Prä-Astronautik
Haben Außerirdische die ägyptischen Pyramiden gebaut? Haben Zivilisationen aus dem Weltall schon vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden Einfluss auf die Menschheit genommen? Ernsthafte wissenschaftliche Belege gibt es dafür nicht, doch ganz besonders durch Erich von Dänikens Bestseller haben solche Theorien große Verbreitung gefunden.

Großprojekte im Wüstensand – Zur Geschichte des Pyramidenbaus im alten Ägypten

Interview mit Michael Haase

 

Die Pyramiden von Gizeh

Skeptiker: Herr Haase, Sie befassen sich schwerpunktmäßig mit der wissenschaftlichen Erforschung der ägyptischen Pyramiden. Wo liegt der Ursprung des Pyramidenbaus im alten Ägypten?

M. Haase: Das Pyramidenzeitalter Ägyptens begann um 2700 v. Chr. mit dem Bau der ersten Stufenpyramide des Königs Djoser (3. Dynastie) in der Nekropole von Sakkara. In den Generationen davor wurden die Könige in unterirdisch angelegten Gräbern in Abydos und Sakkara bestattet, die von flachen, kastenförmigen Lehmziegel- oder Steinbauten bekrönt wurden (so genannte Mastabas). Der Übergang von der Mastaba zur Stufenpyramide wird oftmals auf religiös orientierte Beweggründe zurückgeführt oder als weithin sichtbarer Ausdruck eines gesteigerten königlichen Monumentalitätsanspruches gesehen. Unverkennbar ist allerdings das enorme Sicherheitsbedürfnis, das dem Bau der ersten Stufenpyramide zugrunde liegt. Vermutlich hängt die „Erfindung der Stufenpyramide“ auch mit der langen Beraubungsgeschichte früherer Königsgräber zusammen. Prägend hierfür war wohl der Bürgerkrieg in der zweiten Hälfte der 2. Dynastie, den Djosers Vorgänger Chasechemui gewaltsam beendete.

Skeptiker: Wann war der Höhepunkt des ägyptischen Pyramidenbaus erreicht?

M. Haase: Der größte Pyramidenbauherr Ägyptens war König Snofru (4. Dynastie, um 2625-2580 v. Chr.), der Vater des Cheops. Snofru ließ in seiner offenbar über 45-jährigen Herrschaft drei große Pyramidenanlagen errichten, die ein Gesamtbauvolumen von etwa 4 Mio. Kubikmeter umfassen. Damit wurde die relativ kurze Phase des „Gigantismus im Pyramidenbau“ eingeleitet, der in den Grabbauten des Cheops und des Chephren auf dem Giza-Plateau westlich von Kairo ihren baulichen Höhepunkt fand.

Skeptiker: Aus welchem Grund ließ Snofru drei Pyramidenanlagen errichten?

M. Haase: Snofrus erstes Bauprojekt befindet sich ca. 70 km südlich von Kairo bei der Ortschaft Meidum. Dort ließ der König ursprünglich eine Stufenpyramide errichten, die später in eine echte Pyramide umgebaut wurde. Aus noch ungeklärten Gründen gab der König diese Nekropole aber auf und veranlasste die Errichtung einer neuen Pyramide etwa 45 km weiter nördlich bei Dahschur. Dieses Grabbauprojekt wurde jedoch von Anfang an von Problemen überschattet. Allem Anschein nach war der Untergrund nicht tragfähig genug, so dass es aufgrund lokaler Senkungen des Kernmauerwerks u. a. zu Beschädigungen im Kammersystem kam. Trotz aufwändiger Umbaumaßnahmen konnte der Grabbau nicht gerettet werden. Die „Knick-Pyramide“ ist zwar fertiggestellt worden, sie genügte aber nicht den Ansprüchen des Königs als sichere Grablege und wurde daraufhin in eine Kultstätte umfunktioniert. So musste man etwa 2 km weiter nördlich ein weiteres Pyramidenbauprojekt in Angriff nehmen – das diesmal aber erfolgreich zu Ende geführt werden konnte. In der so genannten Roten Pyramide wurde Snofru letztendlich bestattet.

Stufenpyramide von Sakkara
Die Stufenpyramide von Sakkara.

Skeptiker: Herr Haase, Sie haben sich in ihren Publikationen vor allem mit der Pyramide des Cheops, dem größten ägyptischen Grabmal, beschäftigt. Immer noch wird in der parawissenschaftlichen Literatur behauptet, einer der inschriftlichen Hinweise in der Cheops-Pyramide, die auf Cheops als ihren Bauherrn hinweist, sei eine Fälschung, obwohl Sie diese Behauptung bereits 1996 widerlegt haben. Um was für eine Inschrift geht es dabei?

M. Haase: Oberhalb der Grabkammer wurden aus konstruktionstechnischen Gründen fünf Hohlräume angelegt. Die oberen vier wurden erst 1837 entdeckt, gewaltsam aufgebrochen und zugänglich gemacht. An ihren Wänden sind eine Vielzahl von Bauinschriften und -markierungen gefunden worden; darunter auch Namen von Cheops‘ Arbeitermannschaften, die für den Transport der Steinblöcke verantwortlich waren (siehe dazu auch Klaus Richters Beitrag auf S. 81-85 in diesem Heft). Da diese Hohlräume bis zu ihrer Öffnung hermetisch abgeschlossene Bereiche und der inhaltliche Kontext der dortigen Inschriften zur Zeit ihrer Entdeckung noch unbekannt waren, handelt es sich bei diesen Graffiti zweifellos um authentische Zeugnisse aus der Zeit des Cheops. In der spekulativen Literatur wurde Ende der 1980er Jahre dennoch der Versuch unternommen, eine in der obersten Kammer gefundene Inschrift, die die Kurzform des Namenszuges des Cheops trägt, als moderne Fälschung hinzustellen, um somit die Zuordnung der Pyramide zu Cheops in Zweifel ziehen. Alle vorgebrachten „Kritikpunkte“ gegen die Authentizität der Inschrift ließen sich jedoch ohne großen Aufwand schnell entkräften.

Skeptiker: Abgesehen von diesen Bauarbeiterinschriften gibt es nirgends in der Cheops-Pyramide offizielle Inschriften, die andeuten, dass dieses Bauwerk als Grabmal für Cheops errichtet wurde. Wie erklären Sie diesen Befund?

M. Haase: Es war zu dieser Zeit nicht üblich, die Innenräume der Königsgräber zu beschriften. In keiner Pyramide der 4. Dynastie finden sich offizielle Inschriften an den Wänden der Kammersysteme. Die so genannten Pyramidentexte kommen erst über 200 Jahre nach Cheops, am Ende der 5. Dynastie (etwa 2340 v. Chr.), in Mode.

Skeptiker: Ein beliebtes Thema in den Parawissenschaften ist die Frage nach einer weiteren, geheimen Grabkammer in der Cheops-Pyramide. Wie stehen Sie dazu?

M. Haase: Es gibt keine ernst zunehmenden Hinweise auf die Existenz einer weiteren, bislang unentdeckten Kammer in der Cheops-Pyramide. Das Kammersystem weist alle Komponenten auf, die einen Grabbau der 4. Dynastie auszeichnen. Die aufwändig errichteten und mit ausgeklügelten Sicherungsmechanismen versehenen Räume und Korridore wie auch der Granitsarkophag in der Grabkammer sind eindeutige, unmissverständliche Zeugnisse für die Vollständigkeit dieses Kammersystems.

Skeptiker: Und jenseits der kleinen der mittleren Kammer (sog. Königinnenkammer)? In den 1990er-Jahren wurde auch darüber nachgedacht, dass sich hinter den im Kernmauerwerk endenden Schächten kleinere Kammern befinden könnten.
M. Haase: Ich habe seit Beginn der roboterunterstützten Erkundungen der Schächte der Königinnenkammer im Jahr 1993 die Möglichkeit diskutiert, dass hinter den Blockierungssteinen an den oberen Enden der Schächte kleine konstruktionsbedingte Hohlräume liegen. Dies wurde im Jahr 2002 im Fall des südlichen Schachtes auch bestätigt. Der dortige Hohlraum stellt allerdings nur die Verlängerung des Schachtes dar, ehe dieser offensichtlich von einem Steinblock des Kernmauerwerks endgültig blockiert wird.

Skeptiker: Über diese Schächte, die sowohl von der Königs- wie auch Königinnenkammer der Cheops-Pyramide aus nach Norden und Süden abgehen, ist viel spekuliert worden. Sie haben sich mit ihnen sehr ausführlich beschäftigt und immer wieder darüber in Fachkreisen publiziert. Welche Funktion hatten diese Schächte?

M. Haase: Die ursprüngliche Funktion der Schächte wird in der Ägyptologie noch kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite gibt es die Vermutung, dass sie einst eine religiöse Bedeutung innehatten. Durch sie hätte die Seele des verstorbenen Königs direkt und ohne abwärts orientierte Umwege durch das Kammersystem zur Jenseitswelt am Himmel aufsteigen können. Alternativ dazu wird in Betracht gezogen, dass die Schächte der Königskammer als Belüftungskanäle gedient haben und die der mittleren Kammer bis zu einem gewissen Zeitpunkt ebenfalls vorsorglich zu diesem Zweck konstruiert, aber letztlich nicht benötigt, aufgegeben und überbaut wurden (weshalb man sie auch nicht bis in die Kammer ausführte). Ich stehe der „Seelenkorridor“-Hypothese skeptisch gegenüber, da sie sich bei genauerer Betrachtung nicht widerspruchsfrei darstellt. Hingegen haben Berechnungen gezeigt, dass durch die beiden oberen Schächte, die zwischen der Königskammer und der Außenseite der Pyramide verlaufen, im nichtblockierten Zustand ein signifikanter Belüftungseffekt hervorgerufen wird. Dies haben auch britische Forscher nach der Säuberung dieser Schächte im Jahr 1837 miterleben können. Die Planung und Ausführung derartiger Luftschächte ist wohl in Zusammenhang mit dem unvollendet gebliebenen unterirdischen Kammerbereich und der ungewöhnlich großen vertikalen Ausdehnung des Kammersystems im Kernmauerwerk der Pyramide zu sehen, die konstruktionsbedingt nur einen geringen Luftaustausch insbesondere zwischen der oberen Kammer und der Außenumgebung der Pyramide gewährleistete.

Skeptiker: Wie muss man sich eine königliche Pyramidengrabstätte in ihrer Gesamtheit vorstellen?

M. Haase: Zu einer königlichen Pyramidenanlage des Alten Reiches (um 27002160 v. Chr.) gehörten neben dem Grabmal vor allem ein Totentempel, der meist an der Ostseite der Pyramide errichtet wurde und in dem sich die eigentlichen Kulthandlungen abgespielt haben. Den offiziellen Zugang zur Kult- und Grabstätte bildete ein Taltempel, der östlich der Nekropole am Rand des Niltals lag. Verbunden waren beide Tempelgebäude durch einen oftmals überdachten Verbindungsweg – den sog. Aufweg. Fester Bestandteil der königlichen Grabkomplexe war in der Regel auch eine kleine Kultpyramide, die südlich des Königsgrabes errichtet wurde. Im Umfeld der Pyramidenkomplexe gruppierten sich oftmals Privatnekropolen, in denen u. a. nähere Verwandte der Könige und hohe Beamte ihre letzten Ruhe fanden.

Skeptiker: Wie wurden die ägyptischen Pyramiden grundsätzlich errichtet?

M. Haase: Wie sie in ihrer Gesamtheit errichtet wurden, ist bis heute nicht geklärt. Das Problem ist insbesondere der Transport des Baumaterials bis an die Spitze der großen Pyramiden. Dieses Szenario ist noch nicht eindeutig rekonstruierbar und verhindert derzeit eine Gesamtlösung. Grundlegende Rahmenbedingungen scheinen hingegen klar zu sein: Alle bisherigen Befunde deuten darauf hin, dass der Transport der Steinblöcke auf von Menschen gezogenen Holzschlitten über Baurampen vonstatten ging. Reste dieser Rampen wurden an kleineren Grabbauten entdeckt. Darstellungen von Schlittentransporten finden sich in Privatgräbern des Alten Reiches; zwei intakte Schlitten aus dem Mittleren Reich haben sich sogar erhalten. So geht es heute vor allem um die „Formgebung“ der Rampenkonstruktionen an den Baukörpern.

Skeptiker: Können Sie kurz einige Beispiele für Rampenmodelle nennen?

M. Haase: Die Transportwegmodelle im Pyramidenbau bewegen sich zwischen hypothetischen Komplettlösungen und von bestimmten Bauphasen abhängigen, aber zusammenhängenden Teilszenarien. Bestimmte archäologische Befunde indizieren, dass für den Bau des unteren Bereichs großer Pyramiden eine Vielzahl senkrecht an den Seiten des Baukörpers anstehende Rampen im Einsatz gewesen sind. Dieses Szenario könnte man als Teil eines Kombinationsmodells auffassen, das im mittleren Bauabschnitt mit einer großen, an einer Seite des Pyramidenstumpfes tangential anliegenden Baurampe operiert. Eine derartige „Tangentialrampe“ bildet theoretisch eine „Schnittstelle“ zu einem anderen oftmals diskutierten Transportwegmodell, der sog. „Spiralrampe“. Dabei handelt es sich um eine befestigte, an jede Pyramidenseite angelehnte und sich um den Baukörper nach oben windende Rampenkonstruktion. Dieses Modell besitzt eine homogene, geschlossene Gesamtstruktur und gewährleistet allein durch die Verwendung von Menschen und Schlitten den Transport der Steinblöcke bis zur Pyramidenspitze.

Skeptiker: Von wie vielen Arbeitern muss man auf den Pyramidenbaustellen ausgehen?

M. Haase: Das lässt sich nur von Fall zu Fall beantworten und erfordert detaillierte Abschätzungen für jedes Bauprojekt. Ich habe z. B. vor kurzem den täglichen Bedarf an Arbeitskräften bei der Errichtung des Pyramidenstumpfes der Roten Pyramide in Dahschur in etwa 9 m Höhe berechnet. Grundlage bildet ein Transportwegmodell mit 16 linearen Rampen. Ich kam zu dem Ergebnis, dass in dieser Bauphase etwa 14000 Arbeiter pro Tag direkt auf der Baustelle benötigt wurden.

Herr Haase, vielen Dank für das ausführliche Interview und weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.

Mit Michael Haase sprach Klaus Richter.

Michael Haase, Jahrgang 1960, Diplom-Mathematiker; arbeitet heute als Sachbuchautor, Verleger und Wissenschaftsjournalist in der Ägyptologie. Haase war Mitglied bei Ausgrabungen in Theben-West und Dahschur und ist seit 2000 Herausgeber der Fachzeitschrift „Sokar“ , die sich mit den Forschungen an den Königs- und Privatgräbern aus der altägyptischen Pyramidenzeit beschäftigt

Literatur

  • Haase. M. (2002): Brennpunkt Giza. Die Schachtsysteme der Cheops-Pyramide. In: Sokar 5, 2002, 3-13.
  • Haase, M. (2000) Das Feld der Tränen. König Snofru und die Pyramiden von Dahschur. Ullstein, München 2000.
  • Haase, M. (2003): Das Vermächtnis des Cheops. Die Geschichte der Großen Pyramide. Herbig, München 2003.
  • Haase, M. (2004): Der Serviceschacht der Cheops-Pyramide. Bemerkungen zur Konstruktion des Verbindungsschachtes zwischen Großer Galerie und absteigendem Korridor. In: Sokar 9, 2004, 12-17.
  • Haase, M. (2008): Oberhalb der Nullebene. Bemerkungen zum Bau der Roten Pyramide. In: Sokar 17, 2008, 6-22.

Alle Publikationen sind über den Verlag Michael Haase erhältlich.

Dieses Interview erschien im „Skeptiker“, Ausgabe 2/20092/2009.

Bildnachweise in Reihenfolge der Erscheinung:

Klaus Richter

Einleitung

Es ist einer der faszinierendsten Gedanken der Menschheitsgeschichte: Sind wir allein im unendlich großen Universum, oder gibt es da draußen, jenseits unseres Sonnensystems auf den Planeten ferner Sterne noch andere intelligente Lebewesen, die wie wir staunen über die Wunder des Weltalls und versuchen, seine Geheimnisse zu ergründen? Gibt es sogar Kontakt mit solchen außerirdischen Intelligenzen? Dies ist eine Vorstellung, die sowohl die Wissenschaft wie auch die Grenzwissenschaft bewegt. In der Wissenschaft versucht man, den Nachweis außerirdischer Zivilisationen mittels des SETI-Projektes zu erbringen, neuerdings sogar in der Variante der Optical-SETI.
Im Rahmen des SETI-Projektes versucht man, Radiosignale außerirdischer Zivilisationen aufzufangen. Den Grundstein dafür legte der amerikanische Radioastronom Frank Drake, der derartige Versuche erstmals Anfang der 60er Jahre mit dem Projekt OZMA durchführte. Dabei wurden die Sterne Epsilon Eridani und Tau Ceti nach Signalen abgehorcht. Beide Sterne sind sonnenähnlich und befinden sich, verglichen mit kosmischen Maßstäben, eine Steinwurf entfernt von uns: Beide Sterne sind etwa 11 Lichtjahre entfernt. Die Suche blieb allerdings erfolglos. Seitdem wurden die Suchmethoden der SETI-Forscher verbessert, man horchte bald zahlreiche Sterne auf unterschiedlichen Kanälen ab – bislang allerdings erfolglos. Nur einmal wurde ein rätselhaftes Signal aufgefangen. Es geschah 1977 am Big Ear Observatory der Ohio State University. Das Signal war in der Tat kurios und verblüffte seinen Entdecker Jerry Ehman dermaßen, daß er impulsiv „Wow“ an den Rand des Computerausdruckes schrieb. Das Signal wies alle Erfordernisse einer intelligenten Botschaft auf – bis auf die Tatsache, daß es sich nicht wiederholte. Das aber war eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Anerkennung künstlicher Signale. Somit blieb das „Wow“-Signal ein Unikum (1). Optical-SETI will Botschaften außerirdischer Zivilisationen nicht durch die Radioastronomie, sondern durch optische Teleskope nachweisen. Die sind inzwischen nämlich so gut, daß man mit ihnen gezielt auf die Suche nach optischen Signalen, beispielsweise durch starkes Laserlicht, gehen kann. Hier stecken die Forschungen erst in den Kinderschuhen (2). Der SETI-Mitarbeiter Allan Tough schlägt einen weiteren Schritt vor: Er regt an, die Suche nach ET über die Radiosignale hinweg auf Indizien aus dem Interstellaren Raum oder sogar unserem Sonnensystem auszudehnen (3).
Astronomen suchen also nach Signalen intelligenter Außerirdischer. Bislang haben sie keine eindeutigen Beweise für ihre Existenz gefunden. Möglicherweise sind außerirdische Zivilisationen, wenn es sie denn gibt, zu weit von uns entfernt, als daß sie jetzt schon irgendetwas aus unseren Signalen, die wir seit über 70 Jahren gezielt oder ungezielt in den Raum senden, hätten ableiten können.
Kein Astronom, der in der Fachwelt etwas auf sich hält, würde aber so weit gehen, angesichts dieser Lage von einem bereits bestehenden Kontakt zwischen der Menschheit und einer außerirdischen Zivilisation auszugehen.
Ganz anders sehen dies die Vertreter der Grenzwissenschaften. Sowohl für Vertreter der UFO-Szene und der sogenannten „Paläo-SETI-Forschung“ scheint es klar zu sein, daß es einen Kontakt zu Außerirdischen gibt, zumindest aber in der Vergangenheit gab. Das Spektrum ist vielfältig, es reicht von regelrechten religiösen Bewegungen über harmlose Spinnereien bis hin zu dem – scheinbar – ernsthaften und wissenschaftlichen Bemühen, einen Kontakt nachzuweisen (4). Johannes Fiebag gehört zweifellos zu denen, die ernsthaften Bemühungen zur Klärung der Frage, ob ein Kontakt besteht, nachgingen. Er hat in diesem Zusammenhang die sogenannte „Mimikry-Hypothese“ entworfen (5), die sich besonders im Bereich der Paläo-SETI großer Beliebtheit erfreut. Es stellt sich die Frage, ob diese Theorie wirklich geeignet ist, brauchbare Antworten auf die Frage nach möglichen Kontakten mit Außerirdischen zu liefern. Dem wollen wir im Folgenden genauer nachgehen.

Die Mimikry-Hypothese

a. Grundlagen

Um den Hintergrund der Mimikry-Hypothese näher darzulegen, muß ein wenig ausgeholt werden. Am Beginn steht die auch von Wissenschaftlern, ausgehend von Enrico Fermi, gestellte Frage: „Wo sind sie?“ Der Nobelpreisträger Enrico Fermi folgerte, es gebe keine intelligenten Außerirdischen, denn gäbe es sie, müßten sie längst hier sein. Da sie es aber nicht sind, existieren sie nicht (6 – Fermi Paradoxon).

aa. Tipler und Barrow

Einen Schritt weiter gehen Tipler und Barrow. Mit ihrem 1986 entwickelten kosmologischen anthropischen Prinzip wird die Unwahrscheinlichkeit menschlicher Existenz belegt. Die Antwort der beiden Wissenschaftler auf das Fermi-Paradoxon lautet: „Wir sind allein, deshalb sind sie nicht hier.“ Tipler und Barrow gehen davon aus, daß sich intelligentes Leben nur auf Planeten entwickeln kann, die einen sonnenähnlichen Stern umkreisen. Diese Sterne haben eine Lebensdauer von etwa 10 Milliarden Jahren. Davon abhängig ist die Entwicklung intelligenten Lebens. Zwei Möglichkeiten gibt es: entweder, die Evolution der Intelligenz ist wesentlich kürzer als 10 Milliarden Jahre oder aber sie ist wesentlich länger als 10 Milliarden Jahre. Wendet man auf die erste Alternative das Prinzip der Mittelmäßigkeit an, dann müßte es bereits vor sehr langer Zeit auf der Erde Menschen gegeben haben – das ist aber nicht der Fall, der Mensch trat erst 3,8 Milliarden Jahren Evolution auf der Erde auf. Dieses Szenario steht vor der Schwierigkeit, daß es so lange dauerte, bis der Mensch entstanden war. Das Problem dabei ist nur, daß hier unsere Evolution als Maßstab genommen wird, was aber überhaupt nicht der Fall sein muß. Warum soll es nicht Intelligenzen geben, deren Evolution viel gradliniger als unsere verlief und die bereits 2 Milliarden Jahre nach Bildung der ersten Lebensformen entstanden waren? Doch schauen wir uns die zweite Alternative an. Sie besagt, die Evolutionszeit der Intelligenz sei wesentlich länger als 10 Milliarden Jahre. Das hat nicht zu bedeuten, daß sich intelligente Lebensformen immer so lange entwickeln, es kann, je nach Evolution, auch schneller gehen – wir sind ein gutes Beispiel dafür. Nimmt man an, es gibt 5×107 Planeten in der Galaxie, auf denen Leben entstanden ist, dann wäre die Wahrscheinlichkeit, daß sich auf einem dieser Planeten Intelligenz entwickelt, geringer als 2×10-3. Das bedeutet: Außer uns gibt es in dieser Galaxie keine weiteren intelligenten Lebensformen (6a). Das schwache Anthropische Prinzip ist unumstritten: Wenn wir in dieser Welt sind, um sie zu beobachten, muß sie so beschaffen sein, daß wir in ihr existieren können, d.h., alle Naturgesetze und Konstanten ermöglichen erst das Leben. Ändert man ein Naturgesetz oder eine Konstante, entsteht wahrscheinlich ein Universum, das völlig lebensfeindlich wäre. Soweit kann Tipler und Barrow noch gefolgt werden. Eigenartig mutet aber der Gedankengang an, wenn mit diesem richtigen und grundlegenden Prinzip argumentiert wird,  außer uns könne es keine weitere Intelligenz in unserer Galaxie geben. Folgt man Tipler und Barrow, darf Intelligenz erst nach der mittleren Lebensdauer eines sonnenähnlichen Sterns auftreten, also nach etwa 5 Mrd. Jahren. Das, so wird argumentiert, sei die Antwort auf die Frage, warum der Mensch gerade jetzt, in der gegenwärtigen Evolutionsstufe des Universums entstanden ist. Und weil die Entstehung weiterer Intelligenzen rechnerisch nahezu unwahrscheinlich sei, gäbe es in unserer Galaxie keine weiteren Intelligenzen. Walter ist diesem Gedankengang sehr zugetan, auch wenn er ihn nicht als Glaubensdogma, sondern nur als Denkansatz versteht. Immerhin will er nicht die Existenz Außerirdischer in anderern Galaxien ausschließen. Das Problem dabei ist aber, daß unsere Evolution als Maßstab für die Evolution auf anderen Planeten genommen wird, ja, man sogar von einer sehr viel längeren Evolution ausgeht. Wie gesagt – wir wissen derzeit nicht, ob es Lebensformen auf Planeten ferner Sonnensysteme gibt, wir kennen nur unsere Erde mit der Evolution ihrer Lebensformen. Doch ist es wohl nicht angebracht, diese als generelles Modell zu nehmen, denn die Evolution auf der Erde wurde nicht zuletzt auch durch diesen Planeten geprägt. Wenn uns die Erforschung des Universums etwas gezeigt hat, dann ist es der Umstand, daß es uns immer wieder überrascht hat und alte, liebgewonnene Theorien über den Haufen geworfen werden mußten. So verwundert es auch nicht, daß sich alle mit solchen Erklärungen zufrieden geben wollten, warum auch: Unsere Galaxie ist riesig, ihr Durchmesser beträgt ungefähr 150.000 Lichtjahre und sie enthält etwa 400 Milliarden Sterne. Es könnte eben doch gut möglich sein, daß es irgendwo in dieser gigantischen Ansammlung aus Sternen, Nebeln und kosmischen Staub noch andere Zivilisationen gibt. So machte sich der bekannte amerikanische Astronom Carl Sagan Gedanken darüber, ob es nicht eine Art galaktische Enzyklopädie geben könnte, die Informationen über sämtliche technischen Zivilisationen der Galaxie bereit hält und uns zur Verfügung steht, wenn wir erstmals Kontakt mit einer außerirdischen Zivilisation aufgenommen haben (7). Es handelt sich dabei jedoch um ein Gedankenspiel Sagans für den Fall, daß wirklich einmal ein Kontakt zustande kommt.

bb. Die Drake-Formel

Eine echte Alternative könnte die berühmte „Green-Bank-Formel“ von Frank Drake bieten. Diese Gleichung lautet ausgeschrieben (8):

N = R*fhfpneflfifcL

Es gilt, den Wert N zu ermitteln. Dieser bezeichnet die Anzahl der heute in unserer Milchstraße existierenden technischen Zivilisationen. Er ergibt sich aus der Multiplikation einer Reihe von Faktoren, die folgendes bedeuten:

R*:Die Sternentstehungsrate einer Galaxie gemittelt über deren Lebensdauer
fh: Anteil der Sterne, die eine Ökosphäre haben
fp: Anteil der Sterne, die ein Planetensystem besitzen
ne: Die mittlere Zahl von Planeten in einem Planetensystem, die in die Ökosphäre fallen, also geeignet sind, biologisches Leben hervorzubringen
fl: Die mittlere Anzahl solcher geeigneter Planeten, die tatsächlich Leben hervorbringen
fi: Der Anteil solcher Biosphären, auf denen sich intelligentes Leben entwickelt
fc: Der Anteil solcher Zivilisationen, die fortgeschrittene Techniken zur Kommunikation entwickeln
L: Die mittlere Lebensdauer einer technischen Zivilisation

Die ersten drei Faktoren lassen sich heute recht gut bestimmen. Die mittlere Sternentstehungsrate in der Galaxie beträgt größenordnungsmäßig zehn bis zwanzig pro Jahr, wenn wir die Anzahl der Sterne in der Galaxis (ca. 400 Milliarden) durch das Alter des Universums (ca. 13 Milliarden Jahre) dividieren (9). Der zweite Faktor läßt sich ebenfalls berechnen. Jeder Stern ab einer bestimmten Größe kann eine Ökosphäre haben. Wie große die Ökosphäre in ihrer Ausdehung und wie weit entfernt sie von dem Stern ist, hängt davon ab, wie groß bzw. massehaltig der Stern ist. Eine Obergrenze gibt es nicht, wohl aber eine Untergrenze.

