Jasmin Barman, Johannes Bergler
Im Skeptiker 1/2010 wurde die genetische Veränderung von Nutzpflanzen thematisiert. Der Diplom-Biologe Johannes Bergler, Zweitautor dieses Beitrags, hat in seinem Artikel "Grüne Gentechnik – eingebildete Gefahren" (Skeptiker 1/2010, S. 13–21) die Methodik erläutert und vor ideologisch motivierter Panikmache und deren Instrumentalisierung durch verschiedene Gruppen gewarnt.
Neben unrealistischen Ängsten und Vorurteilen gegenüber dem Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen existieren jedoch berechtigte Bedenken, die innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft durchaus diskutiert werden: die gentechnische Modifikation von Nutzpflanzen ist entgegen vieler Behauptungen nicht notwendigerweise präzise, sie ist nicht ohne Risiko und ihr Beitrag zur Lösung komplexer Probleme muss im Einzelfall beurteilt werden.
Zudem gefährdet eine unter Befürwortern verbreitete überoptimistische Darstellung des Potenzials gentechnisch veränderter Pflanzen das Vertrauen der Bevölkerung in die wissenschaftliche Arbeitsweise, sobald sich die vollmundigen Versprechungen als unerfüllbar erweisen. Wer Forschung und Entwicklung in einem umstrittenen Gebiet wie diesem betreibt, sollte dies gemeinsam mit der Öffentlichkeit tun und nicht über sie hinweg. Die genaue Aufklärung ist Voraussetzung für den rationalen Umgang und die bewusste Entscheidung für eine neue Technologie.
Folgenabschätzung
Der Begriff "Grüne Gentechnik" bezeichnet ein Spektrum an molekularbiologischen Methoden, mit deren Hilfe der Pflanze
gezielt ein oder mehrere Gene aus einer beliebigen anderen Art eingesetzt werden. Ferner besteht die Möglichkeit, arteigene Gene außerhalb der Zelle zu verändern und diese wieder in die Pflanze einzufügen. Ziel ist in beiden Fällen die Übertragung von erwünschten Eigenschaften, die sich durch bisherige Züchtungs- und Kreuzungsmethoden nicht erzeugen lassen. Als Technologieist die Grüne Gentechnik weder im pauschalen Sinn "gut" noch "böse", eine Bewertung muss zwangsläufig jede Anwendung samt zu erwartender Auswirkungen separat betrachten. Grundlage ist das aktuelle Wissen.
Das öffentliche Interesse an einer derartigen Einschätzung ist groß, ebenso die Bandbreite der potenziellen Vorteile und Risiken. Probleme können sowohl direkt durch die genetische Modifikation verursacht werden, als auch durch indirekte Effekte, die der Anbau dieser Pflanzen mit sich bringt. Jedoch wird eine Abschätzung der möglichen Folgen im Einzelfall erschwert durch die Menge potentieller Wechselwirkungen mit der Umwelt, die schwierige Kontrolle im Freiland wachsender Pflanzen sowie die soziale und wirtschaftliche Bereiche tangierenden Anwendungsgebiete.
Präzision vs. genetische Komplexität: Lassen sich genetische Eigenschaften einfach verpflanzen?
Der genetische Hintergrund
Gene sind Abschnitte der Erbsubstanz (DNA), die der Zelle eine Anleitung liefern, wie ein bestimmtes Eiweißmolekül (Protein) aus 21 Grundeinheiten, den Aminosäuren, zusammengesetzt werden soll. Häufig sind zusätzliche Informationen notwendig: Enzyme beispielsweise arbeiten meist in mehrstufigen oder zyklischen Stoffwechselprozessen zusammen und müssen zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Menge vorhanden sein, um ihre Wirkung zu entfalten.
Bringt man nun ein neues Gen in das bestehende System Zelle hinein, muss dies in Abstimmung mit der zelleigenen Ausstattung funktionieren. Nicht immer gelingt dies reibungslos: Abwehrmechanismen, die eigentlich zum Schutz vor Krankheitserregern entstanden sind, werden aktiviert und bauen die als fremd erkannte Information ab (gene silencing). Doch auch wenn ein funktionstüchtiges Protein hergestellt wird, kann das Gleichgewicht in der Zelle gestört werden. In einigen Fällen kommt es zur Konkurrenz um Ausgangsstoffe (Substrate) oder zum Abbau des eigentlich erwünschten Produktes.
