11.12.2015 (GWUP) Auf die absurde Idee, eine U-Bahn zu entführen, kam bisher nur Hollywood – und das kanadische Medium Nikki Pezaro in ihren Prognosen für 2015, in denen sie außerdem Adlerangriffe auf die Bevölkerung von Anchorage (Alaska) und ein von einem Riesenoktopus im westlichen Mittelmeer versenktes Kreuzfahrtschiff voraussagte. Hierzulande war die esoterische Augurenzunft vorsichtiger: so sah die Astrologin Aylin Bulanik nur „kein gutes Jahr“ für Finanzminister Wolfgang Schäuble voraus – die Spekulation über seinen möglichen Rücktritt zwischen März und Mai hat sie inzwischen von ihrer Webseite gelöscht. Auch 2015 hat der Mainzer Mathematiker Michael Kunkel für die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) esoterische Prognosen ausgewertet und wieder einmal erwiesen sich die Wahrsager als Versager, die Hellseher stocherten im Dunkeln und die Astrologen lieferten bestenfalls Binsenweisheiten.
Für Kunkel, der sich seit vielen Jahren mit solchen Prognosen beschäftigt, war dieses Ergebnis nicht überraschend. „Es wäre ja wirklich spannend, wenn jemand tatsächlich in die Zukunft schauen könnte, aber bisher konnte noch niemand seine behaupteten Fähigkeiten tatsächlich unter Beweis stellen.“ Das gilt auch für selbst ernannte Hellseher, die behaupten, vermisste Personen finden zu können. Ende Juli behauptete beispielsweise die Hellseherin Eveline Störzner in einer Pressemeldung sie könne „sehen, wo die vermissten Kinder Inga oder Elias sind“, und rühmte sich einer „Trefferquote“ von 98% - weigerte sich aber, verschiedenen kritischen Nachfragern ihre vermeintlichen Erkenntnisse mitzuteilen. Ob dies überhaupt hilfreich gewesen wäre, ist allerdings zu bezweifeln: „Hellseher konnten in keinem einzigen Falle einen brauchbaren Hinweis gegeben oder auch nur im Entferntesten weiterhelfen“, so das Fazit einer entsprechenden Studie. Für Kunkel erzeugen solche Aktionen Kopfschütteln: „Was sind das nur für Menschen, die nichts Besseres zu tun haben, als auf der Verzweiflung betroffener Eltern ihr Werbesüppchen zu kochen!“
Besonders im Herbst hatten Weltuntergänge Hochkonjunktur: zwischen dem 24. September und dem 7. Oktober hätte es gleich dreimal so weit sein sollen! Und auch für den Rest des Jahres sahen Seher Katastrophales voraus: Ein sich „Neo, the One“ nennender Deuter der Verse des Renaissance-Dichters Nostradamus terminierte den dritten Weltkrieg auf die Tage zwischen dem 1. und 10. November und eine christliche Sekte erwartet seit September aufgrund der Experimente am Kernforschungszentrum CERN in Genf eine „Verschiebung der tektonischen Erdplatten, was ungeheure Erdbeben auslösen würde“. Im Dezember soll außerdem ein Planet namens Nibiru (wieder einmal) mit der Erde zusammenstoßen und auch der alljährlich von dem Amerikaner Ed Dames vorausgesagte „Killshot“ (ein Sonnensturm, der alle technischen Geräte auf der Erde unbrauchbar machen soll) stellte sich bisher nicht ein, obwohl Dames dieses Mal doch „ganz sicher“ war. „Lächerliche Angstmache!“, mehr fällt Kunkel zu solchen Prognosen nicht ein. Auch die – bei Nostradamusdeutern sehr seltenen – positiveren Prognosen auf einer einschlägigen Webseite erwiesen sich als lächerlich und falsch: Die Sprachbarrieren auf der Welt sind 2015 nicht verschwunden und eine vegetarische Lebensweise hat sich nicht durchgesetzt.
Wie üblich, gab es bei den in der Regenbogenpresse so beliebten Promi-Prognosen den einen oder anderen Treffer. Während sich die von der Astrologin Aylin Bulanik prognostizierten Schwangerschaften bei Jennifer Aniston und Rihanna trotz „vielversprechender Transite“ nicht einstellten, lagen gleich mehrere ihrer Kollegen und Kolleginnen bei der Voraussage des richtigen Geschlechts beim zweiten royalen Baby von William und Kate richtig. Überraschend war das allerdings nicht, denn Kate hatte bereits Monate vor der Geburt angedeutet, dass es ein Mädchen werden würde. Bei der Voraussage des Geburtstermins versagte die Sterndeutung allerdings: die Astrologin Jenna Leigh-Black nannte gleich drei falsche Termine und auch die Hellseherin Carolina Bruce lag daneben, obwohl sie behauptete, das (falsche) Datum sei ihr von der 1997 verstorbenen Lady Di eingeflüstert worden. Bis zum letzten Jahr gehörte die Prognose „Clooney wird heiraten“ zu den alljährlichen Standardvoraussagen. Nach seiner Hochzeit setzten die Promiauguren jetzt – wenig überraschend – auf eine Trennung (Nikki Pezaro) oder zweifeln gar an der Echtheit der Hochzeit (Christian Dion). Dazu passt die Analyse des Astrologe Thomas Gazis, der aus den Sternen schließen will, dass die beiden gar nicht zusammen passen. Seine Kollegin Lynn Hayes scheint andere Sterne gedeutet zu haben, denn sie sieht ein fast perfektes Paar.
Vielleicht sollte man im nächsten Jahr nur noch die Prognosen niederländische Hellseher auswerten, denn für diese scheint es so etwas wie eine Ausbildung zu geben. Sogar das Arbeitsamt zahlt für diese „Kurse“, weil die Absolventen laut einem Sprecher „bei einem spirituellen Telefondienst arbeiten und dort 29 Cent pro Minute verdienen“ könnten. „Dann sollte das Arbeitsamt in den Niederlanden auch die Ausbildung zum Hütchenspieler bezahlen, denn damit kann man auch Geld verdienen“ kommentiert Kunkel und merkt an: „In Deutschland ist so etwas glücklicherweise nicht mehr möglich. Bildungsgutscheine für eine Astrologieausbildung hat es 2009 kurzzeitig gegeben, jetzt sind solche Kurse im Verzeichnis der hiesigen Arbeitsämter nicht mehr zu finden.“
Michael Kunkel
Hintergrundinformationen zur Prognosenauswertung finden Sie in diesem PDF-Dokument.