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13.07.2012

ABERGLAUBE
INTERVIEW MIT LEO IGWE, HUMANIST UND MENSCHENRECHTLER

GWUP: Herr Igwe, Sie engagieren sich gegen die Verfolgung von Albinos in Afrika. Wie sieht diese Verfolgung konkret aus und welche Rolle spielt der Aberglaube dabei?

 

Leo Igwe: Die Verfolgung nimmt viele Formen an, sowohl in physischer als auch in psychischer Hinsicht, vor allem bei Kindern. Albinos werden stigmatisiert, anders behandelt als die „Normalen“, und man gibt ihnen ausdrücklich zu verstehen, dass sie nicht als vollwertige Menschen gelten. Viele werden gezwungen, die Schule abzubrechen. Im Berufsleben setzt sich die Diskriminierung fort. Das Ganze gipfelt darin, dass Albinos immer wieder gezielt zu rituellen Zwecken ermordet werden.

 

Welche Länder sind besonders betroffen, und wie viele Opfer gibt es?

 

Der Schwerpunkt liegt in Ost-, West- und Zentralafrika. Die genaue Anzahl der Opfer lässt sich nur schwer angeben, da diese Länder über keine verlässlichen Statistiken verfügen. Schätzungen belaufen sich jedoch auf Zehntausende. 

 

Und die Täter? Müssen sie mit Konsequenzen rechnen?

 

In den meisten Fällen kommen die Täter ungeschoren davon, werden weder verhaftet noch strafrechtlich belangt. Zwar ist es vor kurzem in einigen afrikanischen Ländern  zu vereinzelten Anklagen gekommen, doch ist die Zahl verschwindend gering, verglichen mit dem Ausmaß des Problems.

 

Wie stark ist das Bewusstsein für die Problematik in den betroffenen Ländern ausgeprägt?

 

Angesichts der enormen Verbreitung von Aberglaube und magischem Denken ist ein kritisches Bewusstsein nur schwach ausgeprägt. Bei der Bevölkerung sind die abergläubischen Vorstellungen so tief im Denken verwurzelt, dass eine kritische Haltung nur schwer angenommen wird. Hinzu kommt, dass viele Menschen in Fragen des Okkulten ihre Zweifel lieber unterdrücken. Zum Problembewusstsein gehören Zweifel oder Unglaube, und damit wollen sich nur Wenige identifizieren.

 

Welche Möglichkeiten haben Albinos, sich zu schützen?

Sie müssen sehr vorsichtig sein, gefährliche Gegenden oder Gruppen meiden und gegenüber anderen Albinos Gemeinschaftsgefühl und Solidarität leben. Weiter können die Betroffenen dazu beitragen, Mythen und Fehlvorstellungen über ihresgleichen zu zerstreuen. Und sie können die Regierung dazu bewegen, die Bevölkerung aufzuklären und sicherzustellen, dass die Verfolger zur Verantwortung gezogen werden.

 

Sind auch andere Bevölkerungsgruppen durch abergläubische Vorstellungen bedroht?

Ja, sind sie. Beispielsweise kommt es vielfach zu Morden an Buckligen, weil man glaubt, dass ihr Buckel Quecksilber oder eine magische Substanz enthält. Zurzeit organisiere ich, gemeinsam mit Aktiven vor Ort, Geldmittel und Unterstützung für drei Kinder in Nigeria, deren Mutter im vergangenen Jahr wegen ihres Buckels ermordet wurde. Die Tat hatte aller Wahrscheinlichkeit nach einen rituellen Hintergrund,

 

Vielfach kommt es auch zur Tötung von Neugeborenen mit Behinderungen, da man sie als „Fluch“ der Familie betrachtet. Alte werden ebenfalls ermordet, Grund ist der verbreitete Aberglaube, dass sie als „Hexen“ die Schuld an allen Unglücksfällen in der Familie tragen.

 

 

Übersetzung: Inge Hüsgen

 

 

 

 

 

 

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