ihr Video zu ihrem Science-Slam-Auftritt am 7. Dezember 2012 in Hamburg.
Letzte Änderung: 10.4.13, M. Mahner