Wahlprüfsteine 2002 - Fragen an die Parteien zur Wahl
Aus Anlass der bevorstehenden Wahl zum deutschen Bundestag stellte die GWUP allen im derzeitigen Parlament vertretenen Parteien fünf Fragen aus ihrem Arbeitsgebiet, die auch für die breite Öffentlichkeit von Interesse sind. Die Antworten der Parteien sind in alphabetischer Reihenfolge abgedruckt. Wir bedanken uns bei Albert Markstahler, Berlin, Fachbereich Sozial- und Gesellschaftspolitik der CDU; bei Hendrik Thalheim, Berlin, Leiter Bereich Öffentlichkeitsarbeit/Wahlen der PDS; und bei Jörg Trautner von der SPD Berlin. Keine Antworten erhielten wir von Bündnis 90/Die Grünen1, der FDP und der CSU.
1: Die Antwort von Bündnis 90/Die Grünen traf leider erst nach Erscheinen des Heftes ein; wir können die Antworten daher nur hier im Web veröffentlichen. Wir bedanken uns bei Frau Donate Hochstein, Abteilung Medien- und Öffentlichkeitsarbeit Bündnis 90 / Die Grünen.
1) Binnenanerkennung für die Alternativmedizin?
Am 12. 6. 1997 wurde vom Bundestag im Rahmen der Änderung des Sozialgesetzbuches SGB V eine Ergänzung des § 135 beschlossen, die eine so genannte „Binnenanerkennung“ für alternativmedizinische Verfahren (wie z. B. Homöopathie und anthroposophische Medizin) zulässt. Damit müssen Therapie- und Diagnoseverfahren nicht mehr nach wissenschaftlichen Standards auf ihre objektive Wirksamkeit hin geprüft werden, sondern unterliegen der Selbsteinschätzung einer Interessengruppe. Welche Argumente rechtfertigen nach Ihrer Auffassung eine solche Position? Oder würden Sie sich dafür einsetzen, einheitliche, wissenschaftliche Prüf- und Zulassungskriterien für alle Verfahren, also auch für die so genannten „alternativmedizinischen“, einzuführen?
CDU
Die Politik wird den „Glaubenskrieg“ zwischen Schul- und Alternativmedizin nicht lösen. Wir können nicht per Gesetz den Bedürfnissen und Ansprüchen der Menschen im Umgang mit einer Krankheit gerecht werden. Es wird immer Fälle geben, bei denen Patienten nach einem langjährigen vergeblichen Einsatz konservativer Behandlungsmethoden mit Hilfe der „Außenseitermedizin“ geheilt wurden, auch wenn ein wissenschaftlicher Nachweis nach den Kriterien der klassischen Schulmedizin nicht möglich ist. Deshalb sieht § 135 SGB V vor, dass der diagnostische und therapeutische Nutzen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung zu bewerfen ist. Die Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Einzelfall hat der Bundesausschuss Ärzte und Krankenkassen vorzunehmen.
Gegenwärtig wird die verpflichtende Einführung evidenzbasierter Leitlinien diskutiert und von der rot-grünen Bundesregierung bei den so genannten Chronikerprogrammen favorisiert. Die Union erkennt zwar an, dass evidenzbasierte Leitlinien geeignet sind, die Qualität der Versorgung zu verbessern. Allerdings sehen wir in einer verbindlichen Einführung von Leitlinien auch eine Gefahr für die Qualität der Versorgung. Denn der Spielraum für individuelle Therapien wird dadurch kleiner, was nachteilige Folgen für die Versorgung des Patienten hat. Deshalb gilt es die Therapiefreiheit des Arztes zu erhalten. Er muss im Gespräch mit dem Patienten nach einer auf den Patienten ausgerichteten und Erfolg versprechenden Therapie suchen. Dabei soll und kann er auch alternativmedizinische Verfahren, z. B. Homöopathie einbeziehen. Evidenzbasierte Leitlinien als Orientierungshilfen werden daher von der Union befürwortet, als Checklisten aber von uns abgelehnt.
