25.11.2010 (GWUP): Dass erhaltenswerte Gebäude oder Landschaften in den Kanon des Weltkulturerbes aufgenommen werden, davon hat man schon gehört. Dass nun jedoch die chinesische Heilmethode Akupunktur von der UNESCO in die Liste des besonders schützenswerten Weltkulturerbes aufgenommen wird, dürfte so manchen erstaunen: Es gibt auch ein immaterielles Kulturerbe.
Laut UNESCO (Artikel 2.1 des Vertragswerks) sind unter immateriellem Kulturerbe „Praktiken, Darbietungen, Ausdrucksformen, Kenntnisse und Fähigkeiten - sowie die damit verbundenen Instrumente, Objekte, Artefakte und Kulturräume - zu verstehen, die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Individuen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen“. Die Aufnahme einer solchen „Kenntnis“ in das Weltkulturerbe bringt unter anderem Bemühungen zu ihrem Erhalt und zu ihrer Förderung mit sich. Dass Menschen das Recht zum Erhalt ihres Brauchtums eingeräumt wird, ist natürlich gut und schön. Warum die chinesische Nadelungsmethode jedoch als besonders schützenswert und damit förderungswürdig erachtet wird, erschließt sich dem skeptischen Betrachter nicht. Umstrittene Heilmethoden können immerhin negative Folgen für Patienten haben. Zwar werden der Akupunktur Erfolge bei einzelnen Indikationen wie Kniegelenksbeschwerden zugeschrieben, ob echte oder Scheinnadelung spielt dabei jedoch keine Rolle. Die Tradition erweist sich damit nicht als Kenntnis, sondern als Pseudo-Kenntnis.
Seit vier Jahren jedenfalls können in Deutschland bei diesen Indikationen die Kosten für eine Akupunkturbehandlung über die Krankenkassen abgerechnet werden. Zumindest hierzulande ist die Behandlungsmethode also nicht vom Aussterben bedroht. Allerdings wurde die Vereinbarung zur Bewahrung des Weltkulturerbes einem Bericht der „Berliner Morgenpost" zufolge bei uns noch nicht in Kraft gesetzt. Wie die Methode, die auf einem imaginären System von „Energiemeridianen" im Körper aufbaut, nun mit amtlichem Segen der UNESCO gefördert werden soll und welche Konsequenzen dies für andere weltweit zum Brauchtum gehörenden alternativen Therapien haben könnte, wird sich zeigen. Auch wäre interessant zu wissen, welche der verschiedenen Akupunkturvarianten denn als besonders schützenswert erachtet werden sollten.
Immerhin: neben der Akupunktur sollen auch die französische und mediterrane Küche zum immateriellen Weltkulturerbe gezählt werden. Möglich, dass die Entscheidungsträger hier die wohltuende Wirkung von Pasta und Vino auf das Gemüt der Menschen als besonders schützenswert erachteten. Die dürfte subjektiv wohl genauso gut belegt sein wie die vermeintlichen Erfolge der Akupunktur…
Holger von Rybinski
o.V/eb(2010): Akupunktur und Karneval werden Weltkulturerbe . Die Presse.com, 16.11.2010