Amardeo Sarma
Das Verwirrspiel um das Turiner Grabtuch ist beendet. Drei Laboratorien datieren das Tuch. das angeblich den Leichnam Christi umhüllte. auf etwa 1300 nach der neuen Zeitrechnung.
Nachdem die Forschungsgruppe STURP (Shroud of Turin Research Project) im Oktober 1978 fünf Tage lang das Turiner Grabtuch mit aufwendigen Geräten untersucht hatte, stand für viele der Beteiligten fest: Das Tuch umhüllte tatsächlich einmal den Leichnam Jesu Christi. Die Wahrscheinlichkeit, daß dies eine Fälschung sei, betrage so ein führender STURP-Wissenschaftler 1981 "weniger als eins zu zehn Millionen." Auch Associated Press berichtete im November 1979, daß der damals leitende Wissenschaftler erklärt habe, alle beteiligten Wissenschaftler seien von der "Echtheit" des Leichentuchs überzeugt.
Als Ursache für den Abdruck auf dem Tuch wurde immer wieder ein Strahlenstoß" bei der Auferstehung angegeben. Dieser habe das Abbild verursacht. Andere meinten, das "Negativ" sei durch eine Verfärbung der Teile des Tuchs entstanden, die mit hervorstehenden Körperteilen in Berührung kamen. Die katholische Kirche selbst machte keine offiziellen Angaben zur Echtheit" des Tuches, ließ es aber dennoch verehren.
Joe Nickel, Mitglied von CSICOP (Committee for the Scientific Investigation of Claims of the Paranormal, Buffalo, USA) und Autor des Buches "Inquest on the Shroud of Turin", hält das Grabtuch dagegen für das Werk eines Künstlers etwa aus dem 14. Jahrhundert. Es sei zu gut erhalten, um 2000 Jahre alt zu sein. Wahrscheinlich wurde das Tuch über die Skulptur eines gekreuzigten Mannes gelegt. Der Abdruck wäre demnach durch das Anreiben von Eisenoxyd-Pulver erzielt worden.
Nun aber liegen Ergebnisse einer Untersuchung vor, nach denen das Turiner Grabtuch wesentlich jünger ist, als von vielen zuvor angenommen worden war. Die Vermutungen Nickels scheinen sich dagegen zu bestätigen. Drei Laboratorien, der Universität von Arizona, der Oxford University und der ETH Zürich stellten fest, das Grabtuch stamme aus der Zeit zwischen 1260 und 1380.
Die Altersbestimmung wurde nach der bekannten Methode vorgenommen, die den Gehalt des Kohlenstoff-Isotops C14 bestimmt. Der Anteil des radioaktiven Isotops bleibt in einem lebendigen Organismus gleich. Das Isotop zerfällt jedoch mit einer Halbwertszeit (die Zeit, in der die Hälfte einer radioaktiven Substanz zerfällt) von 5.500 Jahren und wird nach dem Tode nicht wieder ersetzt, weil der Kohlenstoff-Kreislauf dann unterbrochen wird. So ist es möglich, durch die Feststellung des Anteils dieses Isotops die Zeit zu bestimmen, in der der Rohstoff für das Tuch geerntet wurde.
Früher wurde die Altersbestimmung nach dieser Methode von der katholischen Kirche abgelehnt, denn sie befürchtete, daß ein zu großes Stück des Tuches hätte abgetrennt werden müssen. Die Entwicklung eines neuen Massenspektrometers im Jahre 1970 gab den Ausschlag: Nun konnten drei Laboratorien mit einer Tuchfläche auskommen, die kleiner als eine Briefmarke war. Ursprünglich waren sogar sieben Laboratorien vorgesehen. Die katholische Kirche setzte jedoch durch, die Anzahl auf drei zu verringern, um den Verbrauch des Materials zu minimieren.
Für Paul Damon, der die Untersuchung in Arizona leitete, ist dieses Kapitel abgeschlossen: Unsere unabhängigen Untersuchungen haben übereinstimmende Ergebnisse erzielt. Es gibt keinen Zweifel (über das Alter)." Es bleibt abzuwarten, ob weitere Untersuchungen über die Verwendung eines Eisenoxyd-Pulvers ermöglicht werden.
Dennoch sind Überlegungen der verschiedensten Art zu hören, mit deren Hilfe die Echtheit" gerettet werden soll: der Strahlenstoß" bei der Auferstehung hätte die C14 -Werte im Tuch so verändert, daß die Altersbestimmung fehlerhaft geworden sei. Manche meinen, eine Diskrepanz zwischen diesen und älteren Untersuchungen und historischen Aufzeichnungen zu sehen. Andererseits ist im Regensburger Bistumsblatt (Nr. 44/88) zu lesen, der Passauer Hochschulrektor Prof. Dr. Blinzler habe schon vor 30 Jahren die Entstehungszeit auf genau 1353/55 festgelegt.
Weiterhin offen" sei, so auch die Zeitungsmeldungen, wie das Abbild des Gekreuzigten entstanden ist. Eines ist jedoch sicher: Es kann kein Abbild Jesu sein, wenn das Tuch aus dem 14. Jahrhundert stammt. Da aber die Einzelheiten so sehr mit der Überlieferung über die Wunden am Körper des gekreuzigten Jesus übereinstimmen, kann es keine andere Person betreffen. Dies gilt umso mehr, als im Mittelalter Kreuzigungen unüblich waren.
So scheint auch hier die Erklärung Joe Nickels die naheliegendste zu sein. Es muß als äußerst unwahrscheinlich angesehen werden, daß ein solcher Abdruck zufällig entstanden ist. Man darf gespannt sein, ob Nickel auch in dieser Hinsicht Recht behalten wird und die Verwendung von Farbstoffen für das Abbild nachgewiesen werden kann.
Dieser Artikel erschien im Skeptiker 1/1989.