PDS
Die so genannte Binnenanerkennung für alternativmedizinische Verfahren betrachten wir als einen interessengeleiteten Verstoß gegen die Kriterien wissenschaftlich begründeter Medizin. Rationale Argumente zu ihrer Rechtfertigung sehen wir nicht. Der Gefahr, dass paramedizinische Praktiken in diesem Lande weiter vordringen, muss unseres Erachtens ständig entgegengewirkt werden. Die Erstattung einer Leistung durch die gesetzliche Krankenversicherung muss generell die behördliche Überprüfung von Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Medikamentes bzw. Verfahrens zur Voraussetzung haben.
SPD
Gesundheit ist für jeden Menschen ein kostbares Gut. Deshalb ist eine erstklassige medizinische Versorgung besonders wichtig. Die hohe Qualität der medizinischen Versorgung für alle Patientinnen und Patienten muss finanzierbar bleiben. Hierzu sind mutige Reformen erforderlich, um das Gesundheitswesen zukunftsfähig zu machen.
Wir wollen, dass der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung einheitlich bleibt und das medizinisch Notwendige umfasst. Der Leistungskatalog soll auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse an den medizinischen Fortschritt angepasst werden. Für die wichtigsten Krankheitsbilder werden wir erstmals auf der Basis allgemein anerkannter Standards Behandlungsleitbilder formulieren. Diese Behandlungsleitlinien und die Fortschreibung des Leistungskatalogs sollen von einer öffentlichen Institution unabhängiger Sachverständiger vorbereitet werden, um auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse die Qualitätsstandards im Gesundheitswesen zu definieren. Dieses objektivierte Beurteilungsverfahren bezieht die sogenannten „alternativmedizinischen“ Besonderen Therapieformen ebenfalls mit ein.
Bündnis 90/Die Grünen
Die solidarische Krankenversicherung hat die Aufgabe, allen Versicherten im Bedarfsfall die notwendigen medizinischen Leistungen zur Verfügung zu stellen, die sie zur Behandlung ihrer Krankheit brauchen. Die Leistungserbringung muss sparsam und wirtschaftlich erfolgen, um den Solidargedanken nicht übermäßig zu strapazieren. D.h. Methoden, deren Wirkung nicht nachgewiesen werden kann, haben im Leistungskatalog der GKV keinen Platz. Dies gilt im übrigen unabhängig davon, ob es sich um Schulmedizin oder Alternativmedizin handelt. Bündnis 90/Die Grünen setzen sich für eine gleichberechtigte Behandlung dieser Sparten ein. Die Frage, wie der Nachweis der Wirkung erbracht wird, spielt natürlich eine entscheidende Rolle. Wir sind der Ansicht, dass die bisher durchgeführten Modellversuche die Praxistauglichkeit verschiedener alternativer Behand-lungen testen sollten. In den Leistungskatalog können letztendlich jedoch nur Maßnahmen aufgenommen werden, die in ihrer Wirksamkeit bezogen auf die entsprechende Indikation nachgewiesen sind.
2) Erstattung alternativmedizinischer Verfahren und Arzneimittel durch die gesetzlichen Krankenkassen
Zurzeit erstatten einige gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen vereinzelter Modellversuche alternativmedizinische Therapien und Arzneimittel, wie Akupunktur, Homöopathie und anthroposophische Medizin. Da die Wirksamkeit der meisten dieser Verfahren nicht wissenschaftlich belegt ist und teilweise auch nicht belegt werden kann (weshalb man ja auf die in Frage 1 genannten Binnenanerkennung zurückgreifen muss), besteht hier die Gefahr, dass knappe Gelder für unwirksame Verfahren und Arzneimittel verschwendet werden. Sehen Sie hier einen gesetzlichen Regelungsbedarf? Oder befürworten Sie die Erstattung der oben genannten alternativmedizinischen Therapien und Arzneimittel?
