Im November hatte die Verfilmung der populären Jugendkrimi- und Mysteryreihe „Die drei ???" Kinopremiere. Ein Gespräch mit dem „Drei ???"-Hauptautor Andre Marx über sprechende Totenköpfe und grüne Geister
Die Kinder- und Jugendbuchserie „Die drei ???" ist skeptische Literatur im besten Sinne: Für vermeintlich übernatürliche Geschehnisse oder paranormale Phänomene findet sich am Schluss stets eine rationale Auflösung.
Im Fall „Die drei ??? und das Bergmonster" muss ich allerdings widersprechen. Das ist bis heute das einzige Buch, in dem das paranormale Thema nicht aufgeklärt wird. Am Ende bleibt das Bergmonster ein Bergmonster und damit vermutlich ein Vertreter der Bigfoots. Das Buch hütet sich, dieses Wesen näher zu bezeichnen. Aber es steckt eben nicht, wie bei einem „Drei ???"-Buch sonst üblich, ein Mensch in einer Verkleidung oder ähnliches dahinter. Sondern es bleibt ein reales Monster.
Worüber die drei Detektive sogar ganz froh sind, weil das Bergmonster eine ähnlich flüchtige und romantisierte Erscheinung ist wie in den Legenden um Bigfoot, Yeti und Co. Wenn es aber nicht gerade um Kryptozoologie, sondern um „harte" Themen wie sprechende Totenköpfe oder grüne Geister geht, dann entdecken Justus, Bob und Peter bei ihren Ermittelungen eine Gegensprechanlage in der Halterung des Schädels beziehungsweise einen Handprojektor, mit dem die Geistererscheinung erzeugt wurde.
Eine Spukerscheinung, die am Ende nicht aufgeklärt wird, würde wahrscheinlich vom Verlag bemängelt werden. Aber da das jeder Autor weiß, hat es auch noch niemand versucht. Die einzige Ausnahme ist wie gesagt „Das Bergmonster", das allerdings noch von einem amerikanischen Autor stammt.
Der Trend in den Medien geht eher dahin, dass das „Mysterium" in jedem Fall bewahrt bleiben muss. Wieso ist das bei den „Drei ???" anders?
Die Reihe wurde 1965 von dem Amerikaner Robert Arthur erdacht. Er verfasste auch die ersten zehn Bände. Sein Konzept war nun mal, die drei jugendlichen Detektive in mysteriösen Fällen ermitteln zu lassen. Da gab es flüsternde Mumien und Phantome, die in Schlössern spukten. Und am Ende stellte sich alles meistens als Trick, manchmal auch als Fehlinterpretation heraus. Als nach Arthurs Tod andere amerikanische Autoren die Reihe fortführten, behielten sie dieses Konzept bei, und so versteht es sich von selbst, dass auch die deutschen Autoren sich daran halten.
Das ist also keine ausdrückliche Vorgabe des Verlags?
Jedenfalls nicht in dem Sinn, dass uns jemand sagt: „Ihr müsst das so machen!" Es ist vielmehr eine Selbstverständlichkeit. Wer als Autor für „Die drei ???" schreibt, kennt die Reihe ja sehr gut und weiß, wie sie funktioniert und was die Leser erwarten. Insofern käme niemand auf die Idee, etwas Übernatürliches geschehen zu lassen und dies am Ende nicht aufzuklären.
Es bleibt mithin dem einzelnen Autor überlassen, wie er seine Geschichte anlegt und wie er sie enden lässt?
Im Prinzip ja. Dadurch, dass wir momentan ein vierköpfiges Autorenteam sind und jeder mal was anderes ausprobiert, ergibt sich die richtige Mischung aus Mystery, Krimi, Rätsel und Action ganz von allein. Was sich geändert hat: Längst nicht mehr jeder Fall beinhaltet dieses übernatürliche Element. Um die Serie lebendig zu halten und nicht auf der Stelle zu treten, hat sich die Bandbreite der Geschichten vergrößert.
Die drei Detektive ermitteln also nicht mehr nur in paranormalen Begebenheiten, sondern klären auch mal einen ganz normalen Bankraub auf oder dergleichen. Ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des Reihenkonzepts sind Rätsel. Geheime, verschlüsselte Botschaften kommen immer wieder vor, ohne dass dies zwangsläufig in irgendeiner Form mit übersinnlichen Phänomenen zu tun hat. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich auch heute noch die klassische Spukgeschichte bei den Neuerscheinungen.
