Zu Jahresbeginn treten Seher, Astrologen und Wahrsager oft mit spektakulären Prophezeiungen für das nächste Jahr an die Öffentlichkeit; die GWUP nimmt dies zum Anlass, am Jahresende den Erfolg dieser Voraussagungen zu überprüfen. Michael Kunkel, der auch die Internetseite "Wahrsagercheck" betreibt, hat auch vor Jahresbeginn 2003 wieder deratige Prophezeiungen gesammelt; das Ergebnis finden Sie kurz und bündig in der GWUP-Pressemitteilung ("Osama bin Laden gefasst und großes Comeback für Michael Jackson") vom 16. Dezember 2003.
Da anlässlich dieser Prognosenschau bestimmte Fragen häufig gestellt werden, haben wir Ihnen diese an dieser Stelle mitsamt kurzen Antworten zusammengestellt. Wenn Sie mehr Fragen haben, stellen Sie diese bitte an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder unser "Zentrum für Wissenschaft und kritische Denken".
Die Pressemitteilung, die häufig gestellten Fragen und ein wenig Hintergrundinformationen zur GWUP gibt es zusammengefasst als Druckversion (PDF-Datei, ca. 40 kB) zum Herunterladen.
Warum eine solche Auswertung?
In Presse, Funk und Fernsehen, in zahllosen Büchern und im Internet veröffentlichen Wahrsager, Seher und Astrologen alljährlich zum Jahresende ihre Prognosen für das kommende Jahr. Bei dieser Gelegenheit versäumen sie es nur selten, der Öffentlichkeit ihre Treffsicherheit mitzuteilen und berufen sich auf überragende Prognoseerfolge in der Vergangenheit. Aber stimmt das wirklich? Die Prognosen des Vorjahres sind der Öffentlichkeit in der Regel nicht mehr präsent und die „Zukunftsspezialisten“ selbst erwähnen eventuelle Fehlprognosen auch nicht. Die GWUP nimmt den jährlichen Prognosenrummel zum Anlass, kritisch zurück- statt verklärt nach vorne zu schauen, und überprüft, ob einige der Prognosen für das ausgehende Jahr eingetroffen sind.
Wieviele Prognosen wurden für das Jahr 2003 ausgewertet?
Insgesamt wurden ca. 100 Prognosen von 30 verschiedenen Astrologen, Sehern und Wahrsagern ausgewertet, die sich auf das Jahr 2003 bezogen. Die meisten dieser Prognosen wurden Ende 2002 in Zeitschriften, Büchern oder im Internet der Öffentlichkeit präsentiert, der Rest stammte in etwa zu gleichen Teilen aus früheren Jahren oder wurde im Laufe des Jahres veröffentlicht.
Welche Prognosen wurden ausgewertet?
Gesammelt werden generell alle Prognosen, ausgewertet nur diejenigen, die man eindeutig verifizieren oder falsifizieren kann. Sie müssen also eine prüfbare Aussage beinhalten und eindeutig als „eingetroffen“ oder „nicht eingetroffen“ zu bewerten sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich die prüfbare Aussage – wie in der Regenbogenpresse üblich – auf mehr oder weniger prominente Zeitgenossen oder – wie bei den so genannten Mundan-Prognosen – auf weltbewegende Ereignisse bezieht. Zwei Beispiele zur Veranschaulichung:
„Doris Schröder-Köpf, Gerhards First Lady und ihr schwierigstes Jahr. Sie mischt sich mehr und mehr in die Politik ein […] Meine Prognose: Doris packt die Koffer – die Kanzler-Ehe zerbricht.“ (Astrologe Kurt Allgeier in der Zeitschrift „Neue Revue“, Heft 1/2003, Seite 14)
„... doch Terroranschläge suchen vor allem die USA und Großbritannien heim; vom 3. bis 9. April habe Washington mit einem Giftattentat zu rechnen“ (Astrologin Patricia Schwennold nach einer Meldung der „Passauer Neuen Presse“, Lokalteil Burghausen vom 19.03.2003)
Diese beiden fett markierten Vorhersagen sind eindeutig und leicht überprüfbar. Viele Jahresprognosen genügen dieser Anforderung jedoch nicht, sondern liefern nur eine Ansammlung von Allgemeinplätzen. Winfried Noé, einer der bekanntesten Astrologen in Deutschland, schreibt zum Beispiel in seiner Jahresprognose:
„Uranus, der große Unruhestifter in der Astrologie, steht von März bis Ende Oktober in den Fischen kritisch zur Sonne und zu Saturn. Unruhen, Krawalle, große Verkehrsunfälle wie in Eschede oder am Bodensee, auch Naturkatastrophen könnten das Land erschüttern. Hoffentlich kommt es zu keinem Terroranschlag, der diesem Planetenbild entsprechen würde.“ (www.noeastro.com Jahresprognose 2003)
Prognosen wie diese erfüllen sich immer. Dass es zwischen März und Oktober eines Jahres überhaupt keine Unruhen, Krawalle spektakuläre Unfälle oder – irgendwo auf der Welt – Naturkatastrophen gibt (… die das Land über die Medienberichterstattung „erschüttern“), ist praktisch ausgeschlossen. In diesem Jahr könnte Noé die Krawalle zum 1. Mai in Berlin oder die tragischen Busunglücke im Frühsommer als Beleg für seine Treffsicherheit heranziehen, 2002 wäre es – bei gleich lautender Prognose – neben den Maikrawallen der erwähnte Flugzeugabsturz am Bodensee und die Flutkatastrophe an der Elbe gewesen.
