13.10.2011 (GWUP): Eine neue amerikanische Studie behauptet, die Wirkung von Reiki nachgewiesen zu haben. Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass dies eine Fehlinterpretation ist.
In der von amerikanischen Krankenschwestern durchgeführten Studie wurden 200 Krebspatienten, die eine Chemotherapie erhielten - welche mit Nebenwirkungen wie Übelkeit und Haarausfall einhergehen kann - mit Reiki behandelt, um herauszufinden, ob sich ihr Befinden dadurch bessert. Eine andere Gruppe erhielt „Pseudo-Reiki", also Handauflegen von einem Menschen, der nur vorgab, heilen zu können. Dieser hielt sich jedoch an den dafür üblichen Behandlungsablauf, während die Verum-Gruppe von einem von Reiki-Gläubigen als befähigt angesehenen Heiler „Heilungsenergie" erhielt. Eine andere Gruppe erhielt überhaupt keine Behandlung.
Das Ergebnis der Studie: die mit „echtem" Reiki behandelten Patienten fühlten sich nach der Behandlung besser als diejenigen, bei denen kein Handauflegen stattfand. Daraus schließen die Autorinnen, dass Reiki tatsächlich wirkt.
Wie der scheidende Lehrstuhlinhaber für Komplementärmedizin an der Universität Exeter, Edzard Ernst, in seinem Blog im „Guardian" ausführt, ist das aber eine Fehlinterpretation der Studie. Denn die Scheinbehandelten berichteten von der genau gleichen Besserung ihres Wohlbefindens. Das heißt aber: Wenn Scheinbehandlung gleich gute Erfolge zeitigt wie die „echte“ Behandlung, dann ist die Wirkung der „echten“ Behandlung eben nicht nachgewiesen.
Ernst stellt auch die Frage, welche Schlussfolgerungen man aus dem Untersuchungsergebnis ziehen kann. Immerhin können solche Placebo-Behandlungen die subjektive Befindlichkeit günstig beeinflussen, wenngleich dadurch natürlich niemand geheilt wird. Ernst lehnt Placebo-Behandlungen bei Krebspatienten ab, stattdessen verweist er auf Studien, wonach sich Chemotherapiepatienten beispielsweise nach Massagen besser fühlten als nach Scheinbehandlungen. Neben den bekannten Elementen, durch die auch bei einer Placebo-Behandlung eine Wirkung erfolgen könne, wie Einfühlungsvermögen des Behandlers und dessen Zuwendung zum Patienten, könne durch die Massage und deren durchaus vorhandene spezifische Wirkungsweise das Wohlbefinden noch gesteigert werden. Verabreichte man Patienten künftig absichtlich Placebo-Therapien, würde man ihnen damit unter dem Deckmantel der Fürsorge die spezifischen Behandlungseffekte von tatsächlich wirksamen Heilverfahren eventuell vorenthalten.
Holger von Rybinski
Catlin, A, Taylor-Ford, RL (2011). Investigation of standard care versus sham Reiki placebo versus actual Reiki therapy to enhance comfort and well-being in a chemotherapy infusion center. Oncology Nursing Forum; 38(3): E212-E220.