So hat beispielsweise nicht jeder Stern eine Ökosphäre: Hat ein Stern weniger als 17% der Sonnenmasse, dann verschwindet die Ökosphäre gänzlich. Dies geht aus Berechnungen des NASA-Wissenschaftlers Michael Hart aus dem Jahr 1971 hervor. Je geringer also die Masse eines Sterns ist, desto näher rückt die Ökosphäre an ihn heran, desto schmaler wird sie auch. Bei Sternen, die 83% und weniger als die Sonnenmasse haben, gibt es keine Ökosphäre mehr. Damit fallen die meisten orangefarbenen Sterne des Spektraltyps K sowie alle roten Zwerge des Spektraltyps M weg – immerhin die weitaus größte Zahl aller Sterne in der Milchstraße (10). Es macht im Gegenzug übrigens keinen Sinn, bei heißen, massereichen Sternen nach außerirdischer Intelligenz zu suchen. Zwar gibt es dort eine Ökosphäre, doch gibt es zwei Hindernisse: Einmal sind massereiche Sterne sehr aktiv, sie dürften bereits kurz nach ihrer Entstehung alles Baumaterial für Planeten aus ihrer näheren Umgebung weggefegt haben, zudem sind sie sehr kurzlebig. Die Zeit, die sie existieren, würde gerade mal zur Bildung primitivster Lebensformen ausreichen, bevor der Stern für immer vergehen würde. Der dritte Faktor läßt sich erst seit 1995 annährend berechnen. Seitdem wissen wir nämlich, daß es auch um andere Sonnen Planetensysteme gibt. Diese unterscheiden sich allerdings von dem unsrigen frappierend, handelt es sich doch überwiegend um Systeme, in denen Planeten, die zum Teil größer als Jupiter sind, in extrem engen Abstand um ihre Sonne kreisen. Ob dies die Mehrzahl aller Planetensysteme in der Galaxis ist, ist derzeit nicht klar, da unsere Technologie bislang nur ausreicht, solche extremen Systeme ausfindig zu machen (11). Alle übrigen Faktoren lassen sich derzeit nicht aufgrund wissenschaftlich abgesicherter Basis berechnen, hier ist man auf Spekulation angewiesen. Und hier offenbart sich auch die eigentliche Schwäche der Drake-Formel, denn je nach persönlicher Einstellung des Nutzers werden sich zahllose Zivilisationen oder, wenn überhaupt, nur sehr wenige ergeben. Die Formel ist damit weniger eine Formel im exakten mathematischen Sinne, sondern eher ein Vehikel zur Auswertung der eigenen Weltanschauung. Eine Antwort auf die Frage „Wo sind sie?“ liefert sie nicht.

cc. Weitere Erklärungsversuche

Es gibt aber noch weitere Ansätze, wie man sich einer Antwort auf diese Frage annähren kann. Sie lassen sich untergliedern in die Paläo-SETI-Hypothese, die Zeithypothese, physische Gründe und soziale Gründe (12). Schauen wir sie uns der Reihe nach an.

1. Paläo-SETI-Hypothese: Diese geht davon aus, daß Vertreter einer außerirdischen Zivilisation noch vor nicht allzulanger Zeit – innerhalb der letzten 5000 Jahre – die Erde besucht haben, diese aber nicht kolonialisierten, sondern Einfluß auf die Evolution und Geschichte des Menschen nahmen. Auch wenn diese Theorie sehr viele Anhänger hat, so steht sie doch wissenschaftlich auf sehr wackeligen Füssen. Zum einen erscheint es schwer nachvollziehbar, warum eine außerirdische Zivilisation die ungeheueren Mühen des interstellaren Raumfluges auf sich nehmen sollte, um uns Menschen zu beeinflussen, sich aber nicht hier anzusiedeln. Man könnte natürlich argumentieren, daß der Kontakt nicht durch die Außerirdischen selbst, sondern durch Robotsonden hergestellt wurde. doch müssen dafür erst einmal Belege gefunden werden. Bislang konnten die Vertreter der Paläo-SETI-Hypothese trotz 30jähriger, mehr oder weniger seriös betriebener Forschung, keinen Beweis finden. Ein anderer Punkt ist, daß viele Autoren der Paläo-SETI bereits von einem Kontakt ausgehen, obgleich zur Zeit von wissenschaftlicher Seite aus noch nicht einmal eine außerirdische Mikrobe zweifelsfrei nachgewiesen wurde, geschweige denn eine außerirdische Zivilisation. Die Paläo-SETI-Hypothese, die mehr Wunschdenken als Wissenschaft in sich vereint, läßt sich demnach zur Beantwortung von Fermis Frage „Wo sind sie?“ nicht heranziehen.

2. Zeithypothese: Die Kolonisierung der Milchstraße dauert länger als zehn Milliarden Jahre = 15 Milliarden Jahre (Alter der Galaxis) abzüglich 4.5 Milliarden Jahre (Entwicklung außerirdischer Intelligenz), oder unsere Kultur tauchte als erste oder vor dem Erscheinen der Kolonialisierung der ersten Kultur auf. Aus zeitlichen Gründen hätte uns die Kolonialisierung bislang also nicht erreicht. Diesem Ansatz stehen mehrere Argumente entgegen: Zunächst ist es überhaupt nicht sicher, ob auch eine andere außerirdische Intelligenz 4.5 Milliarden Jahre für ihre Entwicklung benötigt. Wir gehen bei solchen Zahlen immer von unserer Evolution aus, die – es sei nochmals gesagt – ein Produkt unserer Erde ist. Intelligenzen könnten auch sehr viel schneller entstanden sein und mit der Kolonialisierung der Galaxie begonnen haben. Der zweite Punkt ist die Motivation einer solchen Intelligenz. Nehmen wir einmal an, es existiert neben uns in unserer Galaxie mindestens eine weitere Zivilisation, sie mag uns technologisch überlegen sein und des interstellaren Raumflugs fähig sein. Wer sagt, daß sie andere Welten kolonisieren wollen? Nur weil wir zur Zeit – theoretisch – davon ausgehen, daß der Mensch eines Tages in die Milchstraße vordringen würde, heißt das nicht, daß auch andere Kulturen so denken müssen (13). Das dritte Argument betrifft die Dauer der Kolonisierung der Milchstraße: Dieses Projekt würde, Berechnungen zufolge, etwa 50 Millionen Jahre in Anspruch nehmen. Für uns ist das ein gewaltiger Zeitraum, gemessen am Alter des Universums und der Galaxie ist es ein Klacks (14). Die Frage bleibt im Raum stehen: Wo sind sie?
Es gibt eine Möglichkeit zur Beantwortung dieser Frage, die die STSCI-Mitarbeiter Villard und Livio in die Diskussion eingebracht haben. Sie glauben, daß die Galaxie erst „jetzt“, also seit etwa 3 Milliarden Jahren, die optimalen Voraussetzungen für die Evolution höherer Lebensformen bietet. In der Frühzeit wird unserer Galaxie vermutlich von heftigen Gamma Ray Bursts (GRB) und Hypernovae geschüttelt worden sein. Dies sind die heftigsten bekannten kosmischen Katastrophen, beide sind geeignet, ganze Galaxien zu sterilisieren. GRB wurden in mehreren Milliarden Lichtjahren Entfernung von der Sonne beobachtet, in Galaxien, die unserer Galaxie entsprechen dürften, als diese noch jung und dynamisch war. Hypernovae können auch in älteren Galaxien auftreten. So befürchtet mancher Astronom, dass sich der massereiche Stern Eta Carina in solch einer Hypernova zerstören wird – ein denkbar unerfreuliches Ereignis für alles Leben auf dieser Erde. Möglicherweise waren Hypernovae in der jungen Milchstraße sehr viel häufiger gewesen. Supernovae, die kleinen Geschwister dieser gewaltigen Katastrophen, waren es gewiß. Und es waren diese Supernovae, die Tode der ersten Sternengenerationen, die überhaupt erst die Elemente für die Entstehung von Leben zur Verfügung stellten. Diese Elemente waren vor etwa 5 Milliarden Jahren vorhanden, erst seitdem könnte das Leben in unserer Milchstraße die Chance gehabt haben, sich zu entwickeln, so daß jetzt theoretisch zahllose junge technische Zivilisationen in der Milchstraße existieren könnten, die in etwa auf dem gleichen technologischen Stand wären. Auf die Frage, warum sie nicht hier sind, meint Livio, daß es nicht korrekt wäre, unsere menschlichen Eigenschaften auf Außerirdische auszudehnen. Nur weil wir neugierig sind und einen ausgeprägten Drang haben, uns „auszudehnen“, müssen andere Zivilisationen das nicht auch so sehen. Livio legte seiner These die Annahme zugrunde, daß Kohlenstoff, der Grundbaustein des Lebens, erst vor etwa 3 Milliarden, frühestens vor 7 Milliarden Jahren, in so ausreichenden Mengen vorhanden war, daß sich Leben bilden konnte. Bis dahin mußten Generationen schwerer Sterne in Supernovae verglühen, um genügend Kohlenstoff freizusetzen.
Doch können sich außerirdische Zivilisationen nicht in der gesamten Galaxie ansiedeln. Ähnlich wie unser Sonnensystem besitzt auch die Milchstraße eine Ökosphäre. Sie hat einen Durchmesser von etwa 1500 Lichtjahren und ist durchschnittlich 30.000 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entfernt. In dieser Zone gibt es nur wenig oder gar keine tödliche Strahlung, dafür aber genügend schwere Elemente, aus denen erdähnliche Planeten gebildet werden könnten. Allerdings gibt es gelegentlich in Spiralarmen gefährliche Zonen, nämlich dort, wo aus kosmischen Brutstätten neue Sterne entstehen. Manche dieser Sterne sind massereich, schnellebig und verglühen in Supernovae. Je näher man dem galaktischen Zentrum kommt, desto mehr nimmt die tödliche Röntgen- und Gammastrahlung zu. In der „Bulge“, jener Wölbung in der Mitte der Galaxie, stehen die Sterne eng beieinander, so daß Planetensysteme kaum eine reelle Chance haben dürften. Je weiter man sich von der galaktischen Ökosphäre entfernt, desto weniger schwere Elemente stehen zur Bildung erdähnlicher Planeten. Zwar mag es durchaus kleine Felskugeln geben, doch diese reichen nicht aus, eine Atmosphäre und damit flüssiges Wasser zu halten. Insgesamt verbleiben von den vielleicht 20 Milliarden Sternen vom Sonnentypus nur 5 Milliarden Sterne übrig, die als Sonnen erdähnlicher Planeten in Frage kommen. Das ist aber immer noch eine beachtliche Zahl. Andererseits grenzt dies natürlich auch die Zahl der kolonisierbaren Planeten erheblich ein. Die Frage, wo sie denn nun sind, bleibt unbeantwortet.

3. Physische Gründe: Es gibt physikalische, biologische oder technische Schwierigkeiten, die den interstellaren Raumflug unmöglich machen. Eine Entfernung über Lichtjahre hinweg kann sich, wenn man in kosmischen Maßstäben denkt, sehr gering anhören – denken wir nur einmal an Alpha Centauri: Er ist nur 4.5 Lichtjahre von uns entfernt, verglichen mit unserer Nachbargalaxie, dem Andromedanebel, geradezu ein Katzensprung. Doch die Entfernungen im Kosmos sind so gewaltig, daß unsere Vorstellungskraft nicht mehr ausreicht. Nehmen wir ein einfaches Modell als Grundlage, um uns eine Vorstellung von kosmischen Distanzen machen zu können. Das Sonnensystem soll darin die Größe von 1:100 Milliarden haben, so daß 1cm im Modell einer Entfernung von 1 Millionen Kilometer in der Natur entspricht (15). Die Sonne hat danach einen Durchmesser von 1.4 cm, die Erde wäre 1.5 m, der Jupiter 8 m und Pluto 59 m entfernt. Der Durchmesser der Erde betrüge 0.1 mm, Jupiter wäre 1.4 mm groß, Pluto dagegen nur 0.02 mm. In diesem Modell wäre unser Nachbarstern Alpha Centauri 410 km, Sirius dagegen bereits 820 km entfernt. Das hört sich, verglichen mit unseren gewohnten irdischen Maßstäben, durchaus machbar an. Gehen wir dazu nochmals in unser Modellsonnensystem. Die bislang längste von Menschen durchgeführte Reise in der Geschichte ist das amerikanische Mondflugprogramm. Eine beeindruckende Leistung! Setzen wir diese in unser Modell ein, dann wird klar, welch ungeheuere Distanzen bereits unser Sonnensystem aufweist: Der Mond wäre von der Erde nur 0.384 cm entfernt ! Jetzt erst wird einem die Herausforderung klar, die sich bereits für einen bemannten Marsflug stellt – von eine Reise zu den Sternen ganz zu schweigen. Die Sterne, die für uns unverrückbar am Nachthimmel stehen, sind unvorstellbar weit entfernt. Dennoch ließe sich eine solche Reise theoretisch bewerkstelligen. Theoretische Pläne gibt es bereits jetzt. Doch um Menschen innerhalb ihrer Lebenszeit zu den fernen Orten zu bringen, muß man sich der Lichtgeschwindigkeit – 299792.458 km/s – annähren. Theoretisch wäre dies durch ein sogenanntes „Stauschaufelraumschiff“ möglich. Der erforderliche Treibstoff – Wasserstoff – wird mittels einer großen „Schaufel“ direkt aus dem All aufgesaugt, man könnte so in der Tat beinahe Lichtgeschwindigkeit erreichen und so im Lebensalter eines Menschen beispielsweise zum Sirius hin- und wieder zur Erde zurückfliegen. Doch es stellen sich zwei Probleme: Erstens läuft die Zeit an Bord des Raumschiffes langsamer als auf der Erde. Dieses als Zeitdilatation bezeichnete Phänomen ergibt sich aus Einsteins spezieller Relativitätstheorie, sie wurde auch schon experimentell bestätigt (16). Je weiter man mit einem solchen „Relativitätsraumschiff“ in das Weltall vordringt, desto stärker wirkt sich der Effekt aus. Theoretisch könnte man so in etwa 20 Jahren zum Zentrum unserer Galaxie reisen, doch auf der Erde wären inzwischen 30.000 Jahre vergangen. Bei einer Reise beispielsweise zum Alpha Centauri würde sich die Zeitdilatation nicht so dramatisch auswirken, wäre aber dennoch für Reisende und Zurückgebliebene spürbar. Das zweite Problem ergibt sich aus Einsteins berühmter Formel „e=mc2“: Je mehr man sich mit einem Raumschiff der Lichtgeschwindigkeit annährt, desto größer wird die zu bewegende Masse. Das aber bedeutet, daß man entsprechend mehr Energie benötigt, um beschleunigen zu können. Bislang läßt sich nicht klären, wie man die dafür erforderlichen Energiemengen aufbringen könnte. Außerdem darf nicht übersehen werden, daß Flüge im Weltraum durch äußere Einflüsse gefährdert sein können. Man stelle sich vor, ein beinahe lichtschnelles Raumschiff wird unterwegs von einem kleinen Meteoriten getroffen: Bei der hohen Geschwindigkeit wären die Folgen katastrophal. Man könnte sich natürlich eine Art Schutzschild vorstellen, doch würde dieser wiederum Energie benötigen. Sollte es gelingen, alle diese Probleme zu lösen, wäre ein Flug zu den Sternen immens teuer. Es fragt sich, ob es sich eine Zivilisation überhaupt leisten kann und will, derartige Risiken und Bürden auf sich zu nehmen. Man könnte natürlich an Generationenschiffe denken, die mit Unterlichtgeschwindigkeit fliegen, doch stellt sich auch hier das Problem der Motivation. Immerhin würde ein solcher Flug mehrere Generationen dazu zwingen, in einer künstlichen Umgebung mit dem Wissen zu leben, niemals auf einem Planeten existieren zu können. Doch ist nicht auszuschließen, daß es Zivilisationen gibt, die durchaus motiviert sind, derartige Generationenreisen durchzuführen. Auch wenn für lange Zeit ein Leben auf einem Planeten für die Reisenden ausscheidet, so ist doch vorstellbar, daß an Bord des Raumschiffes eine planetenähnliche Umgebung geschaffen wird, die den Reisenden das Leben erträglich macht und für genügend Abwechslung sorgt. Rein theoretisch ist die Kolonisierung der Galaxie auf diese Weise in ca. 50 Millionen Jahren möglich (17). Natürlich muß die Motivation, eine solche Reise anzutreten, den Aufwand und die Kosten zur Herstellung mindestens eines solchen Raumschiffes decken – auch eine außerirdische Zivilisation dürfte nur über begrenzte Rohstoffe verfügen. Motivationen wären zur genüge denkbar: Überbevölkerung auf dem Heimatplaneten oder im Sonnensystem, drohendes Ende der Heimatsonne oder andere kosmische Katastrophen, beispielsweise eine bevorstehende Supernova in der Nachbarschaft. Solche Ereignisse könnten sich bereits in unserer Milchstraße abgespielt haben. Bislang hat sich jedoch kein Kolonistenschiff hier blicken lassen, so daß diese Annahmen reine Spekulation bleiben. Die Frage von Fermi steht also weiter im Raum: Wo sind sie ?

4. Soziale Gründe: Hier gibt es eine ganze Palette von Argumenten, die gegen das Fermi-Paradoxon vorgebracht werden. Ulrich Walter hat diese in drei Unterpunkten zusammengefaßt: Beschaulichkeitshypothese, Selbstzerstörungshypothese und Zoohypothese (18). Emmanuel Davoust fügt noch weitere Unterpunkte hinzu: Die ökologische Hypothese, die Hypothese vom geistigen Horizont, die Hypothese der fehlenden Reife und die Mißtrauenshypothese (19). Und noch eine weitere Hypothese wurde von Johannes Fiebag und James W. Deardorff ins Rennen geworfen: Die Leaky-Embargo-Hypothese (20). Werfen wir einen näheren Blick auf diese Hypothesen, bevor wir uns kritisch mit ihnen befassen.

(a). Beschaulichkeitshypothese: Diese auch als Kontemplationshypothese (Contemplation Hypothesis) bekannte Hypothese geht davon aus, daß eine außerirdische Zivilisation keine Motivation zur Forschung und Kommunikation sieht, es gibt für sie nichts mehr zu lernen, Kontakte nach außen interessieren sie nicht.
(b.) Selbstzerstörungshypothese: Außerirdische Zivilisationen existieren nicht lange genug, weil sie sich vor ihrer Ausbreitung in der Milchstraße selbst zerstören, beispielsweise durch Nuklearkriege.
(c.) ökologische Hypothese: Zwar haben außerirdische Intelligenzen Interesse an Forschung und Kontaktaufnahme, sie möchten aber ihre Umwelt nicht verändern oder Energien vergeuden, indem sie Sonden, Raumschiffe oder Funksignale aussenden.
(d.) Hypothese vom geistigen Horizont: Von „ihrem“ Standpunkt aus sind wir eine primitive Zivilisation, deren geistiger Horizont sehr beschränkt ist und die für sie keinerlei Interesse bietet. Außerdem übersteigen „ihre“ kommunikativen und technologischen Fähigkeiten unser Fassungsvermögen.
(e.) Hypothese der fehlenden Reife: Wir sind noch nicht reif für den Kontakt, wären reine Informationskonsumenten, die im Gegenzug nichts zu bieten hätten. Außerdem würden wir bestimmte Erfahrungen bei zu frühem Kontakt nicht selbst machen.
(f.) Die Mißtrauenshypothese: Unsere Geschichte und die Art, wie unser technischer Fortschritt errungen wird, läßt uns zweifelhaft erscheinen.
(g.) Zoo-Hypothese: Wir sind eine primitive Zivilisation. Außerirdische wissen das und wollen uns schützen, lassen uns in einem „galaktischen Reservat“ leben, ohne Einfluß auf unsere Entwicklung zu nehmen: Betreten verboten – Naturschutzgebiet (21).
(h.) Leaky-Embargo-Hypothese: Außerirdische wahren zwar die Distanz zur Menschheit, lassen aber immer wieder gezielt zu bestimmten Zeitpunkten und an bestimmten Orten Informationen durchsickern, die die Menschheit auf längere Zeit auf einen Kontakt vorbereiten sollen.

Alle diese Hypothesen klingen faszinierend, sind jedoch leider nicht geeignet, auf Fermis Paradoxon eine eindeutige Antwort zu geben. Zunächst einmal implizieren sie die Existenz außerirdischer Zivilisationen, die in einer ganz bestimmten, durchaus irdischen Weise denken. Das große Problem dieser Hypothesen ist ihre fehlende Falsifizierbarkeit. Wissenschaftliche Hypothesen müssen so vorgebracht werden, daß sie überprüfbar und damit auch falsifizierbar sind. Bislang ist das bei all den oben genannten Hypothesen nicht der Fall, zumal bislang noch nicht einmal die kleinste außerirdische Mikrobe nachgewiesen wurde. Aber nehmen wir einmal an, wir hätten die Existenz außerirdischer Zivilisationen nachgewiesen: Dann sind die genannten sozialen Gründe temporärer Art, sie können sich über das Entwicklungsstadium der Außerirdischen verändern und sich in das genaue Gegenteil verkehren. So bestand für unsere Zivilisation bis zum Ende des Kalten Krieges 1990 die erhebliche Gefahr eines allesvernichtenden Atomkrieges. Zur Zeit scheint diese Gefahr aufgrund der aktuellen politischen Entwicklung weitgehend gebannt zu sein. Warum sollen auch andere Zivilisationen nicht in der Lage sein, die Gefahr der Selbstvernichtung erfolgreich zu umschiffen? Außerdem: Einige Kulturen mögen tatsächlich soziale Gründe zur Vermeidung eines Kontaktes haben, doch muß das nicht auf alle zutreffen. Die Frage von Enrico Fermi bleibt also nach wie vor unbeantwortet.
In diesem Zusammenhang entwickelte Johannes Fiebag die sogenannte Mimikry-Hypothese.

b. Die Mimikry-Hypothese 1990

Im Jahr 1990 veröffentlichte Johannes Fiebag die Mimikry-Hypothese erstmals in der Mitgliederzeitschrift der AAS, der „Ancient Skies (22).“ Das besondere an dieser Hypothese ist, daß sie in einer grenzwissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht wurde und bislang auch nur im Bereich der Grenzwissenschaften kursiert. Der Einleitungssatz verdient bereits besondere Aufmerksamkeit:

„Besuche und Eingriffe extraterrestrischer Intelligenzen (ETI) im Verlaufe der Erd- und Menschheitsgeschichte vorausgesetzt, muß eine derartige Hypothese auch in der Lage dazu sein, mögliche Schwachstellen in der Argumentation zu erkennen und zu erklären.“

Ausgangsgrundlage ist also die Annahme, es habe Besuche Außerirdischer in unserer Vergangenheit gegeben. Fiebag legt auch Indizien für einen Besuch oder eine Kontaktaufnahme durch Außerirdische vor, alles tragende Säulen der Paläo-SETI-Hypothese, von denen bislang zwar keine bewiesen, sondern eher entkräftet wurde, die aber dennoch in Kreisen der Paläo-SETI-Anhänger den Status feststehender Dogmen erreicht haben (23). Bereits zu Beginn seines Artikels macht Fiebag klar, daß für ihn die Besuche einer außerirdischen Zivilisation auf dieser Erde stattfanden (24). Aus der scheinbar bestehenden Diskrepanz zwischen der offenbarten Technologie der Außerirdischen und ihren tatsächlichen Möglichkeiten wird von Fiebag die Mimikry-Hypothese zunächst für die Paläo-SETI, später auch für die UFO-Forschung, in die Diskussion eingeführt. Sie besagt nach Fiebag folgendes (25):

„Uns zu besuchen fähige außerirdische Intelligenzen besitzen einen so hohen technologischen (‚magischen‘) Standard, daß sie ihr Erscheinen dem jeweiligen intellektuellen Niveau der Menschen unterschiedlicher Zeiten und unterschiedlicher Kulturen anpassen können. Gleichzeitig vermögen sie, künftigen, Raumfahrt betreibenden Generationen – d.h. in diesem Falle uns, die wir beginnen, ihre Spuren zu entdecken und dadurch auf einen Kontakt vorbereitet werden – Hinweise auf ihre Existenz, ihre Besuchstätigkeit und ihre Möglichkeiten zu geben.“

Mit der Mimikry-Hypothese lassen sich aus der Sicht der Paläo-SETI-Hypothese Begegnungen zwischen Angehörigen einer bestimmten irdischen Kultur und Außerirdischen erklären, ihre Voraussetzungen werden von Fiebag klar definiert: Die Existenz mindestens einer weit fortgeschrittenen Zivilisation in der Galaxis, die die Erde seit langer Zeit ausführlich beobachtet und die Entwicklung des Lebens lenkt und ein wohlwollendes Interesse gegenüber der Menschheit hat. Die Technologie dieser Zivilisation ist in unseren Augen „magisch“, sie kann an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten Eingriffe vornehmen, die an das jeweilige Kulturniveau angepaßt sind. Dabei fahren die Außerirdischen zweigleisig: Den Empfängern ihrer Botschaft erscheinen sie als himmlischer Eingriff, späteren, technologisch fortschrittlichen Zivilisationen werden dadurch zur Aufnahme in einen „Galaktischen Club“ angeleitet. Als sie 1990 erstmals erschien, war sie fest eingebettet in das Gedankengefüge der Paläo-SETI-Hypothese, obgleich Fiebag, wie er selbst schreibt, die Idee zu dieser Hypothese bei der Beschäftigung mit dem Phänomen der Marienerscheinungen kam (25 a).

c. Die Entwicklung der Mimikry-Hypothese seit 1990

Das änderte sich mit dem Erscheinen von Johannes Fiebags Buch „Die Anderen“ im Jahr 1994. Darin versucht Johannes Fiebag, Erklärungen für das UFO-Phänomen zu finden, unter anderem auch für das sogenannte Entführungsphänomen. Positiv ist hervorzuheben, daß Fiebag sich ernsthaft um eine Erklärung des UFO-Phänomens bemüht und sich dadurch deutlich von den übrigen Autoren dieser Sparte abhebt, die ihre Ausführungen weitgehend auf wüsten Spekulationen stützen. Fiebag war überzeugt davon, daß das UFO-Phänomen durch eine außerirdische Intelligenz gesteuert wurde, und die Mimikry-Hypothese schien dafür eine geeignete Erklärung zu bieten (26):

