15.03.2011 (GWUP): Der Psychologe Bruce Hood erläutert in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“, warum viele Menschen an Übersinnliches glauben und warum selbst skeptische Menschen nicht ganz frei davon sind.
Hood, Autor des Buches „Übernatürlich? Natürlich! - Warum wir an das Unglaubliche glauben“ sieht Aberglauben als Ergebnis der Evolution. Das Gehirn habe sich über Jahrmillionen so entwickelt, überall nach Kausalitäten zu fahnden, weshalb wir dazu neigten, alles als vorbestimmt zu sehen. Zwar lernten die Menschen als Erwachsene, Dinge rational zu interpretieren, die evolutionär erworbene Neigung zum Aberglauben verschwinde jedoch nicht. Im Gegenteil: im Alter scheint sie wieder zuzunehmen. Auch scheinen Menschen in Stresssituationen anfälliger für Übersinnliches, weil der Wunsch nach Ordnung vorherrsche. Diese Ordnung werde dann häufig durch Rituale wiederhergestellt oder eben den Glauben an Übersinnliches. Dies könne als Kontrollillusion, so Hood, durchaus positive Effekte zeitigen, etwa wenn man Objekten wie Glücksbringern positive Kräfte zuschreibe.
Seiner Überzeugung nach benötigen größere Gemeinschaften sogar „heilige Werte“, also Überzeugungen, die alle Mitglieder einer Gruppe teilen sollten. Je größer der gemeinsame Glaube, desto stabiler der Zusammenhalt in der Gruppe. Hood hält diese Mechanismen für universell, deshalb sind seiner Meinung nach wissenschaftliche Erklärungen für viele auch so schwer zu akzeptieren, da sie auf Wahrscheinlichkeiten und Analysen basieren. Außerdem widersprechen sie der intuitiven Empfindung. Wer beispielsweise von der Bedeutung eines Wahrtraumes überzeugt sei, nehme auch nur noch Indizien wahr, die für diese Annahme sprechen. Der Psychologe warnt allerdings davor, jedes irrationale Glaubenssystem hinzunehmen, gerade wenn es als Rechtfertigung für Handlungen diene. Er sieht derartige Überzeugungen jedoch als Teil der menschlichen Natur.
Holger von Rybinski
Hermann, Sebastian (2011): Psychologie - "Stress fördert Aberglauben". Süddeutsche Zeitung – Wissen. 10.2.11.