Im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) macht man sich Sorgen. Bahnbrechende Erkenntnisse von unorthodoxen Forschern blieben unbeachtet, weil die etablierte Wissenschaft sich weigere, diese zur Kenntnis zu nehmen. Deshalb gab das Ministerium im Rahmen eines Forschungsvorhabens eine Studie in Auftrag mit den Zielen, „neue Kategorien von erneuerbaren Energien" und Methoden zur „Aktivierung biologischer Prozesse" zu identifizieren.
Beauftragt wurden drei Gründungsmitglieder der in Esoterikkreisen bekannten Firma Binnotec in Berlin: Marco Bischof (Schriftsteller), Dr. Thorsten Ludwig (Physiker, Präsident der Deutschen Vereinigung für Raumenergie, DVR) und Andreas Manthey (KFZ-Ingenieur). Die Studie wurde 2005 abgeschlossen (Bischof et al. 2005). Der Öffentlichkeit bekannt wurde sie aber erst jetzt durch einen Hinweis auf der Webseite der DVR.
Dr. Jochen Böhmer, beim BMZ verantwortlich für die Studie, befürchtet in seinem Vorwort, die zunehmende Verknappung der Energieressourcen könnte den wirtschaftlichen Forschritt der Entwicklungsländer bremsen. Als Lösungsstrategie empfehlen die Autoren: „offen sein für Neues, insbesondere dann, wenn es nicht in unser bisheriges Weltbild passt" (Bischof et al. 2005, S. 7). Die etablierte Wissenschaft denke in ausgetretenen Pfaden und sei nicht in der Lage, neue Wege zu gehen, so die Kritik. Dabei sehe sie den Wald vor lauter Bäumen nicht, denn eine unerschöpfliche Energiequelle sei überall vorhanden. Man brauche den Schatz nur zu heben.
In eingeweihten Kreisen hat diese Energie Namen wie Raumenergie, Nullpunktsenergie oder Vakuumenergie. Man versteht darunter eine noch unerforschte Energieform, die angeblich mit Hilfe geeigneter Apparaturen jederzeit in eine gebräuchliche Energieform wie Elektrizität umgewandet werden kann. Den Autoren zufolge ist die zur Verfügung stehende Energiemenge so groß, „dass bereits der Inhalt einer Kaffeetasse ausreichen würde, die gesamte Materie des bekannten Universums daraus zu erzeugen (E=mc2)". Diese Form von Esoterik ist ein gutes Geschäft für die beteiligten „Forscher". Finanzkräftige Investoren stellen beträchtliche Summen für Firmen zur Verfügung, die sich mit diesen „alternativen" Methoden der Energiegewinnung befassen.
Die Autoren schlagen dem Ministerium eine Reihe von Methoden vor, die ihrer Ansicht nach für eine Anwendung in Entwicklungsländern geeignet sind. Ein bisschen Forschung sei aber noch nötig, wird eingeräumt. Spezielle Institute sollten gegründet werden, um diese Methoden weiter zu entwickeln.
An einigen Beispielen soll gezeigt werden, welch unerschöpfliches Ideenpotential nach Ansicht der Autoren von der etablierten Wissenschaft beharrlich ignoriert wird. Als erste Methode schlagen die Autoren die Herstellung von „Brown'schem Gas" vor. Diese Mischung aus Wasserstoff und Sauerstoff wird durch Elektrolyse von Wasser gewonnen und ist allgemein unter dem Namen Knallgas bekannt. Es handelt sich um ein hochexplosives Gasgemisch. Vermutlich wird deshalb die hässliche Bezeichnung Knallgas in der Studie vermieden. So neu ist das Verfahren allerdings nicht. Es wurde bereits 1800 von dem Chemiker Johann Wilhelm Ritter entdeckt. Wohl jeder kennt diesen Prozess durch den Schulversuch mit dem Hoffmann'schen Wasserzersetzungsapparat. Die Knallgasflamme kann bekanntlich zum Schweißen benutzt werden.
