J. Offe, I. Hüsgen, J. Bergmann
Auch wenn die meisten Menschen sich nicht als abergläubisch bezeichnen würden, vermeiden oder bevorzugen sie in ihrem Alltag dennoch bestimmte Handlungen aus Gründen des Aberglaubens. Um ein Bewusstsein für diesen alltäglichen Aberglauben zu schaffen und ihn gleichzeitig auf die Probe zu stellen, hat die Hamburger Regionalgruppe eine Testreihe initiiert, die jeweils an einem Freitag dem 13. durchgeführt wird. Bei diesen Tests vollführen die Testpersonen entweder glücksbringende oder unglücksbringende Handlungen und versuchen anschließend ihr Glück bei einem Würfelspiel. Das Ergebnis aller Tests zeigt, dass der Würfel völlig unabhängig von allen Handlungen im Durchschnitt dieselbe Anzahl von Treffern liefert: Die Zahl 6 als Gewinnzahl wird bei einem Sechstel aller Würfe erzielt - ein wenig überraschendes Ergebnis. Überraschend ist allerdings so manche Reaktion von Teilnehmern und Passanten.
Ein Klassiker unter den Unglücksbringern: Spiegel zerschlagen. |
Klopfen Sie gelegentlich auf Holz? Durchleben Sie eine Schrecksekunde, wenn Sie Salz verschüttet haben? Wehren Sie vorzeitige Glückwünsche zum Geburtstag ab? Willkommen beim alltäglichen Aberglauben! Den meisten Menschen ist völlig bewusst, dass derartige Handlungen und Vorsichtsmaßnahmen keine Auswirkungen auf ihr Schicksal haben und die Tendenz geht dazu, diese Rituale lächelnd zu tolerieren. Wer sich aber wie die Skeptiker die Aufklärung auf die Fahnen geschrieben hat, ist versucht, die Aufgeklärtheit seiner Mitbürger anhand dieser vermeintlich trivialen und belächelten Handlungen zu testen. Was liegt also näher, den Unglückstag "Freitag, der 13." als Testdatum für den alltäglichen Aberglauben zu nutzen? Die Hamburger Skeptiker haben dies inzwischen dreimal getan - hier ihre Ergebnisse und Beobachtungen.
Wie sehen solche Tests aus? Relativ einfach: Als Basis dient ein einfaches Würfelspiel, bei dem ein klassischer Sechserwürfel einmal geworfen wird - eine "6" bedeutet "Gewinn", bei allen anderen Zahlen geht der Würfelnde leer aus. Die Gewinnwahrscheinlichkeit beträgt ein Sechstel, da die "6" eines von sechs möglichen Ereignissen ist. Nehmen an einem solchen Würfelspiel 100 Personen teil, sind also etwa 17 (= 100 / 6) Gewinne zu erwarten. Um die Auswirkung abergläubischer Handlungen auf das Würfelglück zu testen, mussten die Teilnehmer vorher massiv glücks- oder unglücksbringende Handlungen durchführen: Die Personen auf dem "Glücksparcours" pflücken ein vierblättriges Kleeblatt, bekamen einen Glückscent, zerschlugen Porzellan und drückten in der Hoffnung auf einen Gewinn die Daumen. Die Mutigen hingegen, die sich auf den Unglücksparcours trauten, mussten einen Spiegel zerschlagen, Salz verschütten, unter einer Leiter durchgehen und sich dann auch noch verfrüht zu einem Gewinn gratulieren lassen... Um einen solchen Effekt - sollte er wirklich existieren - tatsächlich zu bemerken, muss man in beiden Parcours sehr viele Teilnehmer haben.
1) Der erste Test wurde am Freitag, dem 13. Februar 2009, ab 13.13 Uhr im Billstedt-Center durchgeführt, einem Shoppingcenter im Osten Hamburgs. Durch den regen Besucherstrom gab es ausreichend Interessierte für das Experiment - insgesamt nahmen fast 300 Personen teil. Erhöhte der Glücksparcours die Chance auf einen Gewinn? Gingen die wagemutigen Absolventen des Unglücksparcours leer aus? Lassen wir die nackten Zahlen sprechen:
Parcours |
Trostpreis |
Gewinn |
Summe |
Glücksparcours |
137 |
28 |
165 |
Unglücksparcours |
96 |
28 |
124 |
Summe |
233 |
56 |
289 |
Wie liest man eine solche Tabelle? Zunächst findet man unten rechts die Gesamtzahl der Teilnehmer (289). Diese Zahl wird aufgeteilt in vier Gruppen, die sich aus den beiden Parcoursvarianten und dem Würfelergebnis ergeben (Glücks-/Unglücksparcours, Gewinn/Niete). Die 165 Teilnehmer des Glücksparcours erwürfelten 28 Gewinne (17 %) und die 124 Teilnehmer des Unglücksparcours erwürfelten ebenfalls 28 Gewinne (23 %) - beide Ergebnisse liegen im Rahmen der erwarteten Trefferzahl von ca. 17 % (1/6). Die statistische Auswertung mit dem Vierfelder-Chi-Quadrat-Testergibt eine Prüfsumme von 1,43. Ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen wäre erst ab einem Wert von 3,84 gegeben (Signifikanzniveau 5 %). Hinsichtlich der Gewinnchance besteht also zwischen den Absolventen von Glücksparcours und Unglücksparcours kein signifikanter Unterschied!
