Hans Richter
Die "Gesetze der Natur" nutzend, soll auf verblüffend einfache Art aus Leitungswasser Heilwasser gewonnen werden, und zwar direkt im privaten Haushalt. Die segensreiche Erfindung könnte das Problem der zunehmenden Schadstoffbelastung des Trinkwassers lösen - wenn sie funktioniert.
Im Gegensatz zu Heilwasser besitze Leitungswasser "keine besondere biologische Wirksamkeit". Daß das farb-, geruch- und geschmacklose Dipolmolekül Wasser, Grundlage jeglichen Lebens, zur Überraschung der Wissenschaft nun als weitgehend biologisch unwirksam zu gelten habe, sei nachweisbar - mit einem Pendel. Die "radiästhetische Prüfung", so die erstaunliche Erkenntnis, vervielfältigt auf blauem Umweltschutzpapier, lasse keinen Zweifel aufkommen: Wann immer ein Pendel mit dem Lebenselexier in Berührung kommt, vollziehe es eine Linksdrehung.
Ganz anders verhalte sich das Meßinstrument jedoch, wird es Heilwasser gewärtig: Das Pendel kreise rechtsdrehend. Die zwingende Folgerung aus dem radiästhetischen Experiment, wie die Pendlerei genannt wird: Heilwasser habe eine .positive Wirkung auf Mensch, Tier und Pflanze". Daß nun Tee oder Kaffee "plötzlich bekömmlicher" werden, "aromatisch duften", Wasser "wieder schmeckt" und auch Milch, Fruchtsäfte, Bier, Wein, ja, selbst Spirituosen einen "merkbar besseren Geschmack" aufweisen und "besser bekömmlich" seien, so frohlockt der Erfinder in seiner Werbung, sei dem "Wasser-Plus" zuzuschreiben, der das biologisch unwirksame linksdrehende Naß in ein biologisch wertvolles rechtsdrehendes überführe.
Eine konisch gewickelte Spirale aus verzinntem Kupfer, aufsteckbar auf jeden Wasserhahn, Brausekopf, Dose oder Flaschenhals, soll der Flüssigkeit den gewünschten Drehsinn geben. Beeindruckt von den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten, auch Pflanzen sollen üppiger wachsen, erhielt der Linksdrall-Trichter den Segen der Behörde: einen Gebrauchsmuster-Schutz. Zwar ist die Nachweismethode der Wirksamkeit der Heilwassererzeugung beschrieben. Unklar jedoch bleibt, mit welchem radiästhetischen Pendel die Überprüfung durchgeführt werden kann. So bietet ein medizinischer Fachhändler aus Stuttgart allein 60 verschiedene Pendel, bestehend aus Kupfer, Messing und Bernstein an. Weiterhin befinden sich in seinem Repertoir diverse Sternzeichen-Pendel und der "Hochleistungspendel Radox", eine Neuentwickl.ung des italienischen Metaphysikers und Astrologen Professor Erich Muller vom "Istituto per metafisica sperimentale". Preis des polierten und hochglanzvernickelten Pendels, das mit vier antennenförmigen Stäbchen und Kugeln versehen ist: 120 DM.
Dabei ist die Idee, dem Leitungswassermolekül einen anderen Drehsinn zu verpassen, auf den ersten flüchtigen Blick garnicht so abwegig. Denn viele organische Moleküle, wie die Milch- und Weinsäure, der Traubenzucker oder alle Bausteine des Lebens, die Aminosäuren, haben einen "Drehsinn". So werden vom menschlichen Organismus nur jene Aminosäuren von den körpereigenen Enzymen, eine Art biologischer Katalysatoren, verarbeitet, die sich linksdrehend verhalten, also biologisch wirksam sind. Die rechtsdrehenden Aminosäuren sind aus ernährungsphysiologischer Sicht nutzlos.
Wenn der Chemiker bestimmte Verbindungen, eingebracht in eine wässrige Lösung, auf ihre "Drehung" hin untersucht, greift er allerdings nicht zum Pendel. Sein Instrument ist eine Apparatur, die sogenanntes linear polarisiertes Licht abgibt. Wird das Licht von den Molekülen nach rechts abgelenkt, bekommt die Substanz die Bezeichnung "rechtsdrehend", umgekehrt bei "linksdrehenden" Verbindungen. Daß etliche organische Moleküle diese optische Aktivität aufweisen, liegt an der räumlichen .Anordnung ihrer Baugruppen, auch Stereoisometrie genannt. Vergleichbar eineiigen Zwillingen, trägt der eine einen Ring an der linken, der andere an der rechten Hand. Chemisch und physikalisch sind diese Verbindungen sonst völlig gleich. Biochemisch, also vom menschlichen oder tierischen Organismus aufgenommen, können sie sich jedoch unterschiedlich verhalten.
Zu einem solch unterschiedlichen. Verhalten ist das Wassermolekül jedoch nicht imstande. Es ist optisch inaktiv. Das heißt, dieses einfache Molekül dreht linear polarisiertes Licht weder nach links noch nach rechts. Und selbst wenn es optisch aktiv wäre, müßte es sich an die Gesetze der Physik und Chemie halten, die da lauten: Weder mit einfachen Reagenzglasanordnungen noch mit simplen physikalischen Tricks kann ein linksdrehendes Molekül in ein rechtsdrehendes und umgekehrt überführt werden. Und die sogenannte radiästhetische Prüfung mit einem Pendel, als .,wissenschaftliche" Nachweismethode ins okkulte Feld geführt, kommt einer Verhöhnung der Naturgesetze gleich, auf die sich der Bio-Klempner beruft. Es sind Binsenweisheiten der Ernährungsphysiologie und Biochemie, die hier so lange gebeugt werden, bis sie ins geschäftliche Konzept passen. Mit wissenschaftlich klingenden Attributen wird dem Lebenselexier Wasser ein neues "Gesetz der Natur" (Werbetext) angereimt. Irreführung nennt man so etwas.
Konnte der Spiral-Trichter auf der rustikalen Bio-Messe "Ökomenta 87“ in Landshut noch für 7 DM erworben werden, mußte der Interessent ein Jahr später auf der wohlfeinen Edel-Verkaufsmesse „Esoterik 88“ in München bereits 150 DM für den simplen WasserInverter hinlegen. Begründung des exorbitanten Preisanstiegs der, nun mit einer hauchdünnen Chromschicht versehenen Apparatur: Die spiralförmige Wasserführung bewirke nun eine meßbare energetische Aufwertung, die sich günstig auf Mensch, Tier und Pflanzen auswirke. Auch habe sich die Apparatur bei der Herstellung von Beton und Estrich bewährt. Und da die originäre Aufgabe des WasserInverters, der nun zum Energiepotenzierer avanciert ist, nicht mehr der Heilwassergewinnung dient, muß zum Wirksamkeitsnachweis nun auch ein anderes Instrument herhalten. Nicht mit dem Pendel, sondern mit Wünschelrute und Kirlian-Fotographie sei der positive Effekt nachweisbar.
Hans Richter ist promovierter Physiker und arbeitet auf dem Gebiet der Werkstoffprüfung in einem wissenschaftlichen Institut in Erding.
Dieser Artikel erschien im Skeptiker 2/1988.