Über die Eigenschaften des Gases erfährt der Leser gar Wunderliches. Die Flamme soll so heiß sein, dass man damit Wolfram sublimieren kann. Den Autoren ist offenbar entgangen, dass Wolfram (Schmelzpunkt: 3.422°C, Siedepunkt: 5.555 °C) nicht sublimiert. Weiter strapazieren sie die Gutgläubigkeit der Leser, indem sie behaupten, dass dabei die Temperatur der Flamme nur 138°C betrage.
Die Autoren preisen den hohen Energiegehalt des Gases und empfehlen unter anderem, dieses als „Energieträger/Speicher" einzusetzen. Wie man das hochexplosive Gas lagern oder transportieren soll, wird nicht mitgeteilt. Es wäre abenteuerlich, Knallgas zu verflüssigen, um es in Druckbehältern in Entwicklungsländer zu befördern. Auf die einfache Idee, nur den Wasserstoff zu transportieren, da der Sauerstoff ja ohnehin überall zur Verfügung steht, sind die Autoren nicht gekommen.
In einem späteren Abschnitt der Studie erfährt der Leser, dass es mit Hilfe von Knallgas sogar möglich sein soll, radioaktiven Abfall zu beseitigen. Die Autoren schildern eine öffentliche Demonstration in den USA, bei der Prof. Brown angeblich mit Hilfe der Knallgasflamme radioaktives Americium mit anderen Metallen verschmolzen hat. Dabei soll innerhalb von fünf Minuten die Radioaktivität von 16.000 Curie/min um ca. 95 % reduziert worden sein.
Bekanntlich ist ein Curie definiert als die Menge einer radioaktiven Substanz, die eine Zerfallsrate von 3,7 x 1010 Zerfällen pro Sekunde hat. Was mit Curie/min gemeint ist, erfährt der Leser nicht. Aber vielleicht sollte man nicht so kleinlich sein, wenn es um wirklich große Dinge geht. Und groß ist die Menge an Radioaktivität tatsächlich. Die genannten 16.000 Curie entsprechen einer Zerfallsrate von 6 x 1014 Zerfällen pro Sekunde. Das kann mit keinem Geigerzähler gemessen werden. Die Bewilligungsgrenze für 241Am, das am häufigsten verwendete Isotop des Americiums, liegt bei 200 Becquerel (Zerfälle pro Sekunde). Der Professor hätte sicher gegen alle Strahlenschutzrichtlinien verstoßen, wenn er eine größere Menge bei einer öffentlichen Demonstration gehandhabt hätte. Da liegen die Autoren mal eben um etwa 12 Zehnerpotenzen daneben.
Als Beispiel für die Energieerzeugung aus dem Nichts sei hier der Blacklight-Prozess angeführt. In dieses Verfahren wurden angeblich schon mehrere Millionen Dollar investiert.
Der Energieerzeugungs-Apparat besteht aus einer Zelle, in die Wasserstoff unter Unterdruck eingeleitet wird. In der Zelle wird durch zugeführte elektrische Energie ein Plasma erzeugt. Dabei wird Energie in Form von UV- und Wärmestrahlung nach außen abgegeben und durch eine Kraft-Wärme-Kopplung wieder in elektrischen Strom umgewandelt. Das Verfahren soll sich zur Energiegewinnung eignen, weil angeblich mehr Energie abgegeben als zugeführt wird. Zur Erklärung der wundersamen Energievermehrung hat der Erfinder eine neue Quantentheorie entworfen. Sie postuliert Energieniveaus unterhalb des Grundzustands und geschrumpfte Wasserstoffatome - beides ist in der Physik unbekannt.
