Wissenschaftliche Verzauberung
Der US-amerikanische Spiritismus an der Schwelle zur Moderne
John Walliss
Zusammenfassung
In diesem Artikel untersuche ich Max Webers These von der „Entzauberung der Welt“, indem ich die Entwicklung des Spiritismus in den USA des 19. Jahrhunderts diskutiere. Ich möchte zeigen, wie sich der Spiritismus als Reaktion auf eine wahrgenommene Entzauberung in der amerikanischen Kultur entwickelte, ausgelöst durch ihren Übergang in die Modernität. Von diesem Ansatz aus kann der Spiritismus als Versuch betrachtet werden die Welt wiederzuverzaubern – die Empfindung des Wunderbaren (neu) zu entdecken und die „geheimnisvollen unwägbaren Kräfte“ des Kosmos zu erfahren – und zwar nicht durch die Flucht in eine angeblich „verzauberte Vergangenheit“, sondern gerade durch die „Verzauberung“ von Aspekten der neuen, modernen Welt. Drei solcher entzauberten Bereiche werde ich untersuchen – Wissenschaft, Technik und die moderne Auffassung vom Tod – und diskutieren, auf welche Weise Spiritisten versuchten sie (neu) zu verzaubern, um damit eine vermeintliche „Religion der Vernunft“ zu erschaffen. Dabei weise ich auch auf einige Mehrdeutigkeiten und Zwiespalte in den Konzepten von Entzauberung und (Wieder-) Verzauberung hin.
Dieser Artikel erschien im "Skeptiker", Ausgabe 2/2002.