Bühnenhypnose entzaubert
Rob Nanninga (Übersetzung: Fabian Lischka)
Rasti Rostelli tritt mit seiner Show vor ausverkauften Häusern auf: ein Wirbelwind aus Telekinese, Telepathie und Hypnose. Bei genauerem Hinsehen erweist sich aber, dass seine Vorstellung auf leicht angestaubten Tricksereien und der raffinierten Auswahl leicht beeinflussbarer Freiwilliger beruht. Seit nahezu fünfzehn Jahren füllt Ronald van den Berg unter dem Künstlernamen Rasti Rostelli die niederländischen Veranstaltungssäle mit seiner paranormalen Hypnose-Show. Schätzungsweise knapp 900 000 Menschen haben bisher seine Vorstellungen besucht; mittlerweile zahlen sie für dieses Privileg einen Eintritt von mindestens 47,75 niederländischen Gulden. Rostelli macht aus seiner Absicht keinen Hehl, am Anfang der Show erklärt er seinem Publikum offen: „Ich bin nur hinter Ihrem Geld her.“ Trotz der hohen Eintrittsgebühr kommen die Zuschauer weiterhin in Strömen, denn Rostelli gibt vor, außergewöhnliche Kräfte zu haben. Ausdrücklich erklärt er seinem Publikum, dass er kein Trickser sei. Wer das nicht glaubt, möge die Hand heben. Aus denen, die seine besonderen Fähigkeiten bezweifeln, wählt er eine junge Dame aus und holt sie auf die Bühne. Dabei kündigt er an, dass er sie dazu bringen könne, alles zu glauben, was er ihr befiehlt.
Rasti Rostelli gibt die Suggestion, dass das Kügelchen auf dem Handrücken immer heißer wird. (Fernsehsendung: Freiwillig willenlos, WDR, 7. 9. 1986) |
Für seinen ersten Trick leiht er sich aus dem Publikum eine Schachtel Zigaretten, reißt einen Streifen Aluminiumfolie heraus und schiebt ihn der Frau in den Mund. „Gut feucht machen“, ordnet er an. Daraufhin faltet er den nassen Streifen zu einem Stöpsel, den sie fest in der Hand halten muss, und suggeriert: „Du hast ein Stück heißer Kohle in der Hand. Es ist glühend rot. Du hältst es nicht mehr aus!“ Prompt wirft sie das Stück mit einem Schmerzensschrei zu Boden und berichtet verstört, dass dieser Pfropfen tatsächlich „fürchterlich heiß“ geworden sei. Wie angekündigt, konnte sie Rostellis Suggestionen scheinbar nicht widerstehen. In Wahrheit konnte sie den Stöpsel nicht in der Hand behalten, weil er tatsächlich sehr heiß wurde. Das konnte während eines Auftritts Rostellis bei einer niederländischen TV-Show eindeutig belegt werden. Dort hob die Freiwillige das Stück Aluminiumfolie auf, nachdem sie es hingeworfen hatte, und gab es der Fernsehmoderatorin, damit sie es fühlen könne. Die war überrascht: Der Pfropfen war tatsächlich heiß, es war also keineswegs reine Einbildung.
Die hohe Temperatur entsteht aufgrund einer chemischen Reaktion. Einer dieser Aluminiumstöpsel wurde während einer Aufführung Rostellis von der Bühne geborgen und in einem Labor der Technischen Universität Eindhoven untersucht. Man fand ein weißes Pulver am Aluminium, das man als Aluminiumoxid identifizierte. Rostelli hatte also das Aluminium zum Oxidieren gebracht. Diese Reaktion, die sehr viel Wärme erzeugt, kann einfach mit Natriumhydroxid hervorgerufen werden, einer allgemein zugänglichen Chemikalie, die in vielen Haushalten vorrätig ist, um verstopfte Abflüsse zu reinigen. Schon vor mehr als 20 Jahren wurde dieser Trick vom „Löffelbieger“ Uri Geller benutzt. Inzwischen wird er nicht mehr in Zauberläden verkauft, weil man sich dabei Blasen an den Fingern holen kann. Sie können es selbst ausprobieren: Einfach etwas Natriumhydroxid in ein wenig Wasser auflösen. Dann den Finger in die Lösung dippen und damit über Aluminiumfolie fahren. Die konzentrierte Lauge zerstört die Schutzschicht des Aluminiums. Nun kommt der Sauerstoff aus der Luft direkt mit dem Metall in Berührung und oxidiert es schlagartig. Passen Sie aber auf, dass Sie die Lösung nicht in die Augen bekommen, und waschen Sie sich danach die Finger!
