Interview mit Malte Ruhnke
Wenn es gilt, die Akustik einer Anlage zu beurteilen, spielt die Wahrnehmung selbst gestandenen Hi-Fi-Experten leicht einen Streich. Wer von dubiosen Tuning-Tricks überzeugt ist, glaubt auch nicht vorhandene Unterschiede zu hören.
Was ist bei der Klangqualität einer Hi-Fi-Anlage entscheidend?
Den wesentlichen Einfluss haben die Lautsprecher und die Akustik des Raumes. Man muss kein Vermögen ausgeben, um gut Musik zu hören, allerdings sollte man sehr genau darauf achten, dass die Anlage akustisch zum Raum und den eigenen Ansprüchen passt. Insofern würde ich hier auch keine pauschalen Empfehlungen geben wollen – wenn die Anforderungen einfach zu erfüllen sind, genügt oft schon eine hochwertige Kompaktanlage um 400 oder 500 Euro, die solide Mittelklasse für 2000 bis 3000 Euro dürfte für die meisten Musikhörer vollkommen zufriedenstellend klingen. Das heißt aber nicht, dass höhere Investitionen unsinnig wären, in besonderen Situationen, etwa großen Räumen, kann durchaus auch ein Paar Lautsprecher für 20 000 Euro und mehr sinnvoll sein.
Kann man auch den Klang einer "Allerweltsanlage" durch Tuning verbessern?
Eindeutig ja. Das betrifft vor allem die Aufstellung der Boxen. Wer diese aus dem Regal herausholt, auf stabilen Ständern frei aufstellt und ein gleichseitiges Stereodreieck zwischen Boxen und Hörer aufbaut, wird überrascht sein, wie sehr sich der Klang zum Positiven verändert. Natürlich nur, wenn die Raumakustik halbwegs zum Musikhören geeignet ist. Auch hier lässt sich etwas verbessern, etwa durch geschickte Anbringung von Teppichen und Vorhängen, allerdings sind wirklich konsequente Maßnahmen aufwändig und nicht ganz billig.
Wie kommt es, dass ausgerechnet Hi-Fi-Fans anscheinend für nutzlose Tuning-Tipps anfällig sind?
Dafür gibt es keine eindeutige Erklärung. Man kann sich allerdings leicht vorstellen, dass ein Musikhörer, der bei der optimalen Justierung eines so filigranen Bauteiles wie eines Schallplatten-Tonabnehmers deutliche Klangunterschiede vernommen hat, auf die Idee kommt, auch Gerätschaften wie Verstärker oder CD-Player ließen sich mit ähnlich subtilen Mitteln verbessern. In der High-End-Szene, die sich mit besonders hochwertigen und aufwändigen Gerätschaften beschäftigt, glauben viele, dass praktisch jede Kleinigkeit einer Anlage klangrelevant ist, etwa das Material der Sicherungen im Sicherungskasten. "High-End" ist eher eine Art Philosophie als ein zweckrationales Hobby.
Glauben die Hörer wirklich, die von den Herstellern propagierten Klangunterschiede wahrzunehmen?
Ja. Das Gehör ist kein zuverlässiger Sinn, und oftmals glaubt man, einen Unterschied zu hören, wo gar keiner ist. Einzig weil man weiß, dass jetzt etwas an der Anlage geändert worden ist. Das passiert Profi-Hörern im Übrigen genauso, doch diese wissen um die Unzuverlässigkeit ihres Gehörs besser Bescheid. Vermeiden ließe sich so etwas nur durch direkte Umschalt-Vergleiche, im Idealfall als Blindtest durchgeführt.
Doch Konsumenten scheuen diesen Aufwand meist oder sind sich des Problems nicht bewusst. Man darf auch nicht vergessen, dass es eben ein Hobby ist und das subjektive Erreichen einer Klangverbesserung von vielen als das Ziel angesehen wird, die genaue Funktionsweise ist irrelevant.
Warum kann der Konsument so schwer zwischen sinnvollem und unsinnigem Tuning trennen?
Zum einen sind die Übergänge fließend. Es gibt absolut sinnvolle Verbesserungsmaßnahmen, daneben viele Geräte und Tuning-Tipps, die durchaus einen Einfluss auf die Funktion der Anlage haben, was aber nicht unbedingt in einen hörbaren
Klangunterschied münden muss. Und nicht zu vergessen Tuning-Geräte, deren Wirkungsweise absolut nicht nachvollziehbar ist.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen und erläutern?
Ein besonders prägnantes ist der CD-Entmagnetisierer. Jeder, der sich mit der Technik der Audio-CD ein wenig beschäftigt hat, sieht sofort, dass es hier nichts zu entmagnetisieren gibt und dass ein solcher Vorgang keinen Einfluss auf die Abtastung der optischen Scheibe, erst recht nicht auf den Klang hat. Trotzdem werden diese Geräte verkauft, mit einer Funktionsbeschreibung, die alles andere als esoterisch wirkt und die vom Laien kaum von physikalisch korrekten Beschreibungen zu unterscheiden ist.
Ist der Twister-Stopp typisch für solche Produkte?
Nein. Die meisten Tuningprodukte werden mit scheinbar sachlichen Wirkungsbeschreibungen verkauft oder der Hersteller gibt ehrlicherweise zu, dass er die Wirkung ebenfalls nicht erklären kann. Dass ein umfangreiches Gedankenkonstrukt wie Konstantin Meyls Skalarwellentheorie dahinter steht, ist die absolute Ausnahme.
Glauben die Hersteller der "esoterischen Tuning-Produkte" ihren eigenen Behauptungen, oder handelt es sich um skrupellose Betrüger?
Es ist schwer, hier zu pauschalisieren, aber die mir bekannten Hersteller glauben fast alle tief an die Wirkung ihrer Produkte. Man darf auch nicht vergessen, dass viele dieser "Entwickler" aus eigener Begeisterung für das Thema Hi-Fi zu ihrem Beruf gekommen sind. Insofern würde ich das Etikett "skrupelloser Betrüger" für die allermeisten Anbieter absolut verneinen, es sind eher Überzeugungstäter, die ihr Tun nur zu selten einer schonungslosen Prüfung unterziehen.
Zum Schluss: Sind Hi-Fi-Enthusiasten besonders leichtgläubig?
Generell eher nicht, wir haben es hier oft mit akademisch gebildeten Männern mittleren Alters zu tun. Ich treffe viele Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure und Lehrer unter unseren Lesern. Die würden es wahrscheinlich brüsk verneinen, wenn man sie esoterischer Umtriebe bezichtigen würde. Und dennoch halten sich in der Szene viele Glaubenssätze, die auf Außenstehende skurril wirken und die ihren Ruf zuweilen beschädigen. Das finde ich persönlich etwas traurig, denn Hi-Fi-Musikwiedergabe ist eigentlich ein sehr bodenständiges, ehedem sehr verbreitetes Hobby, das unglaublich Spaß macht.
Herr Ruhnke, vielen Dank für dieses Gespräch.
Das Gespräch führte Philippe Leick.
Malte Ruhnke
studierte Betriebswirtschaftslehre und Medientechnik. Er arbeitet als Fachredakteur bei der Zeitschrift Audio und betreut vor allem die Ressorts Lautsprechertechnik und Raumakustik. Dabei hat er sich auch mit Hörtests und deren Methodik beschäftigt.