Als Beweis für das Funktionieren der Methode führen die Autoren an, dass Tests in Universitätslaboratorien (z.B. Penn State University) ergeben hätten, dass die Energieausbeute 100-mal höher sei als bei Verbrennung des Wasserstoffs. Die Autoren haben geflissentlich übersehen, dass die Energie in Form von elektrischem Strom zugeführt wird. Der Wasserstoff wird in Wirklichkeit nicht verbraucht. Es muss bezweifelt werden, dass Wissenschaftler einer Universität solche unsinnigen Messungen tatsächlich vorgenommen haben.
Die Autoren sorgen sich auch um die Landwirtschaft in Entwicklungsländern. Zur Besserung der Situation verweisen sie auf die Firma Plocher Technology in Meersburg. Diese vermarktet „Transmateriale Katalysatoren", mit denen man angeblich die Erträge in der Landwirtschaft erhöhen kann - ohne Düngemittel, nur durch Übertragung von Information. Man braucht dazu nur eine „Energie, die im Äther oder Kosmos ihren Ursprung hat". Diese kosmische Energie, auch Orgon genannt, wurde von Wilhelm Reich 1939 postuliert. Man kann sie, so sind die Autoren überzeugt, mit einem Trichter konzentrieren, in dessen Wänden sich Schichten aus organischem Material und aus Metall abwechseln.
Unter dem Trichter wird Sauerstoff durchgeleitet. Der Orgonstrahl soll nun die Information des Sauerstoffs aufnehmen und diese auf einen darunter befindlichen Träger, z.B. Sand, übertragen. Der informierte Sand, so wird behauptet, könne anschließend seine Sauerstoff-Information an die Pflanzen weitergeben, wenn er auf die Felder auf gebracht wird. Das Wort Information ist ein Modewort bei Esoterikern jeder Provenienz. Es wird nie erklärt, was darunter zu verstehen ist.
Die Autoren verraten dem Leser nicht, warum der Orgonstrahl nicht bereits beim Durchlaufen der Erdatmosphäre Sauerstoff-Information aufnimmt und sie, ohne Zwischenschaltung der Firma Plocher, direkt an die Felder weitergibt. Anstatt sich mit solchen trivialen Fragen zu beschäftigen, verweisen sie auf „Forschungsergebnisse" des promovierten Volkswirts und Erfinders der Transmaterialen Katalysatoren, Prof. Bechmann. Dieser habe mit einer Reihe von Untersuchungen die Wirksamkeit der Plocher-Produkte nachgewiesen. Prof. Bechmann, Gründer eines eigenen Zukunfts-Zentrums in Barsinghausen, hat in der alternativen Szene einen guten Ruf, beispielsweise durch Vorträge und Schriften über geistiges Heilen und Homöopathie für Pflanzen. Ihm verdanken wir auch die Einsicht, dass wirklich neue Erkenntnisse nur von den „nach materialistischen Naturwissenschaften" zu erwarten sind.
Die Raumenergie-Forscher träumen schon lange von dem großen Durchbruch, der mit der offiziellen Anerkennung auch einen Geldregen mit sich bringen soll. Sie sehen in dieser Studie einen wichtigen Schritt zu diesem Ziel. Aus Sicht der Physik kann eine Förderung derartiger Projekte mit öffentlichen Mitteln jedoch als Steuerverschwendung bezeichnet werden. Im Interesse der Entwicklungsländer bleibt zu hoffen, dass die Esoteriker im BMZ nicht auch noch darüber entscheiden, welche von den vorgeschlagenen Methoden und Produkten in diesen Ländern zum Einsatz kommen sollen.
Dieser Artikel erschien im Skeptiker 3-4/2007.
Literatur
Bischof, M.; Ludwig, T.; Manthey, A. (2005): Zukunftstechnologien für nachhaltige Entwicklung. Unkonventionelle Ansätze zur Energiegewinnung und Aktivierung biologischer Prozesse. Eine Darstellung und Erläuterung von sechs Erfolg versprechenden Prozessen. Forschungsberichte des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Bericht E 5001-15.