Wenn Kritiker gegenüber Politikern und Aufsichtsbehörden darauf hinweisen, dass Homöopathie frei von jeglichen Wirkungsnachweisen ist und nichts als eine Placebo-Funktion erfüllt, ist eine Antwort: „Was schadet es schon?". Mit anderen Worten, wenn der Placebo-Effekt doch positiv ist und keine Nebenwirkungen bestehen, was ist denn dann falsch daran, wenn die Leute etwas Geld an Zuckerpillen verschwenden wollen? Aber ist Homöopathie wirklich risikofrei?
Leider kann Homöopathie überraschende und gefährliche Nebenwirkungen haben. Diese haben nichts unmittelbar mit einem bestimmten homöopathischen Mittel zu tun, sondern sind eine indirekte Folge dessen, was eintritt, wenn Homöopathen Ärzte als Quellen medizinischer Beratung ablösen.
Viele Homöopathen haben z.B. eine negative Einstellung gegenüber Schutzimpfungen, so dass Eltern, die in regelmäßigem Kontakt mit einem Homöopathen stehen, mit geringerer Wahrscheinlichkeit ihr Kind impfen lassen werden. Um den Umfang dieses Problems abzuschätzen, haben Edzard Ernst und Katja Schmidt an der Universität von Exeter eine entlarvende Umfrage unter britischen Homöopathen durchgeführt. Nachdem sie aus Online-Verzeichnissen E-Mail-Adressen erlangt hatten, versandten sie eine E-Mail an 168 Homöopathen, in welcher sie vorgaben, eine Mutter zu sein, die nach Rat fragte, ob sie ihr einjähriges Kind gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) impfen lassen sollte. Dies fand im Jahr 2002 statt, als die Kontroverse über MMR endete und die wissenschaftlichen Untersuchungen klar zugunsten einer Impfung sprachen. Von den 77 Personen, die antworteten, empfahlen nur zwei der Mutter die Impfung, woraus deutlich wird, dass die überwiegende Mehrzahl von Homöopathen keine Empfehlung für eine Impfung aussprechen würden.
Möglicherweise die größte Gefahr entsteht, wenn Homöopathie eine konventionelle Behandlung ersetzt. Mir begegnete dieses Problem erstmals im Jahr 2006, als ich versuchte herauszufinden, was Homöopathen einem jungen Reisenden anbieten würden, die eine Malariaprophylaxe suchte. Gemeinsam mit Alice Tuff und der Stiftung Sense About Science entwickelten wir eine Geschichte, wonach Alice eine zehnwöchige Landreise durch Afrika antreten würde, wo eine hohe Verbreitung des gefährlichsten Malaria-Stammes besteht, der innerhalb von drei Tagen zum Tod führen kann. Alice, eine junge Universitätsabsolventin, würde den Homöopathen erklären, dass sie in der Vergangenheit an Nebenwirkungen von konventionellen Malariatabletten gelitten hatte und fragte, ob es eine homöopathische Alternative gäbe.
Bevor sie die Homöopathen aufsuchte, besuchte Alice jedoch eine konventionelle Reiseklinik mit exakt derselben Geschichte. Der Gesundheitsexperte erklärte, dass Nebenwirkungen bei Malariatabletten nichts Unübliches seien, dass aber eine ganze Reihe von Optionen bestünde, so dass eine andere Art von Tablette empfehlenswert sein könne. Zugleich stellte der Gesundheitsexperte detaillierte Fragen über Alices gesundheitliche Vorgeschichte und bot umfassende Beratung an, z.B. zur Vermeidung von Insektenbissen.
Als nächstes fand Alice eine Reihe von Homöopathen, indem sie im Internet suchte, wie es jeder junge Student tun würde. Sie besuchte oder telefonierte mit zehn von ihnen, vorrangig in und um London. In jedem Fall zeichnete Alice insgeheim die Gespräche auf, um die Beratung zu dokumentieren. Die Ergebnisse waren schockierend. Sieben der zehn Homöopathen fragten nicht einmal nach der medizinischen Vorgeschichte der Patientin und gaben auch keine allgemeinen Vorbeugungshinweise. Schlimmer noch, alle zehn Homöopathen waren bereit, einen homöopathischen Malariaschutz anstelle einer konventionellen Behandlung zu empfehlen, womit sie das Leben der vermeintlichen Reisenden riskiert hätten.
Die Homöopathen boten Anekdoten an, um die Wirksamkeit von Homöopathie darzustellen. Eine von ihnen behauptete, ihr habe eine Person erzählt, sie sei beruflich nach Afrika gereist und die Leute, die Malariatabletten genommen hätten, hätten Malaria bekommen, allerdings wohl eine andere unterdrückte Form, nicht die volle Ausprägung, aber die Leute, die Homöopathika genommen hätten, nicht. Sie seien überhaupt nicht krank geworden. Die Homöopathin beriet auch dahingehend, dass Homöopathika gegen Gelbfieber, Ruhr und Typhus schützen könne. Ein anderer Homöopath versuchte, den Wirkmechanismus von Homöopathika zu erklären: „Die Mittel sollten Ihre Empfänglichkeit verringern; denn sie bewirken, dass Ihre Energie – ihre Lebensenergie – kein malariaförmiges Loch mehr hat. Die Malariamücken kommen deswegen nicht und können es nicht ausfüllen. Die Mittel kümmern sich darum."
Die Untersuchung fand vor den Sommerferien statt, so dass sie zum Teil einer Kampagne wurde, die Reisende davor warnen sollte, sich auf Homöopathie zum Schutz vor Tropenkrankheiten zu verlassen. Ein Fall, der im British Medical Journal beschrieben wurde, berichtete von einer Frau, die sich während einer Reise nach Togo in Westafrika auf Homöopathie verlassen hatte, was zu einem schweren Malariaausbruch bei ihr führte. Dies bedeutete, dass sie zwei Monate intensiver Pflege wegen Multiorganversagens bedurfte. In einem solchen Fall bietet ein Placebo keinen Schutz. Da schadet es.
Simon Singh ist ein Unterstützer der 10:23 Kampagne. Er ist der Autor von Büchern wie "Fermat's letzter Satz".
Übersetzung: Jan-Peter Ewert
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