Anthroposophie ist überall
Was haben Ulrike Meinhof, Boris Palmer, Cosma Shiva Hagen, Martin Semmelrogge und die Brüder Jimi Blue und Wilson Gonzalez Ochsenknecht gemeinsam? Sie alle sind in eine anthroposophische Einrichtung gegangen. Sie alle sind ehemalige Waldorfschüler.
Die Anthroposophie ist die wohl einflussreichste esoterische Strömung im deutschsprachigen Raum. Bekannter als die Anthroposophie selbst sind ihre sogenannten Praxisfelder, in denen sie zur Anwendung kommt. Die Waldorfpädagogik ist mit über 250 Schulen in Deutschland und rund 1200 Schulen weltweit, das international erfolgreichste dieser Praxisfelder: Die biologisch-dynamische Landwirtschaft erfreut sich mit dem Anbauverband Demeter ebenfalls großer Beliebtheit. Weniger bekannt sind die esoterischen Hintergründe dieser anthroposophischen Unternehmungen.
Esoterik oder Wissenschaft?
Die Anthroposophie wurde durch den österreichischen Esoteriker Rudolf Steiner (1861-1925) begründet. Steiner ging davon aus, dass es neben der sinnlich erfahrbaren Welt noch eine geistige Welt gibt. Zu Erkenntnissen aus und über diese „höheren Welten“ gelangt man durch Hellsicht; Steiner sprach auch von "hellsichtigem Schauen".
Bemerkenswerter Weise erhob Steiner die Anthroposophie und ihren hellsichtigen Erkenntnisweg in den Rang einer Wissenschaft (er sprach von Geistes- oder Geheimwissenschaft) und behauptete, Naturwissenschaften und Anthroposophie würden sich einander annähern. Tatsächlich stimmt das Gegenteil: Die grundlegenden anthroposophischen Konzepte entbehren jeder Grundlage. Nichtsdestotrotz halten Anthroposophen bis heute an diesen Konzepten fest.
Karma, Reinkarnation und kosmische Evolution
In der Anthroposophie ist der Glaube an Karma und Reinkarnation zentral. Nicht nur Menschen, sondern auch Pflanzen, Tiere und unbelebte Materie (wie Mineralien oder sogar der Planet Erde) sind laut Anthroposophie Wesen, die bereits zahlreiche Inkarnationen durchlaufen haben und noch zahlreiche weitere durchlaufen werden. Anders als im Hinduismus oder Buddhismus glaubt man aber, das Karma sei durch vorherige Leben positiv oder negativ vorgeprägt. Krankheiten oder Behinderungen können demnach ihre Ursache in Verfehlungen in vorherigen Leben haben. Man trägt also die Schuld am eigenen Leiden. Richtet man sein Leben gemäß seiner karmischen Bestimmung aus, so führt dies zur Höherentwicklung im nächsten Leben. Anthroposophen glauben also, an der Höherentwicklung der Menschheit zu arbeiten.
Waldorf, Demeter, Weleda: Was ist das Problem?
Nun könnte man meinen, ein bisschen Esoterik schade nicht, solange man sich an den Schulen wohl fühlt, Demeter-Produkte schmecken und die Weleda-Creme sich angenehm anfühlt. Problematisch wird es aber, wenn z.B. kranke Tiere zunächst mit unwirksamer anthroposophischer Pseudomedizin behandelt werden und dadurch unnötig leiden müssen. Problematisch wird es auch dort, wo man an Waldorfschulen am anthroposophischen Menschenbild festhält und die Pädagogik und die Lerninhalte an esoterischen Konzepten ausrichtet. Das führt z.B. dazu, dass an vielen Waldorfschulen erst nach dem Zahnwechsel mit etwa sieben Jahren Lesen und Schreiben gelehrt wird, obwohl viele Kinder bei Schuleintritt bereits Erfahrungen mit Schrift gemacht haben und so wertvolle Lernzeit vergeudet wird. Naturwissenschaftliche Methoden und kritisches Denken kommen an Waldorfschulen viel zu kurz. Denn man glaubt, dass sie während der ersten 14 Lebensjahre der kindlichen Entwicklung schaden.
Mistel gegen Krebs
Anthroposophen glauben, dass es neben dem „physischen Leib“ auch noch weitere sogenannte "Körperhüllen" gibt, die unseren herkömmlichen Sinnen verborgen, den Körper umgeben. Die anthroposophische Medizin, behandelt angeblich nicht nur unseren „physischen Leib“, sondern auch die weiteren Körperhüllen, wie den Äther- oder Astralleib mit speziellen Mitteln, die der Pseudomedizin zuzuordnen sind. Am bekanntesten ist die (nicht evidenzbasierte) Gabe von Mistelpräparaten gegen Krebs.
Weiterführende Angebote und Informationen der GWUP
Buch: Anthroposophie – Eine kurze Kritik von André Sebastiani
Vortrag: Anthroposophie und Waldorfpädagogik - Steiner-Esoterik statt Reformschule mit André Sebastiani und Oliver Rautenberg
Vortrag: Anthroposophie eine kurze Kritik von André Sebastiani (https://www.youtube.com/watch?v=rfgJUjJBHO4)
Anthroposophie.blog / Oliver Rautenberg
Skeptiker-Artikel "Versteinerte Erziehung" von André Sebastiani
Podcast: Waldorfsalat mit GWUP-Mitglied Oliver Rautenberg (https://waldorfsalat.letscast.fm)
Podcast-Folgen zur Anthroposophie
Podcast: Hoaxilla #232 – Kurze Kritik der Anthroposophie mit André Sebastiani
Podcast: Hoaxilla #107 – Waldorfschule mit André Sebastiani
Podcast: Nachgefragt: Anthroposophie in der Wirtschaft mit Oliver Rautenberg