CDU
Die wissenschaftlich begründete Medizin ist wesentlicher Bestandteil der Finanzierung durch die gesetzliche Krankenversicherung. Besondere Therapierichtungen dürfen aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Es ist Aufgabe des Bundesausschusses Ärzte und Krankenkassen unter dem Gesichtspunkt Qualitätssicherung und Finanzierbarkeit die notwendigen Vorgaben zu machen. Im Übrigen ist die Union der Meinung, dass der Versicherte stärker auf den Umfang seiner Versorgung Einfluss nehmen soll. Er soll selbst entscheiden, ob er den bisherigen Versorgungsumfang beibehalten, zusätzliche Leistungen, z. B. Naturheilverfahren, haben oder bei gleichzeitiger Beitragsermäßigung Leistungen abwählen oder einen Selbstbehalt übernehmen will. Den Versicherten sollten wir die Kompetenz zur freien Entscheidung über den Leistungsumfang zugestehen.
PDS
Grundsätzlich muss gelten, dass Leistungen, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt werden, wissenschaftlich belegbar sind. Zugleich umfasst die praktische Heilkunde zweifellos mehr als angewandte medizinische Wissenschaft. Dennoch darf verantwortliches medizinisches Handeln den Bezug zu wissenschaftlich nachprüfbaren Erkenntnissen nicht abreißen lassen.
Menschliche Einfühlung und wissenschaftliche Rationalität gehören gemeinsam zum Fundament, auf dem der Erfahrungs- und Handlungsschatz der Medizin gründet. Das gilt unseres Erachtens gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Medizin nicht allein als Naturwissenschaft zu verstehen ist. Da ihr Gegenstand der Mensch in Gesundheit und Krankheit ist, muss sie z. B. auch psychologisches und sozialwissenschaftliches, methodisches und theoretisches Wissen nutzen, um daraus Hilfemöglichkeiten für erkrankte Menschen abzuleiten. In der Hand des wissenschaftlich denkenden Arztes kann durchaus auch die Nutzung des Placebo-Effektes bzw. von Suggestivverfahren hilfreich und berechtigt sein.
Unter dem begrifflichen Dach von alternativen und Naturheilmethoden finden sich im deutschen Sprachgebrauch Verfahren und Behandlungsweisen, die differenzierter Beurteilung bedürfen. Neben unbelegten bzw. kommerziell motivierten Heilversprechen, die die Grenze zur Scharlatanerie überschreiten, gehören dazu beispielsweise gut untersuchte physiotherapeutischen Maßnahmen. Deshalb sollte die Frage, ob alternative und Naturheilmethoden in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen werden, bezogen auf das jeweilige Einzelverfahren sorgfältig geprüft und entschieden werden.
SPD
Die SPD tritt im Rahmen dieser Leitlinien und des Leistungskatalogs für mehr Wettbewerb in einem pluralistischen Gesundheitswesen ein. Die §§ 2 Abs. 1 Satz 2, 33 a und 135 Abs. 1 Nr. 1 SGB V gewährleisten den Pluralismus der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Behandlungsmethoden und Arzneimittel der Besonderen Therapieeinrichtungen sollen künftig in die Disease-Management-Programme der Krankenkassen integriert werden, soweit deren therapeutische Effektivität belegt ist. Gesetzliche Schutzzäune zu Gunsten des einen oder des anderen methodischen Ansatzes werden den Interessen der Patienten nicht gerecht.
Die Versorgung mit Arzneimitteln werden wir ebenfalls neu regeln. Die gesetzlichen Krankenversicherungen sollen höhere Kosten für neu zugelassene Arzneimittel nur dann erstatten, wenn durch unabhängige Sachverständige ein entsprechender Zusatznutzen bestätigt wird. Für pflanzliche Arzneimittel bereitet die Europäische Kommission eine Richtlinie über „Traditionelle Arzneimittel“ vor, die denjenigen Phytopharmaka Marktchancen erhalten soll, die die Hürde der klinischen Studie als Nachweis ihrer therapeutischen Wirksamkeit nicht zu überspringen vermögen.