Traf denn keiner der Seher mit seinen Vorhersagen ins Schwarze?
Es gab natürlich auch 2003 Prognosetreffer; allerdings waren diese wenig spektakulär. Seit der Hochzeit im holländischen Königshaus wurde in der Regenbogenpresse über eine mögliche Schwangerschaft von Prinzessin Maxima spekuliert – ein Astrologe und eine Seherin wagten diese Prognose und hatten tatsächlich Recht. Unter den vielen Städten, für die die Wiener Astrologin und Seherin Rosalinde Haller Terroranschläge in 2003 vorhersagte, war neben Berlin, Köln, Stuttgart, Paris, Mailand, Rom, Madrid, Helsinki, San Francisco, Las Vegas und New York auch Istanbul – Treffer! Aber: Wirklich überraschende Treffer landete niemand, und bei der großen Menge von Fehlprognosen scheinen solche Treffer eher zufällig zu sein.
Wie hoch ist die Trefferquote der Seherzunft?
Auf Grund der sehr unterschiedlichen Qualität der Prognosen ist die Berechnung einer Trefferquote auf Basis der zur Verfügung stehenden Daten nicht sinnvoll. Die – richtige – Prognose, dass Deutschland beim Schlager-Grand-Prix nicht siegen würde (so Lilo von Kiesewetter am 29. April 2003 in der „SAT1 Show des Monats“), ist mit einer relativ detaillierten Vorhersage von Terroranschlägen wie der von Patricia Schwennold (in der „Passauer Neuen Presse“, s.o.) nicht vergleichbar. Bei früheren wissenschaftlichen Untersuchungen lag die Trefferquote der selbst ernannten Zukunftskenner zwischen einem und vier Prozent. Ein solcher Prozentsatz ist allerdings für jedermann auch durch einfaches Raten zu erzielen, sofern er sichere Treffer geschickt mit vagen Formulierungen zu kombinieren weiß.
Gibt es bei Prognosen bestimmte Trends oder Schwerpunkte?
Bei den Mundanprognosen lassen sich eindeutige Trends erkennen: Weltbewegende Ereignisse aus der näheren Vergangenheit werden einfach in die Zukunft fortgeschrieben.
Die Anschläge auf das World Trade Center im September 2001 sind ein gutes Beispiel; (Astrologen und Seher wie Patricia Bahrani-Schwennold, Rei Souli oder „Professor“ Ursetti behaupten heute im Nachhinein, sie hätten diese Katastrophe vorhergesehen - gewarnt hatte jedoch keiner!) Dieses Thema ist heute nicht nur in den Medien allgegenwärtig, auch die Zahl entsprechender Prognosen hat deutlich zugenommen; als mögliche Terrorziele werden in diesen Prognosen gerne Städte in den Vereinigten Staaten und Westeuropa, von deutschen Auguren auch solche im Inland, genannt.
Ein weiteres Beispiel: Für Deutschland wurde – vermutlich unter dem Ende 2002 noch frischen Eindruck der Flutkatastrophe an der Elbe - von mehreren Astrologen und Sehern mit erneuten Überschwemmungen im Jahr 2003 gerechnet. Es traten aber keine Überflutungen auf, die das Maß des Üblichen in bestimmten Gegenden überstiegen hätten. Im Gegenteil: Das Jahr 2003 war überdurchschnittlich trocken.
Was waren die Prognosehighlights 2003? Gibt es einen „König der Seher“ oder einen „Falschseher des Jahres“?