Darüber hinaus treten immer wieder völlig unerwartete zusätzliche (pleiotrope) Effekte auf, die unter Umständen negative Auswirkungen mit sich bringen (Daniell 2002). Im Folgenden sollen zwei unerwartete Effekte von gentechnisch veränderten Pflanzensorten beschrieben werden.
Ruby Rice – der Zufallstreffer
Als positives Beispiel für Grüne Gentechnik wird gerne der um Prof. Ingo Potrykus von der Eidgenössisch Technischen Hochschule in Zürich entwickelte "Goldene Reis" aufgeführt, der seinen Namen der gelben Färbung der Körner verdankt (Ye et al. 2000). Von Natur aus enthalten Reiskörner kein Beta-Carotin, das eine Vorstufe von Vitamin A ist. Vitamin-A-Mangel führt in armen Bevölkerungsschichten in Entwicklungs- und Schwellenländern in größerem Maßstab zu Erblindungen im Kindesalter und einer generell erhöhten Sterblichkeit. Durch das Einfügen zweier Gene entstand der Goldene Reis, der Beta-Carotin herstellt: Die beiden eingebrachten Enzyme aus der Narzisse und dem Bakterium Erwinia uredovora greifen nacheinander in den pflanzeneigenen Syntheseweg Carotin-ähnlicher Substanzen ein, indem sie zelleigene Ausgangsstoffe abzweigen.
Doch das Beispiel Goldener Reis zeigt auch, wie unberechenbar sich Gene in einer neuen Umgebung verhalten: Das Stoffwechselprodukt der beiden neuen Enzyme ist nicht Beta-Carotin, sondern der chemisch sehr ähnliche rote Farbstoff Lycopen, den man u. a. aus der Tomate kennt. Als Forscher der Frage nachgingen, wieso der Reis trotzdem tut, was er soll, fanden sie ein reiseigenes, aber normalerweise inaktives Gen, das durch den Eingriff aktiv wird und Lycopen in Beta-Carotin umwandelt (Schaub et al. 2005). Der unerwartete Effekt betrifft denselben Stoffwechselweg und dieselbe Substanzklasse und führt zufällig anstatt zu rotem "Rubin-Reis" zum erwünschten goldenen Reiskorn.
Unerwarteter Effekt mit Tragweite
In anderen Fällen wirken sich unvorhergesehene Effekte negativ aus (Haslberger 2003). Die in dieser Studie untersuchten so genannten Bt-Maissorten tragen zusätzlich das Gen für das Cry1Ab-Toxin aus dem Bodenbakterium Bacillus thuringiensis (Bt). Das Gift in den Pflanzenzellen soll als Fraßschutz gegen einige der häufigsten Mais-Schädlinge wirken, darunter die Raupen der kleinen Schmetterlingsart Maiszünsler (Ostrinia nubilalis).
Eine nicht erwartete neue Eigenschaft ist die verstärkte Einlagerung von verholzenden Substanzen (Lignin) in Zellwände des tragenden Gewebes (Saxena et al. 2001). Die Verholzung beeinträchtigt ie Kompostierbarkeit des anfallenden
Pflanzenmaterials und erhöht damit die Verweildauer des Toxins im Boden. Negative Auswirkungen von Cry-Toxinen auf andere Insektenarten, darunter auch Nützlinge, sind bekannt (Hilbeck et al. 2006). Durch den Eintrag von Bt-Pflanzenresten in Gewässer werden zudem sehr wahrscheinlich auch wasserlebende Insekten wie die Köcherfliegenlarve geschädigt (Rosi-Marshall et al. 2007).
Aus Bakterienkulturen gewonnene Cry-Toxine werden schon seit den frühen 1980er Jahren als umweltverträgliches und spezifisch wirkendes Spritzmittel gegen die im Wasser lebenden Larven verschiedener Moskito- und Fliegenarten verwendet. Die Anwendung stellt eine erfolgreiche Maßnahme zur Eindämmung insektenübermittelter Erkrankungen wie Malaria, Denguefieber und Flussblindheit dar (Bravo 2007). Da der Spritzmittel-Einsatz nur am Anfang der Entwicklungsphase erfolgt, ist die Ausbildung von Resistenzen bisher nicht beobachtet worden. Die Wahrscheinlichkeit für resistente Larven wird jedoch durch den großflächigen Anbau von Bt-Pflanzen erhöht, da die ständige Verfügbarkeit des
gegen Toxins in der Umwelt und in den Gewässern einzelnen Tieren, die toleranter gegenüber dem Giftstoff sind, einen dauerhaften Vorteil verschafft.
