Achtung Triggerwarnung!
Wie effektiv sind Triggerwarnungen?
Timur Sevincer
Wie effektiv sind Triggerwarnungen?
Timur Sevincer
Doch erfüllen Triggerwarnungen tatsächlich die Funktionen, die sie erfüllen sollen? In Gesellschaft und Wissenschaft wird lebhaft darüber diskutiert, ob Triggerwarnungen eher nützlich, wirkungslos, oder sogar schädlich sind (Knox 2017; Lothian 2016; Maxfield 2019).
»Ein Meinungsartikel in der New York Times ließ sowohl Befürworter als auch Gegner von Triggerwarnungen zu Wort kommen ( New York Times 2016). Unter den veröffentlichten Statements ist eines mit dem Titel: „Vertrau mir, Triggerwarnungen sind hilfreich“, ohne dass darin systematische, empirische Evidenz dafür angeführt wird (Karasek 2016; New York Times 2016).«
In einer wissenschaftlichen Publikation wird behauptet, dass Warnungen „es den Studierenden ermöglichen, sich auf das Material und ihre möglichen Reaktionen vorzubereiten, indem sie ihre eigenen emotionalen Ressourcen mobilisieren“ (Laguardia et al. 2017, S. 890). Ob Triggerwarnungen hilfreich sind, ist eine wissenschaftlich-empirische Frage und sicher keine Pseudowissenschaft. Es ist aber eine skeptische Frage, ob eine Maßnahme, die eingesetzt wird, um einen erwünschten Effekt zu erzielen (z. B. Personen vor Unbehagen zu bewahren), auch tatsächlich den erwünschten Effekt hat, oder ob sie stattdessen einen unerwünschten Nebeneffekt hat (z. B. zu mehr Anspannung führt).
Insofern ist die Frage nach der Wirksamkeit von Triggerwarnungen durchaus vergleichbar mit typisch skeptischen Fragen, wie z. B.ob bestimmte Abnehmtipps wirklich beim Abnehmen helfen oder ob bestimmte medizinische Praktiken (z. B. Homöopathie) wirklich gegen ein Leiden helfen.
Aber werden Triggerwarnungen denn überhaupt eingesetzt? Wer im Internet surft oder Serien schaut, ist wahrscheinlich schon mal auf eine Triggerwarnung gestoßen. Aber auch in der Hochschullehre werden Triggerwarnungen eingesetzt, um Studierende vor unangenehmen Erfahrungen zu bewahren. Eine Umfrage in den USA ergab, dass mehr als die Hälfte der Professorinnen und Professoren bereits Triggerwarnungen eingesetzt hat (Kamenetz 2016). Eine aktuelle Studie mit Studierenden der Geisteswissenschaften in Deutschland hat ergeben, dass die Mehrheit der Studierenden (58 Prozent) schon einmal eine Triggerwarnung erhalten hat. Eine erhebliche Minderheit der Studierenden (40 Prozent) hat erlebt, dass von Studierenden Triggerwarnungen in Lehrveranstaltungen gewünscht wurden (Sevincer et al. 2025).
In den USA, wo die Verwendung von Triggerwarnungen in der höheren Bildung ihren Ursprung hat, wird schon seit Längerem eine gesellschaftliche Debatte über deren Zweckmäßigkeit geführt. So titelte beispielsweise die New York Times: „Warnung – der Literaturkanon könnte Studenten beunruhigen“ (Medina 2014). Der New Yorker schrieb: „Was, wenn Triggerwarnungen nicht helfen?“ (Gersen 2021) und der Chronicle of Higher Education schrieb: „Der Wunsch der Studenten nach Triggerwarnungen wird vielfältiger“ (Wilson 2015). Die Debatte über Triggerwarnungen wird unter anderem auch in Online-Foren geführt. Eine Inhaltsanalyse von mehr als 1500 Online-Kommentaren (George, Hovey 2020) ergab auf der Seite der Pro-Argumente, dass Triggerwarnungen die psychische Gesundheit der Studierenden schützten und dass sie ein Zeichen für mehr Empathie und prosoziale Werte seien. Auf der Seite der Kontra-Argumente wurden die Infantilisierung der Studierenden sowie eine unfaire Verlagerung von Verantwortung auf die Dozenten genannt, da diese nicht wissen können, ob Studierende bestimmte traumatische Erfahrungen gemacht haben und vor welchen Themen sie überhaupt Triggerwarnungen geben sollten. Zudem wurde ein schleichender Eingriff in die akademische Freiheit befürchtet, da Triggerwarnungen dazu führen könnten, dass Themen, die Unbehagen auslösen könnten, am Ende gar nicht mehr behandelt werden, weil dies ja auch mit einer Triggerwarnung passieren könnte. Dies betrifft insbesondere Themen wie zum Beispiel den Holocaust, Sklaverei und Genozid, bei denen es merkwürdig wäre, wenn sie kein Unbehagen auslösen, die aber essenzieller Bestandteil vieler Lehrveranstaltungen sein sollen. Während die Einstellung der Dozenten gegenüber Triggerwarnungen eher negativ war, war die Einstellung der Studierenden positiver (Bentley 2017; Beverly et al. 2018).