„Diese Anderen gehen dabei sehr geschickt und sogar mit einem gewissen hintergründigen Sinn für Humor vor. Sie begegnen unseren Ahnen, die sie für Götter halten, nicht nur als lichtdurchflutete Wesen, sondern als ‚Astronauten:‘ Sie benutzten Raumschiffe, die heute einwandfrei rekonstruierbar sind, sie gestalten Tempel zu Erdbasen um, deren Zweck erst jetzt erkannt werden kann, sie hinterlassen technische Geräte und andere Artefakte, denen abenteuerliche Wege durch die Geschichte bevorstehen, und lassen Bauwerke errichten, die sich nun als Datenträger zeitunverträglicher Informationen entpuppen. Das wäre fraglos nicht nötig gewesen, wäre damit auch eine konkrete Botschaft verbunden: die Botschaft, daß wir beginnen sollen, uns, unsere Herkunft und unsere Auffassung von der Welt wieder in Frage zu stellen, unter einem neuen und anderen Licht zu sehen. Es ist die Veränderung des Blickwinkels, die zu neuen Aus- und Einsichten führt.“

In dem Buch „Kontakt“, das sich mit dem Entführungsphänomen im deutschsprachigen Raum befaßt, geht Fiebag nochmals auf die Mimikry-Hypothese ein (27):

„Mimikry bedeutet ‚perfekte Tarnung.‘ Wir wissen nichts oder nur sehr wenig über die Motivation jener Intelligenz, die sich hinter dem UFO-Phänomen verbirgt. Sie benutzt dieses Phänomen, es ist ihr Werkzeug, ihr Instrument. Es ist nichts weiter als die Maske, die wir sehen, eine schillernde Maske, voll bizarrer, glitzernder, verwirrender Züge. Wir lassen uns davon blenden, weil wir gar keine andere Möglichkeit haben. Wir können nur die Oberfläche sehen, der Blick ins Innere bleibt uns verwehrt. Und ‚die Anderen‘ wissen wissen, wie wir auf diese Maske reagieren, eine Maske, deren Antlitz sich beständig ändert – je nachdem, was wir erwarten. Jene Bilder, die sich kollektiv im Unterbewußten der Menschen eingenistet haben, genau diese Bilder spiegeln sie uns wieder. Und darum sind es wir selbst, die wir uns in der Maske der Fremden sehen: Es sind unsere Gefühle, unsere Ängste, unsere Freuden und unsere Träume. (…) Diese Tarnung ist perfekt. Sie erlaubt den Fremden eine nahezu unbegrenzte Handlungsfülle.“

1996 wurde die Mimikry-Hypothese dann nochmals in dem Buch „Sternentore“ aufgegriffen (28):

„Sie (die ‚Anderen‘, Anm. KR) maskieren sich, sie tarnen sich, sie spielen uns etwas vor. Sie narren uns mit genau den Bildern, die wir gerne sehen möchten. Dies ist eine Art Mimikry-Verhalten (…) Die Anderen scheinen ein ganz ähnliches Verhalten uns gegenüber an den Tag zu legen. Auch sie tarnen sich, auch sie sind nicht das, was sie für uns zu sein scheinen. Wir sehen nur Bilder, Symbole, die wir akzeptieren, wenn auch nicht verstehen können. Viele glauben, diese Bilder seien die Fremden, die Symbole seien das, was real mit den Entführten kommuniziert.“

Einen wesentlichen Aspekt bei der Entwicklung und der Anwendung der Mimikry-Hypothese spielte für Johannes Fiebag und seinen Bruder Peter das Phänomen der Marienerscheinungen. 1991 veröffentlichten die Brüder das Buch „Himmelszeichen“, in dem sie sich intensiv mit diesen Manifestationen auseinandersetzten und (29)

„eindrucksvoll belegen konnten, daß ‚Marienerscheinungen‘ nichts anderes sind als Offenbarungen einer außerirdischen Intelligenz, angepaßt dem Verständnis der kontaktierten Personen (…) Religiöse Verbrämung dort, wo es nötig ist; Maskierung, den soziokulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen angepaßt; Rückgriff auf die Phantasien und Vorstellungen der Menschen selbst; Tarnung unter einem Deckmantel dessen, was wir selbst zu sehen wünschen: Dies ist nichts anderes als ein ausgeprägtes Mimikry-Verhalten (…) Und genau das ist es: Anpassung. Diese fremde, außerirdische Intelligenz paßt sich uns an: unserem Verständnis, unseren Vorstellungen, unseren Phantasien, Ängsten und Hoffnungen. Und in kaum etwas anderem wird dies so deutlich wie im Phänomen der ‚Marienerscheinungen‘.“

d. Kritik an der Mimikry-Hypothese

Kann die Mimikry-Hypothese als eine Erklärung für eine mögliche Präsenz Außerirdischer auf der Erde oder im Sonnensystem herangezogen werden? Liefert sie eine befriedigende Antwort auf das Fermi-Paradoxon? Bei einer genauen Betrachtung der Hypothese und ihrer Entwicklung seit 1990 muß die Antwort „Nein“ lauten.Doch Kritik soll nicht pauschal geübt werden, sie bedarf der Begründung.

aa. Hypothese ?

Zunächst einmal hat Johannes Fiebag selbst keinen Hehl daraus gemacht, daß es sich bei der Mimikry-Hypothese um eine Hypothese handelt (30):

„Ich habe mit meiner ‚Mimikry-Hypothese‘, wonach eine fremde, vermutlich außerirdische Intelligenz sich seit jeher unter verschiedenen Masken in unserer Welt manifestiert, viel Zustimmung erfahren, aber auch herbe Kritik einstecken müssen. Insbesondere die Analogie, wonach diese Intelligenz so weit über uns steht, daß sie in unsere Wirklichkeit eingreifen kann wie wir in die virtuelle Realität des Cyberspace, hat eine für mich selbst erstaunliche Polarität in der Diskussion erzeugt. Einige nahmen sie begeistert an, andere lehnten sie ab (allerdings, wie mir scheint, mit eher stark emotional statt rational begründeten Angriffen). Nun, wir werden sehen, ob sich diese Hypothese – und nur eine solche ist es! – weiter verifizieren lassen wird. Aber ich habe den Eindruck, wir werden im Endeffekt gar nicht darum herum kommen, genau das anzunehmen.“

Doch die Frage ist, ob die Mimikry-Hypothese als solche überhaupt den Anforderungen gerecht wird, die die wissenschaftliche Methodik an eine Hypothese stellt. Am Anfang stehen vielleicht Daten, Beobachtungen, Messungen, für die mehrere Erklärungen möglich sind. Eine Erklärung erscheint in der Hypothese als durchaus brauchbar, sie soll nun weitergehend untersucht werden. Dabei arbeitet man nicht mit dem Ziel, die Hypothese zu belegen, sondern muß eine gesunde Skepzis bewahren, denn am Ende einer Untersuchung kann auch die Falszifizierung der Hypothese stehen, wenn sich ein Argument als trügerisch erwiesen hat. Ein Beispiel aus der Archäologie soll dies verdeutlichen:
Lange Jahre gingen Archäologen davon aus, daß die minoische Kultur auf Kreta durch den Vulkanausbruch von Santorin um 1200 v. Chr. vernichtet wurde. Erdbeben und riesige Flutwellen sollen den minoischen Palästen und Siedlungen den Garaus gemacht haben, der Ausbruch soll die halbe Insel Santorin weggesprengt haben. Belege dafür wurden nicht gesammelt, bis ein Wissenschaftlerteam, dem auch der Geoarchäologe Eberhard Zangger angehörte, sich an diese Aufgabe machte. Hypothese war der mögliche Untergang der minoischen Kultur durch den Vulkanausbruch von Santorin. Die Untersuchungen in Kreta und in Santorin ergaben aber, daß der Vulkansausbruch einerseits nicht so heftig war, daß er riesige Flutwellen und gigantische Erdbeben hätte auslösen können, auch fand man auf Kreta keine Hinweise für die Verwüstungen, die eine Flutwelle hinterläßt. Es mußten andere Ursachen gewesen sein, die die Menschen um 1200 v. Chr. zur Aufgabe ihrer Kultur führten. Ein Vulkanausbruch kam nicht in Frage (31). Eine andere Hypothese in der Astronomie betraf die Entstehung von Planetensystemen. Bis 1995 ging man davon aus, daß sich Gasriesen wie Jupiter oder Saturn in einer Entfernung von mindestens 3 bis 5 Astronomischen Einheiten von einem Stern entwickeln. Der innere Bereich des Planetensystems war erdähnlichen, also felsigen kleinen Planeten vorbehalten. Es gab sogar Computerprogramme, mit denen sich die Bildung solcher Planetensysteme berechnen ließ (32). All das hat sich mit der Entdeckung des planetaren Begleiters von 51Pegasi durch die Astronomen Mayor und Queloz im Jahre 1995 geändert: Dieser Planet ist ein Gasriese, der in nur 4 Tagen seine Sonne umkreist. Und er ist keine Ausnahme, zahlreiche ähnliche Planetensysteme wurden seitdem entdeckt. Das zwang die Astronomen zum Umdenken und zu neuen Theorien über die Entstehung von Planetensystemen (33). Nach dem heutigen Stand der Forschung scheint unser Sonnensystem die Ausnahme, nicht die Regel zu sein.
Was ist also bei der Erstellung einer Hypothese zu beachten? Es sind mehrere Voraussetzungen, die man bei der Erstellung einer Hypothese zu beachten hat (34). Für uns sind vor allem drei davon wichtig:

  1. Bei einer Argumentationskette muß jedes Glied – einschließlich der Prämisse – funktionieren.
  2. Ockhams Rasiermesser: Wenn wir es mit zwei Hypothesen zu tun haben, die die Daten gleich gut erklären, müssen wir nach dieser praktischen Faustregel die einfachere wählen
  3. Ist die Hypothese falsifizierbar? Behauptungen, die nicht überprüfbar und damit nicht falsifizierbar sind, sind wissenschaftlich wertlos. Behauptungen müssen also überprüfbar sein, hartnäckige Skeptiker müssen die Chance haben, den Überlegungen zu folgen, die Experimente zu wiederholen und festzustellen, ob sie zu den gleichen Ergebnissen gelangen.

Bewerten wir die Mimikry-Hypothese anhand dieser drei wichtigen Voraussetzungen, so ist ihr wissenschaftlicher Wert mehr als zweifelhaft:

ad 1: Funktioniert jedes Glied in der Argumentationskette? Die Mimikry-Hypothese will eine Erklärung dafür liefern, wie sich eine außerirdische Intelligenz, die uns seit Jahrtausenden oder Jahrmillionen beobachtet, mit uns Kontakt durch Symbole, hinter einer Maske, aufnimmt und dabei auch Botschaften für spätere Generationen bereithält. Die Frage ist bereits: Besteht ein Kontakt zu einer außerirdischen Intelligenz? Das impliziert wiederum die Frage: Gibt es eine außerirdische Intelligenz, noch dazu eine, die in der Lage ist, die enormen Entfernungen zwischen den Sternen zurückzulegen? Die Antworten auf diese Fragen müssen – leider – nein lauten. Es gibt zur Zeit keinen Beweis für die Existenz außerirdischen Lebens. Astronomen vermuten, daß es auf dem Mars und dem Jupitermond Europa Leben geben könnte. Doch das müßte erstens bewiesen werden und wäre zweitens keine außerirdische Intelligenz, die Raumfahrt betreibt. Und bei fernen Sternen haben wir bislang keine Hinweise auf eine außerirdische Zivilisation finden können. Ein weiteres Glied in der Argumentationskette sind Argumente aus der Paläo-SETI, die auf einen Besuch in der Vergangenheit hindeuten sollen (23). Doch bislang gibt es für alle diese Argumente keinen wissenschaftlich überzeugenden Beweis, daß hier ein außerirdischer Einfluß im Spiel ist, im Gegenteil, bislang haben Archäologen und Völkerkundler keine Hinweise darauf finden können (35).
ad 2: Ockhams Rasiermesser: Beschränken wir die Überprüfbarkeit der Mimikry-Hypothese auf die Paläo-SETI-Hypothese, so stehen sich hier zwei Hypothesen gegenüber, die die Daten nicht einmal gleich gut erklären können. Während in der Paläo-SETI oftmals ungenau und unter mit Manipulation von Daten gearbeitet wird mit dem Ziel, einen Beleg für den Besuch Außerirdischer zu finden, arbeiten Wissenschaftler in aller Regel nach wissenschaftlichen Grundsätzen und können ihre Daten und Forschungsergebnisse absichern. Das ist auch notwendig, da ihre Theorien einer genauen wissenschaftlichen Überprüfung durch Fachzeitschriften, Tagungen oder Zweituntersuchungen unterliegen. Archaölogie und Völkerkunde vermögen in der Tat die vorliegenden Daten besser zu erklären als die Mimikry-Hypothese.
ad 3: Die Mimikry-Hyothese ist nicht falsifizierbar, besitzt daher keinen wissenschaftlichen Wert. Sie hat inzwischen in der Paläo-SETI einen Stellenwert einer „Theorie“ erreicht, mit dem man alle für die Paläo-SETI relevanten „Geheimnisse“ und „Rätsel“ in der Vergangenheit des Menschen erklären kann. Außerirdische, die sich hinter verständlichen Bildern und Symbolen verbergen, vermögen alle Widersprüche der Paläo-SETI-Hypothese zu lösen. Die Vorstellung vom Wirken einer unbekannten außerirdischen Intelligenz hinter einer Maske ist prinzipiell nicht widerlegbar und damit wissenschaftlich wertlos.

Im Ergebnis bleibt also festzuhalten, daß die Mimikry-Hypothese keine Hypothese mit wissenschaftlich beachtlicher Aussagekraft ist.

bb. Mutation: Von der Hypothese zur Tatsache

In den Grenzwissenschaften herrschen andere Regeln als in der Wissenschaft. Dies gilt auch für die Paläo-SETI. In den letzten Jahren sind genug Belege zusammengetragen worden, die zeigen, daß hier weniger mit dem Ziel gearbeitet wird, den Erkenntnisgewinn zu steigern und eine wissenschaftlich akzeptable Alternativerklärung anzubieten, sondern vorrangig der Besuch außerirdischer Intelligenzen belegt werden soll. Die Paläo-SETI ist also weniger erkenntnisorientiert als vielmehr ideologisch motiviert. Auch die Mimikry-Hypothese dient diesem Zweck. Als erster Beleg mögen die Zitate oben unter c. dienen. Sie bezeugen, daß die Mimikry-Hypothese für ihre Vertreter längst nicht mehr nur Hypothese ist, sondern als feststehende Erkenntnis behandelt wird: Es ist eben so, daß außerirdische Zivilisationen die Menschheit beobachten und mit ihr hinter der Maske von Bildern und Symbolen Kontakt aufnehmen. Es scheint, als sei der Beweis längst geführt worden. Doch wo ist er? Er läßt sich in keiner der einschlägigen Publikationen finden, vielmehr werden als Belege problematische Indizien herangezogen (26)

„Diese Anderen gehen dabei sehr geschickt und sogar mit einem gewissen hintergründigen Sinn für Humor vor. Sie begegnen unseren Ahnen, die sie für Götter halten, nicht nur als lichtdurchflutete Wesen, sondern als ‚Astronauten:‘ Sie benutzten Raumschiffe, die heute einwandfrei rekonstruierbar sind, sie gestalten Tempel zu Erdbasen um, deren Zweck erst jetzt erkannt werden kann, sie hinterlassen technische Geräte und andere Artefakte, denen abenteuerliche Wege durch die Geschichte bevorstehen, und lassen Bauwerke errichten, die sich nun als Datenträger zeitunverträglicher Informationen entpuppen.“

Beginnen wir einmal mit der letzten Alternative: Bauwerke, die sich als Datenträger zeitunverträglicher Informationen entpuppen. Schauen wir uns die Fußnoten dazu an, finden wir Hinweise auf die Arbeiten von Wolfgang Feix, der beispielsweise in der Cheops-Pyramide in Giza ein kosmisches Zeichensystem sieht, eine Botschaft von Alpha Centauri (36). Diese Annahme wurde 1995 durch Frank Dörnenburg widerlegt, die Cheops-Pyramide enthält keine Hinweise auf eine kosmische Botschaft (37). Was ist mit dem Tempel, der zu einer Erdbasis umgestaltet wurde? Gemeint ist hier der Tempel, den der Prophet Hesekiel in den Kapiteln 40 – 42 beschreibt. Der Ingenieur Hans Herbert Beier rekonstruierte den Tempel nach den Angaben Hesekiels als Wartungsstation für ein Zubringerraumschiff, das wiederum nach den Angaben Hesekiels von Josef Blumrich, einem NASA-Ingenieur, rekonstruiert wurde (38). Seitdem gilt der Wartungstempel als eine feste Größe in der Paläo-SETI, allerdings verbunden mit einem wesentlichen Problem: Er konnte nicht lokalisiert werden. Nirgends auf der Welt fand sich ein Tempel, der den Ausmaßen und dem Aufbau entsprach, wie ihn Beier rekonstruiert hatte. Erich von Däniken unternahm beispielsweise einen Anlauf, den Tempel zu lokalisieren: Zunächst mußte die Tempelanlage von Chavin de Huantar als Tempel Hesekiels dienen (39), die jedoch keinerlei Gemeinsamkeiten mit Hesekiels Tempelvision hatte (40). Annette Pohlke gelang es, den Tempel Hesekiels als das zu beschreiben, was er war: Hesekiel beschrieb keine Wartungsstation für Raumschiffe, sondern in idealisierter Form den Tempel von Jerusalem, der durch die Babylonier zerstört worden war (41). Und natürlich überhaupt keine Belege gibt es dafür, daß uns Außerirdische in der Vergangenheit besucht haben und es derzeit noch tun. Dennoch wird dies wie eine bereits bewiesene Tatsache hingestellt, wie die unter c. aufgeführten Zitate zeigen. Dabei ist das Vorgehen der Autoren interessant und durchaus üblich in Publikationen der Paläo-SETI: Zunächst wird eine Erklärungsmöglichkeit angeboten und dies auch so gekennzeichnet. Im Laufe des Textes mutieren die Autoren die „Hypothese“ zu einer bewiesenen Tatsache, so daß der Leser am Schluß des Textes glaubt, daß es einen außerirdischen Kontakt wirklich gibt. Interessant ist dabei auch, mit welcher Argumentation eine außerirdische Präsenz begründet wird (42):

„Wie wahrscheinlich ist die Existenz einer solch überragenden Intelligenz? Da wir – wie Fogg belegt hat – davon ausgehen müssen, daß die gesamte Milchstraße bereits besiedelt war, als unser Sonnensystem erst entstand, ist die Wahrscheinlichkeit sogar als extrem hoch anzusetzen. Eine Intelligenz, die auf eine mehr als fünf oder sechs Milliarden Jahre andauernde bewußte und schließlich bewußt selbst gesteuerte Evolution zurückblicken kann, sollte nur noch wenig mit dem gemein haben, was wir unter ‚biologischem Leben‘ verstehen. Die Manipulation mentaler Fähigkeiten (…) dürfte ihr vermutlich ebenso geläufig sein sie der Austausch mit anderen Seinsdimensionen oder (…) auch von Zeitreisen. Es ist zwar kaum zu vermuten, daß eine solche ‚Rasse‘ sich seit Jahrmilliarden unserem Planeten widmet, aber bereits wesentlich unter diesem ‚Maximumniveau‘ stehende Zivilisationen oder Zivilisationsgemeinschaften dürften in der Lage sein, die hier dargestellten Phänomene zu produzieren. Deardorff nennt einen um nur fünfhundert Jahre in die Zukunft projizierten Entwicklungsstand, bei dem uns bereits sämtliche Handlungen als ‚magisch‘ erschienen.“

Diese Aussage genügt den Autoren bereits als Beleg für die Existenz mindestens einer hochentwickelten Zivilisation, die mit uns in Kontakt tritt, hier im speziellen Fall in Form der Marienerscheinungen. Zunächst einmal ist die Wahrscheinlichkeit, daß es sehr weit entwickelte Zivilisationen in unserer Galaxis gibt, gar nicht so hoch. Entgegen Fogg steht die Auffassung der STSCI-Mitarbeiter Villard und Livio, nach deren Theorie das Leben in unserer Galaxis spätestens vor 3, frühestens vor 7 Milliarden Jahren überhaupt eine reelle Chance hatte. Dann ist natürlich nach wie vor höchst spekulativ, ob es andere Zivilisationen gibt und wenn ja, wie deren technische Entwicklung verläuft und ob überhaupt eine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme besteht. Im Grunde haben die Aussagen der von den Fiebags zitierten Wissenschaftler keinerlei Wert, es sei denn, sie stützen sie auf Modellannahmen. Mangels auch nur der geringsten Kenntnis über außerirdische Zivilisationen kann man sich nämlich die Vorgehensweise Außerirdischer nur plausibel machen, wenn sie in den menschlichen Realitätstunnel verpackt werden, also vom menschlichen Horizont beurteilt werden. Doch davon erfährt man bei den Brüdern Fiebag nichts.
Die Analyse der Mimikry-Hypothese zeigt deutlich auf, wie in den Grenzwissenschaften, zu denen die Paläo-SETI nun einmal auch gehört, gearbeitet wird. Wir haben zunächst ein schwer erklärbares Faktum: Die Marienerscheinungen. Dann stellt man sich die Frage, wie sich die Marienerscheinungen erklären lassen könnten, läßt aber bereits in diese Frage die Vorstellung eines außerirdischen Kontaktes mit einfließen. Um eine Beziehung zwischen den Erscheinungen und Außerirdischen herzustellen, werden Argumente so gestaltet, daß am Schluß auch tatsächliche diese Beziehung besteht. Dabei wird völlig übersehen, daß die Existenz einer  außerirdischen Intelligenz nach derzeitigem Stand der wissenschaftlichen Forschung überhaupt nicht belegt ist, geschweige denn ein Kontakt mit ihr. Dennoch zieht man diese nicht bewiesene Möglichkeit als Erklärung für die Marienerscheinung oder eben das Entführungsphänomen heran. Das ist ein Zirkelschluß: Ein schwer erklärbares Phänomen soll durch etwas erklärt werden, was seinerseits überhaupt nicht bewiesen ist.

Ergebnis

Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß es bislang keine überzeugende Antwort auf Enrico Fermis Frage „Wo sind sie?“ gibt. Weder die Wissenschaft, schon gar nicht die Grenzwissenschaften – hier vertreten durch die Mimikry-Hypothese – vermögen zur Zeit darauf eine Antwort zu geben. Eine außerirdische Präsenz läßt sich vom wissenschaftlichen Standpunkt her nicht nachweisen, auch wenn dies nicht in so manches Glaubenskonzept passen mag. Ob allerdings die Annahme gerechtfertig ist, daß wir angesichts des fehlenden Kontakts die einzige technische Zivilisation in der Galaxis sind, erscheint voreilig. Nur weil wir bislang keine Hinweise auf außerirdische Zivilisationen gefunden haben, heißt das nicht, daß es sie nicht geben könnte. Vielleicht, so läßt sich vermuten, sind sie so weit von uns entfernt, daß wir nie die Gelegenheit haben werden, ihre Existenz zur Kenntnis zu nehmen. Die Suche nach außerirdischen Zivilisationen mag zwar aufregende Perspektiven bergen, aber es scheint zunächst einmal sinnvoller, in unserem Sonnensystem nach Lebensspuren zu suchen, beispielsweise auf dem Mars oder auf dem Jupitermond Europa. Dort werden wir keine intelligenten Lebensformen finden, wohl aber eine endgültige Antwort auf die Frage, ob Leben auch außerhalb der Erde entstehen kann. Dies wird das spannende wissenschaftliche Abenteuer sein, das uns in den nächsten zehn Jahren erwartet.

Anmerkungen

Vorweg: Dank an Aleksandar Guzijan, der mir wertvolle Hinweise für diesen Beitrag gegeben hat.
(1) Drake/Sobel (1994), S. 211 f.; Walter (1999), S. 162 f.; Shostak (1999), S. 203 f.
(2) Kaiser (1999)
(3) Richter (2000).
(4) Die Palette ist vielfältig. Lars Fischinger und Roland Horn haben sich in ihrem Buch „UFO Sekten“ ausführlich mit solchen Vertretern der Grenzwissenschaften befaßt, die eine religöse Bewegung oder etwas vergleichbares gegründet haben, beispielsweise die Kontaktler der 50er Jahre um George Adamski, das sog. Ashtar Kommando oder die Rael-Bewegung (Fischinger/Horn, 1999).
(5) Fiebag, 1990; ders. in: Erich von Däniken (1992)
(6) Walter (1999), S. 133 ff.
(6a) Walter (1999), S. 125 – 132
(7) Sagan (1982), S. 325
(8) Sagan (1982), S. 310 f.; Shostak (1999), S. 218; Davoust (1993), S. 157; Walter (1999), S. 84 ff; Formel nach Walter (1999).
(9) Davoust (1993), S. 157
(10) Hart (1977)
(11) Pfau (2001); Wuchterl (2001); Richter (1999)
(12) Walter (1999), S. 148 f.; Davoust (1993), S. 161 – 171.
(13) So auch Shostak (1999), S. 159 – 165.
(14) Walter (1999), S. 239 – 242.
(15) dtv-Atlas der Astronomie, 14. Auflage München 2000; Richter, Entfernungen in der Astronomie, MegaLithos 4/2000
(16) Sagan (1982), S. 211 – 214.
(17) Walter (1999), S. 148. Geoffrey Landis hat auf seiner Homepage ein Paper veröffentlicht, in dem er ein neues Modell der Ausbreitung einer interstellaren Kolonisationswelle vorschlägt. In diesem wüde der ganze Prozess inhomogen ablaufen, manche Sterne wären von einem bestimmten
Punkt aus nicht leicht erreichbar, ein gewisser Prozentsatz der Kolonien wüde nicht weiter kolonisieren. Es würden große „Hohlräume“ entstehen.
Modifikationen des Modells wären die Einbeziehung bestimmer Antriebstypen, Schaufelschiffe würden in bestimmten Gebieten schlecht funktionieren, darum würden diese vemieden werden, sowie die Form der Galaxis, Lücken zwischen den Spiralarmen würden natürliche Grenzen darstellen. Hier gäbe es einfach nicht genügend Wasserstoffatome, um ein Stauschaufelraumschiff („Ram-Jet“) anzutreiben.
(18) Walter (1999), S. 148.
(19) Davoust (1993), S. 167 f.
(20) Fiebag/Deardorff, in: Erich von Däniken (1992), S. 385 ff.
(21) Ball (1973), S. 347; Sagan (1982), S. 319.
(22) Vgl. FN. 5; AAS steht für „Ancient Astronaut Society“. Sie wurde 1998 in „Forschungsgesellschaft für Archäologie, Astronautik und SETI“ (A.A.S.) umbenannt, die Mitglieder erhalten seitdem die Zeitschrift „Sagenhafte Zeiten.“
(23) Das „Raumschiff des Ezechiel“, der „Tempel des Ezechiel“ (der übrigens bislang nicht gefunden wurde und im Gedankengut der Paläo-SETI aufgrund der Rekonstruktion durch H. Beier eine gewisse Berühmtheit erlangt hat, eine Rekonstruktion, die von vielen als Tatsache angesehen wird), „Manna-Maschine“, „Vimanas“ der indischen Literatur, verschiedene „Rätsel“ der Maya wie beispielsweise die Grabplatte von Palenque, das zum Teil sehr menschliche Verhalten von Göttern in Mythen und Sagen.
(24) „Dies insbesondere dann, wenn man bedenkt, über welche Zeiträume diese Besuche stattfanden,“; „Warum sollten es ETI, die dazu in der Lage waren, unseren Planeten vor Jahrmillionen zu besuchen …“ (In: EvD (1992), S. 403).
(25) In Erich von Däniken (1992), S. 404.
(25a) In Erich von Däniken (1997), S. 63.
(26) Fiebag (1993), S. 310.ff., hier S. 313.
(27) Fiebag (1994), S. 171.
(28) Fiebag (1996), S. 24.
(29) In Dopatka (1996), S. 21 f.; Fiebag u. Fiebag (1997), S. 372 f.
(30) Fiebag (1994), S. 13 f.
(31) Zangger (2001), S. 17 – 73.
(32) Sagan (1982), S. 221.
(33) Lemonick (1998), S. 128 – 130; Marcy/Butler (1998).
(34) Sagan (1997), S. 256 f.
(35) Zur Grabplatte von Palenque, die von Fiebag ausdrücklich erwähnt wird, vgl. nur Schele/Freidel (1991/1999), S. 240 – 262.
(36) In: Erich von Däniken (1988), S. 187 – 204; in: Erich von Däniken (1992), S. 151 – 154.
(37) Dörnenburg (1995)
(38) Beier (1985)
(39) Erich von Däniken (1982), S. 58 – 112.
(40) Coe (1998/1986), S. 179.
(41) Pohlke (1997). Auch die übrigen „Indizien“ für einen außerirdischen Besuch, die im Zusammenhang mit der Mimikry-Hypothese zitiert werden, haben ganz irdische Ursprünge. Ungeachtet Pohlkes Widerlegung hat die Wartungsstation in der Paläo-SETI ein Eigenleben entwickelt, anhand derer wieder völlig neue Rekonstruktionen des Hesekiel-Raumschiffes vorgenommen werden (Forrer, 2000).
(42) Fiebag u. Fiebag (1997), S. 372 f.

