17.02.2013 (GWUP): Haben Lobbyisten dafür gesorgt, dass homöopathiekritische Informationen von der Website der britischen Gesundheitsbehörde National Health Service verschwinden? Berichte in der Tageszeitung The Guardian und in verschiedenen Foren erwecken zumindest diesen Eindruck.
Der National Health Servic bietet mit NHS Choices die nach eigenen Angaben größte britische Website zu Gesundheitsthemen. Diese soll es den Besuchern ermöglichen, anhand verlässlicher Quellen die richtigen Entscheidungen für ihre Gesundheit und ihren Lebensstil zu treffen sowie den richtigen Arzt oder die richtige Klinik zu finden. Um sicherzustellen, dass die angebotenen Informationen zuverlässig sind, wurde die Website zertifiziert. Wie die Journalistin Sarah Boseley nun im Guardian schreibt, wurde die kritische Darstellung der Homöopathie auf der Website unterdrückt, nachdem sich Mitglieder einer mittlerweile aufgelösten Wohltätigkeitsorganisation, der Prince Charles Foundation for Integrated Health (FIH), an die Beamten des Gesundheitsministeriums gewandt hatten. Der ursprüngliche Text, der klar die wissenschaftliche Unmöglichkeit der Homöopathie herausgestellt hatte, wurde jedoch zugunsten eines unkritischen Textes gestrichen, der lediglich Links zu Berichten über das Fehlen jeglicher Beweise für die Homöopathie enthält. Ruchbar wurde die Angelegenheit, nachdem der Mediziner und Alternativmedizin-Kritiker Prof. David Colquhoun unter Berufung auf den Freedom of Information Act Einsicht in die Unterlagen zu dem Vorgang verlangt hatte. David Mattin, ein früherer Redakteur bei NHS Choices, gab Colquhoun gegenüber zu, dass hier Patienten in die Irre geführt worden seien. Ursprünglich hatte er einen homöopathiekritischen Text verfasst, in dem er klarstellte, dass die Grundsätze der Homöopathie eine Verletzung aller heute angewandten Theorien in Medizin, Chemie, Biologie und Physik darstellten (eine Position, die u. a. von GWUP-Wissenschaftsratsmitglied Prof. Martin Martin Lambeck geteilt wird. Nachdem sich die FIH jedoch an das Gesundheitsministerium gewandt hatte erhielt Mattin dem Guardian-Artikel zufolge Post vom Ministerium mit der Bitte um Einsicht in den Text - und entschärfte ihn.
Mattin räumt ein, mit der Veröffentlichung der unkritischen Inhalte zum Thema Homöopathie seien die redaktionellen Standards der NHS-Choices-Website verletzt worden. Man habe – wohl um Ärger mit den Alternativmedizinern zu vermeiden – den Weg des geringsten Widerstandes gewählt und spezielle Interessen und Politik vor die Wahrheit über Gesundheit und Gesundheitspflege gestellt.
Außerdem soll sich die FIH nochmals nachhaltig gegen den früheren Lehrstuhlinhaber für Alternativmedizin, Edzard Ernst, als Berater ausgesprochen haben. Dieser hat seinen Posten mittlerweile auch aufgegeben, freilich ohne deswegen auf Kritik an ,,alternativen“ Heilmethoden zu verzichten Er steht damit auch keineswegs allein. Für Dame Sally Davies, Chief Medical Officer und damit die höchstrangige amtliche Gesundheitsberaterin in Großbritannien, ist die Hahnemann'sche Lehre schlicht ein Ärgernis. Die Medizinprofessorin, entsetzt darüber, dass Homöopathie noch immer über den National Health Service zur Verfügung gestellt wird, sagte in einer Stellungnahme gegenüber dem House of Commons Science and Technology Committee, homöopathische Medikamente seien ,,Müll“ und nicht besser als Placebos. Sie brachte ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass Homöopathen ihre Medikamente sogar gegen Malaria und Infektionskrankheiten anwenden. Homöopathen bezeichnete sie in ihrem Furor als „Hausierer“. Das Komitee, der wissenschaftliche Beirat der Regierung, hatte sich selbst bereits vor einiger Zeit gegen die Erstattung von Homöopathika über die staatlichen Gesundheitssysteme ausgesprochen.
Holger von Rybinski
David Colquhoun bietet eine interessante Zusammenfassung der Vorgänge auf seinem Blog-Eintrag ,,Policy-based evidence. Department of Health and Prince’s Foundation censor accurate information about magic medicines" .