Philippe Leick
Unter Tuning verstehen Hi-Fi-Enthusiasten sämtliche Maßnahmen, mit denen der Klang einer Hi-Fi-Anlage verbessert werden soll, ohne dabei wesentliche Gerätschaften wie Verstärker, Boxen etc. auszutauschen. Dazu gehören etwa eine klanglich sinnvollere Aufstellung der Lautsprecher oder eine Optimierung der Akustik des Raums, die z. B. von den Schalldämpfungs- und Reflektions-Eigenschaften der Wände und des Bodens abhängt. Wie auch die optimale Justage eines analogen Schallplattenspielers haben jene Tuningmaßnahmen, bei denen die elektroakustischen oder elektromechanischen Wandlungsprozesse im Fokus stehen, meist eine physikalisch nachvollziehbare Funktionsweise und bieten auch in der Praxis oftmals reale Klangverbesserungen ohne oder nur mit moderaten Kosten. Doch unter dem Schlagwort „Hi-Fi-Tuning“ werden auch fragwürdige Ideen weitergegeben. Eine davon wurde jetzt getestet.
Ein bekanntes Beispiel für zweifelhafte Tuning-Tricks ist die weit verbreitete Meinung, CDs müssten am Rand mit dunklem Filzstift bemalt werden, um das bei der Abtastung entstehende Streulicht zu minimieren. Diskussionen über solche Tuning-Maßnahmen, ob eher allgemein gehalten oder auf ein spezielles Produkt bezogen, haben nicht selten das Potenzial, die Szene der Hi-Fi-Enthusiasten in zwei unversöhnliche Lager zu spalten.
Auf der einen Seite stehen diejenigen, denen es nur auf das eigene, zugegeben subjektive, Hörerlebnis ankommt und die jede wahrgenommene Klangverbesserung für relevant halten, ohne sie zu hinterfragen. Auf der anderen Seite wird versucht, die Technik der einzelnen Komponenten einer Hi-Fi-Anlage möglichst gut zu verstehen und daraus die richtigen Schlüsse zur Optimierung des Klangs zu ziehen. Die Anlage wird dabei mithin nur als rationales Vehikel zum Zweck gesehen.
Für Außenstehende mag es angesichts eines scheinbar so technischen Hobbys überraschend sein, dass auch Teile der Fachpresse sich eher der ersten Gruppe zugehörig fühlen. Die Einstellung, dass es relativ belanglos ist, wie eine Komponente oder Maßnahme funktioniert, solange man den Unterschied nur hören kann, ist jedoch weit verbreitet. Da aber auch erfahrene Hi-Fi-Freunde regelmäßig die Fähigkeiten ihres eigenen Gehörs überschätzen und genau das zu hören meinen, was nach ihrer Überzeugung da sein könnte oder sollte, werden in der Szene mitunter skurrile oder gar esoterische Tuning-Maßnahmen ernst genommen. Nicht selten führt dies dazu, dass die gesamte Hi-Fi-Community von den Mainstream-Medien mit Hohn und Spott (1) überzogen wird.
Das Pauschalurteil, dass die Szene insgesamt besonders anfällig für esoterischen Unfug sei, ist aber nicht gerechtfertigt. Dies zeigen z. B. immer wieder aufflammende und mitunter sehr heftig geführte Diskussionen, in denen über Sinn und Unsinn bestimmter Produkte debattiert wird und in denen skeptische Argumente nicht zu kurz kommen. Ein recht extremes Beispiel hierfür ist der so genannte "Twister-Stopp", um den es im Folgenden gehen soll.
Ausgangspunkt war der Bericht eines Anwenders (2) im Forum der Fachzeitschrift Audio. Als einerseits auf die fehlende physikalische Plausibilität des Wirkmechanismus hingewiesen wurde, dies andererseits aufgrund des "eindeutig hörbaren Unterschieds" für irrelevant erklärt wurde, eskalierte die Diskussion so weit, dass unter Beteiligung des Audio-Redakteurs Malte Ruhnke ein Blindtest (3) organisiert wurde.
