André Sebastiani
Schlägt man ein beliebiges Hi-Fi-Magazin auf, so fallen einem im Anzeigenteil eine Vielzahl von Händlern und Herstellern auf, die mit angeblich klangverbessernden Tuning-Artikeln werben. Bei manchen dieser Artikel wird schnell klar, dass es sich um Voodoo, wie zweifelhafte Produkte und Maßnahmen in Fachkreisen und Internetforen genannt werden, handelt. Häufig ist es jedoch gar nicht so leicht einzuschätzen, ob ein Produkt sinnvoll ist oder nicht. Hier eine Auswahl beliebter Tuning-Maßnahmen.
Anschlusskabel
Auf den ersten Blick erscheint es recht plausibel, auf hochwertige Anschlusskabel zu setzen. Schließlich befinden sich sowohl Lautsprecherkabel als auch Cinchoder symmetrische Kabel (zur Verbindung von Quellgeräten mit dem Verstärker) im direkten Signalweg. Etwaige Verluste dürften sich daher klangverschlechternd auswirken. So überrascht es nicht, dass im Fachhandel eine Vielzahl unterschiedlicher Kabel zu Preisen von wenigen Euro bis hin zu mehreren tausend Euro (pro Meter!) angeboten werden, teils mit Querschnitten, die denen eines Gartenschlauchs entsprechen.
Häufig werden bei Tests in den Fachmagazinen neben wortreichen Beschreibungen der angeblichen Klangeigenschaften eines Kabels auch seine Kapazität und Induktivität angegeben. Diese physikalischen Größen beschreiben elektrische Eigenschaften, die u. a. zur Verzerrung des Frequenzgangs führen können. Diese Verzerrungen treten aber bei Kabellängen bis 10 m erst im Mhz-Bereich (Induktivität), bzw. im GHz-Bereich (Kapazität) auf und damit weit außerhalb des Übertragungsbereichs einer Stereoanlage.
Die meisten Lautsprecher übertragen Schall nur bis maximal 30 kHz. CD-Player filtern Frequenzen oberhalb von 20 kHz, dies stellt auch die höchste Frequenz dar, die das menschliche Gehör wahrnehmen kann (Everest, Pohlmann 2009). Auch der Ohm'sche Widerstand ist zu vernachlässigen. Verstärker geben jedoch auch bei hoher Lautstärke nur rund ein Watt Leistung an die Lautsprecher ab. Zum Vergleich: Ein normaler Haushaltsherd, der mit 5 x 2,5 mm2 Kabeln angeschlossen wird, verbraucht konstant 12 kW, wenn man alle Herdplatten und den Ofen auf volle Leistung stellt – ohne nennenswerten Verlust. (1)
In den Platinen von Hi-Fi-Geräten fließen die Signale über weite Strecken durch Leiterbahnen, die kaum dicker als ein menschliches Haar sind. In jeder Frequenzweiche eines passiven Lautsprechers befindet sich eine Spule aus Kupferlackdraht mit einem Querschnitt von rund 1 mm2 und einer Länge von bis zu 50 m.
Glaubt man den Anhängern des Kabelklangs, ist es für die Wiedergabe entscheidend, dass das Musiksignal, nachdem es
sich z. B. im CD-Player durch Platinen mit winzigen Leiterbahnen begeben hat, durch ein möglichst hochwertiges Cinch- oder XLR-Kabel in den Verstärker gelangt, wo es erneut durch Leiterbahnen und Kabel mit geringem Querschnitt geleitet und dabei verstärkt wird. Vom Verstärker aus sollte erneut ein hochwertiges Kabel die Strecke bis zum Lautsprecher überbrücken, bevor das Signal durch die Spule mit vielen Metern dünnem Kupferlackdraht zu den Lautsprecherchassis gelangt.
Stromkabel
Auch hier erkennen viele Hi-Fi-Freunde Tuningpotential. Das Angebot reicht von "günstigen" Netzleisten und Netzkabeln unter 100 Euro bis hin zu Geräten, die die Spannung ganz neu aufbauen und mehrere tausend Euro kosten. Der Hintergrund ist, dass die 230-Volt-Wechselspannung, wie sie aus der Steckdose kommt, durch zahlreiche Verbraucher "verunreinigt" wird. Das bedeutet, dass neben der normalen 50-Hertz-Sinuswelle hochfrequente Störsignale vorhanden sind.