Bündnis 90/Die Grünen
Wie bereits oben aufgeführt, ist für Bündnis 90/Die Grünen bei der Frage der Kostenübernahme nicht entscheidend, ob es sich um Schulmedizin oder Alternativmedizin handelt. Die nachgewiesene Wirksamkeit bei vertretbarem finanziellem Aufwand ist ausschlaggebend, ob eine Methode in den Leistungskatalog aufgenommen wird oder nicht.
3) Kontrolle des Esoterik- und Psychomarktes per Gesetz?
Der Bundesrat hat am 19. 12. 1997 einen Entwurf für ein Gesetz zur gewerblichen Lebensbewältigungshilfe vorgelegt, das den Esoterik- und Psychomarkt besser regulieren sollte. Dieses so genannte „Lebensberatungsgesetz“, nach dem Dienstleistungen in diesem Bereich vertraglich fixiert werden sollten und den Hilfesuchenden ein zweiwöchiges Widerrufsrecht eingeräumt werden sollte, ist nie zustande gekommen. Sehen Sie Bedarf für eine Neuauflage dieses Gesetzentwurfs? Wenn ja, würde sich Ihre Partei gegebenenfalls dafür einsetzen?
CDU
Im Allgemeinen erachtet die CDU es als hilfreich, durch Gesetze den Verbraucher zu schützen. Sowohl auf europäischer, als auch auf nationaler Ebene sind deswegen eine Reihe entsprechender Gesetze erlassen worden.
Es könnte durchaus im Sinne des Verbraucherschutzes sein, den Bereich der gewerblichen Lebensbewältigungshilfe strengen Regeln zu unterwerfen. In diesem Bereich finden sich neben seriösen Angeboten leider auch unseriöse Anbieter.
Doch stößt ein solches Vorhaben auf grundlegende gesetzgeberische Probleme. Anhand des oben erwähnten Entwurfs für ein Gesetz über Verträge auf dem Gebiet der gewerblichen Lebenshilfe (BT-Drucksache 13/9717) kann man dies beispielhaft erkennen: Eine überzeugende Abgrenzung der Verträge, die unter die Regelung fallen sollen, und derjenigen Verträge, für die allein die allgemeinen Regeln gelten sollen, lässt sich kaum finden. Damit wird nicht allein der Anwendungsbereich des Gesetzes unklar, daraus erwächst auch die Möglichkeit, auf einfache Weise die Schutzregelung zu umgehen.
Insgesamt ist in dieser Angelegenheit anzuerkennen, dass hier gesetzgeberisches Handeln an Grenzen stößt. In Anbetracht dessen steht die CDU nach wie vor einem entsprechenden Gesetzentwurf sehr skeptisch gegenüber.
PDS
Die Absicht des damaligen Gesetzentwurfs war, den Betrügereien von Sekten und Psychogruppen einen Riegel vorzuschieben. Diese Gruppen kassieren von Menschen, die in Not oder sogar schweren persönlichen Krisen stecken, oft beträchtliche Geldmittel für angeblich hilfreiche „Heilmethoden“, Kurse usw.
Ein Problem bei dem damaligen Gesetzentwurf war aber und ist bis heute, wie solche Praktiken dieser Sekten abgegrenzt werden sollen von seriöseren Berufen. Bedarf für ein solches Gesetz, vor allem für großzügigere Widerrufsmöglichkeiten, besteht nach unserer Meinung auf jeden Fall. Ob dies aber durch eine einfache Neuauflage des damaligen Gesetzentwurfs gelöst werden kann, ist zweifelhaft.
SPD (zu Frage 3 und 4)
Wir beabsichtigen, auch in diesem Bereich die Verbraucherrechte weiter zu stärken. Zu einer gesetzlichen Kontrolle des Esoterik- und Psychomarktes und einer eventuellen gesetzlichen Regelung von Einstellungsverfahren und Eignungstests bestehen derzeit keine konkreten Überlegungen. Wir werden die weiteren Entwicklung zu den angesprochenen Fragen im Blick behalten und gegebenenfalls prüfen, ob einschränkende Regelungen auf nationaler Ebene erforderlich und möglich sein sollten.