Die drei ??? „Die drei ???" (lies: Die drei Fragezeichen) ist eine Jugendbuchserie, die ursprünglich aus den USA stammt und später in Deutschland fortgesetzt wurde. Die erste Folge „The Secret Of Terror Castle" von dem Journalisten und Autor Robert Arthur erschien 1965 bei Random House. 1968 brachte der Verlag Franckh in Stuttgart die deutsche Übersetzung „Das Gespensterschloss" heraus. Um Aufmerksamkeit zu erregen, wurde „Alfred Hitchcock" als Herausgeber oder Autor genannt - tatsächlich hatte er mit den Geschichten nichts zu tun. Arthur hatte lediglich die Lizenz erworben, den Namen des berühmten Regisseurs verwenden zu dürfen. Die Reihe handelt von dem Junior-Detektivtrio Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews, das in einem fiktiven kalifornischen Küstenstädtchen namens Rocky Beach knifflig-mysteriöse Fälle löst. Drei Fragezeichen auf ihrer Visitenkarte stehen eigentlich für „Die drei Detektive", aber auch „für das Unbekannte, für ungelöste Rätsel und Geheimnisse aller Art", wie der „Erste Detektiv" Justus Jonas in jedem Buch irgendwann erklärt. 1991 wurde die Serie in den USA eingestellt. In Deutschland erscheinen seitdem bei Kosmos weitere Bücher, die auf Arthurs Konzept basieren, aber ausschließlich von deutschen Autoren geschrieben werden. Als erster Film wurde 2006 „Die Geisterinsel" gedreht. Die deutsche Produktion von Studio Hamburg kam Ende 2007 unter dem Titel „Die drei ??? - Das Geheimnis der Geisterinsel" in die Kinos. „Das Gespensterschloss" und „Die silberne Spinne" sollen folgen. |
„Die drei ???"-Geschichten sind trotzdem spannend und erfolgreich, der rationale Ansatz tut dem anscheinend keinen Abbruch. Wie erklären Sie sich das - und wieso meinen demgegenüber so viele andere Kolleginnen und Kollegen, dass das „Übernatürliche" interessanter sei als die Realität?
Wer „Die drei ???"-Bücher schätzt und liest, weiß ja, worauf er sich einlässt. Die Fans der Reihe haben schon ein Interesse am Übernatürlichen, würde ich sagen. Aber sie mögen eben auch das streng Rationale, das Skeptische, wie Sie es nennen. Es wäre kein richtiger „Drei ???"-Fall, wenn die Geschichte sich anders auflösen würde. Ich glaube, der Buchmarkt ist sowohl im Erwachsenen- als auch im Kinder- und Jugendbuchbereich groß genug für beides. Sicher, es gibt momentan mal wieder einen Fantasy-Boom. Aber dem gegenüber steht auch immer noch eine große Masse an Büchern, die mit Fantasy und Übernatürlichem absolut nichts zu tun haben.
Wo stehen Sie persönlich?
Ich mag beides, sowohl als Leser als auch als Autor. Eine „Was wäre, wenn ...?"-Geschichte ist immer spannend, egal wie man sie auflöst. Teilweise finde ich das Übernatürliche tatsächlich spannender als die Realität. Teilweise ist die Realität spannender als alles anderes. Das kommt immer ganz darauf an, was man erzählt und wie man es erzählt. Jedenfalls stehen diese beiden Lager für mich nicht in Konkurrenz miteinander.
Sie haben unter anderem „Die drei ??? und der Poltergeist" geschrieben. Um dieser Geschichte eine rationale Auflösung zu geben, muss der Autor einiges über solche Phänomene wissen, etwa über „Chopper", den Spuk von Rosenheim oder andere Fälle.