Kontrollierbarkeit vs. biologische Komplexität: Auskreuzung eingeschlossen
Verteidiger der Grünen Gentechnik weisen häufig darauf hin, dass gentechnisch veränderte Pflanzensorten vor der Zulassung streng geprüft und als ungefährlich eingestuft wurden. Eine umfassende Bewertung ist allerdings nicht möglich, da sich die Wechselwirkungen mit der Umwelt im Vorfeld nicht erschöpfend absehen lassen. Besonders gilt dies für die Übertragung von Merkmalen der gentechnisch veränderten Pflanze auf Wild- und Kulturpflanzen durch Bestäubung (Auskreuzen) und die unabsichtliche Freisetzung z. B. durch Samen, die in die Umwelt gelangen.
Dass sich potenziell gefährliche Eigenschaften nicht unkontrolliert verbreiten dürfen, versteht sich von selbst. Aber auch wenn die eingefügte Veränderung selbst keine Gefährdung bedeutet, können dennoch Probleme durch indirekte Effekte auftreten. Gentechnisch veränderte Sorten unterscheiden sich in den neu eingebrachten Merkmalen von ihren Stammformen. Dieser Vorteil sollte nicht auf andere Organismen übertragen und damit neutralisiert werden.
Es besteht jedoch fast keine biologische Barriere für die Bestäubung von Nutzpflanzen durch gentechnisch veränderte Nutzpflanzen derselben Art. Auch die Übertragung auf andere Arten ist möglich. Alle unsere Nutzpflanzen stammen von Wildformen ab, mit denen sie meist noch immer Nachwuchs erzeugen können und in einem regelmäßigen genetischen Austausch stehen. Selbst die bei Tieren eher als seltene Kuriosität bekannte Hybridisierung (Mischung aus zwei oder mehreren Arten) kommt bei Pflanzen regelmäßig vor (Ellstrand 2003) – einige Kulturpflanzen wie der Raps (Brassica napus) sind sogar selbst Hybride (aus Rübsen und Gemüsekohl).
Vorsichtsmaßnahmen gegen das Auskreuzen werden zwar getroffen, z. B. durch Pufferzonen zwischen den Anbauflächen und zeitlich getrennte Blühphasen. Aber lässt sich das Ausbreitungspotenzial von Pflanzen auch langfristig kontrollieren? Pollen und Samen werden unter Umständen kilometerweit durch Wind, Tiere und Autoreifen verschleppt, durch Nahrungsmittelimporte, Hilfslieferungen und multinational agierende Saatgutkonzerne verbreitet. Samen und überdauernde Pflanzenteile können Jahre im Boden verbleiben, bis sie bei günstigen Bedingungen keimen und wieder austreiben.
Blühphasen sind von äußeren Reizen geleitet und jeder Acker kennt Frühreife und Spätzünder. Zwar wurden genetische Techniken zur Sterilisierung von Samen und/oder Pollen entwickelt, sie können jedoch keine lückenlose Unterdrückung der Fruchtbarkeit gewährleisten und werden selbst zum Problem (s. u.). Eine völlige Trennung von Wild- und Kulturpflanzen einerseits und im Freiland wachsenden, gentechnisch veränderten Pflanzen andererseits ist praktisch nicht umsetzbar.
Auskreuzung auf nahe verwandte Wildpflanzen
Welche einschneidenden Folgen die Übertragung von gentechnisch erzeugten Eigenschaften auf Wildpflanzen haben kann, zeigt das Beispiel der Herbizid-Resistenz bei Unkräutern. Das 1974 auf den Markt gekommene Herbizid Glyphosat (Handelsname Roundup) ist eine relativ unproblematische Substanz, da sie für Tiere weitgehend ungiftig ist und sich im Boden rasch zersetzt (Duke 2008). Glyphosat ist giftig für alle grünen Pflanzen, sodass der Acker vor der Aussaat einfach von Bewuchs befreit werden kann und aufwändige Bodenbearbeitungen überflüssig werden.