Bündnis 90/Die Grünen
Bündnis 90/Die Grünen haben zu dem Gesetzesentwurf "Verbraucherschutz in der gewerblichen Lebensbewältigungshilfe (Psychomarkt)", den Sie erwähnen, eine Große Anfrage Drs 13/8134 von Angelika Köster-Loßack gestellt. Darin heißt es im Vorwort: "Es ist grundsätzlich richtig, den Verbraucherschutz im Bereich der gewerblichen Lebensbewältigungshilfe zu verankern. (...) Es muß aber bedacht werden, daß die verbraucherorientierte Regulierung dieses Marktes nicht zu seiner Vernichtung führen darf. (...) Die Existenz dieses expandierenden Marktes spiegelt das weitverbreitete Bedürfnis nach einer befriedigenden Lebensgestaltung und weltanschaulicher bzw. religiöser Orientierung wider." Daraus wird gefolgert, dass weitere Klärung notwendig ist, bevor ein Gesetz erlassen werden kann.
4) Verbot pseudowissenschaftlicher Einstellungs- und Eignungstests?
Verschiedene pseudowissenschaftliche bzw. esoterische Verfahren werden nicht nur zum Zwecke der privaten Lebensgestaltung freiwillig in Anspruch genommen: Teilweise werden im Rahmen von Eignungs- bzw. Einstellungstests esoterische Verfahren wie Astrologie, Graphologie oder der Scientology entstammende Tests von Arbeitgebern ohne Wissen der Betroffenen angewandt. Durch Einsatz solch nachweislich zur Kompetenzermittlung ungeeigneter Tests können Menschen erhebliche Nachteile entstehen. In Finnland wurden daher letztes Jahr solche pseudowissenschaftlichen Einstellungstests per Gesetz verboten. Sehen Sie hier einen gesetzlichen Regelungsbedarf auch für Deutschland bzw. die gesamte EU? Würde sich Ihre Partei gegebenenfalls dafür einsetzen, dem finnischen Vorbild zu folgen?
CDU
Das zu Frage 3 Gesagte gilt dem Grundsatz nach auch für die Frage, ob per Gesetz ein Verbot pseudowissenschaftlicher Einstellungs- und Eignungstests auszusprechen ist. In gleichem Sinne stellt sich hier die Problematik, welche Tests als pseudowissenschaftlich zu qualifizieren sind und welche nicht.
Hinzu tritt hier noch ein anderer Aspekt. Letztlich kann es nur in der Verantwortlichkeit des Bewerbers liegen, zu entscheiden, ob er zu einem ihm pseudowissenschaftlich erscheinenden Test bereit ist. Denn hinter dieser Entscheidung verbirgt sich unmittelbar die Frage, ob man überhaupt für ein Unternehmen arbeiten möchte, das mit Hilfe zweifelhafter Einstellungstests seine Mitarbeiter rekrutiert. Diese Frage kann per se der Gesetzgeber nicht beantworten.
Deswegen dürfte ein entsprechendes Gesetz dem Betroffenen nur wenig helfen. Aus diesem Grunde stehen wir einem solchen Gesetzesvorhaben skeptisch gegenüber.
PDS
Pseudowissenschaftliche bzw. esoterische Verfahren haben in Einstellungstests und damit auch in Zeugnissen nichts zu suchen. Ob ein gesetzliches Verbot hilft, ist aber zweifelhaft. Auch hier stellt sich die Frage der Abgrenzung. Das Geburtsdatum z. B. wird in Bewerbungsunterlagen nicht zu vermeiden sein. Dass Firmen daraus astrologische Schlüsse ziehen, ist kaum zu verbieten.
Wie ist es mit der Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Kirche? Die PDS ist grundsätzlich der Meinung, dass die Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften Privatsache ist. Trotzdem erscheinen solche Angaben auf der Lohnsteuerkarte wegen Kirchensteuereinzug, und zahlreiche private Kindergärten, Krankenhäuser etc. machen auch heute noch die Zugehörigkeit zu ihrer Kirche zur Vorbedingung für eine Einstellung. Soll das alles per Verbot verfolgt werden?
