22.04.2013 (GWUP): Ausgerechnet in technisch und wirtschaftlich hochentwickelten Ländern erreichen viele Standardimpfungen nicht die zur Ausrottung einer Krankheit notwendige Impfrate von 95 Prozent. Anlässlich der heute beginnenden Europäischen Impfwoche mahnt die Bundesregierung, den Impfschutz der Bevölkerung zu erhöhen.
Nachdem Wales seit einigen Tagen von einer Masernwelle heimgesucht wird, die möglicherweise bereits einen Toten gefordert hat, berichtet nun auch die Berliner Zeitung aktuell von neuen Erkrankungen in Potsdam. Auch aus dem Umland von Augsburg werden Neuerkrankungen gemeldet sowie aus Österreich. Erschreckend dabei ist, dass neben einer allgemeinen Impfmüdigkeit absurde Theorien von Impfgegnern das von den Ländern der WHO gegenüber zugesagte Ziel, die Masern bis 2015 auszurotten, gefährden. Frühere Forderungen nach einer Impfpflicht verhallten offenbar ungehört. So hält sich unter vielen britischen Impfgegnern noch immer das einst vom Arzt Andrew Wakefield verbreitete Gerücht, die kombinierte Standard-Impfung für Masern, Mumps und Röteln würde Autismus auslösen. Dies ist mittlerweile hinreichend widerlegt, Wakefield wurde in seiner Heimat die Approbation entzogen. In einem britischen Artikel wird jedoch die Mitarbeiterin eines Klinikkonzerns zitiert, bei dem diese These offenbar noch immer vertreten wird. Stattdessen werden Einzelimpfungen für die jeweilige Krankheit angeboten. Sogar die (wissenschaftliche widerlegte) Homöopathie wird von manchen Eltern den Impfungen vorgezogen, was die konservative Parlamentsabgeordnete und Ärztin Sarah Wollaston dazu veranlasste, alle mit öffentlichen Stellen zusammenarbeitenden Homöopathen in die Pflicht zu nehmen. Diese sollten Eltern ausdrücklich sagen, dass Homöopathika nicht gegen Masern schützen. Die ,,Alternativmediziner" sagten dies auch prompt zu und betonten, dass sie in diesen Fällen ausdrücklich zu konventionellen Behandlungen rieten. Allerdings macht sich die Abgeordnete Wollaston wohl völlig zurecht Sorgen: In ihrem Wahlkreis Totnes haben nur etwa 70 Prozent der Menschen einen vollständigen Impfschutz. Ihrer Vermutung nach fürchten viele Eltern, Impfungen könnten schaden und vermeintlich natürliche Methoden wie die Homöopathie stellten einen sicheren alternativen Impfschutz dar - ein gefährlicher Irrglaube! Wollastons Ansicht wird gestützt von Erhebungen aus den USA, wonach Befürworter ,,alternativmedizinischer" Behandlungsmethoden ihre Kinder seltener impfen lassen.
Ein weiteres Problem in allen betroffenen Ländern dürfte auch die Neigung vieler Eltern sein, anstelle bei Ärzten und Gesundheitsbehörden zum Thema via Schnellsuche im Internet Rat zu suchen. Einem im letzten Herbst erschienenen Bericht zum ,,European Health Forum" in Gastein zufolge landen drei von vier Personen, die sich zum Thema Masern informieren wollen, mittlerweile auf Webseiten von Impfgegnern, die dann zu Masernparties und ähnlichem Unfug raten (und auf die wir ausdrücklich nicht verlinken). Marc Sprenger vom ,,European Center für Disease Prevention and Control (ECDC)" forderte damals, renommierte Einrichtungen im Gesundheitsbereich sollten offener und innovativer bei der Bereitstellung von Impfinformationen für Eltern zu sein. Sprenger dachte dabei wohl vor allem an soziale Netzwerke. Die deutsche Bundesregierung hat immerhin eine Website zur Europäischen Impfwoche generiert und mit dem Robert Koch-Institut, das weiterführende Informationen zum Thema Impfen anbietet, verlinkt.
Holger von Rybinski