Twister-Stopps und Konstantin Meyls "neue Physik"
"Twister-Stopps" sind plankonvexe, nach Angaben des Herstellers Creaktiv "informierte" Glaslinsen mit einem Durchmesser von etwa 35 mm. Sie sind in einer "optisch unauffälligen", kristallklaren Basisversion sowie in einer stärker informierten schwarzen Ausführung erhältlich. Deren Wirkungsweise erklärt der Entwickler Norbert Maurer auf seiner Webseite bzw. in mehreren Broschüren, die dort heruntergeladen werden können. (4)
Demnach "wird das Hörerlebnis durch Wirbelbildung aus elektromagnetischen Wellen beeinträchtigt" bzw. die "Musikempfindung durch eine Struktur im Elektrosmog negativ beeinflusst – dem Potentialwirbel." Dieser Potentialwirbel, der durch die von Konstantin Meyl (5) entwickelte "neue Physik“ (s. Infokasten) beschrieben wird, "gerät in Resonanz mit
dem menschlichen Reizleitungssystem", wobei die Energie durch eine "elektromagnetische Longitudinalwelle" übertragen wird.
Über die zentrale Verbindung zwischen elektrodynamischen Longitudinalwellen und Hörempfinden wird der Interessent letztendlich aber weitestgehend im Dunklen gelassen. Aus den Broschüren lernt er vor allem, dass "der Twister-Stopp die Verwirbelung elektromagnetischer Wellen zu Potentialwirbeln verhindert und ihm so die biologische/gehörmäßige Relevanz nimmt." Dies soll durch eine so genannte Informierung geschehen, bei der "der Feldstörung eine Struktur überlagert wird, welche eine Verwirbelung deutlich mindert."
Für eine optimale Entstörung des Raums müssen verschiedene als Störquellen betrachtete Bereiche beruhigt werden. Dazu werden u. a. auf jedem Fenster zwei Twister-Stopp-Glaslinsen an diametral gegenüberliegenden Ecken angebracht. Daneben dürfen aber elektrische Geräte (z. B. der Sicherungskasten) sowie Wasserbehälter oder gar fließendes Wasser (vor allem in Heizungsrohren) nicht vergessen werden.
Die Lautsprecher werden auf Granitplatten gestellt, die nach dem gleichen Verfahren informiert wurden. Über die Art dieser Informierung ist jedoch kaum etwas bekannt. Die zuständige Firma Gabriel Tech geht mit konkreten Informationen sehr zurückhaltend um; die Patente des österreichischen "Naturforschers" Franz Gabriel, auf die sie sich beruft, erwähnen immerhin Anordnungen aus Drähten und Spulen, aber auch "von Radiästheten als rechtsdrehend bezeichnetes Wasser (6),(7).
Konzept und Durchführung des Hörtests
Auf Anregung des Twister-Stopp-Entwicklers Norbert Maurer sollte anhand eines "blinden" Hörtests nachgewiesen werden, dass die Wirkung seiner Glaslinsen real ist und nicht nur Einbildung seiner Kunden. Im Vorfeld hatte es sich als schwierig erwiesen, sich auf ein Testprotokoll zu einigen, das sowohl von Befürwortern als auch von Skeptikern akzeptiert werden konnte. Dies gelang aber letztendlich, so dass der Test am 22. August 2009 in Norbert Maurers Hi-Fi-Geschäft in Bad-Honnef stattfinden konnte.
Sowohl gegenüber dem idealen randomisierten Doppelblind- als auch gegenüber einem aussagekräftigen Hörtest mussten jedoch einige Einschränkungen in Kauf genommen werden. Als Testleiter wurde glücklicherweise mit Hans-Günther Beer ein erfahrener Fachjournalist gewonnen, dem beide Seiten vertrauten. Die wichtigste Forderung an den Test war natürlich, dass die Teilnehmer a priori weder wissen noch erkennen konnten, ob sie gerade das Musikstück "mit" oder "ohne Entstörung" hörten. Dies wurde durch 27 echte, informierte Twister-Stopp-Linsen und zugehörige informierte Granitplatten (Verum) sowie einer entsprechenden Anzahl äußerlich gleich aussehender, nicht informierter Gegenstücke (Placebo) sichergestellt.
Anwesend waren etwa 15 Hörer, darunter einige begeisterte Anwender der Twister-Stopps, skeptische Diskussionsteilnehmer sowie der Autor dieses Beitrags. Sie sollten anhand des gerade Gehörten entscheiden, ob echte oder falsche Twister-Stopps angebracht waren. Letztendlich ausschlaggebend sollte aber alleine das Ergebnis des Entwicklers Norbert Maurer sein.