Im Grundsatz teilen wir die Absicht, solche Angaben bei Einstellungen, Beurteilungen und in Zeugnissen zu ächten bzw., wenn es z. B. um die Mitgliedschaft in einer Kirche oder religiösen Gruppe geht, als Privatangelegenheit zu behandeln, die niemanden etwas angeht. Aber ob ein gesetzliches Verbot dafür das richtige Mittel ist, daran haben wir Zweifel.
Bündnis 90/Die Grünen
Nach unserem Staatsverständnis sollte der Gesetzgeber nur dort sanktionierend eingreifen, wo ein nennenswertes gesellschaftliches Schutzbedürfnis besteht. Uns ist bisher nicht bekannt, dass bei Einstellungstests reihenweise mit besonders fragwürdigen Testverfahren gearbeitet würde. Im Übrigen kann natürlich jedes Eignungs- bzw. Testverfahren im Hinblick auf seine Geeignetheit zur Kompetenzermittlung hinterfragt werden, denn bekanntlich ändert sich ja auch der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis laufend.
5) Aufklärung über „Elektrosmog“ im Spannungsfeld zwischen reellen und eingebildeten Gefahren
Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben bislang keine Gesundheitsgefahren durch den normalen Umgang mit elektromagnetischen Strahlen nachweisen können. Dennoch herrscht in Teilen der Bevölkerung, teilweise angetrieben durch lautstarke Interessengruppen, große Verunsicherung, wenn nicht Angst, vor Elektrosmog. Welchen Handlungsbedarf sieht Ihre Partei beim Thema „Elektrosmog‘“ und darüber allgemein zu reellen und vermeintlichen Gefahren? Welche Rolle spielt dabei – nicht nur beim Thema „Elektrosmog“ – die Beteiligung von Wissenschaft und Forschung einerseits sowie Bürgerinitiativen andererseits, und wie sollen diese unterschiedlichen Positionen gegeneinander abgewogen werden?
CDU
Unter dem Schlagwort „Elektrosmog“ wird über das Thema „Auswirkungen von elektromagnetischen Feldern“ zunehmend eine sehr kontroverse und emotionale Diskussion geführt. Angesichts teilweise widersprüchlicher Veröffentlichungen in den Medien über mögliche Gesundheitsrisiken durch die elektromagnetischen Felder von Handys und Mobilfunk-Sendeanlagen reagieren die Bürger zunehmend verunsichert und besorgt. Den Bürgerinnen und Bürgern fehlen Informationen über die gesundheitlichen Auswirkungen der Mobilfunktechnologie, über deren Funktionsweise und den rechtlichen Hintergrund bei der Aufstellung der Mobilfunksendeanlagen.
Vor dem Hintergrund dieser zunehmenden Verunsicherung einerseits und der zu erwartende Errichtung weiterer Sendemasten durch die Entwicklung der UMTS-Technologie sieht die CDU Deutschlands dringenden politischen Handlungsbedarf.
In einem Antrag (Bundestagsdrucksache 14/7120), der sich zurzeit noch in der parlamentarischen Beratung befindet, setzt sich die CDU für eine verstärkte Information der Bevölkerung, flächendeckende Immissionsmessungen, Veröffentlichung der Werte, Kennzeichnung der Handys, Einbindung der Kommunen bei der Aufstellung von Mobilfunkmasten und vor allem für eine Intensivierung der Forschung bezüglich der noch offenen Fragen über die gesundheitlichen Auswirkungen niederfrequent gepulster Hochfrequenz, insbesondere im Hinblick auf Langzeitwirkungen, ein.
Durch dieses Maßnahmenpaket aus verbesserter Information der Bevölkerung in Verbindung mit einer intensiven Beteiligung von Wissenschaft und Forschung und verstärkter Einbindung der kommunalen Ebene, sind wir überzeugt, eine für alle Seiten tragfähige Lösung zu erzielen.