Literatur

dtv-Atlas der Astronomie, 14. Auflage München 2000
J.A. Ball, The Zoo-Hypothesis, Icarus 19 (1973), S. 347
Hans Herbert Beier, Kronzeuge Ezechiel, München 1985
Michael D. Coe (Hrsg.), Amerika vor Kolumbus, Augsburg 1998 (München 1986)
Emmanuel Davoust, Signale ohne Antwort?, Basel u.a. 1993
Frank Dörnenburg, Kommunikation mit Alpha Centauri?, G.R.A.L. 6/1995
Frank Drake/Dava Sobel, Signale von anderen Welten, Essen u.a. 1994
Wolfgang Feix, Eine Botschaft von Alpha Centauri?, in: Erich von Däniken (Hrsg.), Kosmische Spuren, München 1988
Wolfgang Feix, Die große Pyramide von Gizeh – Neues von Alpha Centauri, in: Erich von Däniken (Hrsg.), Neue kosmische Spuren, München 1992
Johannes Fiebag, Die Mimikry-Hypothese, Ancient Skies 4/1990
Johannes Fiebag, Die Mimikry-Hypothese, in: Erich von Däniken (Hrsg.), Neue kosmische Spuren, München 1992
Johannes Fiebag, James W. Deardorff, SETI und die Leaky-Embargo-Hypothese, in: Erich von Däniken (Hrsg.), Neue kosmische Spuren, München 1992
Johannes Fiebag, Die Anderen, München 1993
Johannes Fiebag, Kontakt, München 1994
Johannes Fiebag, Sternentore, München 1996
Johannes Fiebag, Die Mimikry-Hypothese – Neue Ansätze und Hinweise, in: Ulrich Dopatka (Hrsg.), Sind wir allein?, Düsseldorf 1996
Johannes Fiebag, Das Mimikry-Verhalten der ‚Anderen‘, in: Erich von Däniken (Hrsg.), Das Erbe der Götter, München 1997
Johannes und Peter Fiebag, Zeichen am Himmel, Berlin 1997
Lars A. Fischinger, Roland M. Horn, UFO-Sekten, Rastatt 1999
Christian Forrer, Der Ezechiel Tempel, in: Sven Näther (Hrsg.), Fliegende Götter, Wilhelmshorst 2000
Michael Hart, Habitable Zones about main sequence stars, Icarus 37 (1979)
Rainer Kaiser, SETI@home, STAR OBSERVER 11/1999
Michael Lemonick, Neue Welten im All, München 1998
Geoffrey W. Marcy, R. Paul Butler, Riesen-Planeten umkreisen ferne Sonnen, Spektrum der Wissenschaft Dossier 3/1998
Werner Pfau, Fremde Planetensysteme im All, Sterne und Weltraum 1/2001
Annette Pohlke, Das Gebäude aus Hesekiel 40-48: Tempel oder Wartungsstation?, G.R.A.L. 2/1997
Klaus Richter, Unzählige Welten, Sagenhafte Zeiten 3/1999
Klaus Richter, Neue Strategien für die Suche nach außerirdischen Zivilisationen, Sagenhafte Zeiten 1/2000
Klaus Richter, Entfernungen in der Astronomie, MegaLithos 4/2000
Carl Sagan, Unser Kosmos, München 1982
Carl Sagan, Der Drache in meiner Garage, München 1997
Linda Schele, David Freidel, Die unbekannte Welt der Maya, München 1999 (München, 1991).
Seth Shostak, Nachbarn im All, München 1999
Ulrich Walter, Zivilisationen im All, Heidelberg u.a. 1999
Günter Wuchterl, Was ist ein Planet?, Sterne und Weltraum 2/2001
Eberhard Zangger, Die Zukunft der Vergangenheit, München 2001

Stand: 10. April 2001

Erschienen in „Sagenhafte Zeiten 5/2000“ (S. 19 – 22), auf dieser HP mit freundlicher Genehmigung der Redaktion. Der Begleittext zu dem Interview stammt aus „Sagenhafte Zeiten“, er wird hier wortgetreu wiedergegeben. Das Interview ist von besonderem Interesse, insbesondere im Hinblick auf künftige Forschung in der A.A.S. Ich selbst neige der Auffassung zu, die M. Haase in seinem Interview äußert. Ägypten und seine Jahrtausende alte Kultur zieht Paläo-SETI-Forscher immer wieder in seinen Bann. Die Indizien, daß hier einst Besucher von einem fernen Planeten ihre Spuren hinterlassen haben, scheinen unübersehbar. Ganz anders sieht es dagegen Michael Haase: „Von außerirdischen Einflüssen gibt es im Land am Nil keine Spuren, Ägyptens Geheimnisse liegen ganz woanders.“ Ein Interview mit dem Berliner Mathematiker und Sachbuchautoren sowie mit dem Forscher und Paläo-SETI-Fachmann Erich von Däniken, für den die Sachlage ganz anders aussieht.

Von Dr. Klaus Richter

Michael Haase, wurden die Pyramiden von einer fremden Intelligenz erbaut ?

Haase:

Nein, sicherlich nicht. Ich beschäftige mich seit über zehn Jahren mit der alt-ägyptischen Kultur, habe meine Aktivitäten vorrangig auf die Pyramidenforschung konzentriert und dabei keinerlei Hinweise auf einen außerirdischen Einfluß oder Spuren einer bislang unbekannten Hochtechnologie gefunden. Alle bisher von Grenzwissenschaftlern vorgebrachten Vermutungen in dieser Richtung ließen sich entweder relativ leicht widerlegen oder sind aufgrund fehlerhafter Argumentationen bzw. auf der Basis unbeweisbarer Spekulationen nicht diskutabel. So gibt es beispielsweise auch keinen Ansatz zur Spekulation, daß Cheops (altäg.: Chufu) nicht der Bauherr der „Grossen Pyramide von Giza“ war oder daß irgendwelche „Geheimkammern“ in seiner Pyramide existieren. Kulturhistorisch wie auch archäologisch und architektonisch gibt es dafür keine Indizien. Cheops‘ Name wurde in der Pyramide zweifelsfrei lokalisiert. Seine Pyramide stellt den Mittelpunkt eines umfangreichen Grabkomplexes dar, in dem man vielerorts auf den Namen dieses Königs stößt und der die Gräber seiner Familie und seines Hofstaates beherbergt. Das Kammersystem der Cheops-Pyramide weist zudem alle architektonischen Komponenten auf, die ein Königsgrab der 4. Dynastie auszeichnen.

Wäre es möglich, daß man Entdeckungen in der Pyramidenforschung geheimhält?

Haase:

Ich halte nichts von Verschwörungstheorien. Das mit der „Geheimhaltung“ wird in grenzwissenschaftlichen Kreisen immer dann vorgeschoben, wenn es den eigenen Interessen bzw. Anschauungen dient. Mit einer derartigen Argumentation wird jede fachliche Auseinandersetzung im Keim erstickt, was wohl in vielen Fällen auch beabsichtigt ist. Wie soll übrigens solch eine „flächendeckende Geheimhaltung“ in der Praxis aussehen? Ägyptologen arbeiten nicht isoliert, sondern im Verbund mit ihren wissenschaftlichen Instituten und in Diskussionen mit anderen Gelehrten. An einer Forschungsmission sind viele Menschen beteiligt, die man sicherlich nicht alle „kontrollieren“ lassen kann. Zudem glaube ich nicht, daß es sich die Ägyptologen leisten können, irgend etwas „Revolutionäres“ längere Zeit vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Dies käme wohl einem „wissenschaftlichen Selbstmord“ gleich, wenn die Presse, die ständig ein Auge auf die Pyramiden von Ägypten hat, davon Wind bekäme. Außerdem, so mein persönlicher Eindruck wie auch meine bisherige Erfahrung, gibt es gar keinen Grund, etwas aus dem Umfeld der Ägyptologie vor irgend jemandem zu verbergen.

Also gibt es rund um die Pyramiden keine Geheimnisse mehr ?

Haase:

Es existieren noch etliche offene Fragen in der Pyramidenforschung, die aber in erster Linie archäologischer, bautechnischer oder soziokultureller Natur sind und keinen Stoff für die klassische Paläo-SETI liefern. Zum Beispiel deuten die bisherige Funde klar darauf hin, daß Pyramiden unter Zuhilfenahme von Rampen errichtet wurden. Reste von kleineren, linear angelegten Baurampen haben die Archäologen an Pyramiden des Alten und Mittleren Reiches gefunden. Man weiß jedoch bislang nur sehr wenig über die genaue Gestalt der Rampenkonstruktionen, die zum Beispiel die Errichtung der großen Pyramiden von Giza oder Dahschur verwendet wurden. Langsam setzt sich hierbei aber die Auffassung durch, daß es im Pyramidenbau keine Patentlösung gab, da die einzelnen Bauprojekte sehr unterschiedlich ausgelegt waren. Vor diesem Hintergrund diskutieren die Ägyptologen auch über die Frage, ob womöglich als zusätzliche Hilfsmittel spezielle „Hebegeräte“ zum Einsatz kamen. Hinsichtlich des Sphinx‘ gibt es unterschiedliche Auffassungen, wer ihn erbauen ließ: Cheops oder Chephren. Seine Lage und der Baubefund der ihm vorgelagerten Tempel sprechen wohl eindeutig für Chephren. Spekulationen über en hohes Alter des Sphinx entsprechen dagegen nicht den archäologischen Tatsachen und wurden – wie übrigens auch das so genannte „Orion-Rätsel“ – in Fachkreisen bereits vor geraumer Zeit widerlegt.

Wenn alles so klar ist, warum wird dann Ihrer Meinung nach immer wieder über außerirdische Baumeister gerätselt?

Haase:

Ich frage zurück: Wer rätselt denn wirklich darüber? Stehen bei derartigen Spekulationen in Wahrheit nicht oftmals nur rein persönliche Sichtweisen im Vordergrund? Werden dabei nicht unbequeme, allzu nüchterne wissenschaftliche Fakten meist ignoriert, weil sie dem eigenen Glauben im Weg stehen? Aus kulturhistorischer und archäologischer Sicht gibt es keinen Bedarf an Außerirdischen. Man braucht sie nicht, um die „offenen Fragen in der Wissenschaftswelt“ anzugehen, zu untersuchen und letztlich auch zu beantworten. Wer sich mit Archäologie näher beschäftigt, wird dies sehr schnell erkennen.

Also halten Sie nichts von der Paläo-SETI-Forschung?

Haase:

Ich bin kein Anhänger der Paläo-SETI-Hypothese. Aber ich sympathisiere teilweise mit dem rein archäologischen „Potential“ der A.A.S. D.h. überall dort, wo Paläo-SETI-Vertreter auf den archäologischen Spuren unserer Vorfahren sind, ohne gleich und ausschließlich einen außerirdischen Einfluß dahinter zu vermuten, habe ich keine Probleme, mich mit derartigen Themen oder Argumentationen auseinanderzusetzen. Meine Erfahrungen haben jedoch gezeigt, daß die meisten grenzwissenschaftlichen Autoren nicht objektiv mit archäologischen Befunden umgehen; dass sie in der Regel eine vorgefaßte Meinung haben und nur noch in eine bestimmte Richtung recherchieren. Außerdem vermisse ich ein fundiertes Grundwissen über die behandelten Gebiete. Mann kann nicht über einen archäologischen Befund in Ägypten schreiben, ohne sich eine gewisse Bandbreite der wissenschaftlichen Thematik angeeignet und verinnerlicht zu haben. Dementsprechend sind meine fachlichen Berührungspunkte zur Paläo-SETI nur sehr gering und haben sich in der Vergangenheit lediglich auf Gegendarstellungen beschränkt. Doch auch Kritik gehört zum Alltag einer „Forschungsgesellschaft“ und sollte als etwas Konstruktives, Positives verstanden werden.

Was müßte sich denn Ihrer Meinung nach in der A.A.S. ändern?

Haase:

„Die A.A.S. sollte sich erst einmal darüber klar werden, welche Interessen sie vertritt und ob man diese „Forschungsgesellschaft“ wirklich mit wissenschaftlichen Mechanismen betreiben möchte. Zudem ist man sicherlich gut beraten, wenn man sich in Zukunft verstärkt darum bemüht, die „Spreu vom Weizen“ zu trennen. Das heißt konkret, die Informationsträger der A.A.S. müssen sich von längst widerlegten, alten Spekulationen und Fehldeutungen konsequent und nachhaltig trennen. Wahrscheinlich bleiben von den unzähligen Behauptungen der letzten 30 Jahre nur wenige übrig. Diese könnten dann eine fundierte und konstruktive Basis bilden, auf der man in Diskussion mit den etablierten Wissenschaften gezielter und effizienter arbeiten kann. In diesem Zusammenhang wäre die Wiedereinführung einer wissenschaftlich orientierten Zeitschrift wie auch die Einrichtung von Arbeitsgruppen, die an bestimmten Themen forschen, empfehlenswert.

Was raten Sie interessierten Laien der A.A.S., die sich in ein Fachgebiet einarbeiten möchten?

Haase:

„Man sollte sich auf breiter Basis Wissen aneignen. Also nicht nur die Bücher und Artikel lesen, die die Paläo-SETI-Sichtweise bestätigen, sondern mit allen zur Verfügung stehenden Medien und sonstigen Mitteln versuchen, ein umfassendes Bild über die alten Kulturen zu erlangen. Dabei sollte man nicht verzweifeln, wenn manchmal mehrere unterschiedliche Meinungen zu einem Thema oder einem speziellen Befund präsentiert werden. Man muß lernen, aufnahmefähig, aber auch kritisch zu sein, Argumente nach Plausibilitäten abzuwägen und sich letztendlich seine eigene Meinung zu bilden.“

Michael Haase hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von grenzwissenschaftlichen Ansichten aus dem Bereich der Ägyptologie einer Kritik unterzogen und zur Diskussion gestellt. Zum Beispiel: Zu den Hieroglyphen im Sethos I. Tempel von Abydos im Artikel „Die Darstellung zweier Königstitulaturen im Sethos-Tenpel von Abydos“, (Scientific Ancient Skies 1/1994, S. 25 ff.) oder zur so genannten Isis-Stele auf dem Giza-Plateau in „Das Geheimnis der Isis-Stele“ (G.R.A.L. 4/1996, S. 238 ff.)

Erich von Däniken

Erich von Däniken, wurden die Pyramiden von einer fremden Intelligenz gebaut ?

EvD:

Das kann ich mir kaum vorstellen. Außerirdische werden hier schwerlich Steine herumgeschoben und sich die Finger schmutzig gemacht haben. Das wäre auch nicht nötig gewesen. Schließlich standen jede Menge gratis Arbeitskräfte zur Verfügung, welche die Drecksarbeit leisteten. Ich kann mir allerdings vorstellen, daß ET’s bei der Planung mithalfen, der „göttlichen Geometrie“, denn da gibt es eine ganze Menge von offenen Fragen, die nicht ins archäologische Weltbild der damaligen Zeit passen. Zuallererst mag man darüber streiten, von welcher Zeit überhaupt die Rede ist. Die Ägyptologen sind übrzeugt, der Bauherr hieß Cheops und lebte um rund 2500 v. Chr. Selbst wenn wir diese Datierung akzeptieren, paßt sie nicht zur Planungsfähigkeit jener Zeit. Man bedenke: Alleine in den ersten achtzig Jahren der 4. Dynastie wurden für die Pyramiden von Snofru, Cheops und Djedefre über 12 Millionen Steinböcke aus dem Fels gehauen, geschliffen, gemessen, poliert, transportiert und an der richtigen Stelle ins jeweilige Bauwerk eingefügt. Dazu kommen Arbeiten wie Aushub, Abbruch aus dem Fels, Schliff, Rampen, Werkzeuge und Materialaufwand. Ganz Unterägypten war eine einzige Baustelle. Welches Planungsbüro schrieb eigentlich den Bauarbeitern in der Cheops-Pyramide vor, Quader Nummero 986412 habe an der Stelle XY seinen Platz ? Michael Haase meint, es gebe keinen Anlaß für Spekulationen, Cheops sei nicht der Bauherr gewesen. Das stimmt für die Ägyptologen, die jedes Indiz als Beweis abnicken. Mit Ausnahme des griechischen Geschichtsschreibers Herodot weiß kein einziger der antiken Historiker etwas über Cheops als Pyramidenbauer. Und Herodot sagt dann noch ausdrücklich, man habe ihm das erzählt. Alle anderen Historiker der Antike, die vor rund 2000 Jahren allesamt in Ägypten weilten, bringen andere Namen und versichern sogar, Herodot liege falsch. Die Glyphe „Cheops“, die im Grabungsumfeld um die Pyramide auftaucht, kann alles mögliche bedeuten. So lassen sich beispielsweise seit X-Jahren reiche Juden am Osttor von Jerusalem beerdigen, weil sie glauben, dort würde einst der Messias erscheinen. Vielleicht verehrten die Ägypter irgendeinen Cheops und wollten in seiner Nähe liegen. Oder der Cheops der vierten Dynastie riss sich das längst bestehende Bauwerk unter den Nagel und zierte es mit seiner Glyphe. In der Textsammlung des „Hitat“ wird bemerkt, der Bauherr habe „Saurid“ geheissen und der wiederum sei identisch mit dem hebräischen „Henoch.“ Zitat [1]: „… es ist der, den die Hebräer Henoch, den Sohn des Jared, des Sohnes des Mahalalel, des Sohnes des Kenan, des Sohnes des Enos des Sohnes Seths, des Sohnes Adams nennen, der las in den Sternen, daß die Sintflut kommen werde. Da ließ er die Pyramiden bauen und in ihnen Schätze, gelehrte Schriften und alles, worum er sich sorgte, daß es verloren und verschwinden könnte, bergen …“ Noch treffender formuliert es der Gelehrte Muhammad ben Abdallah ben Abd al Hakam (7. Jahrh.): “ … die Pyramide kann nur vor der Sintflut gebaut worden sein, wäre sie nachher gebaut worden, so wüßten die Menschen über sie Bescheid …“ All dies und weit mehr gilt nichts in den Augen der Ägyptologie. Die finden die Kalksteinfigur eines Bauherrn namens „Hem-iunu“, der zeitlich perfekt zu Cheops paßt, und schon wird in der Fachliteratur verkündet, jetzt habe man den Architekten der Cheops-Pyramide gefunden.

Wäre es möglich, daß man Entdeckungen in der Pyramidenforschung geheimhält?

EvD:

Ganz bestimmt. 1987 fand ein interdisziplinäres Team der Waseda-Universität von Tokio mittels Strahlenmessungen überzeugende Hinweise für ein ganzes Labyrinth von Schächten und Kammern in dre Cheops-Pyramide.[2] Das interessiert die Ägyptologie nicht. Ein Jahr später entdeckten die beiden französischen Architekten Jean-Patrice Dormion und Gilles Goidin mit elektronischen Methoden Hohlräume in der Cheops-Pyramide. Geschehen ist nichts. 1993 fand Rudolf Gantenbrink am Ende eines 60 Meter langen Schachtes der Cheops-Pyramide eine kleine Türe mit zwei Metallbeschlägen. Das hochgelobte Heer der Ägyptologen tut nichts zur Öffnung der Türe, nicht mal Druck auf die Altertumsverwaltung in Kairo wird ausgeübt. Stattdessen serviert man der Öffentlichkeit ein Ablenkungsmanöver mit dem „Tal der zehntausend Mumien“ in der ägyptischen Oase Baharijan. Nichts als ein riesiger Bluff [3]. Wenn die Ägyptologen doch so sicher sind, daß sich hinter dem „Gantenbrink-Türchen“ nichts befindet, so könnten sie das Türchen vor den Augen der Weltöffentlichkeit öffnen. Technik und Geld sind vorhanden. Wird im Geheimen geöffnet, so trifft das Wort „Verschwörung“ – nämlich Ausgrenzung der Öffentlichkeit, zu. Generell gibt es keine Verschwörung, da hat Michael Haase recht. Aber es herrscht eine schier unglaubliche Borniertheit und Leichtgläubigkeit.

Also gibt es rund um die Pyramiden noch Geheimnisse ?

EvD:

Selbstverständlich gibt es die. Da existieren unterirdische Verbindungen zwischen der Sphinx und der Cheops-Pyramide. Und auch die angebliche Widerlegung des sogenannten „Orion-Rätsels“ ist eine Pseudo-Widerlegung. Leider reicht hier der Raum für eine fundierte Erklärung nicht.

Warum wird Ihrer Meinung nach immer wieder über außerirdische Besucher gerätselt ?

EvD:

Sicher stimmt die Aussage von Michael Haase, wenn er meint, aus archäologischer Sicht gebe es keinen Bedarf an Außerirdischen. Doch gerade hier liegt der Haken. Die „archäologische Sicht“ ist nur eine Seite der Medaille. Es gehört nun mal nicht zum Fachbereich der Archäologie, sich mit Henoch, Hesekiel oder Vimanas im alten Indien zu befassen. Man bleibt unter sich und bestätigt sich gegenseitig. Henoch, nach Auffassung alt-ägyptischer Historiker, darunter einem brillanten Mann wie Al-Mas’ûdî, wäre identisch mit dem Pyramidenbauer Saurid. Und derselbe Henoch ist nach biblischer Überlieferung der erste Mensch, der die Erde in einem feurigen Wagen verließ. Oh ja, es gibt schon Ansätze für die Idee mit den Außerirdischen.

Was müßte sich denn Ihrer Meinung nach in der A.A.S. ändern?

EvD:

Wir sollten genau das weitermachen, was wir tun und uns nicht den „wissenschaftlichen Mechanismen“ bedienen. Dies kann nicht generell gelten, aber dort, wo Querverbindungen aufgerissen werden, welche die Fachwissenschaft nicht zur Kenntnis nehmen will. So sehe ich beispielsweise die Ägyptologie in allen Punkten, wo es über ein Alter von 2500 v. Chr. hinausgeht, hinten und vorne nicht selbstkritisch. Sie sind bestenfalls gutgläubige Mitläufer. Vernünftige Gedanken von außen werden schlicht abgeblockt, nicht zur Kenntnis genommen.

Was raten Sie interessierten Laien der A.A.S., die sich in ein Fachgebiet einarbeiten möchten?

EvD:

Belegen Sie an der Uni ein Fach mit irgendeiner alten Sprache. Und dann übersetzen Sie Texte neu aus unserer Denkrichtung heraus. Das Resultat wird umwerfend sein. Seien Sie in allen Sammelwissenschaften nicht wissenschaftsgläubig – im Gegensatz zu exakten Wissenschaften. Haben sie keinen Respekt vor „großen Tieren“ in der Wissenschaft. Bilden Sie Ihre eigene Meinung erst dann, wenn Sie zur entsprechenden Wissenschaftsliteratur auch die Gegenliteratur gelesen haben – und umgekehrt! Horchen Sie auf Ihren Instinkt. So manche Erkenntnis kam nicht auf wissenschaftlichem Wege zustande.

Quellen:

  • Al-Makrizi: (1991) Das Pyramidenkapitel im „Hitat“. Übersetzt von Erich Graefe, Leipzig.
  • Yoshimura Sakuij u.A. (1987): Non-Destructive Investigation by Electromagnetic Wave Method. Waseda University, Tokyo.
  • WELT AM SONNTAG Nr.33 vom 13.8.2000: Schwindel mit den Mumien.


Klaus Richter, 21. Januar 2001; Stand: 6. Juli 2003

Was wissen die Dogon über Sirius A und B ?

Von Dr. Klaus Richter

Inhalt:

Einleitung
„Un Système Soudanais de Sirius
Sirius A und B
Weitere Objekte im Sirius-System
Kritik
Anmerkungen

 

Einleitung

Mitte der siebziger Jahre machte das Buch „Das Sirius-Rätsel“ von Robert Temple Furore – behauptete Temple doch, daß er aufgrund einer Arbeit der französischen Ethnologen Griaule und Dieterlen herausgefunden hat, daß der in Mali/Westafrika beheimatete Stamm der Dogon uraltes Wissen über das Sirius-System besitzt, das vor langer Zeit von außerirdischen Besuchern auf die Erde gebracht wurde. (1) Die Reaktionen waren vielfältig. Erich von Däniken berichtete bereits 1974 in seinem Buch „Beweise“ von Temples Entdeckung. Für ihn war das, was die Dogon anscheinend über das Sirius-System wußten, einmal mehr der Beweis dafür, daß Mythen eigentlich nur Reportagen, Erinnerungen an längst vergangene, aber dennoch reale Besuche Außerirdischer auf der Erde waren. (2) Seitdem haben sich verschiedene Autoren aus dem Bereich der Paläo-SETI-Forschung dieser Thematik angenommen. (3) Aber auch Kritik blieb nicht aus – was nicht anders zu erwarten war, denn die Theorie, die Temple aufstellte, rüttelte doch zu sehr an dem traditionellen Weltbild. Die verschiedensten Argumente wurden vorgebracht, darunter die von Dieter Herrmann vorgetragene Annahme, es handele sich um Wissen, das christliche Missionare den Dogon aus Europa mitgebracht hätten.(4) Aber um was geht es eigentlich? Was löste derart unterschiedliche Reaktionen aus?