Vieles ist ja einfach Allgemeinwissen. Den Begriff Poltergeist zum Beispiel hat eigentlich jeder schon mal gehört. Da recherchiert man dann halt ein bisschen, was genau ein Poltergeist eigentlich ist beziehungsweise sein soll, wie solche Phänomene definiert werden und ob es bestimmte, immer wiederkehrende Motive gibt, die man einbauen kann. Beim Poltergeist war das relativ beliebig. Auf die meisten gängigen Spukgeschichten, die man irgendwo nachlesen kann, kann man das Etikett „Poltergeist" kleben.
Das war einer der Gründe, warum ich für das Buch „Die Villa der Toten" etwas spezifischer werden wollte. Hier habe ich mich mit Tonbandstimmen befasst, also den angeblich auf Tonbandaufzeichnungen hörbaren Stimmen von Verstorbenen. Das Internet bietet da ja eine riesige Fülle an Inspiration. Letztlich natürlich nicht mehr. „Beweise" für irgendwas sucht man logischerweise vergeblich. Aber darum geht es auch nicht, wenn ich für ein solches Thema recherchiere. Es geht um Inspiration.
Und am Ende frage ich mich: Wie kann ich solche Phantomstimmen so in eine Geschichte einbauen, dass man als Leser bis zum Schluss nicht drauf kommt, wie jemand das bewerkstelligt haben soll, dass der Leser also wirklich geneigt ist, an Geister zu glauben - um dann am Ende doch noch eine logische Erklärung zu präsentieren.
Die wie aussah?
Es steckte natürlich eine technische Spielerei dahinter. Allerdings eine, auf die ich sehr stolz bin, weil sie nicht so leicht zu durchschauen ist. Leider haben sich später einige Leser beschwert, sie hätten die Auflösung des Spuks nicht verstanden, weil sie zu kompliziert gewesen sei. Aber so ist das nun mal: Die simplen Taschenspielertricks kennt mittlerweile jeder. Um „Die drei ???" hinters Licht zu führen - und damit auch die Leser-, muss man etwas tiefer in die Trickkiste greifen. Und das am Ende so zu erklären, dass auch ein Zehnjähriger es begreift, ist nicht ganz einfach.
Die Auflösung der „Geheimsache Ufo" war dagegen nicht ganz so kompliziert.
Stimmt, im Fall „Geheimsache Ufo" stand die Frage nach dem technischen „Wie" nicht so sehr im Vordergrund, sondern vor allem die Frage nach dem „Warum". In dieser Geschichte inszeniert jemand Ufo-Erscheinungen, um ein zweites Roswell zu erschaffen und daraus Profit zu schlagen. Wie er die Ufos zum Leuchten und Fliegen bringt, war für die Story eher nebensächlich. Spannender fand ich die Frage, wie diese Mechanismen des Glauben-Wollens funktionieren und wie jemand die Ufo-Gläubigkeit einiger Menschen bewusst einkalkuliert, um sie für seine eigenen Zwecke zu missbrauchen.
Zur Person: Andre Marx Andre Marx hat die meisten Bücher der Serie „Die drei ???" verfasst, bislang 27 Bände, darunter die beiden Jubiläumstrilogien „Toteninsel" (Band 100) und „Feuermond" (Band 125). Marx, Jahrgang 1973, studierte zunächst Germanistik, Sprachwissenschaften und Kunst, brach das Studium aber nach wenigen Semestern ab, weil „es mich a) nicht die Bohne interessierte und mir b) glücklicherweise die Drei ??? in die Quere kamen", so der gebürtige Osnabrücker gegenüber dem Skeptiker. „Als eine Art Experiment schrieb ich im Alter von 22 ein Manuskript für die Reihe und schickte es unaufgefordert an den Verlag. Ein Jahr später war mein Studium Geschichte und ich fester Autor bei den Drei ???." Andre Marx lebt in Berlin-Kreuzberg. Seit 2007 hat er eine gemeinsam mit seinem Autorenkollegen Boris Pfeiffer verfasste neue Kinderbuchreihe am Start: „Das Wilde Pack". Diese Serie ist eine Abenteuergeschichte für Kinder, die Hauptfiguren sind eine Gruppe wilder Tiere, und die Geschichte richtet sich an ein eher jüngeres Publikum. |
Roswell ist - ähnlich wie Bigfoot, Tonbandstimmen und Poltergeister - ein populärer paranormaler Topos. Wo finden Sie die Anregungen speziell für Ihre Mystery-Episoden?