Weil Glyphosat während der Wuchssaison normalerweise nicht eingesetzt werden kann, muss man auf andere Techniken zur Eindämmung des Unkrauts zurückgreifen. Eine Resistenzentwicklung bei Unkräutern stellte praktisch kein Problem dar, bis 1996 gentechnisch veränderte Pflanzensorten eingeführt wurden. Die seitdem entstehenden resistenten Unkräuter verursachen in den USA durch Ertragseinbußen und dem gesteigerten Bedarf an Herbiziden jährlich einen enormen wirtschaftlichen Schaden (Benbrook 2009). Was ist passiert?
Gentechnische Verhaltensänderung
2007 waren in den USA über 90 % aller angebauten Baumwoll- und Sojapflanzen und 60 % der Maispflanzen durch gentechnische Modifikation resistent gegenüber Glyphosat. Dass nun auch viele Unkräuter resistent gegen Glyphosat wurden, ist direkt und indirekt aufden massenhaften Einsatz der genveränderten Pflanzen zurückzuführen: Das Auskreuzen der Resistenz auf wilde Verwandte, die dadurch erst zu problematischen Unkräutern werden, konnte in mehreren Fällen als Ursache identifiziert werden.
In einem Fall hielt und verbreitete sich die Resistenzeigenschaft über den gesamten Beobachtungszeitraum von sechs Jahren in der Unkrautpopulation (Warwick 2007). Entscheidend für die rapide Zunahme von Resistenzen in Wildpflanzen dürfte aber das veränderte Unkraut-Management der Landwirte sein. Resistente Pflanzenindividuen sind vermutlich schon vor 1996 durch spontane Veränderung des Erbgutes (Mutation) der Unkräuter aufgetreten. Sie fielen aber spätestens der nächsten Bekämpfungsmaßnahme durch andere Methoden zum Opfer. Erst mit der Möglichkeit, die Felder während der gesamten Wachstumsphase ausschließlich mit Glyphosat zu behandeln, entsteht ein dauerhafter Vorteil für resistente Individuen: da alle anderen konkurrierenden Unkrautpflanzen verlässlich ausgeschaltet werden, können resistente Pflanzen ungestört im Feld wachsen und sich vermehren (Powels 2008).
Wissenschaftler und Saatgutkonzerne als Anbieter sowohl der gentechnisch veränderten Sorten als auch der Herbizide haben das Problem erkannt und versuchen, die bedrohliche Entwicklung zu stoppen: Der Anbau von Nutzpflanzen mit Mehrfachresistenzen und die Rückkehr zu einer Unkrauteindämmung mittels verschiedener Methoden sind effektive Präventionsstrategien. Es ist aber fraglich, ob Landwirte auf der ganzen Welt den Mehraufwand auf sich nehmen, bevor dies unumgänglich ist. Es wäre wünschenswert, wenn es zu einer raschen Eindämmung Glyphosat-resistenter Unkräuter käme – ein vergleichbar unproblematisches Herbizid als Alternative ist bisher nämlich nicht bekannt.
Auskreuzung auf dieselbe Nutzpflanzenart: Beispiel Biopharming
Auch die Übertragung von Eigenschaften auf andere Sorten derselben Nutzpflanzenart kann zum Problem werden. Beispielsweise wenn nicht für den Verzehr geeignete industrielle Rohstoffe oder pharmakologisch aktive Substanzen produziert werden sollen (Biopharming). Grundsätzlich ist Biopharming eine vielversprechende Technologie. Pflanzen als Produktionsstätten für komplexe organische Moleküle wie menschliche Enzyme, Antikörper oder impfstoffverstärkende Proteine bieten enorme Vorteile (Chakauya et al. 2006, Mikschofsky et al. 2009).
