von H. Binder
Der Schweizer Artist, Zauberer und Illusionist Orsini - mit bürgerlichem Namen Urs Sauer - trat vom 22. bis 25.2. in Dresden in einer Western-Schau auf. Er zauberte Schirme aus einer Papprolle, ließ aus einem Tuch die roten Tupfen und aus einem Sarg seine Frau verschwinden. Dollars verwandelte er durch "Magie" blitzschnell in Schweizer Franken. Wäre diese Geldverwandlung echt, ließe man ihn in Dresden vermutlich lieber Mark(Ost)-Scheine in Schweizer-Franken-Scheine verwandeln.
Orsini schwitzte bei der Arbeit. Magiegläubige meinen, die Übersinnlichkeit sei so anstrengend. Die Magier bzw. Zauberer wissen es besser. Sie leisten harte körperliche und geistige Arbeit, die ihnen ein Höchstmaß an Konzentration abverlangt. "Zwanzig Stunden Vorbereitung für eine zwanzigminütige Vorführung entsprechen der Norm", verrät Orsini, der immerhin längst ein Könner ist. "Mit der Zauberei beschäftige ich mich jeden Tag zwei bis drei Stunden. Trainiere ich nicht, verzichte ich wenigstens nicht auf das Schattenboxen: Ich stelle mich vor das Buffet in der Stube und sehe in Gedanken das Publikum vor mir. Quasi blind, ohne Requisiten, führe ich nun eine Nummer vor. Die Mimik, jede Geste, alles muß genau stimmen. Genau so wie ich das vor dem Publikum tun würde. Auch die Musik darf nicht fehlen - das ist mein Schattenboxen".
Urs Sauer alias Orsini verrät weiter: "So geheimnisvoll sich auch alles ansieht: Zauberei gibt es nicht. Ein Zauberer ist immer ein Schauspieler, der einen Zauberer spielt. Die Kunst der Magie besteht darin, aus jedem Trick eine perfekte Show zu machen".
Warum und wie wird man nun Zauberer? Wie lernt man die Tricks?
"Man muß begeistert und fasziniert sein", sagt Orsini, der schon als elfjähriger von der Zauberei hingerissen war. Mit Hilfe eines Zauberkastens, den er sich zu Weihnachten wünschte und der einige Requisiten enthielt, probte er unermüdlich. Als 24-jähriger - inzwischen Druckereiangestellter besuchte er als Zaungast einen Zaubererkongreß. Von den weltbesten Zauberern fühlte er sich angestachelt. Sein großes Ziel war, Mitglied im "Magischen Ring" zu werden, einer weltweiten Zaubererorganisation, die eine Aufnahmeprüfung vorschreibt und im übrigen jeden ausschließt, der "magische Geheimnisse" an Uneingeweihte ausplaudert. Urs Sauer wurde in den Verein aufgenommen.
Was unterscheidet einen solchen Zauberer von einem Scharlatan und einem Psi- und Magiegläubigen? Er bleibt strikt bei der Wahrheit! Obwohl er es leicht hätte, seinen hingerissenen Zuschauern einen Wunder- und Wahnglauben einzureden und vorzugaukeln, tut er dies nicht. Die Amerikaner Martin Gardner und James Randi, beide sind Weltklassekollegen von Orsini und Kämpfer gegen den Okkultismus wissen aus Erfahrung, daß sich mittels Zauberei (Tricks) und wahnreichen Erklärungen am besten Akademiker hereinlegen lassen. Das mag paradox klingen. Aber diese sind für Neues Aufgeschlossener und vertrauen (wie sie dies in der Wissenschaft öfter schadlos tun dürfen und notgedrungen auch müssen) den Angaben. Sie lassen es an dem hier gebotenen (!) Mißtrauen, der Skepsis, oft fehlen. So kommt es zu perfekten Illusionen. Gewiß spielt dabei ursächlich auch die irrationale Sucht nach Glauben und übersinnlichem eine wichtige Rolle, vor allem dann, wenn
Erlösungsbedürfnis und die Gefühle von Angst und Ausgeliefertsein groß sind. Geistige Aufgeschlossenheit und Denken - also die Attribute des "Gescheitseins" - sind gerade Tore für den Aberglauben, wenn die irrationalen Bedürfnisse sie aufschließen und die Aufsicht führen. Die Logik wird bei dem daraufhin einsetzenden undisziplinierten Denken (Beuler), das man auch magisches oder glaubensbefangenes oder okkultes Denken nennen kann, nur noch so weit angewandt, als dadurch die Glaubensvorgabe nicht gefährdet wird. Kommt solches Denken in logische Schwierigkeiten, werden weitere Annahmen über Annahmen gemacht (gläubiges Denken, Wunschdenken). Fetischglaube, Magie, Parapsychologie, die Lehre von den Erdstrahlen und die Paramedizin - kurz: Alle Okkultlehren - sind durch und durch Beispiele dafür.
Okkultismus hat Orsini ebenso wie seine Berufskollegen nicht im Sinn. Er will perfekt zaubern und illusionieren - aber als Artist! Er läßt keinen Zweifel daran, daß er durch Schauspielkunst Magier ist und daß er ebenso wie seine Zuschauer Spaß daran hat ( " . . . dann bin ich der glücklichste Mensch auf der Welt".). Die Tricks nicht aufzudecken und auszuplaudern gehört deshalb zum Berufsethos. Einzelne unter den Trickkünstlern - beispielsweise Randi und Gardner - stellen darüber hinaus aber wie einst schon Kriminalkommissar Carl Peiz ihr Wissen zur Verfügung, wenn es um die Entlarvung von Gaunern, Gauklern und Gangstern und um die Warnung vor den lähmenden Fangnetzen des Okkultismus geht.
Die attraktivste Nummer Orsinis ist derzeit die "Schwebende" . Dazu versetzt er seine Frau Martina angeblich in Hypnose und läßt sie dann auf einem Besen waagerecht schweben. Während der alte Aberglaube die Frau zur besenreitenden Hexe machte, liebt Urs Sauer natürlich seine Frau. Er erinnert sich an ein Pech mit dieser Nummer vor einem Jahr-. "Der Besenstiel brach, meine Frau fiel zu Boden und brach sich ein Bein" . Der Magier hatte sozusagen in seinem "Psychokinese-Akt" die Stabilität des Besenstiels außer acht gelassen. Mögen er und seine Frau künftig von solchem Pech verschont bleiben.
(Orsini zitiert nach „Brückenbauer“, Schweiz. Wochenzeitung, Nr. 5/1988)
Dieser Beitrag erschien im "Skeptiker" 1/1988.