04.06.2010 (GWUP): Eine neue amerikanische Studie über die Schmerzbehandlung durch Akupunktur sorgt für Diskussionen. Wie im Abstract der vom Fachblatt Nature Neuroscience veröffentlichten Studie zu lesen ist, wollten die Forscher unter der Leitung von Maiken Nedergaard mehr über die biologischen Prozesse der nach Ansicht der Studienmacher gut belegten schmerzstillenden Wirkung herausfinden. Dazu stachen sie Mäusen mit entzündeten Pfoten Nadeln in die Knie, wobei die Nadeln alle fünf Minuten gedreht wurden. Die Gewebeflüssigkeit der Tiere wurde auf den Gehalt des körpereigenen Moleküls Adenosin untersucht, das eine schmerzstillende Wirkung besitzt. Sofern die Nadeln alle fünf Minuten regelmäßig gedreht wurden, stieg die Produktion des Schmerzhemmers auf den 24-fachen Wert. Wurde den Mäusen ein Mittel verabreicht, das den Abbau von Adenosin verzögerte, hielt die schmerzstillende Wirkung dreimal länger an.
Ein weiterer Grund für die Forscher, das Adenosin als einen Hauptwirkstoff bei der Akupunktur anzusehen, ergab sich, als sie es direkt auf entzündetes Gewebe aufbrachten, ohne zu nadeln. Auch bei den derart behandelten Tieren stellte sich der schmerzstillende Effekt ein. Gentechnisch manipulierte Mäuse, die kein Adenosin produzieren konnten, profitierten nicht von der Nadelbehandlung.Nun weisen Kritiker darauf hin, dass die Versuche zwar interessante neue Ergebnisse über die Aktivierung körpereigener Schmerzmittel erbrachten, die Studie aber nicht als Beleg für die Wirksamkeit der
Akupunktur gelten kann. Schließlich geht Akupunktur im herkömmlichen Sinne von der Existenz spezifischer, auf sogenannten Meridianen liegender Akupunkturpunkte aus, die gezieltgenadelt werden müssten, um die Lebensenergie Chi zu aktivieren. Auch bei den Mäusen war inderartige Punkte gestochen worden. Frühere Versuche an menschlichen Versuchspersonen hatten jedoch keinen Unterschied zwischen der Nadelung an solchen vermeintlichen Akupunkturpunkten und beliebig ausgewählten Stellen ergeben.
Die Studienmacher haben also versäumt, die Mäuse zur Kontrolle an zufällig ausgewählten Punkten zu stechen. Letztendlich hat die Studie die Akupunktur im traditionellen Sinne sogar widerlegt, indem sie eine physiologische Wirkung der Nadelung aufgezeigt hat: das mysteriöse Chi ist also entbehrlich – und wie die früheren Studien zeigen, auch die dazugehörigen Meridiane samt den Akupunkturpunkten.
Dass Nadelung in manchen Fällen eine nachgewiesene schmerzstillende Wirkung hat, sollte nicht dazu verführen, „Akupunktur“ für ein alternatives Allheilmittel zu halten. Die chinesische Gesundheitslehre wird ja zur Behandlung einer Vielzahl von Krankheiten angewandt – vom Asthma bis zum Tinnitus -, doch bei den meisten davon gibt es keine Belege dafür, dass sie über einen Placebo-Effekt hinaus wirksam ist.
Holger von Rybinski
Quellen:
- o.V./ag/ddp (2010): Akupunktur: wie die Nadel wirkt , ,Süddeutsche.de, 31.05.2010
- o.V. /boj/ddp/AFP (2010): Versuche mit Mäusen: Nadelverletzungen machen Akupunktur wirksam , Spiegel-online, 31.05.2010