Für diese „Ehrentitel“ gäbe es eine ganze Reihe von Kandidaten; eine Auswahl ist hier natürlich höchst subjektiv. In der Kategorie „Prominente“ war zum Beispiel die Prognose für Nationaltorhüter Oliver Kahn sehr schön, dessen Ehe monatelang in der Boulevardpresse eines der Hauptthemen war:
„Oliver Kahn, 15.6.69, hat im Januar und Mai noch mit Saturn zu kämpfen. Aber die Zeit der wilden Gerüchte um seine Ehe ist vorbei. Und Anfang August ist er wieder Olli, unser Titan. Auch einer mit Siegerherz braucht gute Sterne. Die hat er (Jupiter im Mond).“
(Astrologe Kurt Allgeier in der Zeitschrift „Neue Revue“, Heft 1/2003, Seite 17)Für die Kategorie „Weltgeschehen“ wäre der Seher Jean Paul Zamora ein heißer Kandidat.
Seine Vision von Saddam Hussein im Keller ist charmant formuliert:
„Eine kurze, aber eine Topvision über Saddam Hussein, hatte ich heute Nacht. Ich sah einen Kellerraum, mehrere Regale an der Wand, und auf den extrem-rechten Seite der Regale - in Augenhöhe, ein Gefäß (Pott). Dieser Pott sah aus wie ein Farbenpott. Inhalt ca. 1 bis 1,5 Liter, mehr nicht! Auf diesem Pott stand das Wort "Anthrax" geschrieben. Ich sah auch wie das Gesicht von Saddam Hussein ziemlich in Verlegenheit geraten war! In der Vision war ich in einer Ecke versteckt, und ich sah auch wie irakischen Soldaten den Anthrax umgelagert haben.“ (www.jpzamora.de Vision 35)
Dazu aufgrund der Aktualität der Ereignisse ein Abgleich der Vorhersage mit den Meldungen der Medien:
- „Kellerraum“: das könnte man als Treffer durchgehen lassen (tatsächlich handelte es sich um ein etwas komfortableres Erdloch).
- „Pott... wie ein Farbenpott....das Wort ‚Anthrax’...“: kein Treffer - es wäre sonst ganz sicher erwähnt worden!
- „...das Gesicht von Saddam Hussein ziemlich verlegen“ und „wie irakische Soldaten den Anthrax umlagert haben“: Nach den bisherigen Meldungen waren es v.a. amerikanische Soldaten, die Saddam Hussein gefangen genommen haben; seinen Gesichtsausdruck auf Fernseh- und Zeitungsbildern kann man sehr vielseitig deuten. Wir würden diesen Punkt eventuell als Treffer gelten lassen, wenn das mit dem Anthrax stimmen würde. So aber handelt es sich um ein halbwegs richtiges Detail zu einer Vorhersage, die nicht eingetroffen ist.
Unter den Absurditäten der Prognostiker dürften die Prognosen von Edeltraud Lukas Möller eine herausragende Stellung einnehmen. Die in Italien lebende „Spezialistin für ägyptische Astrologie“ äußert sich insbesondere gerne zur Zukunft verschiedener Staaten dieser Welt, und das liest sich für Frankreich 2003 beispielsweise wortwörtlich so:
„Das LöWEvolk der Franzosen kann jederzeit von seiner KREBSstaat-Führung, deren Eigenart ist, hinter verschlossenen Türen, und im jeweilen Führungsclan, zu mauscheln, in die tollsten Abenteuer verwickelt werden - denn ein LöWEvolk ist eine Außenseiterversammlung, in der jeder nur seine eignen Belange kennt, und auch das höchst ungenau. Konsequentem Verhalten weicht ein LöWEvolk aus. […]“
Ehrlich gesagt war die Auswertung dieser Vorhersage aufgrund massiver Verständnisprobleme nicht ganz einfach...
Wie reagieren eigentlich Astrologen und Wahrsager auf Auswertungen dieser Art?
Die Begeisterung hält sich natürlich in Grenzen. Insbesondere Astrologen weisen in diesem Zusammenhang gerne darauf hin, dass Zukunftsprognosen gar nicht das eigentliche Metier der Astrologie seien, sondern dass sich die Astrologie hauptsächlich mit Charakteranalysen beschäftigt. Dies scheint sich jedoch weder unter allen Astrologen noch in der breiten Öffentlichkeit herumgesprochen zu haben. Wenn man die - von einigen Astrologen zum Teil vehement kritisierten - Astro-Shows in kommerziellen Fernsehsendern betrachtet, geht es einzig und allein um das Vorhersagen zukünftiger Ereignisse für die zahlenden Anrufer; auch die regelmäßig zum Jahreswechsel veröffentlichten einschlägigen Ratgeber gaukeln den Lesern vor, dass man mit ihrer Hilfe etwas über die Zukunft erfahren kann. Eine 2003 veröffentlichte Untersuchung zur Astrologiegläubigkeit von Jugendlichen zeigte zudem, dass wesentlich mehr Jugendliche davon überzeugt sind, dass man mittels Astrologie in die Zukunft sehen, als dass man damit Aussagen über den Charakter einer Person machen kann. Natürlich gibt es unter den Astrologen auch verantwortungsvollere, die Prognosen wie die im Rahmen dieser Pressemeldung zitierten ebenso wie die GWUP als Scharlatanerie ablehnen. Allerdings scheint es den Astrologen dennoch schwer zu fallen, sich ernsthaft von solchen Auswüchsen ihrer Branche in der Öffentlichkeit zu distanzieren.
