Zu Beginn des 20. Jahrhunderts versuchten viele Ärzte, mit Eigenblutinjektionen der Patienten deren Neigung zu Infektionen oder Entzündungen zu bekämpfen. 1913 entwickelte der Dermatologe Spiethoff eine standardisierte Technik für die Behandlung mit Eigenblut und Eigenserum, die in den folgenden Jahrzehnten geradezu Mode wurde: Man behandelte damit allerlei Beschwerden, von Augenleiden, Hauterkrankungen, orthopädi schen wie gynäkologischen Krankheiten, über Herz Kreislauferkrankungen und Infektionen bis hin zu Syphilis und Krebs. Um die Wirkung zu steigern, wurde das Blut verschiedenen Behandlungen unterworfen, bevor man es wieder injizierte. Es wurde gefroren und wieder aufgetaut, man entfernte Blutgerinnungsfaktoren oder rote Blutkörperchen, versetzte es mit Betäubungs- mitteln, Pflanzenextrakten, Homöopathika oder destilliertem Wasser, oder reicherte es mit Sauerstoff an. Daraus entwickelten sich die Hämatogene Oxidationstherapie (HOT-UVB) und die Ozontherapie.
Da die Eigenbluttherapie die in sie gesetzten Hoffnun- gen nicht erfüllte, wurde sie in der etablierten Medizin in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nur noch selten praktiziert. Unter Naturheilern aber gilt sie immer noch als "Umstimmungstherapie". Wie andere Reize – Wärme, Kälte, Wasser, Schmerz etc. – soll Eigenblutbe- handlung eine unspezifische Reaktion auslösen, um die geschwächten Selbstheilungs- und Abwehrkräfte des Körpers anzuregen.
Zur Behandlung mit Eigenblut entnimmt der Arzt mit einer Injektionsspritze Venenblut und spritzt es sofort wieder dem Patienten - meist in die Vene, aber auch unter die Haut, in Akupunkturpunkte oder Maximalpunkte der Reflexzonen. Bei akuten Krankheiten wird diese Behandlung im Tagesabstand einige Male wiederholt, bei chronischen Erkrankungen werden die Spritzen im Drei-Tagesabstand einige Wochen hindurch verabreicht.
Anhänger der Methode befürworten diese Behandlung bei Rekonvaleszenz, chronischen Erkrankungen der Haut, der Luftwege, des Bewegungsapparates, bei Allergien, Viruserkrankungen, in der Operations- und Krebsnachsorge und sogar bei Aids. - Die Variante der sogenannten Autosanguis-Stufen- therapie hat die "Entgiftung" des Körpers bei Allergien, Migräne oder wiederholten Virus-Infektionen zum Ziel. Gemäß der Theorie der Homotoxikologie wird dazu das Blut verdünnt ("potenziert"), und unter die Haut oder in Muskeln gespritzt. - Bei einer homöopathischen Variante, die vornehmlich bei Kindern mit chronischen Krankheiten angeboten wird, wird das Blut verdünnt und nachher eingenommen.
Bei der Variante der HOT-UVB wird das Eigenblut nach der Entnahme durch einen Apparat geleitet, mit Sauerstoff (O2) aufgeschäumt, mit Ultraviolettlicht bestrahlt und sofort wieder in die Vene geleitet oder in den Gesäßmuskel gespritzt. Meist wird eine Serie mehrerer Behandlungen durchgeführt. Diese Methode wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Schweiz und im osteuropäischen Raum kultiviert. Im Westen werden damit über 60 Krankheiten behandelt. Als "Blutdoping" soll HOT bei Sportlern die Leistung steigern.
Ozontherapie: Bei der "kleinen" und der "großen Blutwäsche" im Rahmen der Ozontherapie wird eine bestimmte Menge des aus der Vene gewonnenen Blut apparativ mit Ozon (O3) verschüttelt und als Infusion so- fort wieder in die Vene gebracht. Diese Behandlung soll – als Kur verabreicht – die Durchblutung fördern, Altersleiden, Allergien, Akne, Arteriosklerose, Asthma, Stoffwechselleiden, Neuralgien, Krampfadern, Herpes, Hepatitis, Aids und vieles andere heilen. Kritische Einschätzung der Konzepte Jeder Einstich setzt Reaktionen im Körper in Gang – so auch eine Blutabnahme oder eine Injektion. Das Refundieren des eigenen Blutes – ob pur, behandelt oder mit Zusätzen präpariert – ist eine unspezifische Reiztherapie. Dafür, dass es tatsächlich die Abwehr- oder die Selbstheilungskräfte mobilisieren und diverse Krankheiten beeinflussen könnte, fehlt ein überzeugender Beleg.