1. „Un Système Soudanais de Sirius“

1950 berichteten die Ethnologen Marcel Griaule und Germaine Dieterlen in einem kurzen Aufsatz über rätselhaftes astronomisches Wissen der Dogon und benachbarter Stämme im Hinblick auf den Stern Sirius.(1) Die beiden Wissenschaftler waren von ihrer Entdeckung so verblüfft, daß sie die Informationen, die ihnen von verschiedenen Stammesangehörigen zugespielt wurden, unkommentiert wiedergaben, ohne daran herumzudeuten:

„For our part, the documents gathered together have not given rise to any original hypothesis or research. They have been simply pieced together in such a way that the accounts of the four principal informants are merged into one and the same statement. The problem of knowing how, with no instruments at their disposal, men could know the movements and certain characteristics of virtually invisible stars has not been settled, nor even posed. It has seemed more to the point, under these special circumstances, to present the documents in raw.“

Die Dogon wissen von dem Stern „po tolo“, dem „Stern des Sigui“. Sigui ist identisch mit Sirius und po steht für das kleinste den Dogon bekannte Getreidekorn, dessen botanischer Name „digitaria exilis“ lautet. Unter der Bezeichnung „Digitaria“ ging denn auch der Stern des Sigui in die einschlägige Literatur ein. Digitaria umkreist einmal alle 50 Jahre den Sigui, er ist unsichtbar und er ist der schwerste Stern. Er bestimmt die Position des Sigui, indem er ihn auf seiner Flugbahn umkreist. Das ist aber noch nicht alles: die Dogon berichteten Griaule und Dieterlen von einem komplexen System, das noch weitere Komponenten enthält: neben Sigui und DigitariaEmme Ya, der größer als Digitaria und viermal leichter als dieser ist. In fünfzig Jahren würde er, ebenso wie Digitaria, in der gleiche Richtung Sigui umkreisen, aber eine größere Umlaufbahn haben. Emme Ya wiederum wird von einem als „Stern der Frauen“ bezeichneten Satelliten umkreist. Ein dritter Begleiter, der „Schusterstern“, ist sehr viel weiter entfernt und bewegt sich in entgegengesetzter Richtung um Sigui. Diese in der Tat erstaunlichen Erkenntnisse sollen im Hinblick auf neuere astronomische und ethnologische Erkenntnisse auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden. gibt es den Stern

2. Sirius A und B

Das mutmaßliche Wissen der Dogon über den Stern Digitaria, der Sigui (Sirius) auf einer ovalen Umlaufbahn umkreist, scheint sich sich in vieler Hinsicht mit den Erkenntnissen, die die Astronomie in den letzten 130 Jahren über das Sirius-System gewinnen konnte, zu decken. Bereits 1834 fand der Königsberger Astronom Friedrich Wilhelm Bessel Unregelmäßigkeiten in der Eigenbewegung des 8.6 Lichtjahre entfernten Sterns Sirius und vermutete einen Begleiter, der an Sirius zerre, den man aber nicht sehen könne. Basierend auf der Arbeit Bessels machte sich 1862 der Amerikaner Clark auf die Suche nach Sirius und fand den Begleiter dort, wo Bessel ihn vermutet hatte. Es war der erste Weiße Zwerg, der jemals entdeckt wurde, und diese Entdeckung leitete die Erforschung des Lebens der Sterne ein. Heute kennt man zahllose Weiße Zwerge in unserer Galaxie und man weiß, daß sie alles sind, was einmal von einem Stern wie der Sonne übrig bleiben wird.(5) Sirius B konnte 1970 von dem Astronomen I. Lindenblad vom US Naval Observatory sogar fotografiert werden. Sirius B umkreist Sirius A, der zum Spektraltyp A0V gehört und der etwa 2.31 Sonnenmassen in sich vereint, auf einer annährend ovalen Umlaufbahn in etwa 50.12 Jahren. Obwohl er nur etwa so groß wie die Erde ist (exakt: 90%), beträgt seine Masse dennoch ungefähr eine Sonnenmasse – ein Teelöffel der Sirius-B Masse würde auf der Erde ein enormes Gewicht haben. Insofern ist die Übereinstimmung mit dem Wissen der Dogon erstaunlich (6).

3. Weitere Objekte im Sirius-System

Das Wissen der Dogon, wie es Griaule und Dieterlen 1951 beschrieben, beschränkt sich jedoch nicht nur auf Sirius A und B, sondern umfaßt noch weitere Objekte. Sensationell wäre es natürlich, wenn man diese Objekte nachweisen könnte. In dem Beitrag „Neues aus dem Sirius-System“ schrieb ich, daß ich über den CCDM-Katalog auf zwei weitere Komponenten des Sirius-Systems gestoßen bin – Sirius BC und Sirius D.(7) Die Daten, die der Katalog zu diesen Objekten anbietet, gelten jedoch keinesfalls als gesichert, und sie sind auch nicht durch die Hipparcos-Mission der ESA übermittelt worden. Vielmehr wurde der CCDM-Katalog vor dem Start der Hipparcos-Sonde angefertigt, man bezweckte, eine Datensammlung zu schaffen, die man dann später mit den Daten, die Hipparcos zur Erde senden sollte, vergleichen konnte. Leider ist es Hipparcos nicht gelungen, sämtliche Sterne, die im CCDM verzeichnet sind, zu untersuchen (auch Sirius nicht !), so daß der CCDM auch heute noch gebräuchlich ist. Nach dem CCDM-Katalog enthält das Sirius-System jedenfalls 4 Objekte: neben Sirius A und B sind dies noch Sirius BC und D. Sirius BC steht im Zusammenhang mit Sirius B, allerdings ist weder etwas über sein Spektrum noch etwas über seine Natur bekannt. Es könnte sich um einen Roten Zwerg, aber auch um einen Braunen Zwerg handeln.(8)

Braune Zwerge lassen sich als Zwitter zwischen Sternen und Planeten bezeichnen. Einerseits entstehen sie, wie Sterne, aus interstellaren Gas- und Staubwolken und umkreisen in Mehrfachsternsystemen das Zentralgestirn auf sehr exzentrischen Bahnen, andererseits reicht aber die Masse dieser Objekte nicht aus, die Kernfusion zu entfachen, die einen echten Stern ausmacht. Nachdem diese Objekte lange Zeit nur theoretisch vermutet wurden, hat man in den letzten Jahren zahlreiche Braune Zwerge entdeckt. Prominentestes Beispiel ist Gliese 229 B.

Das vierte Objekt, Sirius D, hat eine Magnitude von 14 und das Spektrum A0. Da der Stern sehr dunkel ist, scheint es sich bei diesem Spektrum um einen weißen Zwerg zu handeln. Wie gesagt: die Existenz dieser Objekte ist zur Zeit nicht bewiesen.

Je größer die Magnitude eines Sterns im positiven Bereich ist, desto schwieriger ist der Stern von der Erde aus zu sehen. Je mehr sich die Magnitude dem Nullwert nähert bzw. unterschreitet, desto heller ist ein Stern von der Erde aus gesehen. Sirius BC hat im CCDM die Katalognummer 06451-1643 BC; Sirius D hat im CCDM die Katalognummer 06451-1643 D.

Gedanken über einen weiteren oder sogar mehrere Begleiter von Sirius A machten sich 1991 die französischen Astronomen Bonnet-Bidaud und Gry.(9) Sie gingen der Frage nach, warum Sirius in der Vergangenheit rötlich erschien und stellen unter anderem die Theorie auf, daß mehrere bislang nicht bekannte Begleiter des Sirius dafür verantwortlich sein könnten.(10) Sie nehmen an, daß ein massearmer Begleitstern Sirius A und B auf einer sehr weiten, exzentrischen Umlaufbahn umkreist, und es dann, wenn er A und B am nächsten ist, zu einem Materieaustausch kommen kann, der eine solche Rötung hervorruft. Bonnet-Bidaud und Gry schätzen die Masse zwischen 0.08 und 0.1 Sonnenmassen. Eine weitere Hypothese für die Rötung des Sirius ist eine „Bok Globule“, eine kleine, sehr dunkle kosmische Staubwolke, die Sirius über mehrere Jahrtausende hinweg passierte. (11) Mittels einer neuartigen Fototechnik gelang es den Astronomen, neun ansonsten nicht sichtbare Sterne zu erkennen. Davon könnten zumindest zwei in Zusammenhang mit Sirius A stehen. Bei beiden handelt es sich um ausgesprochen massearme Rote Zwerge, beide mit einer Magnitude über 18, die 205 bzw. 165 AU von Sirius A entfernt sein könnten. Diese Daten sind jedoch, so gestehen es die Autoren selbst zu, mit großer Vorsicht zu genießen, da es sich bei den scheinbaren Begleitern des Sirius auch durchaus um entferntere Sterne handeln könnte.

Konkretere, wenn auch immer noch hypothetische Angaben machten 1995 die französischen Astronomen Benest und Duvent.(12) Sie gingen Unstimmigkeiten in den Bewegungen von Sirius A und B nach, die alle 6 Jahre auftreten, und stellten sich die Frage, wie denn ein Begleitstern beschaffen sein muß, der solche Störungen verursachen kann. Sie stützten sich dabei auch auf umstrittene Beobachtungen eines weiteren Sternes, den sie „Sirius C“ nannten – solche Beobachtungen sind mehrfach zwischen 1920 und 1930 gemacht worden. Wichtige Voraussetzung war die Stabilität des Systems – keine leichte Aufgabe, doch Benest ist Fachmann auf diesem Gebiet, hat er sich doch in mehreren Arbeiten ausführlich mit Planetenbahnen bei Doppelsternen befaßt.(13) Instabil war auf jeden Fall ein sechs Jahres-Orbit um Sirius B – die größtmögliche Zahl wäre hier 4 Jahre gewesen.(14) Aber bei Sirius A sah es anders aus. Benest und Duvent entwarfen ein Modell, in dem ein Roter Zwerg des Spektraltyps M5, mit einer Magnitude zwischen 15 und 20 und von maximal 0.05 Sonnenmassen, Sirius A in etwa 6 Jahren umkreist. Ein solches System halten sie theoretisch für möglich und regen die Suche nach Sirius C an, um den endgültigen Beweis für seine Existenz zu erbringen. Robert Temple schrieb in der neuesten Auflage seines Buches „The Sirius Mystery“, daß die Entdeckung von Sirius C von Benest und Duvent bestätigt worden sei.(15) Das ist natürlich nicht zutreffend, denn alles, was Benest und Duvent getan haben, ist die Aufstellung einer sehr plausiblen Theorie zur Erklärung von Bahnstörungen im System Sirius A-B. Man darf gespannt sein, ob weitere Entdeckungen im Sirius-System mit den Kenntnissen der Dogon identisch sind. Das dürfte allerdings schwierig werden, da die Dogon Emme Ya zwar als größer, aber auch viermal leichter als Digitaria beschreiben. Rote Zwerge sind zwar größer als Weiße Zwerge, aber höchstwahrscheinlich sind die im Sirius System vermuteten Sterne noch sehr viel leichter als die Dogon vermuten. Somit geben die bislang bekannten Daten wenig Anlaß zur Hoffnung, daß das Sirius-System, wie Griaule und Dieterlen es 1951 vorstellten, tatsächlich existiert.

Ein Brauner Zwerg im Sirius-System ?

Wie gezeigt, lassen manche indirekte Beobachtungen des Sirius die Existenz von mindestens einem weiteren Begleiter neben Sirius B vermuten. Ein solcher Stern, der sehr schwach leuchten müßte, könnte die Farbänderungen des Sirius erklären, wie sie in alten Texten erwähnt wird. Jetzt haben Astronomen des CEA (Service of Astrophysics) und des Observatoire de Paris zwei Bilder des Himmels in der Umgebung von Sirius ausgewertet. Bei beiden Aufnahmen, die im Abstand von 13 Jahren aufgenommen wurden, wurde das grelle Licht des Sterns ausgeblendet – mit dieser künstlichen Sonnenfinsternis lassen sich auch lichtschwache Objekte in der Nachbarschaft des Sterns entdecken. Das erlaubt den Astronomen, die Positionsveränderungen von Sternen in der unmittelbaren Nachbarschaft von Sirius genau zu messen. Das Ergebnis: Keiner der Sterne zeigt eine ausreichende Eigenbewegung, die einen weiteren stellaren Begleiter vermuten lassen. Wenn es also weitere Begleiter gibt, dann, so folgern die Astronomen, kann es sich nur um einen oder mehrere Braune Zwerge handeln (15b).

4. Kritik

Die von Temple augestellte von in der Paläo-SETI vertretene Hypothese, die Dogon hätten ihre detaillierten Kenntnisse über Sirius von außerirdischen Besuchern erhalten, ist in der letzten Zeit erneut unter Beschuß geraten. Dafür gibt es mehrere Gründe.

a. Mythologie

Die Kritik stützt sich vor allem darauf, daß Griaule und Dieterlen allein in dem Aufsatz „Un Système Soudanais de Sirius“ von Sirius sprechen, während davon in den für die Afrikanistik sehr wichtigen Buch „Conversations with Ogotemmeli“ überhaupt keine Rede mehr ist. Manch einer meint sogar angesichts der Tatsache, daß das Sirius-Wissen der Dogon nur in „Un Système .. “ auftaucht, es gäbe gar kein Sirius-Wissen bei den Dogon. Auch andere Werke, die sich mit der Kultur der Dogon befassen, erwähnen nichts von Sirius und seinen Begleitern. (16) In „Ogotemmeli“ wird Digitaria als Getreide beschrieben, und zwar als das kleinste, härteste und kompakteste unter allen, nicht jedoch in Beziehung zu einem bestimmten Stern gebracht; die Sterne als solche sind nur verspritzte Tonreste des Schöpfers und spielen keine Rolle:

‚He (Ogotemmeli) was only prepared to speak of the serviceable solar system; he agreed to consider the stars, though they only played a secondary part…The stars came from pellets of earth flung out into space by the God Amma, the one God.‘ (17)

Halten wir zunächst fest: Griaule und Dieterlen hatten, als „Un système …“ erschien, bereits sehr lange Kontakt mit den Dogon, wurden jedoch zunächst nicht in das eigentliche Wissen der Dogon eingeweiht. Eine Abkehr von dem Artikel „Un système …“ nahm Griaule bereits 1952 in „Le Savoir Des Dogon“ vor.(18) Mitten in diesem Artikel hat Griaule die Richtung gewechselt. Auf Seite 27, Anm. 7, scheint das Sirius-Wissen noch der höchsten Wissenstufe der Dogon anzugehören; auf S. 33, Anm. 3 stellt Griaule dann fest, daß es Differenzen zu dem Wissensystem der Priesterin Innekouzou gibt, die für das Siriuswissen verantwortlich war. Weiter schreibt er, daß diese Priesterin 1951 verstorben ist und daß sie 1949 damit beginnen wollte, die Basis dieses Wissens zu verraten, aber nur durch zwei Frauen ihrer Generation im Amt vertreten wurde. Das ist das letzte Mal, daß Griaule das Wort „Sirius“ zu Papier brachte.
Griaule hatte sich im übrigen in dem auf den Gesprächen mit dem alten Jäger Ogotemmeli aufbauenden Buch „Conversations with Ogotemmeli“ ausdrücklich von den bisherigen Publikationen distanziert. In „Conversations with Ogotemmeli“ wird jedoch nicht gesagt, daß die bisherigen Publikationen nichts mehr wert seien. G. Dieterlen differenziert im Vorwort zwischen „deep knowledge“ und „simple knowledge.“ Griaule und Dieterlen weilten seit 1931 unter den Dogon, aber erst 1947/48 wurde Griaule von Ogotemmeli das „deep knowledge“ der Dogon mitgeteilt. Alles, was sie bisher erfuhren, war „simple knowledge“ („la parole de face“). Dieterlen schreibt ausdrücklich:

„Publications of information obtained before the studies in 1948 relate to this first level of interpretation.“

Das Problem ist insgesamt, daß sich das, was Griaule für die wichtigsten Aussagen des Dogon-Weltbildes hielt, mehrmals geändert hat: Drei Phasen seiner Forschung lassen sich unterscheiden: 1931 bis 1948 dokumentierte er vor allem die materiellen Aspekte des Lebens der Dogon. Die zweite Phase begann, als Ogotemmeli, ein alter Jäger, Griaule im Einvernehmen mit den Stammesältesten in das tiefere Dogon-Wissen einführte. Ogotemmeli, der gewiß nicht der letzte Eingeweihte der Dogon war, eröffnete Griaule in 33 Tagen ein hochentwickeltes Weltbild, nach dem sich die Schöpfungsprozesse und eine komplizierte Zahlensymbolik in allen täglichen Handlungen der Dogon wiederspiegeln. Seine Annahme, damit sei nun das Wesentliche über die Lehre der Dogon bekannt, stellte sich als verfrüht heraus, denn anschließend entdeckte Griaule ein noch weitaus komplexeres Weltbild, das sich von dem Ogotemmelis in wesentlichen Punkten unterschied. Hier kommt den Sternen, die bei Ogotemmeli nur eine zweitrangige Rolle spielten, eine wesentliche Bedeutung zu, insbesondere auch dem Siriussystem. Veröffentlicht wurde dieses Weltbild von Dieterlen nach dem Tode Griaules in dem Buch „Le renard pâle.“ Dieses Buch ist, wenn es um quellenkritische Analyse der Dogonmythen geht, das wichtigste aller Bücher Griaules und Dieterlens zu diesem Thema. Die Astronomie steht hier jedoch nicht im Vordergrund, sondern um eine außerordentlich komplexe Schöpfungsgeschichte. Ergänzend dazu ist der Artikel „Un Système Soudanais de Sirius“ zu sehen.(27) Haben Griaule und Dieterlen die Beziehung zu Sirius B mehr oder weniger ex kathedra hergestellt? Sie selbst schreiben dazu in „Un Système …“:

„For our part, the documents gathered together have not given rise to any original hypothesis or research. They have been simply pieced together in such a way that the accounts of the four principal informants are merged into one and the same statement. The problem of knowing how, with no instruments at their disposal, men could know the movements and certain characteristics of virtually invisible stars has not been settled, nor even posed. It has seemed more to the point, under these special circumstances, to present the documents in raw.“

Das spricht eindeutig gegen eine eigenmächtige Unterstellung seitens Griaule und Dieterlen.
Bleibt natürlich die Frage, woher die Dogon, die in den vierziger Jahren Griaule und Dieterlen etwas über Sirius und seine Begleiter erzählten, dieses Wissen her hatten. Etwa von europäischen Reisenden?

Neben Sirius kennen die Dogon Jupiter und vier seiner Monde, kennen Saturn und seine Ringe, bezeichnen ihn als Grenze zur Milchsraße, die sie wiederum, sehr zutreffend, als eine Vielzahl von Sternen und Welten interpretieren. Kritiker weisen oft darauf hin, daß man mit bloßem Auge so manches, was die Dogon (angeblich) wissen, sehen kann: die vier Monde des Jupiter, die Ringe des Saturn und Sirius B. Hinsichtlich der vier galileischen Jupitermonde mag dies zutreffen, allerdings nur bei einem geübten Auge, dessen Besitzer weiß, wonach man zu suchen hat. Die Saturnringe sind mit bloßem Auge schwerlich zu erkennen, sie wurden erst im 17. Jahrhundert durch Huygens und Cassini mittels eines Teleskops nachgewiesen. Und Sirius B? Sirius B soll nach Adams (26) mit einer Magnitude von 8.7 für die Dogon aufgrund ihrer dunklen Augen ohne Hilfsmittel sichtbar gewesen sein. Nun, zunächst hat Sirius B eine Magnitude von etwa 11, zum anderen steht er, von der Erde aus gesehen, so dicht bei Sirius A, daß man ihn kaum sehen könnte, wenn er heller wäre. Dankenswerterweise räumt Ortiz de Montellano (19) mit dieser Vorstellung auf.

Dagegen sprechen zumindest keine vernünftigen Gründe, und man löst das Problem nicht, indem man es polemisch beiseite wischt. Das astronomische Wissen der Dogon könnte sehr wohl von einem durchreisenden Europäer stammen, der mit den Dogon eine Art „Legendenaustausch“ vornahm und so dazu beitrug, daß astronomisches Wissen in die Mythologie der Dogon Einzug fand. Verwirrend dabei ist allerdings, daß die Dogon einerseits Sirius B kennen, andererseits aber Saturn für die Grenze zur Milchstraße halten. Als 1844 Sirius B erstmals indirekt nachgewiesen wurde, war die Grenze zum Sonnensystem der Planet Uranus. Ein Besucher des späten 19. Jahrhunderts hätte sogar Neptun gekannt. So verwirrend und unerklärlich das auch sein mag – ein Indiz für einen Besuch durch Außerirdische ist es nicht. Diese hätten den Dogon nämlich erklärt, daß nicht weiße Zwerge, sondern Neutronensterne als dichteste existierende Sterne gelten, daß Jupiter statt vier insgesamt sechzehn Monde hat und der Außenposten des Sonnensystems ein kleiner Eisbrocken namens Pluto ist. Der Physiker Markus Pössel bietet verschiedene, allerdings ebenso spekulative Erklärungsmöglichkeiten für die Frage nach den mysteriösen Besuchern der Dogon an (27) :

  • Der Leutnant der französischen kolonialen Infanterie, Louis Deplanges, der die Dogon zwischen 1903 und 1906 besuchte und erste Forschungen vornahm, allerdings im wesentlichen hinsichtlich der Dogon-Masken.
  • Die französische Kolonialverwaltung, die nicht nur Schulen einrichtete, sondern auch 1907 eine Telegrafenleitung errichtete.
  • Teilnahme der Dogon als französische Soldaten am 1. Weltkrieg 1914 bis 1918 (ob man aber in den Schützengräben Flanderns gerade über Sirius philosophiert hat, darf bezweifelt werden).
  • Der Völkerkundler Robert Arnaud, der die Dogon 1921 besuchte, sowie Kolonialbeamte, die eigene ethnologische Forschungen durchführten.
  • Unregelmäßiger Kontakt der Dogon mit christlichen Missionaren seit den 20er Jahren (was nicht bewiesen ist).
  • Der ungarische Astronom István Guman vermutet sogar eine astronomische Expedition, die 1893 zur Beobachtung einer Sonnenfinsternis nach Mali kam, als Urheber des Sirius-Wissens. Die Asronomen waren nicht im Land der Dogon, doch das Sirius-Wissen hätte über das Volk der Bambara, einem Nachbarvolk der Dogon, zu den Dogon gelangen können. Dann allerdings muß man sich über die sonst rudimenträren astronomischen Kenntnisse der Dogon wundern.(28) Im übrigen verwundert es schon, warum ausgerechnet die Dogon Kenntnisse über den Sirius erlangt haben sollen, nicht aber andere Stämme, insbesondere die, in deren Gebiet sich die Astronomen aufhielten.

Wenn man sich mit den Dogon und ihrem Siriuswissen befaßt, stößt man sehr bald auf zwei wichtige Arbeiten: Ortiz de Montellano: The Dogon People Revistited (19) und Walter van Beek: Dogon Restudies. A Field Evaluation of the Work of Marcel Griaule (20). Van Beek ist ein belgischer Ethnologe und hat von 1979-1990 bei den Dogon gelebt und gearbeitet, und hat schließlich seine Ergebnisse in Aufsätzen veröffentlicht. Van Beek war in all den Jahren ebenfalls aufgefallen, daß sich die Sirius-Thesen von Griaule und Dieterlen bei den Dogon beim besten Willen nicht finden lassen wollen. Besonders die Darstellungen in ‚Le Renard Pale‘ haben eine neue und ernsthafte Überprüfung dieser Aussagen notwendig gemacht. Van Beek hat zunächst feststellen müssen, daß die Sterne keine besondere Rolle in der Mythologie der Dogon spielen. Exakt das steht schon in „Conversations with Ogotemmeli,“ aber auch in „Le Renard Pâle.“ Van Beek machte nicht nur Griaules Gewährsmänner ausfindig, sondern auch den Übersetzer, der zwischen Griaule und den Einheimischen agierte. Diesen hat er die Frage nach Sirius und Sirius B gestellt, wofür er nur mit fragenden Blicken belohnt wurde. Keiner von ihnen konnte damit etwas anfangen. Sie kannten nicht einmal die Begriffe sigi tolo oder po tolo. Die Dogon kennen natürlich Sirius und haben auch den anderen Sternen im Sternbild des Hundes Namen gegeben,(21) und auf genau diese Sterne hätten sie damals gezeigt, als sie Griaule über dieses Sternbild berichteten! Das berichtet der Übersetzer von Ambara van Beek immerhin höchstpersönlich. Van Beek fragt nochmal nach, ob ihnen nicht ein unsichtbarer Begleiter des Sirius bekannt sei, erntet aber erneut nur Blicke aus großen Augen. Er folgert daraus, daß Griaule hier etwas hineininterpretiert hat, was es bei den Dogon nicht gibt, nämlich Kenntnisse über ein Doppelsternsystem in unserer kosmischen Nachbarschaft.
Van Beek fand nicht nur nichts über Sirius, er konnte sogar die gesamten komplexen Weltbilder, die Griaule und Dieterlen durch Ogotemmeli und die anderen Gewährsleute der Dogon offenbart wurden, nicht wiederfinden. Statt dessen fand er eine Religion mit Opferritualen, Zauberern und Schamanen sowie Maskenritualen und Totenverehrung, die durchaus nicht ungewöhnlich im afrikanischen Kontext sind. Griaule und van Beek widersprechen sich entschieden. Wie läßt sich der Konflikt lösen? Hat man van Beek mit dem einfachen Wissen abgespeist, ihm keinen Zugang zu dem „Deep Knowledge“ verschafft? (29) Das Problem war aber, das van Beek selbst hier keine Bestätigung für Griaules Forschungsergebnisse vorfand. Statt dessen zeichnet sich ab, daß es sich bei den „Conversations“ und bei „Le Renard Pâle“ um eine komplexe Schöpfungsgeschichte handelt, an deren Entstehung Griaule und Dieterlen nicht unmaßgeblich beteiligt waren. Tatsächlich schien Griaule nicht als ein Schüler, der von den Dogon lernen wollte, aufzutreten, sondern als Detektiv, der, je nach Situation, mit List oder Strenge an die wirkliche Information herankommen wollte. Er war überzeugt von einem einheitlichen Weltbild der Dogon und richtete danach seine Befragung aus, anscheinend im Ungewissen darüber, daß es bei ethnologischen Forschungen zu einer Wechselwirkung zwischen den Befragten und den Fragenden kommen kann. Griaule genoß hohes Ansehen bei den Dogon, und er scheint dieses Ansehen sogar ausgespielt zu haben, um an wichtige Informationen zu gelangen. Eine Rolle schien auch die Diskussionskultur der Dogon gespielt zu haben, die es nicht erlaubte, daß am Ende einer Diskussion kein Konsens vorhanden war. Regelmäßig gab der Rangniedere nach und überließ dem Ranghöheren das Feld. Hier scheint es auch zu Wechselwirkungen mit Griaules Forschungsmethoden gekommen zu sein (27). Darüberhinaus hat die Dogon-Kultur einen wesentlichen Unterschied zum Kulturkreis Marcel Griaules: Die Dogon kannten und kennen keine schriftlichen Überlieferungen, die Darstellung ihrer Mythen erfolgt nicht in umabänderlicher Wiederholung, sondern ist eine kreative Handlung des Erzählers. So ist jede Schilderung der Dogon-Mythen zugleich auch die ganz persönliche Darstellung und Interpretation durch den Erzähler. Dies war Griaule offenbar nicht bewußt, denn er hat die persönliche Version eines Gewährsmanns zum allgemeinen Wissen der Dogon erhoben.
Und Sirius? Die Dogon scheinen nichts über einen Doppelsternsystem Sirius zu wissen. Vielmehr könnte es hier zu einem Mißverständnis zwischen Griaule und den Dogon gekommen sein, die von verschiedenen Generationen von Sternen sprachen und dabei Sterne meinten, die – sichtbar ! – im Sternbild Großer Hund stehen. Aber andererseits würde ein solches Mißverständnis nicht das „Weltei“ erklären, das nun einmal Ähnlichkeiten zum Sirius-System aufweist, wie es Bessel im 19. Jahrhundert nachwies.
Die Feststellung van Beeks, es gäbe kein geheimes Wissen bei den Dogon, alles stünde auch den Weißen offen, könnte nur bedingt richtig sein. Germaine Dieterlen schreibt in „Conversations with Ogotemmeli:

„In African societies which have preserved their traditional organization the number of persons who are trained in this knowledge is quite considerable. This they call ‚deep knowledge‘ in contrast with ’simple knowledge‘ which is regarded as ‚only a beginning in the understanding of beliefs and customs‘ that people who are not fully instructed in the cosmogony possess. (…) It is in fact open to all who show a will to understand so long as, by their social position and moral conduct, they are judged worthy of it. Thus every family head, every priest, every grown-up person responsible for some small fraction of social life can, as part of the social group, acquire knowledge on condition that he has the patience and, as the African phrase has it, ‚he comes to sit by the side of the competent elders‘ over the period and in the state of mind necessary. Then he will receive answers to all his questions, but it will take years.“

Ist van Beek also mit dem „leichten Wissen“ der Dogon abgespeist worden? Dann hätte van Beek zumindest in diesem Bereich die Forschungsergebnisse Griaules bestätigen müssen. Doch das ist nicht der Fall, weder konnten Übereinstimmungen bei der Bedeutung des Sirius bei der Berechnung des Sigui-Datums noch hinsichtlich des Namens po tolo für Sirius gefunden werden.