Für einen anderen Trick, den Rostelli seit Jahren aufführt, fragt er das Publikum nach zwei großen Münzen, die er sich mit Klebeband vor den Augen befestigt. Wenn er sich danach noch die Augen verbinden lässt, ist jeder überzeugt, dass er nichts mehr sehen kann. Nichtsdestotrotz schafft er es, mit einem Respekt einflößenden Schwert eine Zitrone zu halbieren, die von zwei nervösen Freiwilligen gehalten wird. Außerdem trifft er mit zwei Dolchen mitten ins Schwarze. Die Erklärung ist natürlich ganz einfach, Rostelli schaut einfach unter den Münzen und der Augenbinde hindurch. Man erkennt sogar, wie er seinen Kopf zurückbeugt, um möglichst viel sehen zu können. Seine Demonstration des „Sieges des Geistes über die Materie“ ist noch einfacher. Ein dicker Holzstab steht neben einer Colaflasche. Nachdem Rostelli diesen Stab horizontal auf die Flaschenmündung gelegt hat, muss sich ein Freiwilliger fest darauf konzentrieren. Die Spannung steigt: Plötzlich fällt der Stab herunter, Applaus brandet auf. Außergewöhnliche Kräfte? Nichts da, ein simpler Trick, den jeder von uns sofort ausführen könnte.
Man spalte einen Holzstab der Länge nach in zwei, fülle ein Röhrchen halb mit dickflüssigem Öl und höhle den Stab so aus, dass die Röhre hineinpasst. Klebt man die Hälften unsichtbar zusammen und stellt den Stab aufrecht, so fließt das Öl natürlich in den unteren Teil des Röhrchens. Balanciert man den Stab nun horizontal auf dem Flaschenhals, so dauert es nicht all zu lange, bis die sirupartige Flüssigkeit sich anders (vom Stabende weg) verteilt, der Schwerpunkt wandert, und der Holzstab fällt. Für einen optimalen Effekt muss man das Röhrchen etwas schräg montieren. Im zweiten Teil der Show demonstriert Rostelli seine Fähigkeit, Menschen aus dem Publikum in willenlose Marionetten zu verwandeln. Er holt über hundert Freiwillige auf die Bühne und fängt an, wie ein Militärausbilder Kommandos zu geben. Die Freiwilligen müssen aufrecht stehen, Füße zusammen, dürfen keinen Muskel bewegen. Rostelli lässt keine Zweifel daran, was er erwartet: „Wenn ihr nicht auf mich hört, dann solltet ihr nicht hier sein. Tut genau, was ich sage, ohne nachzudenken. Tut es einfach. Wer nicht kooperiert, fliegt raus. Ich werde mich nur mit den Besten beschäftigen. Alles was ihr hört, ist meine Stimme. Mein Wunsch ist euch Befehl.“
Nachdem Rostelli die Freiwilligen gute zehn Minuten auf eine flackernde Flamme hat starren lassen, suggeriert er ihnen, dass ihre Augen schwer werden. Er werde bis zehn zählen, dann schließen sich ihre Augen. Nur wenn er ihnen ins Gesicht bläst, dürfen sie sie wieder öffnen. Begleitet von sphärischen Synthesizertönen erklärt Rostelli seinen Opfern, dass ihre Arme langsam in die Luft schweben. Etwa die Hälfte der Leute hebt die Arme und versucht sich vorzumachen, dass es von selbst geschieht – die andere Hälfte wird schleunigst von der Bühne gebracht. Im nächsten Test haben die so weit Erfolgreichen eine saure Zitrone zu essen, als sei sie ein leckerer, saftiger Pfirsich. Das hört sich schwerer an, als es ist; Zitronen sind nicht besonders sauer. Die Leute, die seinen Kommandos nicht überzeugend nachkommen, werden unaufhörlich von der Bühne geschickt. Auch Rostellis Assistentin hilft, die Spreu vom Weizen zu trennen. „Öffne deine Augen“, sagt sie. Aber jeder, der das tut, darf nicht mehr mitspielen – schließlich darf man nur dann seine Augen öffnen, wenn einem der Meister selbst ins Gesicht bläst. Wie bei anderen Bühnenhypnotiseuren gelingen die Tricks bei Rostelli deswegen, weil er seine Freiwilligen sorgfältig auswählt. Über neunzig Prozent der Leute wären hierfür unbrauchbar. Schließlich bleiben ungefähr zehn Personen übrig, die genau tun, was er vorschreibt. Wenn er ihnen auf die Augen bläst, wachen sie auf. Wenn er mit den Fingern schnippt, schlafen sie ein.
„Wenn ich dich aufwecke, wirst du dich umschauen und feststellen, dass jeder einzelne in diesem Saal nackt ist, sogar deine Freunde und deine Familie.“ Einen nach dem anderen probiert Rostelli die Freiwilligen aus. Er achtet besonders auf die Reaktion des Publikums. Wenn einer zu wenig Heiterkeit hervorruft, dann läuft er Gefahr, den Rest des Abends als schlafendes Stück Kulisse auf der Bühne zu stehen. Hypnose ist ein viel zu großes Wort für die improvisierten Bühnenstückchen, die Rostelli seine Freiwilligen vorspielen lässt. Das Publikum glaubt, dass die Freiwilligen einen Saal voller nackter Leute sehen, aber das ist nicht der Fall. Einer der „Stars“ des Abends gab nach der Show zu: „Ich habe niemanden nackt gesehen. Man versucht sich vorzustellen, wie das wäre. Ich hatte einige Probleme damit. Ich glaube, dass die Leute das an meiner Reaktion erkennen konnten.“ Aber geht man nach den Reaktionen des Publikums, so war seine Darbietung höchst überzeugend. Wer mehr als eine Rostelli-Show besucht, der stellt nach und nach fest, dass die Versuchspersonen sehr stereotyp und berechenbar reagieren.