Die günstige Herstellung in großem Maßstab würde viele derzeit noch enorm kostspielige therapeutische Produkte bezahlbar machen, Kontaminationen mit menschlichen und tierischen Krankheitserregern oder bakteriellen Giftstoffen (Endotoxine) wären hingegen unwahrscheinlich. Pflanzen haben ähnliche zelleigene Systeme zur Modifikation von Proteinen (z. B. zum Anhängen von speziellen Zuckerresten) und können die für die Funktion entscheidende dreidimensionale Faltung häufig korrekt auszuführen. Ein Ziel im Biopharming ist z. B. die Therapie durch den bloßen Verzehr gentechnisch veränderter Lebensmittel wie z. B. Bananen, die ein Protein aus dem Choleraerreger enthalten, das die Immunantwort verstärkt (Renuga et al. 2010).
Soweit die Theorie. Eine gentechnisch veränderte Pflanze ist aber keine umprogrammierte, statische Maschine: Ihr Erbgut kann sich beispielsweise unter dem Einfluss von UV-Strahlung verändern, es kann brechen und sich neu zusammenlagern. Ein Protein, das die menschliche Immunantwort vervielfacht, kann in einer Nahrungspflanze unabsehbare Folgen haben: die erleichterte Immunisierung gegenüber pflanzeneigenen Proteinen ist ein ungemütliches, aber denkbares Szenario.
Deshalb wird eine mögliche Kontamination von Nahrungsmitteln in Expertenkreisen als unbedingt zu vermeidendes Risiko angesehen, so überzeugend die Vorteile eines pflanzlichen Produktionssystems für pharmakologisch aktive Substanzen auch sind. Man empfiehlt daher die Verwendung von Pflanzenarten, die nicht zur Nahrungsmittelerzeugung dienen (Elbehri 2005).
Gene containment: Mein Gen gehört mir
Zur Verhinderung einer möglichen Auskreuzung existieren verschiedene Ansätze auf genetischer Ebene (gene containment). GURT (Genetic Use Restriction Technologies) ist der Überbegriff für eine Gruppe von gentechnischen Methoden, die die Sterilität von Pollen und Samen zum Ziel haben. Damit soll eine Auskreuzung sowie die Nutzung von patentgeschützten Veränderungen an Pflanzen durch Dritte verhindert werden.
Auch die bekannte "Terminator-Technologie" ist eine Form von GURT. Sie beruht auf dem virusbasierten Cre/lox–System. Zu einem bestimmten Zeitpunkt, in einem speziellen Gewebe oder auf ein äußeres Signal hin können damit Gene aus der DNA ausgeschnitten werden. Entfernt man z. B. ein für die Reifung des Samens notwendiges Gen, kann man unfruchtbares Saatgut erzeugen (Odell et al. 1994).
Um zuverlässig zu wirken, müssen jedoch alle am Cre/lox-System beteiligten Gene mitsamt allen regulierenden und zusätzlichen DNA-Elementen vorhanden und funktionstüchtig sein; bei Verwendung eines äußeren Stimulus muss dieser flächendeckend aufgebracht werden. Auch mit diesen Methoden kann die Verbreitung von Genen nicht zuverlässig verhindert werden. Das Terminator-Konstrukt selbst ist jedoch auch in den Pollen enthalten. Die Bestäubung von Nachbarfeldern kann dadurch zu einer verringerten Keimungsfähigkeit der Samen der nächsten Generation führen, möglicherweise mit katastrophalen Folgen für Bauern, die die Wiederaussaat eines Teils der eigenen Ernte praktizieren.
Nie da gewesener Eingriff in die Souveränität
Die Erzeugung steriler Samen hat noch einen weiteren höchst bedenklichen Aspekt, der letztendlich uns alle betrifft. Die heutigen Nutzpflanzen und ihre Sortenvielfalt haben ihren Ursprung in der "künstlichen Zuchtwahl" (Darwin 1859), der Auslese der besten Samen für die nächste Aussaat durch den Menschen. Über diesen Prozess sind durch die kontinuierlich verbesserte Anpassung an die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten zahlreiche lokale Sorten mit eigenen Besonderheiten entstanden.
Dank dieser Vielfalt können Landwirte bei Epidemien auf andere Sorten zurückgreifen. Nachdem der Weinbau in Europa ab den 1860er Jahren durch die Reblaus zum allergrößten Teil zum Erliegen gekommen war, konnte man auf resistente Sorten aus den USA ausweichen, die heute noch die Grundlage für den europäischen Wein bilden (Aufpfropfung). Eine Verknappung der Sortenvielfalt, wie sie die Verwendung von flächendeckendem Saatgut mit sich bringt, birgt dagegen die Gefahr, dass im Falle einer Epidemie keine Ausweichmöglichkeiten mehr zur Verfügung stehen.
