Im Dom von Neapel werden zwei fest verschlossene Behälter aufbewahrt, die der Überlieferung zufolge das Blut des Heiligen Januarius (verstorben um das Jahr 305) enthalten. Die rotbraune Substanz wirkt normalerweise gelartig, verflüssigt sich aber zu bestimmten Feiertagen. Blut zeigt ein solches Verhalten normalerweise nicht – Gläubige sprechen vom „Blutwunder von Neapel“.
Bislang liegt keine chemische Analyse der Substanz in den Ampullen vor. Die Verflüssigung lässt sich jedoch durch Thixotropie erklären. Thixotrope Stoffe sind im Ruhezustand gelartig, gehen aber bei Einwirkung mechanischer Kräfte, wie Rühren oder Schütteln, in einen flüssigen Zustand über. Ein bekanntes Beispiel ist Ketchup, der nach dem Schütteln leichter aus der Flasche fließt. Mit wenigen, bereits seit Jahrhunderten bekannten Zutaten lässt sich eine Mixtur herstellen, die dem „Blut“ verblüffend ähnelt und dieselben Eigenschaften aufweist.
Das „Blutwunder von Neapel“ ist erstmals für das Jahr 1389 belegt und findet bis heute mehrmals jährlich statt: am Samstag vor dem 1. Mai, am 19. September und am 16. Dezember. An bestimmten Feiertagen wird die Monstranz mit den beiden Behältern bei Prozessionen mitgeführt, wobei es in den meisten Fällen zur Verflüssigung kommt. Dies geschieht, nachdem ein Priester die Monstranz mehrfach bewegt hat. Das Ausbleiben des „Wunders“ gilt als schlechtes Omen. Andererseits sind auch Verflüssigungen außerhalb der Feiertage dokumentiert.
Inge Hüsgen, Dr. Jochen Bergmann, Dr. Mark Benecke
Literatur
- Garlaschelli, L.; Ramaccini, F.; Dellasala, S. (1991): Working Bloody Miracles. Nature 353: 507.
Links
- Massimo Polidoro in "The Blood of St. Januarius". Aus der TV-Reihe "Legend Detectives" (Discovery Channel), Teil 1, Teil 2
Lesen Sie außerdem bei den Skeptikern:
- Mark Benecke: Blut und Tränen. Skeptiker 3/2004.
- Blutwunder von Neapel: Bald ins Labor?
Stand: 13.12.2010