Als Ayurveda (Sanskrit: ayus, etwa: Lebensspanne, die einem Menschen zur Verfügung steht; veda, etwa: Wissen, Offenbarung) bezeichnet man die klassische indische Medizin. Ayurveda ist kein einheitliches System, vielmehr existiert eine Vielfalt von Formen und Interpretationen. Gemeinsam ist ihnen der vorwissenschaftliche Charakter, während moderne Erklärungen für die Entstehung von Krankheiten und Therapiekonzepte häufig noch vernachlässigt werden.
Erste schriftliche Zeugnisse der Lehre gehen auf das dritte Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung zurück, noch heute stellen ayurvedische Heiler vor allem in den ländlichen Regionen Indiens oft die einzige medizinische Versorgung dar. Kernelemente sind Prävention durch gesunde Lebensweise und Ernährungsvorschriften, in der Therapie werden Heilkräuter, Metalle, Mineralien, tierische Produkte und physikalische Therapien eingesetzt.
Grundlagen des Ayurveda sind gesammelte Schriften (samihtas), die nach ihren Autoren caraka-samitha, sushruta-samitha, und vagbhata-samitha genannt werden.
Der Mensch wird darin als Mikrokosmos betrachtet, der wie der Makrokosmos aus den fünf Elementen besteht, pithvi (Masse oder Erde), apah (Wasser), agni oder tejas (Feuer), vayu (Luft) und akasa (Äther oder Raum)
Der Ayurveda unterscheidet drei dynamische Lebensenergien, die so genannten Doshas:
- Vata besteht aus den Elementen Luft und Äther und ist für alle Bewegungen des Körpers verantwortlich, außerdem für aber auch die Aktivitäten von Geist, Sinnesorganen und Nervensystem
- Pitta besteht aus Feuer und Wasser. Es reguliert alle Körpervorgänge, die eine Beziehung zur Wärme haben, wie etwa Verdauung und Stoffwechsel.
- Kapha besteht aus Erde und Wasser. Es steht für körperliche Stabilität und Stärke sowie für Widerstandsfähigkeit und Ausdauer, aber auch für Geschmeidigkeit.
Die drei Doshas kommen bei jedem Menschen in einem individuellen Mischverhältnis vor, das bei Geburt festgelegt ist und sich nicht verändert. Krankheiten erklärt der Ayurveda durch ein Ungleichgewicht der Doshas. Die Behandlung soll dieses Ungleichgewicht reduzieren.
Die Orientierung des Ayurveda an traditionellen indischen Lebensweisen erlaubt nur eine bedingte Übertragung auf moderne westliche Verhältnisse. Dennoch ist Ayurveda mit dem Wellness-Trend der letzten Jahre auch im Westen bekannt geworden, entsprechende Behandlungen werden von Ärzten, Heilpraktikern sowie medizinisch ungeschulte Anbieter wie Masseure und Kosmetikerinnen durchgeführt, Reiseveranstalter bieten Kuraufenthalte in Ayurveda-Hotels in Sri Lanka und Indien an.
Während in Indien neben der traditionellen Ausbildung bei einem praktizierenden Lehrmeister auch ein staatlich reglementiertes „Universitäts-Studium“ mit einem Bachelor- und Master-Abschluss angeboten wird, gibt es in Deutschland eine Vielzahl von Ausbildungsgängen, die sich in Dauer und Qualität der vermittelten Qualifikationen erheblich unterscheiden.
Ayurvedische Arzneimittel sind in Deutschland nicht als Medikamente zugelassen. In der Regel werden die Präparate aus dem Ausland eingeführt und gelangen ohne nachvollziehbare Qualitätskontrolle in die Anwendung. Einige Präparate enthalten die Schwermetalle Blei und Quecksilber, Fälle von Bleivergiftungen sind bekannt.
In Deutschland weit verbreitet ist der Maharishi-Ayurveda, der Praktiken des Ayurveda mit der umstrittenen transzendentalen Meditation (TM) verbindet. Entwickelt wurde Maharishi-Ayurveda von dem indischen Guru und TM-Erfinder Maharishi Mahesh Yogi Anfang der 1980er Jahre. Fachleute sehen darin eine Marketingstrategie Maharishis zur Vermarktung der TM.
Inge Hüsgen, Bärbel Schwertfeger
Literatur:
- Ernst, E.; Singh, S. (2008): Gesund ohne Pillen. Was kann die Alternativmedizin? Hanser, München.
- Federspiel, K.: Herbst, V. (2005): Die Andere Medizin. „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet. Stiftung Warentest, Berlin.
- Kirschner, M., Schwertfeger, B. (2004): Der Ayurveda-Boom. Insidertipps und Hintergrundinformationen. VGS Verlagsgesellschaft, Köln.
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Stand: 30.06.2009