2) Das Experiment wurde am 13. März 2009 wiederholt, diesmal auf dem Campus der Hamburger Universität direkt gegenüber des Audimax.
An einem Freitagnachmittag in den Semesterferien herrschte erwartungsgemäß Ruhe auf dem Gelände. Statt wie im Billstedt-Center Schlange zu stehen, um mitmachen zu können, ignorierten außerdem die wenigen Studenten auf dem Campus das Versuchs-Angebot. Daher beschlossen die GWUP-Mitglieder, die Leute direkt anzusprechen, ob sie nicht ihren Aberglauben auf die Probe stellen wollten. Aber was mussten die Skeptiker feststellen? Der wissenschaftliche Nachwuchs zeigte wenig Interesse, bei dem Experiment mitzumachen! Die meisten winkten ab bei der Einladung, im Dienste der Aufklärung an einem Parcours teilzunehmen. Während der Pause einer Klausur (!) im Audimax fand sich dann aber doch noch eine Reihe von Probanden, so dass ein Stichprobenumfang von n=67 Teilnehmern erreicht wurde.
Die Ergebnisse im Einzelnen in der gewohnten Tabellenform:
Parcours |
Trostpreis |
Gewinn |
Summe |
Glücksparcours |
26 |
5 |
31 |
Unglücksparcours |
29 |
7 |
36 |
Summe |
55 |
12 |
67 |
Die 31 Teilnehmer des Glücksparcours erwürfelten 5 Gewinne (16 %) und die 36 Teilnehmer des Unglücksparcours erwürfelten 7 Gewinne (19 %) - beide Ergebnisse liegen im Rahmen der erwarteten Trefferzahl von ca. 17 % (1/6). Die statistische Auswertung mit dem Vierfelder-Chi-Quadrat-Test ergibt eine Prüfsumme von 0,123, deutlich unter der Mindestanforderung von 3,84 für ein signifikantes Ergebnis. Das Ergebnis des ersten Experiments vom 13.02.2009 wurde also bestätigt.
3) Der dritte Test wurde am Freitag, dem 13. August 2010, in der Hamburger Innenstadt durchgeführt. Wie bei den ersten beiden Test mussten die Teilnehmer den Glücks- oder Unglücksparcours absolvieren. Am Ende würfelte jeder und bei einer "6" gab es einen kleinen Gewinn, ansonsten einen Trostpreis. Aufklärung zum Thema Aberglauben und die anderen Anliegen der GWUP gab es für alle gratis dazu.
Insgesamt nahmen 73 Probanden an dem Experiment teil. Allerdings konnte die Experimentatoren nicht alle auswerten: Vier Probanden hatten sich erst – auf Empfehlung der GWUP-Mitglieder – für den Unglücksparcours entschieden, waren furchtlos unter eine Leiter durchgegangen und hatten eine schwarze Katze über den Weg laufen sehen. Dann schreckten sie aber davor zurück, einen Spiegel zu zerschlagen! Allen vier Probanden erschien das Risiko von sieben Jahren Pech dann doch zu groß. Einer der Abbrecher berichtete auch, dass er sich sonst spätestens beim Verschütten von Salz geweigert hätte – schließlich waren ihm nach dem Umkippen eines Salzfasses schon ganz böse Dinge widerfahren.
Zwei Frauen schienen recht immun gegen die Argumente der GWUP – die eine bezeichnete sich selbst als „Esoterikerin durch und durch“ und verließ den GWUP-Stand nach einer kurzen und eher fruchtlosen Diskussion mit den Worten: „Ich schließe Sie in meine Gebete ein“. Die andere ließ ebenfalls nicht an ihrer Überzeugung rütteln: „Alles ist vorherbestimmt. Es gibt keine Zufälle. Alles hängt zusammen.“ Der Großteil der Passanten war hingegen überrascht und erfreut über das ehrenamtliche Engagement gegen Esoterik und Pseudowissenschaften. Die Regionalgruppe Hamburg verbrachte also einen sonnigen und unterhaltsamen Nachmittag. Und die Ergebnisse?