In einem ersten, offenen Durchgang wurden zuerst vier kurze Ausschnitte unterschiedlicher Musikstücke mit echten Twister-Stopps gehört, anschließend mit Placebos. Dadurch sollten die Hörer sich auf die klanglichen Unterschiede zwischen den beiden Situationen einstellen. Im Anschluss waren 10 "blinde" Durchgänge geplant.
Norbert Maurer bestand darauf, dass vor jeder blinden Hörprobe ein Referenzdurchgang mit echten Twister-Stopps stattfinden sollte, da die Hörer sich immer wieder neu auf die Musik einstellen würden und nur so ein fairer Vergleich möglich sei. Damit waren insgesamt 20 Durchgänge geplant.
Zwischen den einzelnen Tests wurden alle Linsen und Granitplatten eingesammelt und in einen abgetrennten Bereich des Raums gebracht. Dort wurde dann von den Testleitern (Hans-Günther Beer und Audio-Redakteur Malte Ruhnke) ausgewürfelt, ob beim nächsten blinden Durchgang Verum oder Placebo zum Einsatz kommen sollte. Die Glaslinsen wurden anschließend in einem Behälter in den Hörraum gebracht und von den Teilnehmern fachgerecht in Position gebracht; das kraftraubende Platzieren der Granitplatten übernahmen Malte Ruhnke und Norbert Maurer.
Die langen und anstrengenden Pausen beim Umbau waren einer der Gründe, warum der Hörtest nicht unter idealen Bedingungen stattfinden konnte. Das Einsammeln bzw. korrekte Verteilen und Anbringen von 27 Glaslinsen erfordertüberraschend viel Konzentration; bei den Granitplatten kommt noch ein erheblicher Kraftaufwand dazu. Dadurch wurden die Teilnehmer abgelenkt und es verging zwischen dem Referenz- und dem Prüfdurchgang viel Zeit.
Beides ist für einen Hörtest extrem ungünstig; idealerweise sollte es möglich sein, auf Knopfdruck praktisch instantan zwischen zwei Situationen umzuschalten, wobei natürlich verräterische Umschaltgeräusche oder Lautstärkeunterschiede ausgeschlossen werden sollten. Bei aufwendigen Lautsprecher- oder Verstärkertests wird eine solche Prozedur in Fachkreisen als "best practice" angesehen.
Es soll hier auch nicht verschwiegen werden, dass der Test aus praktischen Gründen nur einfach verblindet war. Im Prinzip hätten die Teilnehmer dadurch bewusst oder unbewusst von den anwesenden Testleitern beeinflusst werden können. Es wäre vermutlich auch ein leichtes gewesen, den Test durch Betrug zu bestehen – etwa durch verdeckte Zeichen oder unauffällige Markierungen auf den Granitplatten. Es gab jedoch keinerlei Anzeichen für entsprechende Versuche und es ist mein Eindruck, dass Norbert Maurer davon überzeugt war, die Wirkung der Twister-Stopps sicher herauszuhören.
Nach 7 von 10 geplanten Runden – der Zeitplan war aufgrund des Aufwands, den man unterschätzt hatte, längst massiv überschritten – wurden Zwischenergebnisse ausgewertet. Daraufhin wurde der Test abgebrochen, denn die bisherige Trefferquote entsprach recht exakt der Verteilung, die sich durch reines Raten ergeben sollte. Als Ironie des Schicksals kann angesehen werden, dass ausgerechnet Norbert Maurer mit 2/7 eines der schlechtesten Ergebnisse hatte, während das beste Ergebnis von 5/7 von einem der skeptischsten Teilnehmer erzielt wurde.
Im Vorfeld hatte man sich darauf geeinigt, die Schwelle für einen "Erfolg" bei 8 bis 9 Treffern festzulegen. Die Wahrscheinlichkeit, alleine durch Raten eine Quote von mindestens 8/10 bzw. 9/10 zu erzielen, liegt bei ca. 5.5 % bzw. 1.1 %, 9 Treffer würden daher der gängigen Forderung nach statistischer Signifikanz (p = 0.05) entsprechen. Vor dem Abbruch war Maurer sich sehr sicher, höchstens einen Fehler gemacht zu haben und wollte auch genau wissen, bei welchem Durchgang ihm dieser unterlaufen sein könnte. Andere Anwender äußerten sich ähnlich.
