05.08.2012 (GWUP): Für Skeptiker bot die letzte Woche wieder zahlreiche interessante Artikel.
So berichtete Charlotte Frank in der „Süddeutschen Zeitung" über den jahrhundertealten Hebammenberuf, der im Laufe der Geschichte einen ganz unterschiedlichen Stellenwert besaß.
Ein Aspekt ist dabei besonders für Skeptiker interessant: Zur Zeit der Hexenverfolgung hatten die Hebammen eine undankbare Rolle: Manchmal wurden sie dafür verantwortlich gemacht, wenn ein Kind krank oder tot geboren wurde und als Hexen verdächtigt. Im berüchtigten ,,Hexenhammer" von Heinrich Kramer (Heinrich Institoris) wurden Hebammen aufs Übelste beschimpft, weil sie angeblich Kinder töteten oder diese den Hexen weihten. Dem Artikel zufolge wurden Anfang des 17. Jahrhunderts beispielsweise fast alle Hebammen der Stadt Köln als Hexen verbrannt. In diesem heiklen Punkt, der durch derzeit in vielen deutschen Städten stattfindenden Rehabilitationen von als Hexen verbrannten Frauen wieder aktuell ist, dürften der Autorin allerdings manche Historiker widersprechen. So weist die Historikerin Rita Voltmer darauf hin, dass vereidigte Hebammen häufig sogar als Helferinnen der Gerichtsinstanzen tätig waren. Der Historiker Herbert Rätz weist in einem Interview mit dem ,,Skeptiker" darauf hin: „Der Geschichtswissenschaft ist es nicht gelungen, einen nennenswerten Anteil an Hebammen oder Kräuterweiblein unter den Delinquenten nachzuweisen. Dennoch verkünden Partialgebildete im Brustton der Überzeugung, dass Kirchen und Medizin Hand in Hand an der Ausrottung alten und geheimen Wissens interessiert gewesen seien." Die Historikerin Sabine Seidel weist in ihrer Diplom-Arbeit über die besondere Rolle von Kindern in Hexenprozessen darauf hin, dass der „Hexenhammer" von einer generellen Frauenfeindlichkeit durchzogen war, der Frauen jedweder Profession als Hexen verdächtigte. Durch die schlechteren Lebensbedingungen in der frühen Neuzeit kam es zu mehr Totgeburten, da wurde dann schnell eine Hebamme zum Sündenbock. Aber: „Setzt man die Zahl der hingerichteten Hebammen jedoch in Relation zur Gesamtzahl der Hingerichteten, und damit sind wir beim zweiten Punkt, so wird man feststellen, dass die Berufsgruppe der Hebammen durchaus keine überrepräsentative Rolle in der Hinrichtungsstatistik spielte. Außerdem waren Hebammen zum Teil auch als Sachverständige an Hexenprozessen beteiligt, um so eine eventuelle Schwangerschaft festzustellen, welche die Angeklagte bis zu ihrer Niederkunft vor Folter und Tod verschonte. Weiterhin waren sie auch „als Gutachterinnen in Kriminal- und Hexenprozessen, zum Beispiel bei der Suche nach dem Hexenmal [...] tätig, ohne selbst in Verdacht zu geraten." Das Besondere am letztlich aus Aberglauben resultierenden Hexenwahn war eben, dass prinzipiell jeder verdächtigt werden konnte, mit dunklen Mächten im Bunde zu sein.
Einen Seitenhieb versetzt der amerikanische Physik-Professor Richard Muller Leugnern des von Menschen verursachten Klimawandels in dem „SZ"-Beitrag „Konvertierter Klimaskeptiker-Wandlung eines Zweiflers". Darin listet er die gängigsten Argumente der Zweifler auf und vergleicht sie mit den Ergebnissen der von ihm mitverantworteten Berkeley-Earth-Studies. Insbesondere die auch schon in unserem Blog heftig diskutierte Behauptung, die in den letzten Jahren gemessene Erderwärmung sei ausschließlich auf erhöhte Sonnenaktivität zurückzuführen, widerlegt er mit Zahlen zur Temperaturentwicklung von 1753 bis heute. Dabei widerspricht er durchaus gängigen Behauptungen, die als Argumente für den Klimawandels seiner Meinung nicht haltbar sind: Nein, Hurrian Katrina ist nicht einfach durch die globale Erwärmung erklärbar, die Zahl der Hurrikane und Tornados in den USA hat sogar abgenommen, auch sieht er keine Gefahr,dass die Gletscher bis 2035 schmelzen, aber so Muller: „Solange die Emissionen von Kohlendioxid wachsen, dürften auch die Temperaturen steigen. Ich erwarte eine gleichmäßige Erwärmung um ungefähr 0,8 Grad Celsius in den kommenden 50 Jahren über den Kontinenten; die Zahl ist niedriger, wenn die Ozeane eingeschlossen werden. Aber falls China seinen rapiden Aufschwung fortsetzt und seinen Kohleverbrauch nicht drosselt, dann könnte diese Erwärmung auch in weniger als 20 Jahren stattfinden." Die jüngsten Temperaturerhöhungen sind also menschengemacht. Der Philosophieprofessor und Wissenschaftsjournalist Massimo Pigliucci zählt die meisten Argumente der Klimaskeptiker folgerichtig zu den Verschwörungstheorien.
Für Kopfschütteln und Erheiterung sorgte ein Beitrag in der letzten Sendung von „Stern-TV" zum Thema „Tierheilpraktiker", hier eine kurze Zusammenfassung . Was vielleicht viele nicht wissen: Nicht nur Menschen können sich von Heilpraktikern mit „alternativen" Anwendungen behandeln lassen. Auch die Besitzer von Hund Bello und Katze Mausi können ihre Schützlinge zu „Fachleuten" dieser Therapierichtungen bringen. Mit versteckter Kamera wurden dabei vorher von einer ausgebildeten Tierärztin untersuchte Haustiere der Behandlung verschiedener
Heilpraktiker ausgesetzt - anders kann man es nicht formulieren - mit überwiegend haarsträubenden Ergebnissen. Nur ein Alternativheiler erhielt die Note „sehr gut", weil er sowohl bei Diagnose als auch Anwendung die richtigen Schlüsse zog und auf die Grenzen seiner Behandlungsmöglichkeiten hinwies, die anderen „Experten" zeigten meist Unkenntnis und empfahlen das übliche Einerlei an Globuli. Besonderer Clou: Eine Heilerin besprach auf Wunsch der Besitzerin deren angeblich depressive Spinne, indem sie mental mit dieser Kontakt aufnahm - und sich offensichtlich gut unterhielt. Was die Frau nicht wusste: Das Tier war tot, sie sprach die ganze Zeit über mit einer ausgestopften Spinnenhülle.
Naja, vielleicht war die Aura des Tieres ja noch so stark....
Holger von Rybinski
Voltmer, Rita : ,,Hexen: Wissen, was stimmt "(S. 51). Freiburg im Breisgau: Herder-Verlag, 2008.
Pigliucci, Massimo (2010). Climate Denialism. In: ,,Skeptical Inquirer", Vol. 34, Nr. 2 (2010), S. 23ff.