Gibt es schon Prognosen für 2004?
Ja! Neben einer ganzen Reihe von bereits seit längerer Zeit vorliegenden Vorhersagen haben einige Auguren ihre Prognosen für 2004 bereits veröffentlicht. Außer den üblichen allgemeinen Prognosen von Terror- und Naturkatastrophen aller Art liegt zum Beispiel auch ganz aktuell eine ebenso gewagte wie eindeutige von Patricia Schwennold vor: Zu Michael Jackson und den Pädophilie-Vorwürfe gegen ihn sagte sie, dass er sich nach seiner Verurteilung das Leben nehmen werde - so zu lesen im „Oberpfalznetz“ vom 4. Dezember 2003.
Dazu gibt es für 2004 noch eine wirklich tolle Prognose von der Astrologin Edeltraud Lukas Möller:
„Im Juli-August könnte der Mercur-Löwe-Zyklus dazu beitragen, dass, <irgendwo in der Welt>, Bomben zum Einsatz kommen, die aber nicht explodieren, weil vergessen wurde, Zündkörper einzubauen. Diese vollkommen verrückte Geschichte, ob sie nun tatsächlich auf Versagen beruht oder auf raffinierter Sabotage, wird, astrologisch gesehen, einen Kriegsausbrauch verhindern. WENN- der Circus stattfindet, wird er von den Medien wahrscheinlich verheimlicht werden - jedenfalls wären, astrologisch gesehen, verwickelt in die Geschichte: Argentinien, Deutschland, Israel, Griechenland, URSS (die einstige Sowjetrepubliken), die Al Quaida- Gruppe und die Feindbilder-2004 USA, Polen, Ruanda, Kolumbien und das Saddam-Gespenst.“
(Quelle: www.astrologiaegiziana.com, Prognose unter der Überschrift „Bomben“)
Wir versuchen, uns darauf bis zur Prognosenauswertung im Dezember 2004 einen Reim zu machen.
Wer sammelt und bewertet die Prognosen?
Michael Kunkel. Er ist Mathematiker, lebt in Mainz und arbeitet dort als EDV-Berater. Für die GWUP – der er seit mehreren Jahren angehört - sammelt er Zukunftsprognosen von Wahrsagern und Astrologen und wertet diese jeweils zum Jahresende aus. Eine Auswahl seiner gesammelten Prognosen auf der eigenes dafür eingerichteten Webseite www.wahrsagercheck.de zu finden.
Weiterführende Informationen
Artikel
- V. Guiard: Die seltsame Welt des Nostradamus-Deuter Manfred Dimde. In: Michael Shermer/Benno Maidhof-Christig/Lee Traynor (Hrsg.): Endzeittaumel. Alibri-Verlag, Aschaffenburg 1998. Volker Guiards kritische Analyse ist auch im Internet zu finden.
- V. Guiard (1999) Nostradamus und die Jahrtausendwende. Skeptiker 12: 4-11
Bücher
- E.R. Gruber: Nostradamus. Sein Leben, sein Werk und die wahre Bedeutung seiner Prophezeiungen. Scherz-Verlag, Bern 2003
- B. Harder: Nostradamus - Ein Mythos wird entschlüsselt. Alibri-Verlag, Aschaffenburg 2000
- H. Hemminger, B. Harder: Seher, Schwärmer, Bibeldeuter. Gütersloher Verlagshaus 2001
- Scheck FR (1999) Nostradamus. Deutscher Taschenbuch Verlag: München
Internetseiten
- Die Internetseiten von Michael Kunkel mit einem kritischen Blick auf die Wahrsagerzunft
- Zur Auswertung der Prognosen für das Jahr 2002 (Pressemitteilung der GWUP vom 17.12.2003)
- Themeneinträgen "Wahrsager" und "Nostradamus" auf den GWUP-Seiten
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