Die Zeitschrift Audio führte dazu einen Blindtest durch (Audio 6/08). Es kam ein Netzgenerator zum Einsatz, bei dem man zwischen "sehr sauberem" Strom und "sehr stark verunreinigtem" Strom umschalten konnte. Das Ergebnis: Malte Ruhnke kam als einziger auf eine Trefferquote von 100 % – weil er bei dem "sehr stark verunreinigten" Strom das durch einen Wackelkontakt verursachte Brummen eines Netzteils hören konnte.
Im engeren Sinne klangverschlechternd wirkte sich der verschmutzte Strom nicht aus, keiner der übrigen Testteilnehmer konnte im Blindtest "sauberen" von "verunreinigtem" Strom unterscheiden. Das ist auch wenig verwunderlich, da Hi-Fi-Geräte mit Gleichstrom arbeiten und die Wechselspannung aus der Steckdose dementsprechend umwandeln und hochfrequente Störanteile weitestgehend eliminieren.
Sicherungen
Zu Preisen zwischen 10 und 100 Euro sind allerhand Sicherungen zu haben. (2) Häufig sind solche Sicherungen vergoldet, oder es kommen Silberlegierungen zum Einsatz. Dabei werden sowohl die Sicherungen in den Geräten als auch diejenigen im heimischen Stromkasten getauscht, wobei die üblichen Sicherungsautomaten durch Halterungen für Schmelzsicherungen getauscht werden.
Sogar angeblich klangverbessernde FI-Schutzschalter sind im Angebot. Wer alle Sicherungen im Haus und in seinen Geräten tauscht, kommt auch hier schnell auf mehrere hundert oder tausend Euro. Einige High-Ender sorgen sogar für eine eigene, vom restlichen Haushalt getrennte Strom-Zuleitung. Messbare Unterschiede gibt es bei der Verwendung solcher Sicherungen nicht.
Eine Schmelzsicherung ist so konstruiert, dass sie ab einem bestimmten angegebenen Stromfluss durchbrennt. Dazu muss sie einen entsprechenden Widerstandswert aufweisen. Je nach Schmelztemperatur und Stromleitfähigkeit des verwendeten Materials ist der Draht im Inneren der Sicherung als etwas dicker oder dünner. Da Standardsicherungen und Hi-Fi-Tuning-Sicherungen bei gleicher Absicherung einen annähernd identischen Widerstand haben, ist nicht plausibel, dass sie Einfluss auf den Klang einer Hi-Fi-Kette haben.
CD-Entmagnetisierer und Klangtücher
Geräte zum Entmagnetisieren von CDs können im Fachhandel einige hundert Euro kosten. Der Furutech DEMAG3 kommt sogar auf stolze 2199 Euro, kann dafür aber auch für Vinyl-Schallplatten verwendet werden. Für den kleineren Geldbeutel (rund 30 Euro) gibt es spezielle Mikrofasertücher zum Abreiben von CDs, die statische Aufladungen beseitigen sollen.
Eine CD ist eine Kunststoffscheibe, in deren Datenschicht sich mikroskopisch kleine Vertiefungen (pits) befinden, die optisch mittels eines Lasers ausgelesen werden4. Warum es überhaupt wichtig sein sollte, ein optisches Medium wie die CD zu entmagnetisieren, bleibt das Geheimnis des Herstellers. CDs bestehen aus Polycarbonat, die reflektierende Datenschicht aus Aluminium. Da bei der Herstellung keine ferromagnetischen Materialien zum Einsatz kommen, sind CDs auch nicht permanent (ent-)magnetisierbar.
Das Gleiche gilt natürlich für die in Hi-Fi-Kreisen noch immer hoch geschätzte Schallplatte, die aus reinem PVC besteht. Die Zeitschrift Stereo kommt trotz dieses Widerspruchs zu einem überraschenden Urteil über den Furutech DEMAG: "[…] hier geht es nicht um Nuancen, denn das Ganze klingt so deutlich anders, als habe man eine wesentliche Komponente gegen eine erheblich bessere ausgetauscht!" (Stereo 07/2006, S. 49). Einen Nachweis der Wirksamkeit mittels Blindtest bleiben die Hersteller indes schuldig.