Die Vorstellungen der Homotoxikologie, gestörte Krankheitsabläufe führten zu einer "Rückvergiftung" des Körpers, und dass Antihomotoxika ihn entgiften könnten, ist wissenschaftlich unhaltbar. - HOT-UVB: Ihre Anwender haben sich selbst von der irrigen Leitvorstellung verabschiedet, mit Sauerstoff aufbereitetes Blut könne einen Sauerstoffmangel im Körper ausgleichen. Die Entdeckung, dass die roten Blutkörperchen einen Teil der UV-Strahlen aufnehmen können, die auf die Haut auftreffen, führte ursprünglich zur Vermutung, dass der rote Farbstoff des Blutes UV- Licht chemisch nutzen könnte, ähnlich wie es der grüne Farbstoff der Pflanzen (Chlorophyll) vermag. Auch das hat sich als Irrtum erwiesen. Heute liegt kein einheitliches Erklärungskonzept vor, eher eine vage Vorstellung, dass die UV-Bestrahlung irgendwie den Zellstoffwechsel anrege und die Regelkreise anstoße.
Ozontherapie: Den Anwendern gilt Ozon nicht nur als Mittel gegen Infektionen, sondern O3 soll die Durchblutung fördern, indem es die Blutkörperchen angeblich gleitfähiger macht oder direkt auf Nerven wirkt – wofür jedoch der wissenschaftliche Nachweis fehlt. Im Gegenteil: Es hemmt die Sauerstoffabgabe ins Gewebe, das Blut wird dickflüssig. Ozon ist eines der giftigsten Gase, und es kann – wie auch UV-Strahlung – die Bildung von sogenannten Radikalen anregen, wodurch Genschäden und in der Folge Krebs entstehen können. Doch selten informieren Anwender ihre Kunden über mögliche Schäden oder Risiken. Kritische Einschätzung der klinischen Wirksamkeit Es fehlt der Nachweis, dass Injektionen mit Eigenblut größere Effekte haben als Placebos (Scheinbehandlungen), doch sie sind nicht ohne Nebenwirkungen: Sie können Nesselausschlag, Kopfschmerzen, Schwindel, Fieber, Herzklopfen oder gar Schock auslösen. Das gilt insbesondere, wenn das Blut mit Pflanzenmitteln versetzt ist.
HOT-UVB: Ein Wirksamkeitsnachweis fehlt. Die Behandlung geht mit Risiken einher: Herzprobleme, Unruhe, Schweißausbruch, Fieber, Schüttelfrost und Geschmacksveränderungen können auftreten. Am "Blut- doping" ist ein junger Sportler gestorben.
Ozontherapie: Die Heilungsversprechen sind weit überzogen, aber Zwischenfälle sind nicht selten. Übelkeit, Schwindel, Husten, Darmkrämpfe und Herzrhyth- musstörungen als Injektionsfolge sind dokumentiert, und es kann zu Ekzemen, Herzmuskelveränderungen und Kreislaufkollaps kommen. Von Schädigung des Zentralnervensystems mit Erblindung, Lähmungen, Embolien, allergischem Schock und mehreren Todesfällen wurde berichtet. Mit Ozontherapien wurde in unzähligen Fällen Hepatitis B und C übertragen – in einer englischen Naturheilklinik waren es im Jahr 1997 allein 57 von 352 Patienten (15 Prozent). Im Verhältnis zum Nutzen ist das Risiko extrem hoch. Nach der klassischen Definition verwenden Naturheilverfahren Naturprodukte und dringen nicht in den Körper ein. Die verschiedenen Eigenbluttherapien nutzen zwar Patienten eigenes Blut, dieses wird aber präpariert und injiziert. Sie werden daher fälschlich zu den Naturheilverfahren gezählt.
Dr. Krista Federspiel
Literatur
- Diehm C, Rechtsteiner H-J (1987) Wer heilt, hat recht? Ozontherapie, Hämatogene Oxidations-Therapie und Sauerstoff- Mehrschritt-Therapie bei arterieller Verschlusskrankheit. W. Zuckschwerdt Verlag: München
- Oepen I (1985) Paramedizinische Verfahren in Diagnostik und Therapie. In: Oepen I (Hrsg) An den Grenzen der Schulmedizin. Deutscher Ärzte-Verlag: Köln 1985, pp 25-59
- Federspiel K, Herbst V (1996) Handbuch Die Andere Medizin. Stiftung Warentest: Berlin
- Webster GJ et al (2000) Molecular epidemiology of a large out- break of hepatitis B linked to autohaemotherapy. Lancet 356: 379-384