15.12.2016 (GWUP) Wieder kein gutes Jahr für Hellseher und Astrologen
Formicula heißt der Horrorfilmklassiker aus dem Jahre 1954, der in Schwarz-Weiß den Angriff mutierter Riesenameisen auf eine Kleinstadt zeigte – nach einer der vielen Voraussagen des kanadischen Mediums Nikki Pezaro sollte dieses Szenario 2016 in einer südamerikanischen Stadt Wirklichkeit werden. Ob diese Prognose ernst gemeint war, darf gerne bezweifelt werden. Aber auch mit ihren scheinbar realistischeren Prognosen lagen Hellseher, Wahrsager und Astrologen weit neben der Realität, wie üblich. Seit den 90er-Jahren wertet die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften esoterische Vorhersagen für das jeweils abgelaufene Jahr aus, und auch 2016 ist die Trefferquote der Auguren verheerend schlecht.
Unter dem Eindruck der hohen Zahl an Flüchtlingen 2015 hatten gleich mehrere Astrologen auch für 2016 auf weiter steigende Flüchtlingszahlen mit teilweise katastrophalen Folgen getippt, tatsächlich sind die Zahlen stark gesunken. Aus altindischen Palmblättern wollte der Leipziger Thomas Ritter gar gelesen haben, dass Mitte des Jahres wegen der Flüchtlingszahlen die deutsche Regierung zurücktritt, und der Astrologe Konrad Gruber las in den Sternen, dass Angela Merkel ihren Verzicht auf eine weitere Kanzlerkandidatur verkünden werde. Den Mainzer Mathematiker Michael Kunkel, der seit vielen Jahren solche Voraussagen sammelt und auswertet, wundert das nicht: "Viele Prognosen schreiben einfach das aktuelle Geschehen weiter fort und überhöhen es in eine negative, oft auch Angst machende Richtung.“
Wesentlich martialischer waren einige Prognosen aus anderen Ländern. Zwar hatte auch in Deutschland Astrologin Christiane Durer davon gefaselt, dass das Land wie von Säure zersetzt würde. Dabei bezog sie sich auf „Infrastruktur, Telefon, Strom und Wasserversorgung, Internet, Kanalisation, Brücken, Straßen, Strom“ und erwähnte sogar eine „radioaktive Verseuchung“. Durer ist seit Jahren auf katastrophale Fehlprognosen abonniert, aber wenigstens hatte sie keinen Weltuntergang im Programm. Den sagte eine obskure christliche Sekte aus den USA mittels eines YouTube-Videos für den 29. Juli voraus, und dann nochmals – mit demselben Video – für den 31. Oktober. Aus Indien kam eine Neuberechnung des Weltendes auf Grund des Maya-Kalenders (3. oder 4. Juni), und der aus Peru stammende Prediger Ricardo Salazar beschrieb gar ein vollständiges Endzeit-Szenario – aber der Angriff von China auf Japan blieb ebenso aus wie der Asteroid, der Mitte Mai vor Puerto Rico einschlagen und riesige Vulkanausbrüche in den USA auslösen sollte.
Zur Fußball-EM in Frankreich durften, wie bereits bei früheren internationalen Turnieren, wieder zahlreiche Orakeltiere für Lokalzeitungen sowie Rundfunk- und Fernsehstationen ihre Prognosen zu den Spielen der deutschen Mannschaft abgeben. Doch keines reichte an die Leistung des legendären Orakelkraken Paul heran, der bei der WM 2010 bei allen acht Spielen den richtigen Sieger voraussagte. Immerhin das richtige Finalspiel sah der „Sportastrologe“ Jannis Okun voraus. Allerdings tippte er nicht nur im Finale auf den falschen Sieger, sondern lag bei seiner Turnierprognose meilenweit daneben: Drei der sechs späteren Gruppensieger hätten bereits in der Vorrunde ausscheiden sollen. Aber bei Fußballprognosen kann man natürlich auch richtigliegen: Der bereits erwähnte Ingolstädter Astrologe Konrad Gruber sah nicht nur voraus, dass der FC Ingolstadt nicht absteigen werde, er sah auch die deutsche Mannschaft spätestens im Halbfinale scheitern – jedoch blieb der ebenfalls prognostizierte Rücktritt von Jogi Löw aufgrund des Ausscheidens jedoch aus.
Einen Treffer verbuchte auch Nikki Pezaro bei einer ihrer Promiprognosen, denn die Trennung von Angelina Jolie und Brad Pitt machte 2016 tatsächlich Schlagzeilen in der Regenbogenpresse. Da sie dies schon den vorherigen Jahren – falsch – vorausgesagt hatte, ist der Treffer dennoch wenig beeindruckend. Über Promiprognosen amüsiert sich Kunkel gerne: „Bei Promipaaren wird die Trennung oder eine bevorstehende Schwangerschaft, bei Promisingles eine neue Liebe vorausgesagt. Der Rest sind Gesundheitsgefahren bei älteren Promis und Karrierespekulationen bei jüngeren.“ Nikki Pezaro lieferte auch hierzu viele Beispiele, die zumindest teilweise unterhaltsam waren: Die Vorstellung, dass Justin Bieber in einem Film Elvis verkörpern soll, ist ähnlich unsinnig wie der – leider namenlose – US-Promi, der von seinem Papagei getötet werden sollte.
Aber auch Kunkel erlebte Anfang 2016 eine Überraschung: „Das Eingestehen von Fehlprognosen ist in der Augurenzunft normalerweise nicht üblich, deshalb hat mich Elizabeth Teissier doch etwas überrascht.“ In ihrem 2011 erschienen Buch hatte sie Prognosen für die Jahre 2012 bis 2016 niedergeschrieben, dabei aber weder die Ukrainekrise noch den IS erwähnt. Ihre damaligen, sehr schwammigen, Prognosen kommentierte sie mit dem Satz: „Mit heutigem Wissen würde[n] sie konkreter ausfallen.“ Kunkel kann sein Grinsen ob dieses Eingeständnisses nicht verbergen: „'Mit heutigem Wissen' ist eine wunderbare Formulierung! Nachhersagen ist natürlich immer viel leichter, das kann jeder!“
Michael Kunkel
- Hintergrundinformationen zur Prognosenauswertung 2016 finden Sie in diesem PDF-Dokument.
- Wahrsagerchecks Blog
- Video: Michael Kunkel bei "Skeptics in the Pub" Köln: "Weltuntergänge und andere Katastrophen"