Viele Menschen glauben, dass man unter Hypnose Dinge vollbringt, die man unter normalen Umständen nicht schafft. Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben aber, dass man nahezu alles, was man unter Hypnose kann, auch ohne sie schafft. Ein Beispiel: Die „menschliche Brücke“, die schon vor hundert Jahren von Hypnotiseuren vorgeführt wurde (Abb. auf S. 175). Die Versuchsperson muss den Körper steif halten, während sie auf zwei Stuhllehnen gelegt wird, sodass Kopf und Nacken auf der einen, die Fußknöchel auf der anderen Lehne liegen. Dieses Kunststück kann genauso gut ohne Hypnose durchgeführt werden. Wird der Freiwillige mit den Schultern und Unterschenkeln auf zwei Stuhlflächen gelegt, dann kann sich sogar jemand auf ihn stellen. Die beeinflussbarsten Freiwilligen gehorchen Rostellis Befehlen ohne nachzudenken. Sie schalten ihren eigenen Verstand ab und gehen völlig darin auf, diese Rolle zu spielen. Einer erzählte mir nach der Show: „Du bekommst deine Befehle und akzeptierst sie ohne Nachfragen. Du unterwirfst dich Rostelli. Du lässt dich beherrschen. Und dann geht alles wie von selbst.“ Ist der Stein einmal ins Rollen gebracht, dann gibt es kein Halten mehr. Wer A sagt, muss auch B sagen, weil Rostelli, weil das Publikum darauf wartet. Manche genießen das richtig und lassen sich völlig gehen, versuchen sich sogar gegeneinander auszuspielen und zu übertrumpfen. Da sie unter Hypnose stehen, können sie sich ohne Scham wie Marionetten benehmen. Sie müssen ihre Handlungen später nicht vor Freunden und Familie rechtfertigen, weil sie ja keine Kontrolle hatten über das, was sie taten. Manche behaupten später, sie könnten sich nicht daran erinnern, was sie auf der Bühne getan haben. Meist wollen sie es nicht. Ich sprach zum Beispiel mit jemandem, der sich schämte, dass er als Striptease-Tänzer aufgetreten war. Er gab zu, dass er seinen Auftritt lieber vergäße: „Ich will eigentlich gar nicht darüber nachdenken.“
Es ist auch nicht leicht, seiner Freundin zu erklären, warum man allen Befehlen Rostellis gehorchte. Um diesen heiklen Fragen aus dem Wege zu gehen, bleibt man besser bei der Geschichte, dass man sich an nichts erinnert. Das soll nicht heißen, dass die Freiwilligen absichtlich das Publikum in die Irre führten. Die „begabtesten“ schaffen es nämlich, sich selbst davon zu überzeugen, dass alles ohne ihren Willen ablief; sie tun nicht nur so „als ob“, sondern glauben nachher selber daran. Das funktioniert vielleicht am besten bei Leuten mit starker Vorstellungskraft. Hypnose ist in der Tat eine Methode, Leute dazu zu bringen, sich Erlebnisse vorzustellen, die der Hypnotiseur suggeriert. Wer sich vollkommen in diese Fantasiewelt versenkt, kann zeitweilig den Bezug zur Realität verlieren.
Eine der erfolgreichsten Versuchspersonen Rostellis erzählte mir: „Wenn ich ein gutes Buch lese, dann vergesse ich alles, was um mich herum ist. Angeblich rede ich sogar, wenn ich lese. Ich kann mir leicht alles Mögliche vorstellen. Wenn jemand zum Beispiel sagt: ,Du Eierkopf!‘, dann muss ich lachen, weil ich es sofort vor mir sehe. – Ich bin Lehrer an der Grundschule und erzähle den Kindern manchmal Geschichten, die ich ganz spontan erfinde. Das kann ich gut.“ Etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung haben ein außergewöhnlich lebhaftes Fantasieleben. Ihre Tagträume ergeben sich ohne Anstrengung und erscheinen manchmal völlig real. Wenn jemand eine Situation beschreibt, haben sie sie gleich vor Augen. Es ist nicht sonderlich überraschend, dass diese Leute auch außergewöhnlich gut zu hypnotisieren sind, da sie dann etwas tun, worin sie sowieso sehr gut sind. Die Zuschauer lassen sich überzeugen, dass sie Zeugen von Telepathie und Telekinese sind, obwohl sie nur zum Narren gehalten werden. Rostelli produziert keine Wunder. Das einzige Wunder ist, dass die Zuschauer bereit sind, für diese drittklassige Trickserei mehr als E 20 auszugeben.
Rob Nanninga ist Geschäftsführer der niederländischen Skeptiker-Organisation Skepsis, Redakteur der Zeitschrift Skepter und Webmaster von www.skepsis.nl.
Dieser Artikel erschien im "Skeptiker", Ausgabe 4/2001.