Das Sigui-Fest war von Anfang an eine Achillesferse des Sirius-Rätsels. Bei Temple, Däniken und den übrigen grenzwissenschaftlichen Autoren, die sich mit diesem Thema befaßt haben, liest man immer wiedre, das Sigui-Fest finde alle fünfzig Jahre statt, es entspreche einem Umlauf des Sirius B um Sirius A, daher feierten die Dogon dieses Fest (27a). Das hat bereits der Informant von Griaule und Dieterlen so berichtet. In Wirklichkeit findet das Sigui-Fest alle sechzig Jahre statt.

Die gründlichen Untersuchungen van Beeks weisen darauf hin, daß die angeblichen Überlieferungen der Dogon über das Siriussystem nicht eigentlich in ihre Mythologie gehört, sondern durch die Befragungsweise Griaules mitbegründet worden ist. Damit fällt die Annahme, die Dogon besäßen ein geheimes Wissen über Sirius B wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

b. Astronomie

Darüber, daß von Astronomen vermutete, hypothetische Begleiter des Sirius nicht so recht in das von den Dogon dargestellte System passen, wurde bereits gesprochen. Es gibt aber noch weitere Argumente, die das beeits durch van Beek bestrittene Sirius-Wissen der Dogon in Frage stellen können. Da wäre zunächst einmal Sirius A – der Hauptstern des Systems. Wie wir gesehen haben, handelt es sich um einen sehr heißen Stern, der das doppelte der Sonnenmasse in sich vereint. Kann es hier Planeten geben, die die Enstehung intelligenten Lebens ermöglichen? Zwar hat Benest nachgwewiesen, daß es durchaus stabile Planetenorbits im Sirius-System geben könnte – auch zwischen Sirius A und B – doch erscheint die Annahme, es könnte hier Planeten geben, angesichts der Hinweise auf einen weiteren stellaren Begleiter in der Nähe von Sirius A bedenklich, eher sogar unwahrscheinlich.(22)

Es gibt nach Benest zwei stabile Orbits um Sirius A innerhalb des Paares Sirius A und B: ein Orbit mit einer Umlaufzeit von 0.69 Jahren (viel zu dicht) und 6.635 Jahren (zu weit entfernt). Nicht ausgeschlossen werden kann die Existenz weiterer Planeten jenseits der Umlaufbahn von Sirius B; diese Welten dürften dann allerdings den äußeren Planeten des Sonnensystems entsprechen.

Außerdem ist Sirius A nicht nur zu jung, sondern auch zu kurzlebig, um die Entstehung intelligenten Lebens auf einem erdähnlichen Planeten zu ermöglichen – jedenfalls, solange wir von einer Evolution ausgehen, die mit unserer vergleichbar ist. Ebenso wie bei der Sonne gibt es auch bei Sirius eine bewohnbare Zone, eine „habitable zone“ (HZ): Wenn sich hier terrestrische Planeten befinden, können sie die für höheres Leben erforderlichen Bedingungen wie beispielsweise flüssiges Wasser an der Oberfläche bieten. Bei der Sonne, einem Hauptreihenstern des G-Spektrums, liegt der optimale Bereich der HZ in einer Entfernung von 1 AE von der Sonne: Genau dort, wie sich die Erde im Sonnensystem befindet. Das wird nicht immer so bleiben: Wenn sich die Sonne in einigen Jahrmilliarden zu einem roten Riesen aufbläht, wird sich die HZ nach auswärts verlagern, jenseits der Umlaufbahn des Mars, denn dann ist die Sonne sehr viel heißer und heller als es gegenwärtig der Fall ist. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird auf der Erde alles Leben erlöschen (23).
Sirius ist massereicher als die Sonne (24), er gehört dem Spektraltyp A0V an, ist demnach auch wesentlich heißer als die Sonne. Für die HZ hat das folgende Konsequenzen: (1) Sie liegt in größerer Entfernung von Sirius als es in unserem Sonnensystem der Fall ist und (2) sie verlagert sich schneller nach auswärts, da Sirius aufgrund seiner größeren Masse kurzlebiger als die Sonne ist. Die Sonne bleibt über einen Zeitraum von 10 Milliarden Jahren nach ihrer Geburt stabil. Ein Stern, der 50% mehr Masse als die Sonne besitzt, wird bereits nach 2 Milliarden Jahren zu einem Roten Riesen anschwellen und mögliches Leben auf einem Planeten innerhalb seiner HZ vernichten. Sirius ist noch massereicher, er tritt demnach noch früher in das Stadiujm des roten Riesen ein. Angenommen, in der HZ des Sirius befände sich ein terrestrischer Planet und dieser wäre in seiner Umlaufbahn durch Sirius B nicht gestört worden, so könnte sich dort Leben entwickelt haben. Nun können wir leider nur auf die Evolution des Lebens auf der Erde zurückgreifen, denn wir kennen nur diese eine. Die Evolution des irdischen Lebens zeigt uns deutlich, dass hochentwickelte Lebensformen erst relativ kurz auf der Erde existieren, nämlich seit 550 Millionen Jahren. Das Leben entstand nach gegenwärtigem Kenntnisstand vor 3.8 Milliarden Jahren. Es gab auf der Erde also für 3.25 Milliarden Jahren nur einfachste Lebensformen. Überträgt man diese Zeitspanne auf Sirius, so ist klar, dass Sirius längst zu einem roten Riesen angeschwollen wäre, bevor es überhaupt zur Entstehung höheren Lebens auf einem seiner Planeten gekommen wäre. Es besteht also zunächst eine hohe Wahrscheinlichkeit, nur mikrobielles Leben im Sirius-System anzutreffen. Und vermutlich nicht einmal das: Da Sirius massereicher als die Sonne ist, strahlt er weitaus mehr UV-Licht als die Sonne ab. UV-Licht aber zerstört die Bindungen der meisten biologischen Moleküle, zudem kann es auf die Atmosphäre erdähnlicher Planeten katastrophal wirken: Im oberen Bereich der Atmosphäre wird das UV-Licht stark absorbiert und kann zum Abbau der Atmosphäre führen. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass sich bei massreichen Sternen keine erdähnlichen Planeten mit Atmosphäre und Wasserozean bilden können. Zu guter letzt steht noch eine charakteristische Eigenschaft des Sirius Systems der Bildung erdähnlicher Welten und der Evolution höheren Lebens entgegen: Sirius ist ein Doppelsternsystem. Zwar können sich auch in Doppelsternsystemen Planeten bilden, doch geht man neuerdings davon aus, dass dies nur bei Sternen der Fall ist, deren Abstand mindestens 50 AE beträgt. Je näher zwei Sterne wie im Falle Sirius stehen, desto eher besteht die Wahrscheinlichkeit, dass beide Sterne auf die Umlaufbahn eines Planeten einwirken und ihn schlimmstenfalls aus dem System rauskatapultieren. Höheres Leben aber braucht gerade einen Planeten mit einer über einen sehr langen Zeitraum stabilen Umlaufbahn. Man darf auch nicht übersehen, dass Sirius B bereits ein weißer Zwerg ist, also seinen Sternentod schon gestorben ist. Dieses Ereignis hätte sich mit Sicherheit katastrophal auf einen bewohnten Planeten ausgewirkt (25).

Halten wir also fest:

  • Sirius A ist massereicher als die Sonne, er wird wesentlich früher als die Sonne in das Stadium des roten Riesen eintreten. Seine HZ wird sich demnach auch wesentlich früher nach außen verschieben. Es ist unwahrscheinlich, dass hypothetisches Leben zu diesem Zeitpunkt über das mikrobielle Stadium hinausgekommen ist.
  • Sirius A strahlt weitaus mehr UV-Licht als die Sonne ab. UV-Licht wirkt sich zerstörend auf Atmosphären erdähnlicher Planeten aus.
  • Sirius ist ein Doppelsternsystem, Planeten haben keine stabile Umlaufbahnen.
  • Zu berücksichtigen ist auch die stellare Evolution des Sirius B.

Es ist also höchst unwahrscheinlich, dass sich auf einem hypothetischen Planeten des Sirius A (oder B) intelligentes Leben mit der Fähigkeit entwickelt hat, eine technische, raumfahrende Zivilisation zu gründen.

c. Raumfahrt

Gehen wir dennoch einmal als Gedankenspiel davon aus, es habe sich im Sirius System eine technische Zivilisation entwickelt: Wird sie mit Raumfahrzeugen die Erde besuchen? Eine Entfernung von acht Lichtjahren hört sich, wenn man in kosmischen Maßstäben denkt, sehr gering an. Doch die Entfernung ist bereits so gewaltig, daß unsere Vorstellungskraft nicht mehr ausreicht. Nehmen wir ein einfaches Modell als Grundlage, um uns eine Vorstellung von kosmischen Distanzen machen zu können. Das Sonnensystem soll darin die Größe von 1:100 Milliarden haben, so daß 1cm im Modell einer Entfernung von 1 Millionen Kilometer in der Natur entspricht (30). Die Sonne hat danach einen Durchmesser von 1.4 cm, die Erde wäre 1.5 m, der Jupiter 8 m und Pluto 59 m entfernt. Der Durchmesser der Erde betrüge 0.1 mm, Jupiter wäre 1.4 mm groß, Pluto dagegen nur 0.02 mm. In diesem Modell wäre unser Nachbarstern Alpha Centauri 410 km, Sirius dagegen bereits 820 km entfernt. Das hört sich, verglichen mit unseren gewohnten irdischen Maßstäben, durchaus machbar an. Gehen wir dazu nochmals in unser Modellsonnensystem. Die bislang längste von Menschen durchgeführte Reise in der Geschichte ist das amerikanische Mondflugprogramm. Eine beeindruckende Leistung! Setzen wir diese in unser Modell ein, dann wird klar, welch ungeheuere Distanzen bereits unser Sonnensystem aufweist: Der Mond wäre von der Erde nur 0.384 cm entfernt ! Jetzt erst wird einem die Herausforderung klar, die sich bereits für einen bemannten Marsflug stellt – von eine Reise zu den Sternen ganz zu schweigen. Die Sterne, die für uns unverrückbar am Nachthimmel stehen, sind unvorstellbar weit entfernt. Dennoch ließe sich eine solche Reise theoretisch bewerkstelligen. Theoretische Pläne gibt es bereits jetzt. Doch um Menschen innerhalb ihrer Lebenszeit zu den fernen Orten zu bringen, muß man sich der Lichtgeschwindigkeit – 299792.458 km/s – annähren. Theoretisch wäre dies durch ein sogenanntes „Stauschaufelraumschiff“ möglich. Der erforderliche Treibstoff – Wasserstoff – wird mittels einer großen „Schaufel“ direkt aus dem All aufgesaugt, man könnte so in der Tat beinahe Lichtgeschwindigkeit erreichen und so im Lebensalter eines Menschen beispielsweise zum Sirius hin- und wieder zur Erde zurückfliegen. Doch es stellen sich zwei Probleme: Erstens läuft die Zeit an Bord des Raumschiffes langsamer als auf der Erde. Dieses als Zeitdilatation bezeichnete Phänomen ergibt sich aus Einsteins spezieller Relativitätstheorie, sie wurde auch schon experimentell bestätigt (31). Je weiter man mit einem solchen „Relativitätsraumschiff“ in das Weltall vordringt, desto stärker wirkt sich der Effekt aus. Theoretisch könnte man so in etwa 20 Jahren zum Zentrum unserer Galaxie reisen, doch auf der Erde wären inzwischen 30.000 Jahre vergangen. Bei einer Reise zum Sirius würde sich die Zeitdilatation nicht so dramatisch auswirken, wäre aber dennoch für Reisende und Zurückgebliebene spürbar. Das zweite Problem ergibt sich aus Einsteins berühmter Formel „e=mc2“: Je mehr man sich mit einem Raumschiff der Lichtgeschwindigkeit annährt, desto größer wird die zu bewegende Masse. Das aber bedeutet, daß man entsprechend mehr Energie benötigt, um beschleunigen zu können. Bislang läßt sich nicht klären, wie man die dafür erforderlichen Energiemengen aufbringen könnte. Außerdem darf nicht übersehen werden, daß Flüge im Weltraum durch äußere Einflüsse gefährdert sein können. Man stelle sich vor, ein beinahe lichtschnelles Raumschiff wird unterwegs von einem kleinen Meteoriten getroffen: Bei der hohen Geschwindigkeit wären die Folgen katastrophal. Man könnte sich natürlich eine Art Schutzschild vorstellen, doch würde dieser wiederum Energie benötigen. Sollte es gelingen, alle diese Probleme zu lösen, wäre ein Flug zu den Sternen immens teuer. Es fragt sich, ob es sich eine Zivilisation überhaupt leisten kann und will, derartige Risiken und Bürden auf sich zu nehmen. Man könnte natürlich an Generationenschiffe denken, die mit Unterlichtgeschwindigkeit fliegen, doch stellt sich auch hier das Problem der Motivation. Immerhin würde ein solcher Flug mehrere Generationen dazu zwingen, in einer künstlichen Umgebung mit dem Wissen zu leben, niemals auf einem Planeten existieren zu können. Würde man dieses Wagnis auf sich nehmen, nur um zu einer fernen Sonne zu fliegen, um die ein erdähnlicher Planet kreist, mit dem möglichen Ziel, dort zwar zu forschen, aber dann weiterzufliegen oder an den Ausgangspunkt zurückzukehren (32)? Ein schwer vorstellbarer Gedanke. Sinnvoll wäre einzig und allein die Aussendung von interstellaren Raumsonden in ferne Sonnensysteme, deren einzige Aufgabe es ist, zu beobachten, Daten zu sammeln und diese dann in regelmäßigen Abständen in das Heimatsystem zurückzuschicken. Dabei besteht natürlich auch wieder das Problem der enormen zeitlichen Abstände, machbar wären solche Missionen aber. Es ist eine Frage, ob außerirdische Zivilisationen solche Sonden ausgesandt haben und sich vielleicht auch unser Sonnensystem als Ziel ausgesucht haben – der SETI-Mitarbeiter Alan Tough schlägt die gezielte Suche nach solchen Sonden vor. Eine ganz andere und höchst spekulative Frage ist, ob solche hypothetischen Sonden über ihren Beobachtungsauftrag hinaus Einfluß auf die Kultur ihrer Studienobjekte nehmen sollen. Bevor man an diese Möglichkeit denkt, sollte man erst einmal solche Sonden eindeutig nachweisen (33) .

d. Fazit

Der belgische Ethnologe Walter van Beek fand durch jahrelange Studien heraus, daß das angebliche Sirius-Wissen der Dogon nicht existiert und Marcel Griaule die Befragung der Dogon methodisch fehlerhaft durchgeführt hat. Derzeit gibt es eigentlich nur eine wissenschaftlich nachprüfbare Optionen: Marcel Griaule hat die Dogon fehlerhaft befragt und so Informationen suggeriert, Astronomen haben darüber hinaus das angeblich komplexe Siriussystem nicht bestätigen können. Das ist mehr als ein Grund, um endlich Abschied vom „Sirius-Rätsel“ zu nehmen.

5. Anmerkungen

(1) Robert Temple, The Sirius Mystery, London 1976; Robert Temple, The Sirius Mystery – New Scientific Evidence of Alien Contact 5000 years ago, London 1998. Marcel Griaule/ Germaine Dieterlen, Un Système Soudanais de Sirius, Journal de la Société des Africainistes, Tome XX, Fascicule 2, 1950, pp. 273 – 294.
(2) Erich von Däniken, Beweise, 8. Auflage München 1991.
(3) Johannes Fiebag , Was ist los mit Sirius, Ancient Skies 3/87; Ulrich Schaper, Ezechiel-Raumschiff bei den Dogon?, Ancient Skies 2/94; Gottfried Bonn, Hans Werner Sachmann, Das „Sirius Rätsel“: Für und Wider, Ancient Skies 3/95; Wolfgang Mahleck, Visuelle Sichtbarkeit von Sirius B?, Ancient Skies 2/96; Klaus Richter, Sirius und Aldebaran, GEAS Forum 3/98; Klaus Richter, Neues aus dem Sirius-System, Sagenhafte Zeiten 1/99. In diesem Artikel habe ich mich positiv zu dem Sirius-Wissen der Dogon geäußert und dieses über die angebliche Entdeckung weiterer Sirius-Begleiter zu belegen versucht. Eine genauere Beschäftigung mit den astronomischen Gegebenheiten hätte mich aber damals schon zu dem Schluß bringen müssen, daß es keine weiteren Entdeckungen gibt, allenfalls Hypothesen. Eine kurze und heftige Auseinandersetzung mit Robert Temple sowie eine durchaus ertragreiche Diskussion im Internet haben mich schließlich zu einer weiteren Beschäftigung mit dem „Sirius-Rätsel“ in astronomischer sowie ethnologischer Hinsicht geführt. Die Ergebnisse diese Arbeit entsprechen nicht dem, was ich in Sagenhafte Zeiten veröffentlicht hatte und können auf dieser Webseite nachgelesen werden. Heute kann ich feststellen, dass meine Ausführungen in „Sagenhafte Zeiten“ schlichtweg Unsinn sind.
(4) Dieter Herrmann, Rätsel um Sirius – Astronomische Bilder und Deutungen, 2. Auflage, Berlin (Ost) 1988; James Oberg, UFOs and Outer Space Mysteries, Donning Press 1982; Dieter Herrmann, Rätsel um Sirius – Astronomische Bilder und Deutungen, 2. Auflage, Berlin (Ost) 1988.
(5) Isaac Asimov, Die Schwarzen Löcher, Köln 1988.
(6) Den neuesten Stand des Wissens über Sirius B vermitteln J.B. Holberg, M.A. Barstow, F.C. Bruhweiler, A.M. Cruise und A.J. Penny in „Sirius B: a new, more accurate view“, The Astrophysical Journal“ (ApJ), vol. 497, p. 935 – 942 (1998).
(7) Klaus Richter, Neues aus dem Sirius System, Sagenhafte Zeiten 1/99; CCDM: Catalogue of the Components of Double and Multiple Stars, 1994. Die Daten, die im CCDM enthalten sind, beruhen sämtlich auf älteren Beobachtungen. So findet sich auch der Hinweis, daß zu Beginn des Jahrhunderts die Komponenten BC und D mindestens einmal beobachtet wurden. Kritisch zu möglichen weiteren Begleitern des Sirius: George und Carolyn Gatewood, A Study of Sirius, The Astrophysical Jorunal (ApJ), vol. 225, p. 191 – 197 (1978).
(8) Klaus Richter, Von Braunen Zwergen und Pulsarplaneten, GEAS Forum 1/98;
(9) J.M. Bonnet-Bidaud, C. Gry: The stellar field in the vicinity of Sirius and the color enigma, Astronomy and Astrophysics vo. 252, p. 193 -197 (1991).
(10) Die Röte des Sirius, wie sie in verschiedenen alten Quellen beschrieben wird (so zB bei Gregor von Tours), fiel auch den Dogon auf. Dagegen bezeichneten sie Digitaria zutreffend als weiß. Möglicherweise ist die Rötung auf einen der Gründe zurückzuführen, die einige Astronomen ermittelt haben. Es kann sich aber auch viel prosaischer verhalten: Die Röte des Sirius könnte sich auch daraus ergeben, daß Sirius bereits knapp über dem Horizont sichtbar ist und daher rötlich scheint. Möglicherweise ist die Röte auch auf ein heftiges, atmosphärisch bedingtes Funkeln zurückzuführen
(11) Johannes Fiebag äußerte hingegen die Vermutung, die Rötung des Sirius könne auf einen künstlich gesteuerten Materietransfer zurückgehen (Was ist los mit Sirius, Ancient Skies 3/87).
(12) D. Benest, J.L. Duvent: Is Sirius a triple star?, Astronomy and Astrophysics, vol. 299, p. 621 – 628 (1995).
(13) Benests Serie „Planetary Orbits in the elliptic restricted problem“ erschien in Astronomy and Astrophysics zwischen 1988 und 1997. Benest untersuchte hier u.a. Alpha Centauri und Sirius.
(14) Benest/Duvent (1995), p. 627
(15) Vgl. Temple (1998), S. 3.
(15b) J.M. Bonnet-Bidaud, F. Colas, J. Lecacheux, „Search for companions around Sirius„, Astronomy & Astrophysics 360 (2000), p. 991-996
(16) So z.B. Rosshaupt/Rudolph: Die Kinder der Sonne: Reise zu den Dogon in Westafrika, 1997. Marcel Griaule, Conversations with Ogotemmeli: An Introduction to Dogon Religious Ideas, Oxford 1976.
(17) https://www.sju.edu/~dcarpent/1141/Reader/Griaule/02Day.html
(18) Marcel Griaule, Le Savoir Des Dogon, Journal de la Société des Africainistes, tome XXII, fascicules I et II, Paris 1952, p. 27 – 42. Z
(19) Skeptical Inquirer 20, 1996, S. 39-42.
(20) Current Anthropology 32, no. 2, 1991, S. 139-167
(21) z.B. ‚Vater des Sirius‘
(22) Daniel Benest, Planetary Orbits in the elliptic restricted problem – II. The Sirius system, Astronomy & Astrophyiscs, vol. 223, p. 361 – 164, 1989.
(23) Einen guten Überblick zu diesem Thema bieten Peter D. Ward und Donald Brownlee (Unsere einsame Erde, Berlin u.a. 2001, Kapitel 3). Möglicherweise bieten sich dann auf dem Saturnmond Titan optimale Voraussetzungen für die Evolution von Leben. Es wäre allerdings nur eine kurze Periode, denn gegen Ende des Rote-Riesen-Stadiums wird die Sonne ihre äußere Hülle abstoßen und zu einem leuchtschwachen weißen Zwerg mutieren. Aus großer Entfernung betrachtet, ähnelt die Sonne dann dem Ringnebel im Sternbild Leier.
(24) Die Masse des Sirius beträgt das 2.31 fache der Sonnenmasse.
(25) Ward, Brownlee, ebd.
(26) Adams, H.H., New Light on the Dogon and Sirius, in: I. van Sertima, Blacks in Science, Ancient and Modern, p. 47 – 49, New Brunswick 1983.
(27) Pössel, Markus: Phantastische Wissenschaft – Über Erich von Däniken und Johannes von Buttlar, Hamburg 2000.
(27a) Beispielsweise bei: Walter Jörg Langbein, Das Sphinx-Syndrom, München 1997
(28) Guman, I: Die Astronomie in der Mythologie der Dogon. Vorträge und Schriften Nr. 68, Archenhold-Sternwarte, Berlin 1989.
(29) Calame-Griaule, G.: On the Dogon Restudied, Current Anthropology 32 (1991), S. 575 – 577.
(30) Vgl. dtv-Atlas der Astronomie, 14. Auflage München 2000; Klaus Richter, Entfernungen in der Astronomie, MegaLithos 4/2000
(31) Carl Sagan, Unser Kosmos, München 1982, S. 211 – 214.
(32) Seth Shostak, Nachbarn im All, München 1999.
(33) Klaus Richter, Neue Strategien für die Suche nach außerirdischen Zivilisationen, Sagenhafte Zeiten 1/2000

Stand: 6. Juli 2003

Dr. Klaus Richter

Inhalt:

Unwissenschaftliches Arbeiten

So verführerisch der Gedanke auch sein mag, daß Außerirdische die Erde in der Vergangenheit besucht haben und sich unsere Frühgeschichte vielleicht nicht so abgespielt hat, wie es uns die Wissenschaft lehrt: Man sollte sich davor hüten, jedes nicht gleich erklärbare Relikt der Vergangenheit zu einem „Indiz“ oder „Beweis“ für die PS zu erklären, sondern diesen Relikten gründlich nachgehen. Von Bertrand Russell gibt es ein schönes Zitat, das gut in diesen Zusammenhang paßt:

„Darin besteht das Wesen der Wissenschaft. Zuerst denkt man an etwas, das wahr sein könnte – und dann sieht man nach, ob es der Fall ist, und im allgemeinen ist es nicht der Fall.“

Darin kommt ein klares Prinzip wissenschaftlicher Forschung zum Ausdruck: Es geht nicht darum, eine Behauptung zu beweisen, es geht darum, sie zu falszifizieren. In der Wissenschaft geht es um Falsifikation — mehr als um Verifikation. Wissenschaftliche Hypothesen müssen so vorgebracht werden, daß sie überprüfbar und damit auch falsifizierbar sind.
Das gilt so aber nicht für diejenigen, die „Forschung“ im Rahmen der PS-Hypothese betreiben. Hier steht auf jeden Fall das Ergebnis von vornherein fest, wird die Argumentation so manipuliert, das sie mit dem Ergebnis – scheinbar – stimmig ist. Alle Behauptungen der Paläo-SETI, die grundsätzlich nicht falsifizierbar sind, entbehren schon deshalb der Wissenschaftlichkeit, weil sie nicht falsifizierbar sind. Beispiele gibt es zur Genüge.Vielfach werden Fälschungen als Beweise für irgendeine irrwitzige Hypothese präsentiert – Dr. Zillmer hat es hinsichtlich des Hammers von Glen Rose und anderer von Kreationisten präsentierten „Fossilien“ so getan. Ein weiteres Beispiel sind die Steine von Ica – größtenteils Fälschungen, auf Anweisung von Dr. Cabrera (Ica, Peru) ausgeführt, von vielen Autoren der Paläo-SETI aber als echt verkauft. Ganze Theoriengebäude von einer Menschheit vor der Menschheit, einer vergangenen Kultur mit Hochtechnologie oder Außerirdischen haben sich daran aufgeknüpft. Oder nehmen wir als letztes Beispiel die Grabplatte von Palenque. Seit Ende der achtziger Jahre die Mayahieroglyphen entziffert wurden und die Mayaikonographie bekannt ist, steht fest, daß auf der Grabplatte kein Raumfahrer in seinem Raumschiff dargestellt wurde, sondern daß es sich um eine religiöse Darstellung handelt, die den Mayaherrscher Pacal II. auf seinem Weg nach Xibalba, dem Jenseits der Maya, zeigt. Zugleich stellt die Grabplatte die Mittlerrolle des Königs zwischen dem Dies- und dem Jenseits dar, eine wichtige Funktion, die Pacal II. als Schamane zukam. Und schließlich ist die Grabplatte politische Propagande, rechtfertigt sie die Thronbesteigung Pacals und die Vererbung des Thrones an seinen Sohn Chan-Balum. Doch diese Erkenntnis stört die PS wenig: Die neuen Erkenntnisse der Mayaforschung werden so manipuliert, daß von der Raumschiffthese keineswegs Abschied genommen werden mußte. Die Liste derartiger Manipulationen im Dienste der Paläo-SETI ließe sich noch weiter verlängern.
Die Konsumenten saugen diese Dinge begierig auf, erklären sie zu Glaubensgrundsätzen, lassen daran nicht mehr rütteln – und wer es dennoch wagt, über den komme der Zorn der Götter. Eine seltsame Reaktion, denn eigentlich sollten sich die Betroffenen darüber ärgern, daß man sie gezielt an der Nase herumgeführt hat.
Manch ein Anhänger der PS argumentiert, daß die A.A.S. für jeden offen sei, sowohl für Leute mit wissenschaftlicher Vorbildung sowie, als anderes Extrem, solchen, die eine rudimentäre Schulbildung haben. Das sei, so wird dann weiter argumentiert, die Berechtigung dafür, auch unwissenschaftlich arbeiten zu dürfen. Doch das überzeugt nicht: Die A.A.S. tritt als Forschungsgemeinschaft auf und sucht trotz aller Wissenschaftshetze den Kontakt zu den Wissenschaften, will mit einem alternativen Erklärungsmodell überzeugen. Auf der Homepage der A.A.S. wird dies auch explizit zum Ausdruck gebracht:

„Das Ziel der A.A.S. – „Forschungesellschaft für Archäologie, Astronautik und SETI ist es, einen anerkannten Beweis für ehemalige Besuche von Ausserirdischen auf unserer Erde zu erbringen. Dabei wollen wir den Grundregeln des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns folgen, uns aber nicht von bestehenden Dogmen oder Paradigmen eingrenzen lassen.“
(Die Hervorhebungen im Text stammen von mir)

An diesen Prämissen muß sie sich messen lassen, gleichgültig, wen sie als Mitglied zuläßt. Im übrigen ist es ein großer Schritt vom bloßen Mitglied zum Artikel in Sagenhafte Zeiten – dazwischen steht die Redaktion, die, so sollte man meinen, problematische Artikel im Vorfeld von einer Veröffentlichung ausschließt. Es sei in diesem Zusammenhang auch auf die Infrastruktur der A.A.S. hingewiesen, die einer der herkömmlichen Wissenschaften ähnlich ist. Man verwendet als Ausgangspunkt einen „Fachterminus“, entweder „Prä-Astronautik“ oder „Paläo-SETI-Hypothese,“ veranstaltet nationale und internationale Konferenzen und veröffentlicht mit den „Sagenhaften Zeiten“ eine „Fachzeitschrift“, in denen „Fachartikel“ mit Bezug zur grundlegenden Hypothese veröffentlicht werden. Eine Zeitlang wurde sogar ein Forschungspreis vergeben, man bemühte sich sogar um ein Magazin mit echtem wissenschaftlichen Anstrich: Die Scientific Ancient Skies, die leider nach zwei Ausgaben eingestellt wurden.