Neben der gesellschaftlichen Debatte, die vor allem in Disziplinen wie den Bildungs- und Geisteswissenschaften geführt wird, gibt es auch eine Debatte in der Psychologie darüber, ob Triggerwarnungen überhaupt die erwünschten Effekte haben, eine negative emotionale Reaktion abzuschwächen und Vermeidung zu fördern. Im Hinblick auf die Abschwächung einer negativen Reaktion wird für den Einsatz von Triggerwarnungen argumentiert, dass Menschen Situationen bevorzugen, in denen sie den Eindruck haben, die Kontrolle zu haben.
In einer Studie wurden Personen einem lauten Geräusch ausgesetzt, während sie versuchten, schwierige Aufgaben zu lösen. In einer Versuchsbedingung wurde den Personen ein „Panikknopf“ angeboten, mit dem sie das Geräusch stoppen könnten, sollte es ihnen zu unangenehm werden. Dies würde jedoch das Experiment ruinieren.
Versuchspersonen, die einen Panikknopf bekamen, zeigten eine bessere Leistung und eine höhere Frustrationstoleranz, auch wenn sie den Knopf letztendlich nicht drückten (Panikknopf-Effekt; Glass et al. 1969).
Studien zu Emotionsregulation legen außerdem nahe, dass die Vorhersehbarkeit eines unangenehmen Ereignisses die Emotionsregulation verbessern kann, weil sie es Menschen ermöglicht, proaktiv Emotionsregulationsstrategien anzuwenden – beispielsweise dem Ereignis eine andere Bedeutung zuzuschreiben (kognitive Umstrukturierung; Gross 2015).
So könnte jemand seine nervöse Reaktion vor einer stressigen Prüfung als eine Mobilisierung von Energie durch den Körper umdeuten.
Zudem könnte es sein, dass Triggerwarnungen ganz ähnlich wie ein Placebo wirken können: Allein die Tatsache, dass Menschen glauben, dass Triggerwarnungen ihre Angst reduzieren, könnte bereits zu einer Verringerung der Angst führen (Sanson et al. 2019).
Andere Argumente sprechen dafür, dass Triggerwarnungen die emotionale Reaktion nicht verbessern, sondern sogar verschlechtern können. Solche Warnungen könnten nämlich dazu führen, dass von vornherein erwartet wird, dass der bevorstehende Inhalt belastend sein wird, obwohl dies ohne Warnung vielleicht gar nicht der Fall gewesen wäre.
„Allein die Triggerwarnung selbst könnte schon zu negativen Reaktionen führen.“
Die Literatur zur Emotionsregulation legt beispielsweise nahe, dass sich die Vorhersehbarkeit eines unangenehmen Ereignisses unter bestimmten Umständen die Emotionsregulation nicht verbessert, sondern verschlechtern kann, da suggeriert wird, dass Personen ihre Emotionen überhaupt regulieren müssen (Gross 2015).
Wurde den Versuchspersonen z. B. eine Warnung gegeben, dass ein anschließender Filmausschnitt Gewalt enthält, berichteten sie über höhere psychische Belastung, nachdem sie den Filmausschnitt gesehen hatten, als wenn keine Warnung gegeben wurde (de Wied et al. 1997).
Auch könnte eine Warnung beeinflussen, wie die Inhalte, vor denen gewarnt wird, später erinnert werden: In einer Studie wurden die Probanden gebeten, sich an ein persönlich erlebtes negatives Ereignis zu erinnern. Entweder wurden die Probanden vorher gewarnt, dass die Erinnerung emotional belastend sein könnte, oder sie wurden nicht gewarnt.