PDS
Allgemein mit dem Thema Elektrosmog hat sich die PDS-Bundestagsfraktion nicht auseinandergesetzt und dazu auch keine Positionen beschlossen. Anders verhält es sich mit der durch Mobilfunkanlagen verursachten Strahlung. Es ist bis heute wissenschaftlich nicht endgültig geklärt, ob diese elektromagnetischen Felder zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen bis hin zu schweren und schwersten Krankheiten führen können. Ausgeschlossen werden kann lediglich, dass es bei Einhaltung der in der in der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) festgelegten Grenzwerte zu thermischen Effekten, d. h. zur Schädigung des Gewebes durch Erwärmung kommt. Weder ausschließen noch zweifelsfrei nachweisen kann die Wissenschaft derzeit jedoch nichtthermische biologische Wirkungen der Mobilfunkstrahlung.
Im September 1999 wurde das ECOLOG-lnstitut Hannover von T-Mobil, der Mobilfunktochter der Deutschen Telekom-AG, beauftragt, den wissenschaftlichen Kenntnisstand zu möglichen Auswirkungen der Felder des Mobilfunks auf die Gesundheit auszuwerten und unter dem Gesichtspunkt des vorsorgenden Gesundheitsschutzes zu bewerten. Das Institut konstatierte in seiner inzwischen öffentlich gemachten Studie zahlreiche wissenschaftliche Hinweise auf Gesundheitsbeeinträchtigungen infolge hochfrequenter elektromagnetischer Felder, wie sie beim Mobilfunk verwendet werden, bereits weit unterhalb der in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte.
Dass diese nichtthermischen Wirkungen auf die menschliche Gesundheit vorhanden sind, hat auch die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage bestätigt: „Studien an Probanden schließen nicht aus, dass bei Einhaltung des Basisgrenzwertes von 2 Watt pro Kilogramm für die Teilkörperexposition das menschliche Gehirn in seinen physiologischen Reaktionen beeinflusst werden kann,“ heißt es darin.
Die PDS hält aus den genannten Gründen eine Absenkung der Immissionswerte und ihre Neufestlegung im Sinne vorsorglichen Gesundheitsschutzes für unerlässlich. Gleichzeitig tritt sie dafür ein, das als Bedrohung für die Gesundheit wahrgenommene Aufstellen von Mobilfunkanlagen zu demokratisieren, also die Betroffenen an den Entscheidungen zu beteiligen.
SPD
Die Bundesregierung hat sich im Dezember 2001 nach umfassender Prüfung entschlossen, den Empfehlungen der deutschen Strahlenschutzkommission zu folgen und an den geltenden Grenzwerten des Bundesimmissionsschutzgesetzes festzuhalten. Bereits bei deren Verabschiedung 1996 wurde über mögliche gesundheitsschädigende Wirkungen nicht-ionisierender Strahlung kontrovers diskutiert. Die SPD-Fraktion im Bundestag hat diese Problematik wiederholt aufgegriffen und gefordert, dass die Regelung dem aktuellen wissenschaftlichen Stand, aber auch dem Vorsorgeprinzip Rechnung trägt.
Auf Einladung des Bundesumweltministeriums hat ein Bürgerforum Elektrosmog stattgefunden, in dem über die Risiken des Elektrosmogs diskutiert wurde. Auf dem Gebiet des „Elektrosmogs“ wird seit Jahren national und international intensiv geforscht. Es wurden sowohl epidemologische Untersuchungen, Untersuchungen am Menschen, Tierversuche und Untersuchungen an Zellen und Gewebe durchgeführt und interdisziplinär überprüft. Mit Mitteln aus drei Bundesministerien und der Mobilfunkbetreiber stehen zwischen 2002 uns 2005 für verschiedene Forschungsrichtungen insgesamt 29 Mio. Euro zur Verfügung.
