Anhänger des Turiner Grabtuches verweisen als Beleg für ihre Position oft auf "Blutspuren" auf dem Leinen. Zunächst sollte man wissen, dass Blut, auch wenn es vorhanden wäre, kein Beleg für die Echtheit des Tuches wäre. Dafür müsste der Zeitpunkt nachgewiesen werden, zu dem das Blut auf dem Tuch kam. Aber unabhängige und methodisch saubere Untersuchungen haben stets gezeigt, dass es auf dem Turiner Grabtuch überhaupt kein Blut gibt, während verschiedene Farbstoffe nachgewiesen wurden.
Mit der erste Untersuchung in dieser Richtung wurde 1973 eine italienischen Kommission beauftragt. Beachtenswert ist der Bericht von Professor Eugenia Rizatti, Emilio Mari und Kollegen aus dem Institut für forensische Medizin in Modena. Sie berichten über eine Pigmentierung der Farbe gelb-rot-orange, die "die Mehrheit der Fasern betraf". Sie schreiben auch, dass ihr Test für Blut mit UV-Floureszenz nach einer Schwefelsäure-Behandlung negativ ausfiel. Dies gilt auch für mikrospektrophotometrische Tests für Blut. Ein letzter Test mit Dünnschichtchromatografie brachte ebenfalls ein negatives Ergebnis. Die Wissenschaftler schreiben weiter, dass sie in der Lage gewesen wären, noch so winzige Mengen wie 3-4 Mikrogramm Blut nachzuweisen, wenn sie denn vorhanden gewesen wären. Diese Aussagen wurden gemacht, als die zugelassenen Wissenschaftler noch nicht unter dem enormem Erwartungsdruck standen, ein bestimmtes Ergebnis - die Echtheit des Tuches - zu erbringen. Bei späteren Untersuchungen unter den Sindonologen bzw. der Gruppen STURP oder ASSIST war dies sehr wohl der Fall. Auch ein Teil der Forschergruppe von 1973 hat später unter massiver Einflussnahme und psychichem Druck ihre Ergebnisse relativiert.
1978 erhielt der 2002 verstorbene führende Mikroanalyst Walter McCrone 32 Klebeband-Proben von STURP-Mitglied Ray Rogers, davon 12 vom Bild (der Abbildung des Körpers), 6 von Stellen mit "Blut" und 14 von freien Flächen des Grabtuches. Er teilte sie in zwei Duplikatsätze, von denen er einen behielt. Ein ausführlicher Bericht ist seinem Buch Judgement Day for the Shroud of Turin, Prometheus Books, 1999, zu lesen.
Nach einer Weile konnte McCrone bei 600-facher Vergrößerung Eisenoxyd-Partikel feststellen (im Bild oben links an einem Faser klebend), noch besser bei 2500-facher Vergrößerung (oben rechts zu sehen). Es gelang ihm schnell, die Partikel als rote Ockerfarbe identifizieren, ein Pigment, das im Mittelalter häufig zur Anwendung kam. Im Bild unten links sieht man zum Vergleich eine heute kommerziell erhältliche Farbe (Morelloni Buonamici) in 600-facher Vergrößerung, während unten rechts rote Ockerfarbe von einer Kirchenwand-Malerei aus Tavant (Frankreich) in 250-facher Vergrößerung zu sehen ist. Es ist deutlich zu sehen, dass es sich in beiden Fällen um genau dieselbe Farbe - roten Ocker - handelt.
Daneben identifizierte Walter McCrone an "Blut"-Stellen die rote Farbe Zinnoberrot. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass rote Ockerfarbe an freien Flächen nicht nachgewiesen werden konnte, während andererseits Zinnoberrot nur an "Blut"-Stellen vorkam. Als Medium bzw. Bindemittel konnte McCrone in beiden Fällen Tempera identifizieren.
Walter McCrone führte ebenfalls viele spezifische Bluttests durch, die wie bei der italienischen Komission negativ ausgingen. Im Widerspruch dazu stehen viele Aussagen von Grabtuch-Anhängern, dass doch Blut auf dem Tuch gefunden sei. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass der Nachweis von Blut auf dem Tuch nichts über die Echtheit aussagt, denn das Blut hätte zur jeder Zeit, aufgebracht werden können, beispielsweise von einem Künstler. Die vielen, nicht auf forensische Blutanalysen spezialisierten Forscher kamen schlicht deshalb zu positiven Ergebnissen, weil ihre Tests nicht spezifisch genug waren. Zwar erbrachten sie ein positives Ergebnis, aber dies wäre auch bei anderen Stoffen der Fall gewesen, vor allem bei tierischen Tempera.
Zusammengefaßt lässt sich festhalten, dass sich auf dem Turiner Grabtuch kein Blut befindet, sehr wohl aber Farben, wie sie im Mittelalter üblich waren. Andere Aussagen beruhen auf Wunschdenken und der Sehnsucht danach, dass das Turiner Grabtuch echt ist.
Amardeo Sarma
Bildquelle und Genehmigung: Lucy McCrone
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