Jene Probanden, die gewarnt wurden, erinnerten sich in den zwei Wochen nach dem Experiment häufiger an die negativen Merkmale des Ereignisses und waren stärker von ihnen betroffen als jene, die nicht gewarnt wurden (Bridgland, Takarangi 2021). Schließlich könnten Triggerwarnungen auch eher wie ein Nocebo-Effekt als wie ein Placebo-Effekt wirken. Der Nocebo-Effekt ist in der medizinischen Forschung gut etabliert: Wenn Personen erwarten, dass ein bestimmtes Medikament Nebenwirkungen hat, dann kann allein diese Erwartung dazu führen, dass sie die Nebenwirkungen spüren. Ähnlich könnte es sein, dass die Präsentation einer Triggerwarnung allein schon zu einer negativen Reaktion führt.
Vermeidungsverhalten wird in der Psychologie weitgehend kritisch gesehen. Wenn Menschen bestimmte Situationen vermeiden (heute würde man sagen, sie bleiben ständig in ihrer Komfortzone) und sich neuen Herausforderungen nicht stellen, bleiben sie hinter ihren Möglichkeiten zurück und entwickeln sich nicht weiter. In der Traumaforschung arbeiten viele Therapien damit, dass Personen sich langsam an die traumatischen Ereignisse gewöhnen, indem sie eben nicht versuchen, die Erinnerungen daran zu vermeiden. Bei der Methode des expressiven Schreibens (Pennebaker 2018) werden Personen angeleitet, über belastende Gedanken und traumatische Erlebnisse zu schreiben, was ihnen hilft, den Ereignissen einen Sinn zu geben und sie besser zu verarbeiten. Auch bei Phobien (z. B. Angst vor Spinnen) wird versucht, die Patienten schrittweise an den Reiz zu gewöhnen, der die Angstreaktion auslöst, etwa, indem sie sich den Reiz zunächst gedanklich vorstellen, bevor sie ihn irgendwann tatsächlich berühren (Desensibilisierungstherapie; Tyron 2005).
„Einige Studien untersuchten ausschließlich Personen mit traumatischen Erfahrungen.“
Befürworter von Triggerwarnungen behaupten meist nicht, dass Vermeidung generell gut ist, sondern argumentieren, dass Triggerwarnungen es traumatisierten Personen erlauben, die Kontrolle darüber zu behalten, wann, wo und in welcher Verfassung sie sich dem Material aussetzen wollen, das sie an die traumatischen Erlebnisse erinnert. Ähnlich wie bei einer Desensibilisierungstherapie können sich die Betroffenen so allmählich und schrittweise dem Reiz aussetzen. Kritiker von Triggerwarnungen halten dem entgegen, dass es aber doch dem Ziel einer Therapie widerspreche, wenn Triggerwarnungen dazu führen, dass Personen Erinnerungen an traumatische Ereignisse in ihrem Alltag dauerhaft vermeiden, da so keine Gewöhnung an das Trauma stattfindet und das Trauma aufrechterhalten wird. Ein weiteres Argument gegen den Einsatz von Triggerwarnungen ist der sogenannte „Büchse-der-Pandora“- oder „Verbotene-Frucht“-Effekt: Gerade weil etwas als bedrohlich dargestellt wird, wird es dadurch noch interessanter. So führten beispielsweise Warnhinweise vor Beschreibungen von gewalthaltigen Fernsehsendungen dazu, dass Jugendliche aller Altersgruppen angaben, diese Sendungen noch mehr sehen zu wollen als ohne Warnhinweise (Bushman 2006). Ein Effekt, den einige aus ihrer eigenen Jugend kennen dürften.
Ob Triggerwarnungen die Effekte haben, die sie haben sollen, und ob sie eher nützen oder schaden, ist letztlich eine empirische Frage. Da Triggerwarnungen ein relativ neues Phänomen sind, gibt es natürlich noch nicht Hunderte von Studien zu dieser Frage. Vor Kurzem jedoch hat das Team um die Forscherin Viktoria Bridgland eine erste Meta-Analyse veröffentlicht, welche die bisherigen Studien dazu untersucht. Eine Meta-Analyse ist eine Studie, welche die Ergebnisse anderer Studien zu einem Thema zusammenfassend statistisch (quantitativ) auswertet und so versucht, ein Fazit zu dem Stand der Forschung zu diesem Thema zu treffen. Für ihre Meta-Analyse durchsuchten Bridgland und Kollegen zunächst alle gängigen Datenbanken nach Studien zum Thema mit den englischen Suchbegriffen Triggerwarnungen, Inhaltswarnungen und Inhaltshinweis.