Bereits vor Einführung der Grünen Gentechnik haben die Modernisierung der Landwirtschaft und die Einführung von Hybrid-Sorten, die bei der nächsten Aussaat weniger Ertrag liefern, zum Verlust vieler Kultursorten geführt. Steriles Saatgut jedoch greift grundlegend in die Souveränität der Bauern ein und gefährdet darüber hinaus langfristig die Lebensmittelsicherheit. Momentan wird die Anwendung der Technologien noch durch ein Moratorium der UN weltweit untersagt, Vertreter der Gentechnik-Branche arbeiten jedoch an einer Lockerung des Verbots.
Goldenes Gentechzeitalter: Überall wird (Reis) nur mit Wasser gekocht
Wie oben angeführt, wirft der Einsatz gentechnisch veränderter Nutzpflanzen eine Reihe von Fragen auf und hat durchaus auch negative Konsequenzen: Werden diese durch Vorteile aufgewogen? Wie viel Zusatznutzen bringen gentechnisch veränderte Sorten und entspricht der versprochene Mehrwert den Bedürfnissen der Bevölkerung in der westlichen Welt sowie in den Schwellen- und Entwicklungsländern?
Quantitativer Nutzen
Bedeutet der Einsatz Grüner Gentechnik höhere Erträge, und wenn ja, kann auf diese Weise der Hunger in der Welt vermindert werden? Tatsächlich konnten in vielen Studien höhere Erträge gentechnisch veränderter Sorten gezeigt werden. Die langfristige Perspektive hängt jedoch von den oben genannten Problemen wie Resistenzbildungen bei Schadinsekten und Unkräutern ab. Auch sind gentechnisch veränderte Pflanzen entgegen allzu optimistischer Annahmen nicht grundsätzlich immun gegen schädliche Umwelteinflüsse: Eine Vielzahl von Viren, Pilzen und Insektenarten, Unterschiede im Klima und in den Bodeneigenschaften lassen es fraglich erscheinen, inwieweit die Beschränkung auf einige wenige Designersorten für die Äcker der Welt Gewinn bringt.
Zudem ist der Ertrag nicht notwendigerweise das wichtigste Kriterium für den Einsatz einer Sorte: gut angepasste, die regionalen Ressourcen schonende lokale Sorten können in einer Gesamtbewertung positiver abschneiden. Auch die Gleichung "mehr Ertrag = weniger Hunger" sollte mit Vorbehalt angebracht werden, denn eine auf Masse und Export ausgerichtete Agrarwirtschaft, in der hauptsächlich "cash crops" (Baumwolle, Mais, Weizen, Kaffee etc.) auf Kosten anderer Agrarprodukte angebaut werden, bedient nicht den landeseigenen Markt und richtet sich daher nicht nach den Bedürfnissen der ansässigen Bevölkerung. Die Ertragssteigerung bei cash crops dagegen führt bei vielen agrarischen Rohstoffen zu einem Preisverfall auf dem Weltmarkt, so dass mehr Ertrag nicht notwendigerweise mehr Gewinn bedeutet.
Chance für Nischenpflanzen
Trockene und versalzte Standorte, Viren und Pilzinfektionen setzen Bauern und kleinen Landwirtschaftsbetrieben zu. Gezielte gentechnische Maßnahmen können diese Probleme verringern. So ist der Anbau von Papaya durch den sich weltweit ausbreitenden Papaya-Ringspot Virus gefährdet. 1992 waren die Plantagen auf Hawaii zu 95 % vernichtet. Gleichzeitig befand sich eine gegen diemeisten Varianten des Virus resistente Sorte in der Entwicklung, bei der ein zelleigener Abwehrmechanismus gegen fremdes Erbgut genutzt wird (gene silencing): Die Pflanzen sind sozusagen "vorinfiziert" (Chiang et al. 2001).
Die gentechnisch veränderte Sorte bildet mittlerweile – in mehrere andere Sorten eingekreuzt – die Basis der Papaya-Industrie auf Hawaii. Die Früchte sind in den USA und Japan zum Verzehr zugelassen, Papaya-Varietäten für andere Länder befinden sich in der Entwicklung (Gonsalves 2004).