Parcours |
Trostpreis |
Gewinn |
Summe |
Glücksparcours |
35 |
3 |
38 |
Unglücksparcours |
27 |
4 |
31 |
Summe |
62 |
7 |
69 |
Nach dem Chi-Quadrat-Test wirkt sich das Absolvieren eines der beiden Parcours‘ nicht signifikant auf die Chance aus, beim Würfeln zu gewinnen (Ergebnis: 0,470, Mindestgröße für ein signifikantes Ergebnis: 3,84). Da für den Chi-Quadrat-Test aber der Erwartungswert in jeder Gruppe mindestens 5 betragen muss (was hier bei den Gewinnen nicht der Fall ist), ist er für diesen relativ kleinen Test nicht geeignet. Er kann nur als Orientierungswert dienen und wird hier zur Vergleichbarkeit mit den anderen Testreihen angegeben.
4) Die vierte Auflage unseres Aberglaubenstests fand am 13.5.2011 statt, und zwar wie schon im Vorjahr in der Hamburger Innenstadt. Der Versuchsaufbau war unverändert, neu hingegen war das grosse Medieninteresse: Vertreter der Hamburger Morgenpost, Radio Fritz und Radio Eins sowie drei Kamerateams verschiedener Fernsehsender hatten sich um 13:13 Uhr vor unserem Stand versammelt und bemühten sich um Interviews und originelle Bilder.
Dem stand eine eher verhaltene Publikumsbeteiligung gegenüber: Lediglich 28 Teilnehmer absolvierten den Parcours insgesamt - relativ gleichmäßig verteilt auf Glücks- und Unglücksseite. Auch gelang es uns nicht, die Mitglieder eines Bibelkreises, die einen Stand auf der gegenüberliegenden Seite aufgebaut hatten, zum Mitmachen zu überreden. Aberglaube, so sagten sie uns, sei zwar falsch, aber eine Überprüfung hinfällig: Wer Jesus erkannt habe, wisse, dass Unglück schlicht und ergreifend das Werk des Teufels sei.
Das können wir natürlich nicht widerlegen, aber wenn dem so ist, dann hat der Teufel im Statistikkurs gut aufgepasst! Hier unsere Ergebnisse in Zahlen:
Parcours |
Trostpreis |
Gewinn |
Summe |
Glücksparcours |
13 |
2 |
15 |
Unglücksparcours |
11 |
2 |
13 |
Summe |
24 |
4 |
28 |
Nach dem Chi-Quadrat-Test wirkt sich das Absolvieren eines der beiden Parcours' nicht signifikant auf die Chance aus, beim Würfeln zu gewinnen. Wie beim vorangegangenen Test liegen aber keine ausreichenden Daten für eine wissenschaftlich fundierte Aussage vor. Die Zahlen dienen nur als Orientierungswert für den Vergleich mit den vorangegangenen Testreihen.
Fazit: Bisher sind die getesteten abergläubischen Handlungen im Praxistest durchgefallen - die Würfel lassen sich durch vierblättrige Kleeblätter, verschüttetes Salz oder zerschlagene Spiegel nicht beeindrucken. Aber wer weiß: Vielleicht wurden nur die falschen Handlungen durchgeführt, oder die freie Wahl des Parcours hat dem Aberglauben keine Chance gelassen, oder... Die Reaktionen der Teilnehmer und die Diskussionen mit interessierten Zuschauern waren in jeden Fall aufschlussreich und anregend. Die Hamburger Regionalgruppe wird die Tests weiterführen.
Nachtrag: Am 13. April 2012 wiederholten die Hamburger Skeptiker das Experiment. Nicht viele Passanten waren dazu zu bewegen, bei unserem Test mitzumachen (der Stichprobenumfang war also zu klein für eine verlässliche Aussage dieses einzelnen Experiments), doch mit den anderen Experimenten zusammengenommen änderte sich nichts: Glücksbringer bringen kein Glück - Glücksbringer bringen nichts.
Aber die Unglücksbringer schaden zumindest nicht.
Julia Offe ist die Ansprechpartnerin der Hamburger Skeptiker, Inge Hüsgen ist Redaktionsleiterin des "Skeptiker" und Jochen Bergmann ist einer der beiden stellvertretenden Vorsitzenden der GWUP.
Stand: 20.07.2011