In die Meta-Analyse wurden nur Studien mit einem experimentellen Design einbezogen. Dies bedeutet, dass es eine Experimental- und eine Kontrollgruppe gab und dass den Probanden der Experimentalgruppe eine Triggerwarnung präsentiert wurde, während die Probanden der Kontrollgruppe keine Triggerwarnung erhielten. Studien mit experimentellem Design erlauben Rückschlüsse auf kausale Zusammenhänge.
Da die Versuchspersonen zufällig den beiden Versuchsbedingungen zugeteilt werden und der Versuchsablauf für alle Versuchspersonen bis auf die Präsentation (vs. nichtPräsentation) einer Triggerwarnung exakt gleich war, kann gefolgert werden, dass ein Unterschied in den untersuchten Variablen (z. B. der emotionalen Belastung) auf die Manipulation (d. h., die Präsentation oder NichtPräsentation einer Triggerwarnung) zurückgeführt werden kann.
Welche Variablen wurden nun in den in die Meta-Analyse einbezogenen Studien untersucht?
Zunächst waren da die beiden Funktionen, die Triggerwarnungen haben sollen, d. h. erstens die Verringerung der negativen emotionalen Reaktion während der Darbietung des potenziell belastenden Materials und zweitens die Vermeidung des Materials durch die Probanden. Die emotionale Reaktion wurde durch gut validierte und weit verbreitete Fragebögen gemessen, wie z. B. die „Positive and Negative Affect Schedule“ oder das „Spielberger Angstinventar“.
Die Probanden gaben auf einer Skala an, wie ängstlich, nervös, oder angespannt sie sich fühlten.
Die Vermeidung wurde gemessen, indem den Probanden explizit die Möglichkeit gegeben wurde, das potenziell belastende Material abzudecken, nicht präsentiert zu bekommen oder den Versuch abzubrechen.
Als potenziell belastendes Material wurden beispielsweise Textpassagen aus Literaturklassikern wie die Mordszene aus Dostojewskis „Schuld und Sühne“ präsentiert, in der der Protagonist eine ältere Frau mit einem Beil ermordet (Bellet et al. 2018), oder fiktive Schlagzeilen zu tragischen Ereignissen (z. B.: Mutter eines 11-jährigen Jungen erzählt die Geschichte seines Selbstmordes aus ihrer Sicht).
Manche Studien verwendeten auch Material wie eine Vergewaltigungsszene aus dem Film „Angeklagt“ mit Jodie Foster in der Hauptrolle oder Aufklärungsfilme der American Psychological Association über Selbstmord und Missbrauch.
Da einige Studien darauf hindeuteten, dass Triggerwarnungen bereits zu einer erhöhten Anspannung führen können, bevor das potenziell belastende Material überhaupt präsentiert wird, untersuchte das Forschungsteam um Viktoria Bridgland auch die antizipatorische Reaktion der Probanden, also die Reaktion, nachdem die Warnung gegeben, aber bevor das Material präsentiert wurde. Da einige der in der Meta-Analyse einbezogenen Studien untersucht hatten, ob die Probanden das dargebotene Material nach einer Triggerwarnung besser oder schlechter verstanden (indem sie einen Multiple-Choice-Test zu den gezeigten Inhalten absolvierten), wurde in der Meta-Analyse auch das Verständnis der Versuchspersonen untersucht. Die Frage, ob Triggerwarnungen das Verständnis von Inhalten verbessern oder verschlechtern, ist natürlich besonders relevant für den Einsatz von Triggerwarnungen in der Bildung.
Zusammenfassend waren die einbezogenen Studien wie folgt aufgebaut: Es wurde entweder eine Triggerwarnung gegeben oder nicht gegeben und direkt im Anschluss eine oder mehrere der untersuchten Variablen gemessen. Insgesamt erfüllten 12 experimentelle Studien die Einschlusskriterien und wurden in der Meta-Analyse berücksichtigt.