Filzstifte zum Bemalen von CD-Rändern
Ein Klassiker unter den Tuning-Legenden geht nachweislich auf einen Aprilscherz zurück (5) (Der Spiegel 50/2005): Eine CD soll besser klingen, wenn man ihren Rand mit wasserfestem grünem Filzstift bemalt. Durch diese Bemalung soll Streulicht absorbiert werden, das ansonsten angeblich die Laserabtastung stört. Unter Tuning-Anhängern wird in diesem Zusammenhang auch diskutiert, ob schwarzer Filzstift nicht noch bessere Ergebnisse bringt. Manche sind darüber hinaus der Auffassung, dass man die Kanten der CD anschrägen (und anschließend bemalen) sollte. Ein Gerät zum Anschrägen der CD-Kanten im angeblich optimalen Winkel von 38° ist für 459 Euro im Fachhandel zu haben. (6)
Wenn die zugrunde liegende Annahme, Streulicht störe den Auslesevorgang bei CD-Playern, zuträfe, so stellt sich die Frage, warum die Industrie es in den fast 30 Jahren seit der Einführung der CD nicht geschafft hat, CDs mit schwarzem, bzw. grünem Rand und schrägen Kanten zu produzieren. Durch den digitalen Auslesevorgang gibt es auch wenig zu optimieren. Die Fehlerkorrektur eines CD-Players arbeitet bis zu einer gewissen Grenze verlustfrei. Das heißt, dass auch bei kleinen Kratzern auf einer CD diese bitgenau ausgelesen werden kann.
Verbesserungsmöglichkeiten gibt es darüber hinaus dann keine mehr, und weitere Optimierungen des Signal-Rausch-Verhältnisses verpuffen wirkungslos. Jeder heimische CD-Player, der eine CD abspielt, beweist somit, dass ein normaler Streulichtpegel nicht zu Lesefehlern führt.
Raum-Animator
Zweifelhaften Ruhm hat der Raum-Animator der österreichischen Firma Artkustik erlangt. Für 760 Euro erhält man einen kleinen runden Kasten mit einer blauen Leuchtdiode. Den Broschüren des Herstellers entnimmt man u. a. folgendes:
Die artkustik Raum-Animator-Technik arbeitet im submolekularen Bereich und bewirkt eine positive Beeinflussung der Schallausbreitung. Gleichzeitig werden […] energetische Informationsmuster übertragen, welche bewirken, dass dem Raum natürliche Klangeigenschaften verliehen werden“.(7)
Wie das genau funktionieren soll, darüber schweigt man sich "aus verständlichen Gründen" aus. In einem Testbericht ist zu lesen, dass in der kleinen Dose "hochreines Quellwasser" und Quarzkristalle zum Einsatz kommen:
Mithilfe der Energie eines kleinen Netzteils sollen die Kristalle so in Schwingungen versetzt werden, dass sie ihre gitterförmige Struktur per Leuchtdiode auf die Raumluft übertragen, die Bewegung ihrer Elektronen ordnen und damit ihre Schalleitfähigkeit verbessern.
Eine Verbindung zwischen Schall und submolekularem Bereich ist nach der Physik ebenso wenig nachvollziehbar, wie die Übertragung einer Struktur auf ein Gasgemisch, dessen Moleküle sich bei Zimmertemperatur mit rund 400 m/s frei bewegen. (8)
Hi-Fi-Möbel und Gerätefüße
Klanggewinn wird Audiophilen auch durch die Unterbringung der Komponenten in speziellen Möbeln wie z. B. Hi-Fi-Racks versprochen. Meistens wird dies durch die Beseitigung oder Dämpfung von Resonanzen erklärt, die sich angeblich negativ auf die Elektronik auswirken. Auch spezielle Füße und Spikes, die unter die einzelnen Geräte gelegt werden, gehören zum Angebot und sollen die Geräte von Schwingungen aus der Umgebung entkoppeln.
Zumindest bei Plattenspielern macht die Entkoppelung durchaus Sinn. Schließlich werden mit der Nadel winzige Erhebungen in der Rille der Schallplatte abgetastet. Wird der Plattenspieler selbst durch laute Musik zum Schwingen gebracht, kann dies die Abtastung beeinträchtigen. Stehen Lautsprecher auf einem Fußboden, der leicht zum Schwingen angeregt werden kann, wie z. B.einem Holzfußboden, ist eine Entkoppelung vom Fußboden durch entsprechende Bodenplatten oder Füße, die unter die Lautsprecher gelegt werden, sinnvoll. Bei anderen Komponenten wie CD-Playern oder Verstärkern ist der Effekt sehr zweifelhaft.
Wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Raumakustik:
Absorber, Diffusoren, Resonatoren, Bassfallen,…
Neben den Lautsprechern, ihrer richtigen Aufstellung und der Wahl eines geeigneten Hörplatzes, ist die Raumakustik der entscheidende Faktor für eine hochwertige Musikwiedergabe. Technisch gesehen ideal ist eine Hörsituation, bei der man lediglich den direkt aus den Lautsprechern abgestrahlten Schall hört. In einem Hörraum kommen jedoch immer auch Schallreflexionen von den Wänden, der Decke und dem Boden hinzu, die das Klangbild negativ beeinflussen. Ein weiteres Problem sind so genannte Raummoden, die in Abhängigkeit der Raumgröße dafür sorgen, dass bestimmte Frequenzen im Bassbereich resonant angeregt werden (stehende Wellen) und, je nach Hörplatz, deutlich hervortreten, was sich z. B. durch Dröhnen bemerkbar machen kann. (9) Den idealen Raum gibt es also nicht.
Mit Absorbern, Resonatoren und Diffusoren versucht man, Reflexionen und Moden zu Leibe zu rücken und für eine möglichst ausgewogene und reflexionsarme Verteilung der Schallfrequenzen im Raum zu sorgen. Auch diese raumakustischen Maßnahmen können sehr teuer werden, ihre Wirksamkeit ist jedoch klar hör- und messbar.
Auch Möbel und Einrichtungsgegenstände wirken sich auf die Akustik aus. Ein völlig leerer Raum ist meist sehr hallig und klingt unangenehm scharf, weil der Schall an den harten Wänden praktisch verlustfrei reflektiert wird. Fertig eingerichtete Wohnräume haben akustisch völlig andere Eigenschaften. Teppiche, Polstermöbel, Vorhänge, Regale u. a. dämpfen beispielsweise Schallreflexionen, Zimmerpflanzen wirken als Diffusoren. Mit etwas Fachwissen lassen sich mit der richtig gewählten Wohnzimmereinrichtung gute, wenn auch nicht optimale, Ergebnisse erzielen.
Warum stürzt sich nicht jeder Hi-Fi-Fan auf diese wirksamen Maßnahmen? Raumakustik ist ein hochkomplexes Thema. Es bedarf viel Hintergrundwissen und nicht zuletzt auch messtechnischer Ausrüstung, um einen Raum akustisch zu behandeln. Wer einmal ein professionelles Aufnahmestudio gesehen hat, weiß, dass sich raumakustische Maßnahmen nur sehr begrenzt mit einer angenehmen Wohnraumgestaltung vertragen.
So wird man zu Hause in der Regel nur einen Kompromiss zwischen der Wohnatmosphäre auf der einen Seite und möglichst guten akustischen Eigenschaften auf der anderen Seite schaffen können.
Anmerkungen:
(1) http://www.hifiaktiv.at/diverses/realistische_betrachtungen_themen/realistische_betrachtungen_verbindungskabel.htm, Zugriff am 23.07.2010.
(2) http://www.Hi-Fi-zubehoer.info/audio-sicherungen-k-24.htm, Zugriff am 23.10.2010.
(3) http://www.padis-furutech.de/html/demag.html, Zugriff am 23.07.2010.
(4) http://de.wikipedia.org/wiki/Compact_Disc#Herstellung, Zugriff am 07.07.2010.
(5) Dworschak, M. (2005): "Seidige Mitten, strähniger Klang", Der Spiegel 50/2005, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43960848.html, Zugriff am 23.07.2010.
(6) http://www.audiodesksysteme.de/index.
php?kat=1_3_1, Zugriff am 23.07.2010.7 http://www.artkustik.at/produkte_raumanimator_detail.htm, Zugriff am 23.07.2010.
(8) http://hyperphysics.phy-astr.gsu.edu/HBASE/sound/souspe3.html, Zugriff am 23.07.2010.
(9) http://de.wikipedia.org/wiki/Moden, Zugriff am 23.07.2010.
Literatur
Everest, F. A.; Pohlmann, K. C. (2009):Master Handbook of Acoustics. McGraw-Hill, Berkshire.
Verblüffende Erkenntnisse: Furutechs "Demag" für CDs, Kabel und Platten. Stereo 07/2006.
André Sebastiani
1977 geboren, hat in Münster Lehramt für die Primarstufe studiert und unterrichtet zurzeit an einer Hauptschule in Bremen Naturwissenschaften und Deutsch. Mit dem Thema Hi-Fi beschäftigt er sich seit ca. 15 Jahren mit wachsender Skepsis. Sein besonderes Interesse gilt der Raumakustik. E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!