04.11.2011 (GWUP): In Düsseldorf scheint nun ein Streit über die Rehabilitierung von zwei im Jahre 1738 als Hexen hingerichteten Frauen entschieden zu sein. Das Urteil wird nicht - wie von dem Düsseldorfer Andreas Vogt vorgeschlagen - nachträglich aufgehoben, stattdessen sollen die Frauen auf andere Art nachträglich geehrt werden.
Ist es sinnvoll, ein vor über zweihundert Jahren gefälltes Urteil, das den damals Betroffenen heute nicht mehr helfen kann, nachträglich aufzuheben? Ist ein Urteil nach dem Blickwinkel der damaligen Zeit als gerechtfertigt anzusehen? Diese und andere Fragen wurden in den letzten Tagen in Düsseldorf diskutiert, nachdem Andreas Vogt sich für die Rehabilitation der 1738 hingerichteten 16-jährigen Helena Curtens und der 47-jährigen Agnes Olmans stark gemacht hatte. Ein Schöffengericht aus dem heutigen Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim hatte die beiden Frauen als Hexen zum Tode durch Verbrennen verurteilt. Vogts Plan stieß jedoch auf unerwarteten Widerstand. Ein Argument war, der Düsseldorfer Stadtrat sei nicht Rechtsnachfolger des damaligen Landgerichts, er könne die Frauen daher rechtlich nicht rehabilitieren. Von vielen sicherlich mit Verwunderung zur Kenntnis genommen wurde jedoch das Argument eines Theologen, der nach Studium der alten Gerichtsakten zu der Erkenntnis gelangte, da die beiden verurteilten Frauen in „abergläubische Praktiken und phytotherapeutisches Detailwissen involviert waren" könnten sie wohl nicht ganz unschuldig sein.
Wenn man jedoch weiß, dass seinerzeit die Beweisführung durch den Einsatz von Folter erfolgte, sind solche Schlussfolgerungen absurd. Markus Kompa brachte es in einem Artikel auf „Telepolis“ ironisch auf den Punkt: Freunde von Halloween und Akupunktur müssten sich in Düsseldorf wohl künftig in Mäßigung üben, denn der Stadtrat stehe offenbar zur Wahrheitsfindung durch Nadelprobe (einer Foltermethode der Inquisition). Wobei außerdem hier zu klären wäre, inwiefern sich jemand schuldig macht, nur weil er abergläubisch ist, zumal der Aberglaube der damaligen Richter ja zum Tode der Frauen führte. Der Düsseldorfer Vogt hingegen hatte eindeutig eine sozialethische, nicht eine juristische Rehabilitation der beiden Frauen im Sinn, als Zeichen gegen Gewalt und Gewalt gegen Andersdenkende. Damit folgt er einer Reihe von ähnlichen Initiativen, die in anderen Städten eine verspätete Wiedergutmachung an Tausenden unschuldig verfolgter und hingerichteter Frauen und Männer versuchen, die einst Opfer des Hexenwahns wurden. So hat die nordrhein-westfälische Kleinstadt Hilchenbach dieses Jahr zumindest symbolisch das Urteil über 21 seinerzeit als Hexen verurteilter Frauen zurückgenommen. Städte wie Hofheim, Eschwege und Rüthen folgten.
Als Gründe für diese Initiativen wurden u. a. genannt, es sei ein Zeichen gegen die Todesstrafe, eine Warnung davor, dass so etwas wieder passieren könne (was angesichts des derzeit in einigen Ländern Westafrikas grassierenden Hexenwahns leider von bedrückender Aktualität ist). Der Arbeitskreis „Hexenverfolgungen in Nordrhein-Westfalen“ gibt einen Überblick über die aktuellen Projekte zur Wiederherstellung der Reputation der Hexenwahn-Opfer.
Vielleicht gehen die Uhren in Düsseldorf ja anders. Vielleicht findet man in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt aber auch eine andere Möglichkeit, Helena Curtens und Agnes Olmans stellvertretend für viele andere Opfer des Hexenwahns zu ehren. Erst mal ist ein Gedenken im Stadrat geplant, über eine Straßenumbenennung wird einem ,,Welt-Artikel" zufolge noch entschieden.
Holger von Rybinski