Quellen

Geradezu typisch für viele Autoren der Paläo-SETI ist der unzureichende oder falsche Umgang mit Quellenmaterial. Quellen, die vielleicht das eigene Weltbild zerstören könnten, werden ignoriert, statt dessen schreibt man lieber bei anderen Autoren ab (wo denn schon mal eine Hypothese zur Theorie und diese dann zum Fakt mutiert) oder es werden Quellen herangezogen, die von der Wissenschaft längst widerlegt worden sind, beispielsweise Velikovsky, Muck oder die Tollmanns. Was aber dann noch schlimmer ist, ist das gegenseitige Zitieren: Man entwirft eine phantastische These nicht etwa aufgrund wissenschaftlichen Materials, egal wie alt es auch sein mag, sondern schreibt bei Arbeiten anderer PS-Forscher ab, die ihrerseits natürlich mit Fehlern behaftet sind. So wird Zecharia Sitchin mit seiner Mär vom 12. Planeten und den Annunaki, die angeblich die Menschen geschaffen haben sollen, immer wieder als Beleg für eigene, bisweilen abstruse Thesen herangezogen. Zillmers Buch „Darwins Irrtum“ ist da nur ein Beispiel von vielen. Mit wissenschaftlicher Arbeit hat das wirklich nichts mehr zu tun, im Gegenteil, es werden Altlasten weitergetragen, die sich in den Köpfen der Menschen festnisten und nicht der Forschung, sondern höchstens dem besseren Verkauf diverser Bücher und der Befriedigung einer mehr oder weniger fest umrissenen Fangemeinde dienen.

Nur wenige machen sich überhaupt die Mühe, das Quellenmaterial zu sichten und daraus dann eigene Hypothesen zu entwickeln. Doch mit der Sichtung des Quellenmaterials ist es alleine nicht getan: Ich kann mich in uralte Texte vertiefen, doch wie ich damit umgehe, ist eine andere Frage. Entscheidend ist nämlich, daß man herausarbeitet, was der Schöpfer der Quelle wirklich aussagen wollte. So mancher PS-Autor macht es sich einfach und handelt nach dem Motto „Sieht aus wie, also ist es auch …“ Daraus entwirft er dann eine phantastische These. So sollen die süd- und mittelamerikanischen „Goldflieger“ – einer von ihnen ist das Wappen der A.A.S. – Hinweise auf einen Kontakt mit einer unverstandenen Technologie sein, eine Art prähistorischer Cargo-Kult. Von einigen dieser Gebilde wurden Modelle angefertigt, die tatsächlich flogen und einen technologischen Bezug von Völkern in der Vergangenheit unseres Planeten aufzuzeigen scheinen. Doch sind die Originalfundstücke auch Belege für eine frühere Technologie? Die Mitglieder der A.A.S., die diese Modelle gebaut haben, arbeiteten nach dem von Erich von Däniken entworfenen Grundsatz, altes auch einmal durch die moderne Brille zu betrachten. Doch leider ist das der falsche Ansatz, denn mit unserer modernen Sichtweise können wir alte Kulturen nicht begreifen. So mögen zwar die Goldflieger wie Flugzeuge aussehen, sogar als Modelle fliegen und phantastische Flugeigenschaften aufweisen – doch wollten die Indianer wirklich Flugzeuge darstellen oder nicht doch vielleicht etwas anderes? Doch danach wird nicht gefragt. Wichtig ist: Sie sehen aus wie Flugzeuge, nachgebaut fliegen sie wie Flugzeuge, also sind es Hinweise auf einen Cargo-Kult in ferner Vergangenheit. Und da Menschen damals nicht fliegen konnten, mußten es Außerirdische sein. So falsch dieser Gedankengang auch ist, er verkauft sich gut, befriedigt die Leserschaft. Andere Beispiele sind die „Glühbirnen“ von Dendera sowie die Grabplatte von Palenque.

Wissenschaftsfeindlichkeit

Statt die Nähe der Wissenschaft zu suchen und ihre Vertreter vom Nutzen der Paläo-SETI zu überzeugen, wird sie von vielen Grenzwissenschaftlern vehement kritisiert, ja geradezu diffamiert und mit Haßtiraden überzogen. Die Wissenschaft, so das allgemein verbreitete Vorurteil, verweigert sich Ansätzen, wie sie die Paläo-SETI vorträgt, erklärt die Rätsel dieser Welt mit allen möglichen Kniffen und Tricks, nur um ja nicht Außerirdische oder andere phantastische Erklärungen ins Spiel zu bringen. Manch einer munkelt sogar von Verschwörungen und sieht sich, ganz im Stile der beliebten Fernsehserie „Akte X“, von dunklen Schattenmännern verfolgt. Man sollte die Wissenschaft nicht verteufeln, zumal es Vertreter aus ihren Reihen gibt, die die Idee der Paläo-SETI vom Ansatz her für durchaus sinnvoll und diskussionswürdig halten. Aber so manch ein Autor der „Szene“ macht sich gar nicht die Mühe, wissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse anzuwenden. Man redet darüber einfach hinweg, ordnet es den eigenen Wunschvorstellungen unter und konstruiert bisweilen abstruse Sachzusammenhänge, die sich aber dennoch wegen ihrer Einfachheit und Verführbarkeit gut verkaufen lassen. Viele Reaktionen auf die MGS-Bilder vom „Marsgesicht“, die es als einen natürlichen Felshaufen entlarvt haben, belegen dies ebensogut wie die Haßtiraden der Kreationisten gegen die Evolutionstheorie, von ihnen abfällig als „Darwinismus“ bezeichnet. Solange in der Paläo-SETI auch auf diese Weise gearbeitet wird, dürfen sich viele ihrer Vertreter nicht wundern, wenn man sie als Träumer oder Spinner abtut. Es sei denn, sie wollen nur von einer überwiegend kritiklosen, mehr oder weniger klar umrissenen „Gemeinde“ bewundert werden. Und das scheint, so mein Eindruck, tatsächlich auch der Fall zu sein.
Einige Autoren jammern in Zeitschriften, in Büchern, auf Meetings und auf Internetforen lautstark, daß die Wissenschaft sie nicht ernstnehmen würde – warum denn auch, wer Wissenschaftler verprellt, darf sich nicht wundern, wenn er dann keinen Kontakt zu ihnen bekommt. Im Gegenteil: Wer es wagt, eine grenzwissenschaftliche These zu kritisieren, soll seine Kritik dann auch bitteschön begründen. Das ist eine Erfahrung, die ich selbst oft genug gemacht habe. Leider vergessen diejenigen, die nach grenzwissenschaftlichen Methoden arbeiten und Kritikern eine Begründung abverlangen, einen ganz wesentlichen Umstand:

Die Wissenschaft hat ihr Weltbild und kann es zumindest durch Theorien auch belegen. Die Grenzwissenschaft stellt überwiegend Behauptungen und Spekulationen auf, fordert dann von der Wissenschaft, darauf einzugehen. Dabei erkennen die Grenzwissenschaftler nicht, daß sie es sind, die die Beweislast tragen.

Es reicht also nicht, daß ein Sonntagsforscher nur Fragen stellt. Wenn er das wissenschaftlich fundierte Weltbild angreift, muß er Erklärungen bieten, mit denen Wissenschaftler auch arbeiten können, er muß seine Behauptungen belegen, und zwar im Sinne eines empirischen Beweises! Ob ein solcher Beweis dann von der Wissenschaftswelt ernst genommen wird, klärt sich nicht durch Veröffentlichung in grenzwissenschaftlichen Büchern oder Magazinen, sondern wissenschaftlichen Zeitschriften, Vorträgen, Diskussionen und Konferenzen. Wird man von der main stream science nicht ernst genommen, muß man eben eigene wissenschaftliche Konferenzen oder Zeitschriften organisieren. Bis auf den hoffnungsvollen, aber leider eingeschlafenen Ansatz mit der Zeitschrift „Scientific Ancient Skies“ ist daraus leider nichts geworden. Ehrlich gesagt: Bislang hat niemand einen echten Beweis vorlegen können, obgleich seit über 30 Jahren geforscht wird.
Woran könnte die Wissenschaftsfeindlichkeit der A.A.S.-Mitglieder liegen? Vielleicht ist die A.A.S. für viele eine Stätte, in der sie aus ihrem normalen, bürgerlichen Alltag ausbrechen und den Aufstand proben können – nicht gegen die Politik, sondern gegen die Wissenschaft. Man fühlt sich verkannt und dadurch zusammengehörig, und das ist es, was die Sache für viele erst wirklich interessant macht. Ein Dialog mit der Wissenschaft ist daher nicht vorgesehen, unnötig oder sogar schädlich. Schließlich ist man ja im Besitz der Wahrheit, und „die“ Wissenschaftler werden das früher oder später mit hochrotem Kopf und gesenkten Kopf schamvoll eingestehen müssen. Aber so wird das nicht funktionieren.

Ignoranz

In der PS-Forschung werden allerdings nicht nur zahlreiche wissenschaftliche Forschungsergebnisse ignoriert, man kümmert sich auch ungern um Richtigstellung aus den eigenen Reihen. Dabei gibt es zahllose exzellente Arbeiten von Autoren, die mit einigen Mythen der Paläo-SETI gründlich aufräumen. Als Beispiele seien hier nur Jörg Dendl, Wolfgang Siebenhaar oder Johannes Fiebag genannt. Doch werden deren kritische Arbeiten irgendwo in nennenswertem Umfang erwähnt? 1989 schrieb Johannes Fiebag in Ancient Skies kritische Artikel über den Mythos, Atlantis sei eine Insel, die im Atlantik versunken sei. Hat die „Szene“ daraus gelernt? Mitnichten, vielmehr hat man den Eindruck,  solche Arbeiten werden wie faule Eier gemieden, denn noch immer geistert der Inselkontinent Atlantis durch die Grenzwissenschaften. Wenn überhaupt, werden solche kritischen Arbeiten aus dem Zusammenhang gerissen zitiert. Lobenswerte Ausnahme ist Erich von Däniken, der in seinem letzten Buch „Im Namen von Zeus“ die Arbeiten von Johannes Fiebag zum Thema Atlantis gewürdigt hat. Doch erstreckt sich die Ignoranz nicht nur auf kritische Artikel aus den eigenen Reihen, sie erstreckt sich auf alles, was die Hypothesen der PS-Forscher gefährdet. Protagonisten der PS ignorieren Fakten, sie halten unbeirrbar an ihrem Weltbild fest, es kann nicht sein, was nicht sein darf: Sitchin hat die Kartusche in der Königskammer als Fälschung Vyses entlarvt, es kann nicht sein, daß sie echt ist, weil Sitchin sich das nicht ausgedacht und Cheops nicht die Große Pyramide erbaut haben darf. Gerade die Pyramiden von Gizeh sind ein Standardbeispiel für diese Haltung: Die Forschung der Ägyptologen und Archäologen hat inzwischen so viele Indizien gefunden und gesammelt, die belegen, daß die Cheops-Pyramide von Pharao Cheops erbaut wurde und daß sie sich in eine lange Evolution einordnen läßt, die etwa ein Jahrhundert zuvor mit der Stufenpyramide Djosers begann. Doch diese Fakten werden ignoriert, man will auf Seiten der PS-Forscher nicht akzeptieren, daß die Pyramiden Grabmäler waren, und so konstruiert man munter Hypothesen aus einer isolierten Betrachtung des Bauwerks heraus, die sich bei näherer Nachprüfung nicht halten lassen. Alles darf es sein – nur darf Cheops die Pyramide nicht als Grabmal errichtet haben. Der Vorwurf der Ignoranz läßt sich noch auf einen anderen Punkt beziehen: Es wird alten Kulturen die Fähigkeit abgesprochen, sich eigenständig entwickelt und in diesem Zusammenhang eigene, hervorragende Leistungen vollbracht zu haben. Diese Vorgehensweise zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Bücher oder Artikel in der Paläo-SETI: Außerirdische oder Angehörige einer untergegangenen, irdischen Superzivilisation waren die Kulturbringer auf Erden, die Menschen selbst sollen dazu gar nicht in der Lage gewesen sein. Das äußert sich in vielen Facetten: So behauptete Ignatius Donnelly im 19. Jahrhundert, der versunkene Inselkontinent Atlantis habe die Kulturen Mittelamerikas, Ägyptens und Mesopotamiens beeinflußt. Auch wenn Archäologen inzwischen nachgewiesen haben, daß es derartige Kulturbringer nicht gab, glauben immer noch viele an diese Legende, wird sie regelmäßig in der ein oder anderen Form in Artikeln oder in Büchern weitergetragen. Ein anderes Beispiel ist die Behauptung, der frühe Mensch sei von einer außerirdischen Intelligenz genetisch manipuliert worden, denn nur so lasse sich der Schritt zum modernen Menschen, das Fehlen eines Missing Links erklären. Daß dieser Gedanke von Paläoanthropologen und Paläontologen nicht ernsthaft in Betracht gezogen wird, hat nicht etwa etwas damit zu tun, daß man sich vor einem außerirdischen Eingriff fürchtet, sondern daß es dafür bislang keinerlei ernstzunehmende Belege gibt. Warum soll sich nicht der Mensch eigentständig zu dem entwickelt haben, was er heute ist? Diese Fähigkeit traut man ihm jedenfalls in der Paläo-SETI-Forschung nicht zu, etwaige Forschungsergebnisse, die gegen eine außerirdische Manipulation sprechen, werden ignoriert oder lächerlich gemacht. Das kann, das darf nicht sein, es muß eine außerirdische Superzivilisation dahinter stehen.

Religiöse Aspekte

Die Halbwahrheiten, die von Paläo-SETI-Autoren verbreitet werden, mutieren zu Glaubenssätzen, zu Ideologien, die vehement verteidigt werden. Eigene Erfahrungen belegen, daß es eine harten Kern überzeugter Menschen gibt, die an die Paläo-SETI-Hypothese glauben und nicht bereit sind, auch nur einen Milimeter davon abzurücken. Wird eine liebgewonnene PS-Theorie sachlich kritisiert, gar zu Fall gebracht, reagieren diese Menschen mit Unverständnis oder Polemik, also so, als seien sie persönlich angegriffen worden. Direkten Fragen wird gezielt ausgewichen, nur um einen Irrtum nicht zugeben zu müssen. So hatte vor einigen Jahren Wolfgang Siebenhaar, selbst Mitglied der A.A.S., die Geschichte des 12. Planeten, die sich Zecharia Sitchin ausgedacht hat, in einer Artikelserie in G.R.A.L. sowie der kurzlebigen Zeitschrift „Scientific Ancient Skies“ glänzend widerlegt und als Unsinn entlarvt. Vielfache Reaktion war: „Es ist anmaßend, daß ein Herr Siebenhaar es wagt, einen Herrn Sitchin zu kritisieren.“ Anderes Beispiel: Die angeblich von Howard Vyse gefälschte Kartusche des Pharao Cheops in der Cheops-Pyramide. Auch hierbei handelt es sich um eine Erfindung Sitchins, die von Michael Haase und später nochmals von Markus Pössel mit vernichtenden Argumenten widerlegt wurde. Auch hier die Reaktion: Unverständnis oder Polemik. Ich selbst kritisiere seit Jahren den grenzwissenschaftlich-kreationistisch motivierten Versuch Dr. Zillmers, die Evolutionstheorie zu widerlegen. Auch hier die Reaktion: Unverständnis und Polemik. Allen drei Fällen gemeinsam ist, daß diejenigen, die so heftig auf die Widerlegung der PS-Theorien reagieren, selbst nur diese kennen, sonst aber überhaupt keine weitergehenden Kenntnisse besitzen oder besitzen wollen. Man nimmt dann zwar schonmal wissenschaftliche Arbeiten zur Kenntnis, liest sie aber nicht richtig oder verdreht völlig die Aussage, die dort getroffen wird. Typische „Totschlagargumente“ der PS-Anhänger, die angewandt werden, wenn die Argumente ausgehen, sind Sätze wie „Die Wissenschaftler waren damals nicht mit dabei, die können das gar nicht genau beurteilen“ oder „Kritiker liefern keine Argumente, ihnen paßt nur die Ansicht der PS nicht.“
Ein schönes Beispiel ist die kürzlich erfolgte Ablehnung der ägyptischen Altertümerverwaltung, genetische Untersuchungen an der DNA der Pharaonen Tutanchamun und Amenophis III. vorzunehmen. Im Vordergrund stand der Schutz der Mumien, getroffen wurde die Entscheidung von dem Vorsitzenden der Verwaltung, Gaballah Ali Gaballah. Was machten daraus überzeugte PS-Anhänger? Sie schoben diese Entscheidung Zahi Hawass, dem Chef der Verwaltung des Gizeh-Plateaus und Buhmann der Grenzwissenschaftler, in die Schuhe und titulierten ihn als Geschichtsfälscher. So geschehen auf dem Diskussionsforum der A.A.S. Das kuriose dabei ist: Hawass hatte mit der Entscheidung nichts zu tun. Hier begegnete man übrigens einer neuen Variante eines „letzten Argumentes“, herangezogen von jemandem, dem die Argumente ausgegangen sind: Zahi Hawass sei ja ein Fachmann, der dürfe nicht lügen; Sitchin dagegen dürfe dies, denn er sei ja kein Fachmann. Eine interessante Logik, vor allem wenn man bedenkt, daß Sitchin sich selbst immer als Fachmann bezeichnet hat.
Als Fazit läßt sich festhalten, daß viele Anhänger der PS-Hypothese inzwischen ein Verhalten an den Tag legen, wie es Erich von Däniken in seinen Büchern den Wissenschaftlern immer wieder vorgeworfen hat: Die Unfähigkeit, über den eigenen Tellerrand zu schauen, die Ignoranz dessen, was sich außerhalb der Paläo-SETI tut. Und dieAutoren, die im Fahrwasser Erich von Dänikens ihre Bücher schrieben und veröffentlichten, taten und tun nichts, den Anhängern der Paläo-SETI den Blick über den Tellerrand zu ermöglichen – im Gegenteil: Längst von der Wissenschaft widerlegte Stützen der PS-Hypothese werden künstlich am Leben erhalten, man verdreht oder manipuliert Erkenntnisse zur Not so, daß sie in das grenzwissenschaftliche Weltbild hineinpassen. Dem der Wissenschaft unkundigen Leser solcher Bücher wird zugleich nahegelegt, nur ja nicht die Wissenschaft zur Kenntnis zu nehmen, indem man sich entweder über wissenschaftliche Theorien lustig macht (so bei Erich von Däniken) oder das Weltbild der Wissenschaften als „verkrustet“ bezeichnet (P. Fiebag, Der Götterplan). Das so etwas durchaus auf fruchtbaren Boden fällt, zeigt die Reaktion vieler Anhänger der PS-Hypothese, wenn sie mit Kritik konfrontiert werden. Ohnehin ist Kritik etwas, mit dem ein gestandener PS-Autor nur umzugehen vermag, wenn sie positiv ist. Negativkritik – und sei sie sachlich und begründet – darf nicht sein, wird nicht akzeptiert. So war und ist es üblich, Bücher grenzwissenschaftlicher Kollegen in „Sagenhafte Zeiten“ (früher „Ancient Skies“) stets positiv zu besprechen und den gegenseitigen Schulterschluß zu üben, selbst wenn in den betroffenen Büchern der größte Unsinn stehen sollte. All das läßt nur einen Schluß zu: Es geht bei der Vermittlung von Prä-Astronautischem Gedankengut nicht um Diskussionsalternativen oder die Schaffung von Wissen, sondern es geht um eine Weltanschauung, eine Ideologie.

Forderung an die Wissenschaft und die Medien

Es gibt Wissenschaftler, die sich kritisch mit dem Gedankengut der PS-Forschung auseinandersetzen, die auch immer wieder bereit sind, gemeinsam mit kritisch eingestellten Laien solche Thesen zu beleuchten und mit wissenschaftlicher Methodik zu hinterfragen. Doch leider sind es nicht genug. Es gibt immer noch zu viele Wissenschaftler, die sich auf ihre aktuelle Forschung zurückziehen und sich aus Zeitmangel oder Desinteresse weigern, auf grenzwissenschaftliche Thesen einzugehen. Am Beispiel Dr. Zillmers läßt sich das gut beobachten: Welcher Wissenschaftler macht sich einmal die Mühe, Dr. Zillmer in eine Diskussion zu verstricken oder ihn zu widerlegen? Ich kenne bislang niemanden. So darf man sich dann auch nicht wundern, wenn mehr und mehr Leute, denen das nötige Hintergrundwissen fehlt, an die grenzwissenschaftlichen Thesen glauben. Meine Forderung an die Wissenschaftler: Geht auf diese Thesen ein, widerlegt sie, laßt nicht zu, daß so etwas zu Gemeingut wird. Was nützt die ganze wissenschaftliche Arbeit, wenn die Menschen auf der Straße den Grenzwissenschaftlern hinterherlaufen? Oder konkret: Ich bin auf das Gesicht des Ägyptologen gespannt, der auf der Straße von Passanten angesprochen wird und nicht etwa gefragt wird, wie die Pyramiden gebaut wurden, sondern warum sie nach den Gürtelsternen des Orion ausgerichtet sind. Wissenschaftler tragen gegenüber der Allgemeinheit die Verantwortung dafür, daß das grenzwissenschaftliche Gedankengut, wie es durch die PS-Hypothese repräsentiert wird, nicht zum Allgemeingut wird. Mancher Wissenschaftler mag argumentieren, die Beschäftigung mit der PS-Hypothese und ihren Protagonisten führe nur zu deren Aufwertung, was man vermeiden solle. Doch bleibt die Frage, ob man eine Aufwertung nicht auch dann betreibt, wenn man die PS-Hypothese und ihre Vertreter ignoriert und ihre Behauptungen unkorrigiert im Raum stehen läßt.
Auch an die Medien geht die Aufforderung, sich kritisch und gründlich mit dem Gedankengut der Paläo-SETI auseinanderzusetzen. Gerade bei den Privatsendern hat man oft den Eindruck, daß hier, wo es anscheinend wesentlich auf die Einschaltquote ankommt, nicht so gründlich recherchiert wird. Je sensationeller, desto besser. Und so darf beispielsweise H.J. Zillmer in einem bekannten deutschen Privatsender seine grenzwissenschaftlich-kreationistischen Thesen verkünden, ohne Kritik zu erfahren. Gleiches gilt hier für verschiedene Zeitungen, die Zillmers Buch „Darwins Irrtum“ in den höchsten Tönen loben, ohne auch nur ansatzweise auf die geologisch-paläontologische Argumentation einzugehen, wie sie die Wissenschaft vertritt. Es klingt gut, es verkauft sich gut. Lobenswerte Ausnahme ist hier das ZDF. In seinen Serien „Terra-X“ oder „Sphinx“ werden auch immer wieder Themenbereiche angeschnitten, die die PS für sich beansprucht. Bislang haben die Redaktionen beider Serien erfolgreich die PS-Hypothesen umschifft. Weder in den Templerfolgen der Serie Terra-X noch in der kürzlich ausgestrahlten Sphinxfolge über den heiligen Gral wurde die von Peter und Johannes Fiebag entworfene Theorie der „Ewigkeitsmaschine“ auch nur ansatzweise angesprochen. Gleiches gilt für die Terra-X-Folge über Oak Island. Und in einer Terra-X-Folge über die Sintflut wurde sogar ausdrücklich von wissenschaftlicher Seite Stellung gegen grenzwissenschaftliche Thesen bezogen. Ein ermutigender Anfang.