Die Meta-Analyse wurde nach den Prinzipien von Open Science durchgeführt, um Transparenz und Replizierbarkeit zu fördern. Dies bedeutet, dass die geplanten Analysen vor der Analyse öffentlich gemacht (präregistriert) wurden und dass die untersuchten Daten sowie die statistischen Analysen öffentlich zugänglich sind. Zusätzlich wurde mit statistischen Methoden untersucht, ob es eine Publikationsverzerrung gibt, d. h., ob es Studien gibt, die keine Effekte gefunden haben, die aber nicht publiziert wurden (weil Studien, die Ergebnisse finden, leichter publiziert werden).
Was waren nun die Ergebnisse der Meta-Analyse in Bezug auf die vier untersuchten Variablen:
emotionale Reaktion, Vermeidung, antizipatorische Reaktion und Verständnis?
Die Meta-Analyse fand über die untersuchten Studien hinweg keinen Effekt von Triggerwarnungen auf die Abschwächung negativer emotionaler Reaktionen während der Präsentation der Inhalte. Sie fand auch nicht, dass Triggerwarnungen dazu führen, dass Personen das Material vermeiden oder das Material besser verstehen. Es wurde jedoch festgestellt, dass Triggerwarnungen zu einer erhöhten und nicht zu einer verminderten Stressreaktion führten, noch bevor das Material überhaupt präsentiert wurde.
Die Meta-Analyse sowie frühere Studien zu Triggerwarnungen wurden von der Association for Psychological Science (APS), der derzeit größten Vereinigung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Bereich der psychologischen Forschung, auf ihrer Webseite vorgestellt. In zwei Berichten kommt die APS zu dem Schluss: „Achtung, Triggerwarnungen verringern emotionale Anspannung nicht, legt Studie nahe“ (APS 2023) und „Triggerwarnungen haben wenig oder keinen Nutzen […] und können die Dinge sogar noch schlimmer machen“ und „in jüngster Zeit hat eine wachsende Zahl von Studien die Wirksamkeit von Triggerwarnungen in Frage gestellt“ (APS 2020). Auch die American Association of University Professors (AAUP) hatte zuvor auf ihrer Webseite ein Statement zum Thema Triggerwarnungen veröffentlicht: „Ein gewisses Maß an Unbehagen ist in den Klassenzimmern unvermeidlich, wenn das Ziel darin besteht, Studenten mit neuen Ideen vertraut zu machen, sie dazu zu bringen, selbstverständliche Überzeugungen infrage zu stellen, [und] sich mit ethischen Problemen auseinanderzusetzen, die sie nie in Betracht gezogen haben …“ (AAUP 2014).
Aber was ist mit Menschen, die ein Trauma erlebt haben? Triggerwarnungen sollten doch gerade diese Personen davor schützen, plötzlich an die traumatischen Ereignisse erinnert zu werden und dadurch Flashbacks oder andere negative Konsequenzen zu bekommen. Wurden solche Personen in der Meta-Analyse überhaupt berücksichtigt? Nach dem Diagnostic and Statistic Manual of Mental Disorders (DSM-5), einem gängigen Klassifikationssystem für psychische Erkrankungen, sind traumatische Ereignisse solche Vorkommnisse, die eine Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod, ernsthaften Verletzungen oder sexueller Gewalt beinhalten. Dazu gehört auch die Nachricht vom Tod einer nahestehenden Person oder die direkte Konfrontation mit solchen Ereignissen bei Fremden (z. B. bei Rettungskräften oder Soldaten im Einsatz). Forschungen legten nahe, dass, obwohl die genauen Zahlen natürlich je nach Ort und Zeit variieren, die meisten Menschen ein solches Ereignis erlebt haben (Breslau et al. 1998). Die Meta-Analyse beinhaltet also auf jeden Fall einen hohen Anteil an Personen mit traumatischen Erfahrungen.
Nicht alle Menschen, die ein traumatisches Ereignis erlebt haben, leiden jedoch langfristig darunter oder entwickeln gar eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Ob jemand eine PTBS entwickelt, hängt natürlich von der Art und Schwere des traumatischen Ereignisses ab. Insgesamt entwickelt jedoch nur ein kleiner Teil der Menschen, die ein Trauma erlebt haben, eine PTBS – typischerweise etwa 5 bis 10 Prozent (Bonanno, Mancini 2008). Einige der in der Meta-Analyse einbezogenen Studien untersuchten ausschließlich Personen mit traumatischen Erfahrungen (gescreent anhand einer PTBS-Checkliste), darunter auch solche, die über dem klinischen Schwellenwert für eine PTBS lagen. Triggerwarnungen führten weder bei Personen mit noch bei Personen ohne PTBS zu einer Verringerung der negativen Angstreaktion. Wenn überhaupt, kam es zu einer erhöhten Angstreaktion nach der Triggerwarnung (Jones et al. 2020). Die Studie von Jones und Kollegen fand auch, dass Triggerwarnungen dazu führten, dass Personen mit Traumaerfahrung das Trauma als zentraler für ihr Leben ansahen. Dieser Effekt könnte darauf zurückzuführen sein, dass Triggerwarnungen suggerieren, dass eine Warnung überhaupt notwendig ist, und damit vermitteln, dass das Trauma unweigerlich ein Teil des Lebens bleiben und zu dauerhaften psychologischen Schäden führen wird.