Anzustreben ist eine Lösung, die beiden Forderungen, sowohl der nach Bereitstellung und Nutzung des Mobilfunks, als auch der nach Minimierung der gesundheitlichen Risiken dieser Nutzung gerecht wird. Wir werden aufmerksam beobachten, ob es gelingt, die zentralen Aufgaben wie die Intensivierung der Forschung, Verbesserung von Transparenz und Information der Bevölkerung sowie die Umsetzung von Vorsorgemaßnahmen erfolgreich durchzuführen. Sollten die nunmehr eingeleiteten Forschungen gesicherte Kenntnisse einer Gesundheitsgefährdung ergeben oder die erwarteten Verbesserungen nicht eintreten, behalten wir uns in Absprache mit der Bundesregierung gesetzliche Regelungen vor.
Bündnis 90/Die Grünen
Angesichts der z.T. hochgradigen Verunsicherung in der Bevölkerung im Hinblick auf die gesundheitsschädigende Wirkung elektromagnetischer Strahlung nehmen wir als Partei das Thema sehr ernst. Wir haben uns in der Regierungskoalition für verschiedene Maßnahmen stark gemacht. Mobilfunk war Thema zahlreicher parlamentarischer Initiativen – von Anfragen bis hin zu Entschließungsanträgen und Anhörungen etwa im Umweltausschuss des Bundestags. Vorschnelle Urteile über Gefährdungen auf der einen Seite und Ignoranz gegenüber den Ängsten der Menschen auf der anderen Seite sind keine guten Ratgeber. Für uns ist in der Politik ein vorsorgeorientiertes Handeln notwendig, also bereits dann, wenn Anlass zu Besorgnis besteht. Politik muss sich mit allen Aspekten des Gesundheitsschutzes von Mobilfunkstrahlung beschäftigen – von der Höhe der Grenzwerte bis hin zur Auswahl der Senderstandorte.
Bisher war auch mangels eindeutiger wissenschaftlicher Beweise eine Verschärfung der Grenzwerte nicht durchsetzbar. Dennoch gibt es erkennbare Fortschritte: Wir haben den Aufbau des Mobilfunknetzes transparent gemacht, die Beteiligung der Bürger und die kommunalen Beteiligungsrechte bei der Standortwahl wesentlich verbessert. Wir erreichten im Dezember vergangenen Jahres eine Vereinbarung der Mobilfunkbetreiber mit der Bundesregierung. Sie beinhaltet regelmäßige Absprachen zwischen Kommunen und Mobilfunkbetreibern über Standortalternativen – insbesondere im Umkreis von sensiblen Standorten wie Kindergärten, Kliniken und Schulen. Dort sollen möglichst keine Sender mehr installiert werden. Die Betreiber sollen außerdem die Bevölkerung über konkrete Vorhaben sofort informieren.
In der politischen Diskussion um die Notwendigkeit einer Grenzwertsenkung soll sich künftig niemand mehr auf fehlende, wissenschaftliche Erkenntnisse zurückziehen können. Deshalb haben wir die Forschungsmittel für die Auswirkung des Mobilfunks auf die Gesundheit mehr als verdoppelt. Bis 2005 haben wir dem Umweltministerium mehr als 8,5 Millionen Euro für die Wirkungsforschung zur Verfügung gestellt. Das Forschungsministerium verfügt im gleichen Zeitraum mehr als 7 Mio Euro für die Förderung emissionsmindernder Technologien. Hier gilt das Hauptaugenmerk der Strahlenbelastung durch das Handy-Endgerät selbst. Künftig sollen diese bereits auf der Verpackung Daten über ihre jeweilige Strahlungsintensität tragen. Darüber hinaus sollen weniger strahlende Handys mit dem Label „strahlungsarm“ versehen werden. Auch dieser Aspekt ist Inhalt der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Mobilfunkbetreibern. Auf diesem Weg können Sie als Verbraucherin oder Verbraucher strahlungsarme Geräte sofort beim Kauf und nicht erst durch Lesen der Bedienungsanleitung erkennen. Bisher sträuben sich Handy-Hersteller jedoch noch gegen die Einführung eines solchen Labels.
Dieser Artikel erschien im "Skeptiker", Ausgabe 2/2002.