01.10.2017(GWUP): Eine aktuelle Studie zeigt, wie weitreichend die Wirkung von Placebos sein kann. Selbst wenn Patienten wissen, dass sie ein Scheinmedikament erhalten, wirkt dieses.
Ein Argument vieler Verfechter umstrittener „alternativmedizinischer" Verfahren wie der Homoöpathie ist stets, dass die vermeintliche Wirkung nicht einfach nur ein Placebo-Effekt sein könne. Doch genau dies hat gerade das EASAC, der Verband der nationalen Wissenschaftsakademien der EU-Länder, gerade festgestellt. Wie stark Placebos wirken können, zeigt nun eine Studie, die Psychologen der Universität Basel und der Harvard Medical School veröffentlicht haben. Dazu mussten 160 Testpersonen am Unterarm ansteigende Hitze aushalten, bis es ihnen zu viel wurde. Dann wurden ihnen Cremes zur Schmerzlinderung angeboten. Einer Gruppe wurde gesagt, sie erhielten den Wirkstoff Lidocain, tatsächlich erhielten sie nur ein Scheinmedikament, die zweite Gruppe erhielt eine mit „Placebo" beschriftete Salbe sowie zusätzliche Erläuterungen über die Wirkung von Placebos. Die dritte Gruppe erhielt einfach nur eine Placebo-Creme zur Anwendung. Dabei zeigte sich, dass nicht nur die Gruppe mit dem vermeintlich wirksamen Medikament von einer deutlichen Linderung ihrer Schmerzen berichteten, auch die zweite, ausfühlrich über die Wirkmechanismen von Scheinbehandlungen aufgeklärte Gruppe berichtete von deutlicher Besserung ihrer Beschwerden. Fehlten die Erläuterungen zur Wirkung, beschrieben die Testpersonen ihren Schmerz als intensiver und unangenehmer. Wie Corneila Niggli in einer Pressemitteilung der Universität Basel berichtet, ist demnach das „Narrativ", die begleitenden Informationen und die Kommunikation bei der Vergabe des Placebos, entscheidend für dessen Wirkung. Bei einer offenen Abgabe eines Scheinmedikamentes böten sich einem der Mitautoren der Studie zufolge „neue Möglichkeiten, den Placebo-Effekt auf ethisch vertretbare Weise zu nutzen". Und Dr. Cosima Locher von der Universität Basel wird mit den Worten zitiert: „Die bisherige Annahme, dass Placebos nur wirken, wenn sie mittels Täuschung verabreicht werden, sollte neu überdacht werden."
Das Abstract (die Kurzbeschreibung) der Studie „Is the rationale more important than deception? A randomized controlled trial of open-label placebo analgesia", die im Fachjournal „Pain" veröffentlicht wurde, finden Sie hier.
Holger von Rybinski