Schließlich wurde in einigen der in die Meta-Analyse einbezogenen Studien auch untersucht, ob Triggerwarnungen bei solchen Inhalten helfen, die Menschen thematisch an ihr erlebtes Trauma erinnern, also ob die in der Studie präsentierten Inhalte zu der Art des Traumas passen, das die Probanden erlebt hatten. In der Studie von Jones et al. (2020), in der den Probanden die Mordszene aus „Schuld und Sühne“ gezeigt wurde, wurden die Probanden ausdrücklich gefragt, ob die Szene sie an ein selbst erlebtes traumatisches Ereignis erinnere. Bei diesen Ereignissen hatten Triggerwarnungen ebenfalls keinen Effekt, obwohl sie ursprünglich gerade dafür gedacht waren. Und auch hier tendierten Triggerwarnungen eher zu einer leicht erhöhten antizipatorischen Angstreaktion. In einer anderen Studie (Sanson et al. 2019) wurden die Probanden zu Beginn gebeten, ihre traumatischen Erfahrungen anzugeben. Anschließend analysierten die Forscher diejenigen Probanden, bei denen eines der erlebten Traumata thematisch zu den gezeigten Inhalten passte. Auch in dieser Studie konnte keine Evidenz dafür gefunden werden, dass Triggerwarnungen bei jenen Inhalten helfen, die Menschen an tatsächlich erlebte traumatische Ereignisse erinnern.
Für viele mag das Ergebnis der Meta-Analyse, dass Triggerwarnungen bisher keine nachgewiesene Wirkung haben, nicht überraschend sein. Wie wir jedoch selbst in einer aktuellen eigenen Studie festgestellt haben (Sevincer et al. 2025), wünschen sich Studierende aber häufig Triggerwarnungen. Wie lässt sich dies erklären? Sind den Studierenden die Befunde zur Wirkung von Triggerwarnungen womöglich nicht bekannt? Befürworten sie den Einsatz von Triggerwarnungen, weil sie denken, dass die Warnungen tatsächlich dazu führen, dass negative Reaktionen abgeschwächt werden und Personen bestimmte Inhalte vermeiden? Und wissen die Studierenden, dass Triggerwarnungen zu einer erhöhten negativen antizipatorischen Reaktion vor der Darbietung der Inhalte führen können?
„Studierende der Geisteswissenschaften sind gegenüber Triggerwarnungen eher positiv eingestellt“
Um dies herauszufinden, haben wir Studierende aus jenen Fächern, in denen Triggerwarnungen am häufigsten vorkommen – den Geisteswissenschaften – gebeten, uns zu berichten, wie sie die Effekte von Triggerwarnungen auf die vier in der Meta-Analyse von Bridgland und Kollegen untersuchten Bereiche – emotionale Reaktion, Vermeidung, antizipatorische Reaktion und Verständnis – einschätzen. Da frühere Forschung nahelegt, dass Menschen glauben, andere seien anfälliger für negative Ereignisse als sie selbst (Perloff, Fetzer 1986), haben wir die Teilnehmenden gebeten, die Effekte von Triggerwarnungen auf sich selbst und auf andere einzuschätzen.
Um herauszufinden, ob die Studierenden den Einsatz von Triggerwarnungen befürworten oder ablehnen, haben wir sie außerdem gebeten, die „General Attitude Towards Trigger Warnings Scale“ (Cares et al. 2018) auszufüllen. Die Ergebnisse zeigten, dass Studierende aus den Geisteswissenschaften eine eher positive Einstellung zu Triggerwarnungen hatten. Obwohl sie im Durchschnitt die Ansicht ablehnten, dass Warnungen unabhängig vom Thema gegeben werden sollten, stimmte die große Mehrheit (83 Prozent) zu, dass Warnungen vor potenziell belastenden Inhalten gegeben werden sollten, und fast die Hälfte (49 Prozent) bejahte, dass die Universitäten dies von den Lehrkräften verlangen sollten.