Ich selbst bin kein geübter Hörer und konnte keinen klaren Trend in den Hörproben erkennen. Bei jedem Durchgang bemerkte ich teilweise neue Elemente. Zwischen den beiden offenen Durchgängen am Anfang glaubte ich zum Beispiel, beim Placebo eine kleine Störung wahrgenommen zu haben. Als ich mich bei der nächsten Referenz (Verum) darauf konzentrierte, entdeckte ich sie jedoch wieder. Insofern kann ich mich dem Urteil der anwesenden Fachleute uneingeschränkt anschließen, dass der Test in letzter Konsequenz nicht geeignet war, um die Wirksamkeit oder Wirkungslosigkeit der Twister-Stopps nachzuweisen.
Entwickler und Anwender können den Misserfolg dennoch nicht schlicht auf einen unpassenden Test zurückführen. Denn erstens haben sie das Testverfahren mit entworfen bzw. ihm zugestimmt. Zweitens wollen sie bei einfacheren, selbst durchgeführten Proben am Vortag eine eindrucksvolle Trefferquote erzielt haben bzw. auch während der Entwicklung oft mit Blindtests gearbeitet haben. Und schließlich waren sie sich bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses sicher, "richtig gehört zu haben".
Erklärungsversuche für den aus Hersteller- bzw. Anwendersicht gescheiterten Test ließen nicht lange auf sich warten – regelmäßigen Lesern des Skeptikers dürften die Argumente bekannt vorkommen. Von einer Erstverschlechterung war ebenso die Rede wie von der Schwierigkeit, einen seit „drei Jahren entstörten Raum" wieder "schlecht“ zu machen".
Es soll zwar nicht unerwähnt bleiben, dass diese Punkte während der Vorbereitungen des Tests schon angesprochen wurden. Doch seitens des Herstellers glaubte man offenbar, diese Schwierigkeiten im Griff zu haben – schließlich muss ein Hersteller zuverlässige Methoden haben, um seine eigenen Produkte während der Entwicklung zu prüfen. Darüber hinaus erfordert es einiges an Phantasie, sich Demonstrationen vorzustellen, z. B. während eines Workshops oder einer Messe, in denen der Kaufinteressent trotz fehlender sofortiger Wirkung oder gar durch die Erstverschlechterung von den Vorzügen des Produktes überzeugt wird.
Anmerkungen:
(1) Dworschak, M. (2005): "Seidige Mitten, strähniger Klang", Der Spiegel 50/2005, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43960848.html, Zugriff am 23.07.2010.
(2) http://www.audio.de/audio-Forum/f176/twister-stopps-2705/, Zugriff am 23.07.2010.
(3) http://www.audio.de/audio-Forum/f176/twister-stop-blindtest-bad-honnef-ergebnisse-3116/, Zugriff am 23.07.2010.
(4) Norbert Maurer, N. (2009): "ci²p-Technologie: Grundlagen", http://www.4stepsahead.creaktiv-Hi-Fi.com/pdf/neuePHYSIK_web.pdf, Zugriff am 23.07.2010.
(5) Konstantin Meyl, Homepage: http://www.kmeyl.de, Zugriff am 23.07.2010.
(6) Franz Gabriel: "Anordnung zur Abschirmung von bzw. zum Schutz vor Erdstrahlen", Österreichisches Patent, AT 397 346 B, 1994.
(7) Franz Gabriel, Gabriele Gruber: "Anordnung und Verfahren zur Beeinflussung von metallischen oder Metallpulver oder Metallpigmente enthaltenden Folien bzw. Blättchen", Österreichisches Patent, AT 409 930 B, 2002.
Dr.-Ing. Philippe Leick
studierte Physik und promovierte in Maschinenbau, arbeitet in der industriellen Forschung und befasst sich dabei vor allem mit Strömungsmechanik und optischer Messtechnik. Schwerpunkte innerhalb der GWUP sind pseudowissenschaftliche Theorien, die sich auf die moderne Physik, insbesondere die Quantenmechanik, berufen.
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