Angeblich sollen auf dem Mond schon seit Jahrhunderten „Lichter" beobachtet worden sein. Was ist an dieser Behauptung dran?
Der Mond ist eine tote Ödnis, die im Endstadium ihrer Entwicklung um die Erde zieht und außer dem Spiel der Mondphasen keine Abwechslung zu bieten hat: Dieses Bild des Erdbegleiters hat sich spätestens seit den Mondlandungen in den Köpfen verankert. Selbst unter Amateurastronomen erfreut sich der Mond keiner allzu großen Beliebtheit und wird oft als störende Lichtquelle empfunden, geeignet höchstens, um an seinen scharf gezeichneten Bergen und Kraterrändern neue Optiken zu testen. Mondenthusiasten hat es aber zu allen Zeiten gegeben - und den Vielbeobachtern verdanken wir auch eine stattliche Sammlung von Berichten über kurzlebige Veränderungen auf der Mondoberfläche, die im Laufe von Jahrhunderten zusammengetragen wurde. Transient Lunar Phenomena oder TLPs werden diese Phänomene genannt, die fast ausschließlich mit dem Auge beobachtet und nur in den seltensten Fällen auch fotografisch oder elektronisch festgehalten wurden. Die erste belegte Beobachtung stammt schon aus dem Jahre 1540. Bis Anfang der 80er Jahre waren an die 1500 Berichte katalogisiert.
„Während Sichtungen also zweifelsfrei existieren," sagt der Mondspezialist Wilfried Tost von der Berliner Wilhelm-Foerster-Sternwarte, „bleibt im Wesentlichen zu klären, wie solche Phänomene im Einzelfall zu erklären sind." Eine gewisse Parallele mit dem UFO-Phänomen der letzten 50 Jahre drängt sich auf - mit dem Unterschied freilich, dass bei den TLPs tatsächlich zuweilen ein reales Phänomen aufblitzen mag, überlagert aller- dings von zahlreichen Falschmeldungen. „Von den etwa 1500 TLPs ist sicherlich ein großer Teil durch instrumentelle, atmosphärische oder physiologische Effekte zu erklären," weiß Tost. In zwei Fällen, die es bis in die astronomische Literatur brachten, entpuppten sich vermeintliche Blitze auf der Mondoberfläche schließlich als Erdsatelliten, die - just als sie vor dem Mond vorbeizogen - besonders stark die Sonne reflektierten.
Aber unter den 1500 Kandidaten scheinen immer noch genügend TLPs zu sein, die sich nicht wegdiskutieren lassen. Es können Blitze (so genannte Moonblinks) sein, aber auch flächenhafte Erscheinungen von längerer Zeitdauer, auch ein Glühen, Nebel, Farbänderungen oder Verdunklungen. Im Mittel dauern TLPs etwa 20 Minuten, einige wurden aber auch für Stunden beobachtet. Offenbar sind manche Regionen auf dem Mond bevorzugt: Im Krater Aristarchus wurden allein 300 TLPs gemeldet, im Plato 75, im Alphonsus 25. Ein großer Teil der TLPs tritt in der Nähe des Terminators auf, also der Grenze von Tag und Nacht auf dem Mond, doch sie ereignen sich ebenso auf der hellen wie der dunklen Seite. Vor allem aber ist charakteristisch: Kein TLP hat je eine permanente Veränderung auf der Mondoberfläche verursacht. Die Phänomene sind also wirklich „transient".
Zur Erklärung der echten TLPs haben sich drei Hypothesen herauskristallisiert, die alle jeweils für einen Teil der Beobachtungen besonders gut passen:
1) TLPs sind Leuchterscheinungen durch einschlagende kleine Himmelskörper. Derartige Treffer ausreichender Größe sind zwar sehr selten, aber wenn sich der Mond mitten in eine Wolke aus Staubteilchen eines Kometen hinein bewegt, steigt die Impaktrate dramatisch an. Das war im November 1999 der Fall, und die allergrößten derselben Kometenteilchen, die einen Meteorsturm in der Atmosphäre der Erde auslösten (die Leoniden), ließen es auch auf dem Mond blitzen. Mindestens ein hal- bes Dutzend extrem kurze Blitze wurde visuell gesichtet und von Videokameras aufgezeichnet.
2) TLPs haben etwas mit letzten Zuckungen geologischer Aktivität auf dem Mond zu tun und sind Ausga- sungen, die mitunter sogar piezoelektrisch gezündet werden. Dazu passt, dass sich die TLPs in geologisch instabilen Regionen des Mondes häufen, und auch die Konzentration entlang des Terminators wäre zu erklären, weil hier der Boden thermischem Stress unterliegt. Wenn sich diese Aspekt erhärten lassen sollte, wäre er auch für die professionelle Mondforschung hoch interessant.
3) TLPs sind Beleuchtungseffekte am Relief der Mondoberfläche. Wenn Sonne, Mond und Erde in einem ganz bestimmten Winkel zueinander stehen, dann können bestimmte Berg- oder Kraterhänge minutenlang als fast ideale Spiegel wirken und einen kurzlebigen hellen Fleck auf dem Mond verursachen. Der würde erst wiederkehren, wenn sich die Konstellation ganz präzise wiederholt: Am 9.2.2001 fand deswegen eine weltweite Beobachtungskampagne statt, um auf einen solchen „bestellten" TLP im Krater Torricelli B zu warten. Dort war 18 Jahre zuvor, als die relative Position von Mond, Sonne und Erde praktische identisch war, ein TLP beobachtet worden - indes, diesmal passierte nichts. (Siehe: wfs.be.schule.de)
Noch verharrt das Phänomen, von den Leoniden-Blitzen von 1999 natürlich abgesehen, in einer unglücklichen Grauzone: Es ist nicht zu 100% bewiesen, dass es überhaupt existiert, und es lässt sich nicht gezielt beobachten - aber wenn es existiert, dann ist es von erheblichem wissenschaftlichem Interesse.
Daniel Fischer