Ein neues Gesetz soll Lehrern helfen, die Zweifel an Evolutionstheorie haben - zum Schaden der Wissenschaft.
Seit Jahren versuchen bibeltreue Gruppen in den USA, Einfluss auf den naturwissenschaftlichen Unterricht zu nehmen. Mit immer neuen Initiativen wird dabei versucht, wissenschaftliche Erkenntnisse als Meinungen und religiöse Schöpfungsmythen als gleichbedeutend mit Forschungsergebnissen darzustellen. Einer SPIEGEL-Meldung zufolge scheint ein neuer Anlauf in dieser Richtung nun ein Gesetz im US-Bundesstaat Tennessee zu sein, wonach kein Schulleiter einem Lehrer verbieten dürfe, Stärken und Schwächen von im Unterricht behandelten wissenschaftlichen Theorien zu kritisieren und objektiv zu beurteilen. Das klingt nach Common Sense, liest man jedoch, auf welche Theorien sich der Gesetzesentwurf u. a. bezieht (,,including but not limiting to"), wird deutlich, welche Ideologie dahinter steckt: Der chemische Ursprung des Lebens, die Evolution und die Erderwärmung, weil die Vermittlung dieser Lerninhalte, so der Entwurf, ,,Meinungsverschiedenheiten auslösen" könne. Gerade bei diesen Themen versuchen Fundamentalreligiöse auf Schulen Druck auszuüben. Zwar wird betont, dass der Entwurf nur der Weitergabe wissenschaftlicher Information dienen und keine religiöse und nicht-religiöse Doktrin fördern solle, oder gar die Diskriminierung religiöser oder nicht religiöser Weltanschauungen fördern. Wenn die Evolution jedoch nur noch als eine Theorie von vielen mit Stärken und Schwächen bezeichnet werden darf, oder andersherum, religiöse Mythen wie die in den Religionsunterricht gehörende Schöpfungslehre beispielsweise im Biologieunterricht gleichbedeutend mit den wissenschaftlichen Theorien genannt werden darf, liegt der Verdacht der Indoktrination allerdings nahe.
Wissenschaftler der National Academy of Sciences reagierten mit einem offenen Brief, in dem sie darauf hinweisen, dass das geplante Gesetz die Evolution fälschlicherweise als wissenschaftlich umstritten bezeichne. In Wirklichkeit ist diese natürlich gut belegt und in Wissenschaftlerkreisen unstrittig. Tatsächlich sei die Beweiskraft der Evolutionstheorie ,,überwältigend", den religiösen Konkurrenzthesen wie Kreationismus und die manchmal im wissenschaftlichen Deckmantel daherkommende These vom ,,Intelligent Design" fehlten diese völlig. Sie sehen die Gefahr, dass das neue Gesetz in Wirklichkeit Lehrer erst ermutigen werde, angebliche Schwachstellen der Evolutionstheorie zu betonen. Tatsächlich sei diese jedoch ein zentraler und wichtiger Teil des Wissenschaftsunterrichts. ,,Das Leugnen der Evolution ist pädagogisch unverantwortlich." Wenn das Lehren der Evolution untergraben werde, wie nach Gesetzentwurf HB 368 und SB 893 vorgesehen, schade dies dem Ruf des Staates Tennessee.
Nicht nur in den USA versuchen Kreationisten Einfluss auf die Lehrpläne der Schulen zu nehmen, obwohl ihre Thesen im naturwissenschaftlichen Unterricht nicht gelehrt werden dürfen. In Großbritannien beispielsweise versuchen häufig Träger privater Schulen, kreationistische Inhalte zu platzieren. Deshalb hat das britische Forschungsministerium beschlossen, solchen Schulen künftig Fördergelder zu entziehen, wenn sie im Unterricht Inhalte vermitteln, die dem aktuellen Stand der Wissenschaften widersprechen (siehe hierzu auch Skeptiker 1/12, S. 31:Großbritannien:,,Erfolgreiche Petition für Evolutionsunterricht).
Das Gegenteil könnte im Staate Tennessee künftig der Fall sein, sollte die noch nicht unterzeichnete House Bill 368 / Senate Bill 893 Wirksamkeit erlangen.
Holger von Rybinski
Link zum Gesetzentwurf: www.capitol.tn.gov