Qualitativer Nutzen
Das Paradebeispiel für eine genetisch veränderte Pflanzensorte mit einer nützlichen neuen Eigenschaft ist der Goldene Reis, an den sich, wie oben beschrieben, Hoffnungen auf eine Linderung von Vitamin-A-Mangelerkrankungen in armen Ländern knüpfen. Die Gründe für den Mangel sind jedoch komplex: Ursachen sind eine einseitige, an Gemüse, Obst und vor allem tierischen Produkten arme Ernährung und die ungenügende Aufnahme des Vitamins und seiner Vorstufen wegen weit verbreiteter Magen- und Darmerkrankungen.
Zudem sind Beta-Carotin und Vitamin A fettlösliche Substanzen, deren Resorption eine kleine Menge Nahrungsmittelfett im Essen voraussetzt. Reis wird jedoch überall auf der Welt mit Wasser gekocht, Öl und Fett sind in vielen Ländern teuer und daher nicht Bestandteil jeder Mahlzeit (Solomons et al. 1993; Muniz-Junqueira 2002; Ribaya-Mercado 2007). Selbst die Messungen zur Aufnahmefähigkeit des Beta-Carotins aus dem Goldenen Reis wurden ausnahmslos mit einer Fettquelle durchgeführt (Potrykus 2010, pers. Kommunikation).
Trotz dieser Einschränkungen könnte der Goldene Reis dennoch zur Vitaminversorgung beitragen: warum beispielsweise nicht als Bestandteil einer ausgewogenen Mahlzeit in Projekten für Straßenkinder? So würde der Goldene Reis auch bei denen ankommen, für die er gedacht ist.
Grüne Gentechnik für Dritte Welt
Damit sich der Goldene Reis in den unterprivilegierten Bevölkerungsschichten der Schwellen- und Entwicklungsländer durchsetzen kann, haben die Patenthalter auf jegliche Ansprüche verzichtet, das Saatgut soll sogar kostenlos abgegeben werden. Dieser Verzicht auf Gewinn stellt jedoch in der Branche eine Ausnahme dar. Saatguthersteller sind keine Wohltätigkeitsorganisationen und haben ein legitimes Interesse daran, ihre Produkte mit Gewinn zu verkaufen – dieses Interesse kann durchaus dem der Allgemeinheit zuwiderlaufen.
Problematisch wird die Situation bei einer Konzentration auf wenige Anbieter, wie es im Saatgutmarkt seit geraumer Zeit zu beobachten ist. Die Vorgänge werden in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern mit Sorge beobachtet und der Einsatz der gentechnisch veränderten Sorten wird kontrovers durch alle gesellschaftlichen Schichten hindurch diskutiert (z. B. Indien: Seetharam 2010).
Fazit
Mit Bedacht gewählte, sinnvolle Anwendungen von genetisch veränderten Pflanzensorten können die Akzeptanz der Technologie in der Bevölkerung stärken. Für die notwendige differenzierte Diskussion sollten die Bedenken der Öffentlichkeit ernst genommen und allgemeinverständliche Information zu den Hintergründen bereitgestellt werden. Es wäre wünschenswert, dass die Bewertungen von Nutzen und Risiko mit dem Bewusstsein geschieht, wie beschränkt das vorhandene Wissen über biologische Zusammenhänge noch immer ist. Die klare Distanzierung von problematischen Techniken ist Voraussetzung für einen rationalen Diskurs und verhindert auch den Erfolg einer "Monster-mit-Wurzeln"-Rhetorik ideologisch motivierter Kritik, die Forschung und Entwicklung in diesem vielversprechenden Technologiezweig behindert.
Jasmin Barman
hat in Heidelberg und Kuopio (Finnland) Biologie studiert und mit dem Diplom abgeschlossen. Derzeit promoviert sie in Zürich über die seltene erbliche Lichtkrankheit erythropoietische Protoporphyrie.
Johannes Bergler
schloss 2008 das Studium der Biologie an der FAU Erlangen ab und promoviert derzeit als Stipendiat der Universität Bayern e.V. am Lehrstuhl für Molekulare Pflanzenphysiologie der FAU Erlangen.
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