Die Vorstellungen der Studierenden über die Wirkung von Triggerwarnungen waren unterschiedlich, stimmten aber nicht besonders gut mit den tatsächlichen Wirkungen überein, welche die Meta-Analyse von Bridgland et al. (2023) festgestellt hat. Obwohl die Meta-Analyse keinen Effekt von Warnungen auf eine Reduzierung der negativen Reaktion auf die Inhalte oder auf Vermeidung der Inhalte fand, glaubte ein erheblicher Anteil der Studierenden (31 Prozent), dass Warnungen ihre negative emotionale Reaktion reduzieren würden. Fast die Hälfte (48 Prozent) war der Meinung, dass Triggerwarnungen sie dazu veranlassen könnten, die Inhalte zu vermeiden. Viele Studierende (44 Prozent) glaubten außerdem, dass Triggerwarnungen ihr Verständnis der Inhalte verbessern würden, obwohl die Meta-Analyse keine Hinweise auf ein verbessertes Verständnis ergab. Schließlich schätzten die meisten Studierenden richtig ein, dass Warnungen eine negative antizipatorische Reaktion hervorrufen könnten (60 Prozent), noch bevor das Material präsentiert wurde. Vielleicht paradoxerweise befürworteten sie dennoch den Einsatz von Triggerwarnungen. Die Studierenden glaubten auch, dass die Effekte von Triggerwarnungen auf andere stärker seien als auf sie selbst. Dies steht im Einklang mit Forschungsergebnissen, die darauf hindeuten, dass Studierende potenziell restriktive Maßnahmen aus prosozialer Sorge um andere befürworten (Clark et al. 2023).
Eine aktuelle experimentelle Studie zu den Effekten von Triggerwarnungen auf die Klassenraumatmosphäre fand weder einen Einfluss von Triggerwarnungen auf die Einschätzung der Lehrkompetenz und Empathie der Lehrkräfte noch auf die Wahrnehmung der Klassenraumatmosphäre durch die Studierenden (Pratt et al. 2025).
Der bisherige Forschungsstand legt nahe, dass Triggerwarnungen die Funktionen, für die sie eigentlich gedacht sind – eine negative emotionale Reaktion auf potenziell belastende Inhalte zu verringern und die Vermeidung der Inhalte zu ermöglichen – nicht erfüllen. Sie fördern auch nicht das Verständnis der Inhalte, sondern können sogar zu einer negativeren antizipatorischen Reaktion führen, bevor die Inhalte überhaupt präsentiert werden. Nun ist die Anzahl der bisherigen Studien zu Triggerwarnungen verglichen mit anderen Forschungsfeldern relativ gering. Dass eine Studie keine Effekte findet, kann manchmal auch daran liegen, dass die Messmethode zu ungenau war. Generell können sich Forschungsergebnisse auch ändern.
Man kann nicht ausschließen, dass in bestimmten Situationen oder für spezielle Gruppen, die bisher noch nicht untersucht wurden, Triggerwarnungen hilfreich sein könnten. Auch wurden keine Langzeituntersuchungen durchgeführt, die über wenige Wochen hinausgingen (Bridgland, Takarangi 2021). Es kann auch andere Gründe, außer den genannten klinischen Gründen, geben, warum jemand Triggerwarnungen verwendet. Zum Beispiel könnten Medienschaffende Triggerwarnungen verwenden, um potenzielle Klagen abzuwenden, oder ein Dozent möchte seinen Studierenden signalisieren, dass er dem Zeitgeist entspricht. Wenn der Wunsch von manchen Studierenden nach Triggerwarnungen da ist, könnte eine praktikable Lösung so aussehen, in der Kursbeschreibung potenziell belastende Inhalte zu erwähnen, ohne sie jedoch besonders hervorzuheben. Am besten ist es jedoch, die Studierenden (und Dozenten) über den bisherigen Forschungsstand zu den Effekten von Triggerwarnungen aufzuklären und die möglichen Nachteile zu erläutern. Oder würden Sie eine Medizin empfehlen, von der bisher nur eine Chance auf Nebenwirkungen, aber keinerlei Wirkung nachgewiesen wurde?