Eigentlich findet man die immer überall. Es „geistern" ja ständig irgendwelche Themen durch die Medien. Wenn man ein offenes Auge und Ohr dafür hat, begegnet einem früher oder später ein interessanter Stoff für ein neues Buch. Ich gehe jedenfalls nicht ins Internet mit dem Vorhaben, mir jetzt mein neues Mystery-Thema herauszusuchen. So etwas entwickelt sich erstens von selbst und zweitens ganz langsam. Von der ersten Idee bis zum ersten geschriebenen Satz vergehen häufig viele Jahre. Erst wenn ich wirklich mit dem Schreiben beginne, recherchiere ich auch. Zu diesem Zeitpunkt ist mir dann auch ziemlich klar, was ich wissen will. Gut möglich, dass ich dabei auch auf der GWUP-Webseite lande.
Stört es Sie, dass „Die drei ???" vom Arbeitskreis für Jugendliteratur als „trivial" eingestuft werden?
Würde der Arbeitskreis für Jugendliteratur „Die drei ???" als pädagogisch wertvoll einstufen, müsste ich mir ernsthaft Sorgen machen, denn das hieße: Ich mache was falsch. Selbstverständlich ist die Reihe trivial. Sie soll in allererster Linie unterhalten. Aber ich sehe darin zunächst überhaupt keine Wertung, zumindest keine negative. Ich selbst habe als Kind und Jugendlicher ausschließlich Trivialliteratur gelesen, weil mich alles andere gelangweilt hat. Also sorge ich dafür, dass die Kinder von heute, denen es ähnlich geht, was zu lesen haben.
Nur zur Unterhaltung könnte man auch die „Fünf Freunde" anstatt der „Drei ???" lesen.
Ich glaube schon, dass „Die drei ???" grundsätzlich etwas komplexer und durchdachter sind als andere Vertreter dieses Genres. Und ich schätze, dass sie dieser Tatsache auch ihren heutigen Kultstatus bei Erwachsenen verdanken. Eine „Drei ???"-Geschichte hat den Leser immer schon ein wenig stärker gefordert als beispielsweise ein „Fünf Freunde"-Buch. Mitdenken ist auf jeden Fall gefragt.
Soll die Reihe explizit zum kritischen Denken anregen?
Ob das etwas mit kritischem Denken zu tun hat, weiß ich nicht. Wenn man eine Tonbandstimme als Betrug entlarvt, hat das ja eher was mit Kombinationsgabe und Aufmerksamkeit zu tun. Kritisches Denken verbinde ich eher mit gesellschaftlichen Themen, aber das ist vielleicht auch bloß eine Frage der Definition. Es macht mir Spaß, auch mal diese gesellschaftlichen Themen in einem Buch anzutasten, so weit es eben geht. Aber hierfür gibt es natürlich eine Grenze. Wie gesagt: Der Unterhaltungsaspekt steht im Vordergrund. Ich kann kein „Drei ???"- Buch ausschließlich über ein gesellschaftspolitisches Thema schreiben. Am Ende wäre das Buch womöglich nicht mehr trivial! Wo kämen wir denn da hin?
Mit der Verfilmung haben die Autoren der Buchreihe nichts zu tun. Nach allem, was Sie wissen: Behalten die geplanten Filme die grundsätzliche Richtung bei - oder befürchten Sie deutliche Abweichungen?
Ich habe die „Geisterinsel" inzwischen gesehen. Der Film behält insofern die grundsätzliche Richtung bei, als die drei Hauptfiguren einen spannenden Fall lösen, der alle wichtigen „Drei ???"- Zutaten beinhaltet - Mystery, Krimi, Rätsel und Action. Leider wurde für meinen Geschmack zu viel an den Figuren herumgeschraubt. Justus, Peter und Bob sind kaum wiederzuerkennen und verhalten sich weder im Einzelnen noch als Gruppe so, wie man es aus den Büchern kennt. Insofern ist ein fürs normale Publikum durchaus netter Familienfilm daraus geworden. Aber ein „Drei ???"-Fan, der die Reihe seit Jahren verfolgt, riskiert eine Enttäuschung.
Interview: Bernd Harder
Dieser Artikel erschien im "Skeptiker" 3-4/2007.