Ausblick und Schluss

Es bestehen ernsthafte Zweifel am Fortbestehen der Paläo-SETI, so wie sie derzeit bei uns betrieben wird. Man hat den Eindruck, es geht den meisten Protagonisten der PS-Hypothese im wesentlichen weniger um Erkenntnisgewinn als vielmehr um das Aufstellen von Halb- oder Unwahrheiten, mit denen man eine mehr oder weniger fest umrissene „Fangemeinde“ befriedigen kann, von denen viele – leider – nicht bereit sind, eigene Nachforschungen anzustellen und diverse phantastische Theorien kritisch zu hinterfragen. Es spricht viel dafür, daß die derzeitigen Vertreter der PS-Forschung in Deutschland, wie sie sich in der A.A.S. konzentriert, gar kein Interesse an einer Veränderung haben, da sie wissen müßten, daß dann Manipulationen, die vielfach vorgenommen wurden und werden, an die Öffentlichkeit gelangen und sie sich auf diese Weise ihrer Existenzgrundlage berauben.  Interessante Aspekte, die eine kritische Forschung ermöglichen könnten, wurden eingestellt. All das zeigt, daß letztlich PS-Forschung in Deutschland weltanschaulich, ideologisch motiviert ist und es gar kein wissenschaftlich motiviertes Interesse an einer Suche nach einem Beweis gibt. Markus Pössel gibt in seinem Buch „Phantastische Wissenschaft“ im Schlußteil eine gute Zusammenfassung der gesamten Problematik. Ich will seine Argumente, entsprechend für diesen Artikel abgeändert, hier abchließend wiedergeben:

  1. Paläo-SETI-Autoren gehen mit erschreckender Nachlässigkeit und ohne fundiertes Hintergrundwissen mit Argumenten, Quellen, Fakten oder sogar ganzen wissenschaftlichen Theorien um und entwickeln daraus falsche und fragwürdige Aussagen, deren Ziel die Bewahrung der Ideologie ist: Es gab außerirdische Besucher auf der Erde.
  2. Ein weiteres Ziel ist die Massenwirksamkeit der propagierten Thesen.
  3. Diese Vorgehensweise führt zu fehlender Akzeptanz in den Wissenschaften.
  4. Die parawissenschaftliche Organisation der PS-Forschung in der A.A.S. und dem gesamten Umfeld gleicht einer Karikatur von Wissenschaft.
  5. Jedem, der hofft, bei einem PS-Autor zuverlässige neue Erkenntnisse zu gewinnen, ist dringend zur Vorsicht zu raten. Man sollte Behauptungen dieser Autoren nicht einfach glauben, sondern sich nicht davor scheuen, eigene Nachforschungen insbesondere in der herkömmlichen Wissenschaft anzustellen.
  6. Journalisten und Medienvertretern sollten insbesondere gründliche Recherchearbeit leisten, bevor sie unbesehen eine PS-These übernehmen, sei sie scheinbar noch so sensationell und publikumswirksam.

Treffend formuliert es auch die Zeitschrift „Skeptiker“ in der Ausgabe 3/01 unter der Überschrift „Wie man Rätsel erzeugen kann. (S. 132)“

  • Fundstücke, aus ihrem kulturellen Rahmen herausgelöst, erscheinen exotisch
  • Zweifelhaftes wird zum Rätsel erklärt, längst Geklärtes neu als Geheimnis präsentiert
  • Assoziationen werden zu Tatsachen, Fragezeichen zu Ausrufezeichen zurechtgebogen
  • Die wissenschaftliche Deutung wird nicht kritisch hinterfragt, sondern einfach angezweifelt; man stellt ihr unbewiesene Behauptungen entgegen
  • Wissenschaft wird einerseits diskreditiert: Man müsse „uniforme Dogmen“ angreifen, denn das „schulwissenschaftliche Weltbild“ müsse neu überdacht werden.
  • Andererseits stützt man sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse, um eigene Argumente zu untermauern.
  • Die Werkzeuge der Wissenschaft – akribisches Dokumentieren, kriminalistische Indiziensammlung und logisches Denken – werden missachtet.
  • Es werden wissenschaftliche Aussagen widerlegt, die nie getätigt wurden, und das wird dann als Sieg über die Wissenschaft gefeiert.

Das Schlusswort überlasse ich Professor Dieter B. Herrmann, einem seit langem bekannten Kritiker des Tempel’schen Sirius-Rätsels, das von so vielen pseudowissenschaftlichen Autoren unkritisch übernommen und weitergetragen wurde. In seinem Buch „Rätsel um Sirius“ (Berlin, 1994) schreibt Herrmann zum Abschluss seiner kritischen Betrachtung des Sirius-Rätsels (ebd., S. 20 f.):

„Wissenschaft lebt von Rätseln – gewiß. Man kann Wissenschaft durchaus als eine Strategie des Rätsel-Lösens verstehen. Jedoch die ungelösten Rätsel im weiten Feld der Forschung erweisen sich meist als künftig lösbar. Anders die Rätsel der „Rätselmacher“. Sie greifen wundersame Korrelationen auf, für doe man leicht eine spekulative und schwer eine rationale Erklärung finden kann. Angesichts einer wachsenden Flut solcher Art von Literatur verhält man sich dieser Spezies gegenüber vielleicht nicht unpassend, wenn man ihr auch den Status einer Kategorie zuerkennt: Neben die wissenschaftliche Literatur, die populärwissenschaftliche und die etablierte ‚Science-fiction‘ würde sie als ‚Science-mystery‘ zu stellen sein. Die seriöse wissenschaftliche Literatur wirft Fragen der Forschung auf und beantwortet sie mit den historisch entstandenen Methoden der Wissenschaft nach dem jeweiligen Erkenntnisstand. Die populärwissenschaftliche Literatur stellt Methoden und Resultate aus Forschung und Wissenschaft auf eine auch dem Nichtfachmann verständliche Weise dar. Die ‚Science-fiction‘, die wissenschaftlich-phantastische Literatur, bringt wissenschaftliches Denken und phantastische Visionen zusammen, wobei meist aus der Sicht heutiger Erkenntnisse mögliche Zukunftsbilder der Menschheit unter starkr Berücksichtigung des wechselseitigen Geschehens in Wissenschaft, Technik und Gesellschaft entworfen werden. Die ‚Science-mystery‘ nun gibt sich mit dem Anspruch der wissenschaftlichen Literatur, verwendet die Mittel der populärwissenschaftlichen und stellt vom Standpunkt der wissenschaftlichen Klärbarkeit ‚hoffnungslose‘ Fälle vor, mit denen sie ihre Leser in Atem hält und ihnen Probleme suggeriert, die angeblich von existenzieller Bedeutung sein sollen.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.
Für Interessierte hier noch zwei Buchtipps:

Klaus Richter, 17. August 2001; zuletzt geändert am 6. Juli 2003

Dr. Klaus Richter
Kaum ein anderer Autor des grenzwissenschaftlichen Spektrums hat in den letzten Jahren für soviel Kontroversen gesorgt wie der amerikanische Journalist Zecharia Sitchin. Von den einen wird er vehement kritisiert, von den anderen verehrt und als Grundlage für eigene Forschungen verwendet. Obgleich die Darlegungen Sitchins über Besuche Außerirdischer im Sonnensystem, ihren Einfluß auf die Entstehung des Menschen, kosmische Katastrophen und einen 12. Planeten in pseudoarchäologischen Kreisen außerordentlich populär sind, kommt man bei eingehendem Studium seiner Thesen zu niederschmetternden Ergebnissen über den realen Hintergrund seiner Interpretationen. Im folgenden Beitrag sollen eine Reihe klassischer Beispiele für Fehler und Fehlinterpretationen durch Sitchin vorgestellt werden. Dabei reicht das Spektrum vom Sonnensystem über sumerische Rollsiegel hin zum Alten Ägypten. Alle Beispiele wurden im letzten Jahrzehnt von verschiedenen Autoren veröffentlicht und werden hier nochmals zusammenfassend dargestellt. Der Beitrag wird zu dem Ergebnis führen, dass Sitchin Tatsachen verdreht, sie manipuliert oder erfindet, um seine Theorie von einem außerirdischen Einfluß auf die Entstehung des Menschen zu untermauern. Es wird gezeigt werden, dass Sitchin Rätsel erfindet, wo keine sind, und sie anschließend in seinem Sinne löst. Zwar hat Sitchin seine Theorien vor mehr als zwanzig Jahren erstmals geäußert und seitdem in folgenden Büchern auf ihnen aufgebaut, doch sind die Grundlagen nach wie vor aktuell, da sie vielerorten auf positive Resonanz treffen.

Theorien Sitchins

Um sich mit Sitchins Theorien kritisch auseinandersetzen zu können, bedarf es zunächst eines Blickes auf seine Thesen. Zecharia Sitchin, der sich selbst als anerkannter Altertumsforscher bezeichet, behauptet in seinen Büchern, darunter dem 1976 erstmals erschienenen „Der 12. Planet“, dass er Beweise gefunden habe für einen Besuch der Erde in vorgeschichtlicher Zeit durch Außerirdische. Diese Außerirdischen, die von einem 12. Planeten stammten, sollen die Erde kolonisiert und den Menschen als Arbeitssklaven erschaffen haben, der im Auftrag der Außerirdischen vor allem quälende Bergwerksarbeiten verrichten mußte. Dreh- und Angelpunkt der außerirdischen Aktivitäten sei der sumerische Raum, das Zweistromland gewesen. Belege für den Besuch der Fremden fänden sich nicht nur in religiösen Texten und Legenden, sondern auch auf Rollsiegeln. Doch die Geschichte reicht viel weiter zurück, in die Anfänge des Sonnensystems. Damals sei ein Planet („Nibiru“ oder „Marduk“) in das Sonnensystem eingedrungen und mit einem zwischen Mars und Jupiter ansässigen Planeten („Tiamat“) kollidiert. Der Planet sei in zwei Hälften gespalten worden – aus der einen Hälfte entstand der Asteroidengürtel, aus der anderen die Erde, die in einen neuen Orbit geschleudert wurde und dabei den Mond einfing. Der Eindringling sei als 12. Planet Bestandteil unseres Sonnensystems geworden, er habe eine stark elliptische Umlaufbahn von 3.600 Jahren gehabt. Dennoch habe sich auf ihm eine blühende Zivilisation, deren Angehörige wegen erheblicher Umweltprobleme vor ca. 450.000 Jahren die Erde aufgesucht hätten. Die Atmosphäre von Nibiru sei bedroht gewesen, Gold hätte gegen eine Zersetzung der Atmosphäre helfen können, also sei Gold auf der Erde abgebaut und nach Nibiru verfrachtet worden. Stützpunkte seien auf der Erde errichtet worden, darunter ein Raumhafen mit dem Namen „Nippur.“ Weitere Raumhäfen der Außerirdischen sollen sich im heutigen Baalbek befunden haben. Um den außerirdischen Piloten die Navigation zu erleichtern und ihnen eine Landehilfe zu bieten, habe man die Pyramiden auf dem Gizeh-Plateau errichtet, die uns die Ägyptologen heute fälschlicherweise als Bauwerke der Pharaonen verkauften. Auseinandersetzungen unter den Außerirdischen führten vor 300.000 Jahren zur künstlichen Erschaffung des Menschen, der von nun an in den Goldbergwerken arbeiten sollte. Zunächst als Arbeitssklave gedacht, habe sich der Mensch mit den Töchtern der Annunaki vermischt und vermehrt. Vor 13.000 Jahren habe eine große Flut, ausgelöst durch den Vorbeizug Nibirus, zahllose Menschen getötet. Dann sei es im Laufe der Jahrtausende zu Zivilisationsgründungen sowie Kriegen und Intrigen zwischen den Außerirdischen und den Menschen gekommen.

Soweit die Kernpunkte von Sitchins Theorien, die er in jahrzehntelanger Forschungsarbeit entworfen hat. Sie entwerfen ein alternatives Bild der Entstehung des modernen Menschen, das völlig von dem abweicht, was uns die seriösen Wissenschaften in den letzten Jahrzehnten vermittelt haben. Doch eine solche Theorie kann nur Bestand haben, wenn die von ihr gebrauchten Argumente stichhaltig genug sind, um eine ernsthafte Alternative zu anderen, etablierten Theorien zu bilden. Gehen wir daher die Punkte von Sitchins Thesen einmal einzeln der Reihe nach durch.

Ist Sitchin ein anerkannter Altertumsforscher ?

Hier treten erste Zweifel auf. Sitchin nennt sich selbst einen anerkannten Altertumsforscher, wird auch so von anderen Autoren des grenzwissenschaftlichen Spektrums bezeichnet. Das Problem dabei ist jedoch, dass der Name Sitchin in der seriösen Literatur zum orientalischen Altertum bislang nie hervorhebenswert in Erscheinung getreten ist. Er besitzt jedenfalls keinen akademischen Grad in Sumerologie, Orientalistik oder einem anderen vergleichbaren Fachgebiet, sondern ist Journalist (Marzahn 1995, Siebenhaar 1995). Außerdem besitzt Sitchin fragwürdige Kenntnisse im Hinblick auf altorientalische Sprachen (Pössel).

Ein 12-Planeten-System ?

Wieso bezeichnet Sitchin „Nibiru“ als „12. Planeten“? Wieso ist er nicht der zehnte Planet, was nach allem, was wir heute über unser Sonnensystem wissen, naheliegend wäre? Die eigentümliche Zählweise ergebe sich Sitchin zufolge aus dem sumerischen Weltbild. Sitchin setzt dies so zusammen: Im Zentrum steht die Sonne (Apsu), dann kommen Merkur (Mummu), Venus (Lahamu), Erde (Ki), Mond (Kingu), Mars (Lahmu), Nibiru/Marduk, Jupiter (Kischar), Saturn (Anschar), Uranus (Anu), Neptun (Ea), sowie Pluto (Gaga). Für Sitchin gilt der Mond als Planet, da ihn die Erde in der Frühzeit des Sonnensystems eingefangen habe. Beweise dafür, dass die Sumerer derart detaillierte Kenntnisse unseres Sonnensystems hatten, will Sitchin auf verschiedenen Fundstücken aus Mesopotamien entdeckt haben. So schreibt er in „Der zwölfte Planet“ (S. 174):

„Die lange aufrecht erhaltene Theorie, der Mond sei nichts weiter als ein ‚gefrorener Golfball‘, ist durch die Befunde mehrerer Apollo-Mondfahrten gründlich widerlegt worden. Auch die Vermutung, er sei von der Erde abgesprengt worden, als sie noch nicht fest war, konnte den näheren Untersuchungen nicht standhalten, da er teilweise aus ganz anderem Material besteht als die Erde. Die NASA hat mir ihren Forschungen den Beweis erbracht, dass der Mond seine feste, unfruchtbare Gestalt vor 3.2 Milliarden Jahren angenommen hat. Die Sumerer hatten also durchaus recht, als sie den Mond als eigenständigen Planeten darstellten. Wie wir noch sehen werden, hinterließen sie einen Text, der eine kosmische Katastrophe beschreibt, die von der NASA erst in jüngster Zeit ermittelt worden ist“.

Eine Stele des assyrischen Königs Esarhaddon, auf der auch sieben Punkte zu sehen sind, wird von Sitchin als Darstellung unseres Sonnensystems während des Abfluges der Außerirdischen von ihrem Heimatplaneten zur Erde interpretiert (Der 12. Planet, S. 211 – 212):

„Nähert man sich unserem Sonnensystem von außen, dann ist Pluto der erste Planet, dem man begegnet, der zweite ist Neptun, der dritte ist Uranus – nicht die Erde. Saturn ist der vierte, Jupiter ist der fünfte, Mars der sechste. Die Erde ist dan der siebente. Niemand außer den Nefilim, die an Pluto, Neptun, Uranus und Mars vorbei zur Erde flogen, hätte die Erde als ‚Nummer Sieben‘ betrachten können.“

Sitchin ist inzwischen an einem Punkt angelangt, an dem er nicht mehr nur von einer „Hypothese“ spricht, sondern glaubt, sein Weltbild sei bewiesen worden. So stellt er in einen Zusammenhang zwischen seinem Buch „Der 12. Planet“, den darin geäußerten „Argumenten“ und „Beweisen“ und der angeblich dadurch von der NASA aufgenommenen astronomischen Suche nach „seinem Planeten“ her (Am Anfang war der Fortschritt, S, 31):

„Zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die in den folgenden Kapiteln behandelt werden sollen, gehören unter anderem die immer zahlreicher werdenden Beweise für das Vorhandensein des Planeten Nibiru. Wenn es mein Buch ‚Der zwölfte Planet‘ nicht gäbe, würde die Entdeckung des Nibirus kein bedeutenderes Ereignis sein als die Entdeckung des Planeten Pluto im Jahre 1930.“

Im Vorwort zur deutschen Übersetzung des Buches „Der zwölfte Planet“ schreibt Sitchin (Der 12. Planet, S. 9):

„Leichteren Herzens lege ich heute die deutsche Übersetzung vor. Denn im Verlauf der letzten Monate sind sich die Astronomen schlüssig geworden, dass es höchstwahrscheinlich in der Tat noch einen großen Planeten in unserem Sonnensystem gibt – weit hinter Pluto, genau wie meine Ausführungen aufgrund uralter Beweise erläutern. Ich konnte also doch recht behalten (…) Natürlich machte ich die Marine-Astronomen sofort auf die sumerischen Beweise aufmerksam, die das vorliegende Buch behandelt. Sie pflichteten mir bei, dass das Vorhandensein eines größeren Planeten die Erklärung geben könnte. Vor einigen Wochen wurde mir mitgeteilt, dass man nun eine Suche nach einem solchen Planeten in die Wege geleitet hat – nach meinem 12. Planeten.“

Sitchin verdreht hier völlig die Tatsachen: Astronomen seien erst von ihm auf die Existenz des 12. Planeten aufmerksam gemacht worden, hätten erst aufgrund seiner „Beweisführung“ die Suche nach diesem Planeten und der auf ihm lebenden Intelligenz begonnen. Sitchin verlangt sogar, dass die Astronomen dem 12. Planeten einen von ihm ausgewählten Namen geben sollen, wenn sie ihn eines Tages finden – schließlich habe er ihn entdeckt. In der Tat vermuten einige Astronomen einen 10. Planeten, einen Transpluto, und sie haben seit der Entdeckung Plutos durch Clyde Tombaugh im Jahre 1930 immer wieder nach ihm gesucht. Anlaß dafür waren aber nicht die Untersuchungen Sitchins, sondern vermutete Bahnstörungen Neptuns, die exzentrische Umlaufbahn Plutos sowie Kometen, die das innere Sonnensystem aus der Oortschen Wolke erreichen. Ebenso vehement wurde die Existenz des Planeten X durch andere Astronomen bestritten. Es wurden Argumente für und dagegen ausgetauscht, und etwaige Entdeckungen entpuppten sich schnell als Irrtümer oder Fehldeutungen (Croswell, 1998; Rétyi, 1999). 1999 veröffentlichten Wissenschaftler eine Untersuchung, aus der sich Hinweise auf einen entfernten Begleiter der Sonne ergeben, der seine Bahnen in der Oortschen Wolke zieht, jenem Bereich des Sonnensystems, in dem Astronomen Unmengen Kometenkerne vermuten. Gelegentlich gelangen Kometen aus der Oortschen Wolke in das innere Sonnensystem. Berechnungen zeigen, dass sich solche Kometen aus einer ganz bestimmten Himmelsrichtung der Sonne nähern, sich dort offenbar also ein Objekt befindet, dessen Schwerkraft die Kometenwolke stäört. Da die Oortsche Wolke das Sonnensystem wahrscheinlich kugelförmig umhüllt, müsste die Anflugrichtung langperiodischer Kometen zufällig verteilt sein. Gerade das aber ist nicht der Fall. Offenbar umkreist ein bislang unbekannter Begleiter der Sonne in einer Entfernung von maximal 32.000 Astronomischen Einheiten.
Eine Astronomische Einheit (1 AE) entspricht der durchschnittlichen Entfernung der Erde zur Sonne, also etwa 147 Mio. Kilometer. Die Wissenschaftler sind sich aber bislang nicht über die Natur dieses Objektes einig: Es könnte sich um einen großen, jupiterähnlichen Planeten handeln, ebensogut aber auch um einen Braunen Zwerg handeln. Ein Brauner Zwerg läßt sich als Zwitterwesen zwischen Sternen und Planeten ansehen, da er aufgrund seiner geringen Masse nur kurzfristig Wasserstoff fusionieren kann und optisch kaum sichtbar ist (Reichel, 2000). Dafür entdeckte man jenseits der Plutobahn den Kuiper-Gürtel, in dem sich ebenfalls Kometenkerne und eisige Planetoiden befinden, bis hin zur Größe des Plutomondes Charon. Doch all dies hat mit Sitchins Thesen nicht das Geringste zu tun, zumal diese Forschungen nicht durch ihn initiiert wurden, sondern bereits von Percival Lowell zu Beginn des 20. Jahrhunderts angeregt wurden (Croswell, 1998). Könnte es sich bei diesem seltsamen Objekt, das die Astronomen am Rande des Sonnensystems vermuten, um den zwölften Planeten Sitchins handeln? Schauen wir uns einmal Sitchins Argumente der Reihe nach an.

1. Die Zählweise

Seltsam ist die Zählweise, nach der der Mond angeblich ein von der Erde eingefangener Planet ist und daher extra gewertet werde. Heute weiß man, dass Erde und Mond von Anfang an zusammengehörten, ja, dass der Mond gewissermaßen aus der Erde „geboren“ wurde, als vor 4.5 Milliarden Jahren ein marsgroßer Planet mit der Urerde kollidierte, Materie aus dem Planeten riss, diese sich dann in einer Umlaufbahn um die Erde formierte, wo schließlich der Mond entstand. Diese Deutung ergibt sich unter anderem auch aus den gründlichst untersuchten Gesteinsbrocken, die die Apollo-Astronauten zwischen 1969 und 1972 sowie unbemannte sowjetische Missionen mit zur Erde brachten. Die Entstehung des Mondes muß auch den „Annunaki“ bekannt gewesen sein. Was ist im übrigen mit Monden, von denen man heute annimmt, dass sie von Planeten eingefangen wurden? Paradebeispiel ist der Neptunmond Triton – müßte er nicht auch in die Zählung mitaufgenommen werden? Und wo findet sich der Kuiper-Gürtel in der Zählung Sitchins? Immerhin befinden sich dort recht respektable Eisbrocken mit einem Durchmesser von mehreren hundert Metern. Überhaupt – das Erde-Mond System: gewiß kann man es als „Doppelplaneten“ bezeichnen, doch mit welchem Recht bezeichnet Sitchin die Erde als dritten und den Mond als vierten Planeten? Man könnte es doch auch andersherum sehen? Und wenn man von außen zählt, das Sonnensystem so sieht, wie es sich den Außerirdischen beim Flug von Nibiru zur Erde darbot, wieso ist dann die Erde der siebte Planet und nicht der Mond? Zählt Sitchin von der Sonne nach außen, ist die Erde der dritte, der Mond der vierte Planet. Dann müßte er auch umgekehrt der siebte, nicht der achte Planet sein. Welche Logik gebraucht Sitchin hier bei seiner Zählweise? Logik fehlt hier, eher ist Manipulation am Platz. Bei der Zählweise anhand der Esarhaddon-Stele wird das besonders deutlich. Zählt Sitchin von der Sonne nach außen, dann ist die Erde der dritte, der Mond der vierte Planet. Auf der Stele jedoch erfolgt die Zählung von außen nach innen – auf die Erde folge die Venus, dargestellt als achtzackiger Stern. Und wo bleibt der Mond? Er verschwindet sang- und klanglos unter dem Tisch.

2. Nibiru als Heimat einer außerirdischen Intelligenz?

Sitchins 12. Planet soll eine exzentrische, elliptische Umlaufbahn haben und für einen Umlauf um die Sonne 3.600 Jahre brauchen. Das würde den Planeten in die äußersten Bereiche des Sonnensystems führen, da, wo bereits interstellare Kälte herrscht und die Sonne einer von vielen Sternen am Himmel ist. Und doch soll auf dem Planeten nach Überzeugung Sitchins eine technologische Hochkultur entstanden sein, die sich schneller als die Menschheit auf der viel günstiger gelegenen Erde entwickelt hat (Am Anfang war der Fortschritt, S. 31):

„Nach der Veröffentlichung des Buches ‚Der zwölfte Planet‘ und den darin enthaltenen Beweisen (…), dass es dort oben Leben gibt; dass dort überdies intelligente Wesen existieren, geistig so fortgeschritten, dass sie vor fast einer halben Millionen Jahren imstande waren, sich im Weltraum zu bewegen, also Wesen, die alle dreitausendsechshundert Jahre zwischen ihrem Planeten und der Erde kommen und gehen konnten.“

Diese Annahme kann getrost ins Reich der Fabeln verwiesen werden. Heute weiß man, dass es um jeden Stern eine „Ökosphäre“ gibt, also einen Bereich, in dem es auf Planeten nicht nur temperaturmäßig angenehm ist, sondern auch flüssiges Wasser existieren kann. Liegt ein Planet näher an der Sonne, verdunstet das Wasser, liegt er weiter entfernt, gefriert das Wasser. Und: Planeten, die sich außerhalb der Ökosphäre aufhalten, sind nicht gerade lebensfreundlich. Bei der Sonne liegt die Sphäre bei einer Astronmischen Einheit – also genau dort, wo die Erde sich befindet. Auch andere Sterne haben ebenfalls Ökosphären – je kleiner ein Stern, desto näher liegt sie, je größer ein Stern, desto weiter entfernt ist sie. Nur innerhalb der Ökosphäre ist es möglich, dass sich Leben zu der Formenvielfalt entwickelt, wie wir sie kennen – bis hin zur Intelligenz. Nur hier kann ein Planet von ausreichender Größe eine Atmosphäre halten und an seiner Oberfläche flüssiges Wasser existieren. Ein Planet wie Sitchins 12. Planet dagegen ist absolut lebensfeindlich. Den größten Teil der Zeit ist er außerhalb der Ökosphäre, und nur kurz kommt er an die Sonne heran, jedoch nicht nahe genug: Sitchin zufolge ist die größte Annährung Nibirus zwischen Mars und Jupiter – also weit außerhalb der solaren Ökosphäre. Hochentwickeltes Leben ist hier also nicht möglich. Das stört Sitchin aber keineswegs – schließlich könne Nibiru seine eigene Hitze erzeugen und bewahren, weil er einen atmosphärischen Mantel habe (Der 12. Planet, S. 206):

„Ein Planet, der im Inneren eine Fülle von radioaktiven Elementen hat, erzeugt nicht nur eigene Hitze, sondern entfaltet auch vulkanische Tätigkeit. Diese schafft Atmosphäre. Wenn der Planet groß genug ist, starke Anziehungskraft auszuüben, wird er seine Atmosphäre fast ewig behalten. Die Atmosphäre wirkt sich ihrerseits wie ein Treibhaus aus: Sie schützt den Planeten vor der Kälte des Außenraumes und verhütet, dass seine eigene Hitze im Weltraum verpufft (…) Der zwölfte Planet kann seine eigene Hitze erzeugen und bewahren, weil er einen atmosphärischen Mantel hat.“

Radioaktiver Zerfall, wie es ihn auf der Erde auch gibt, trägt zwar zur inneren Wärme eines Planeten mit bei, doch reicht er längst nicht zur Aufheizung der Atmosphäre aus. Dazu ist immer auch die Energie erforderlich, die von der Sonne abgestrahlt wird. Erst recht kann dies nicht bei einem Planeten der Fall sein, der sich die meiste Zeit in tiefster Dunkelheit und Kälte befindet. Seine Atmosphäre würde gefrieren und den Planeten mit einem Eispanzer bedecken, bis er wieder nahe genug an der Sonne wäre. Wie kann sich hier Leben entwickeln? Wie können hier Pflanzen wachsen und Photosynthese betreiben? Für Sitchin scheint dies kein Problem zu sein (Der 12. Planet, S. 206 f.):

„Die Forscher sind außerdem zu der unerwarteten Erkenntnis gelangt, dass sich auf den äußeren Planetn (Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun) Leben nicht nur entwickeln konnte, sondern sich aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich entwickelt hat. (…) Zur Entwicklung des Lebens wie wir es kennen, ist Wasser wesentlich. Die mesopotamischen Texte lassen keinen Zweifel zu, dass der Zwölfte Planet wasserhaltig war.(…) Er muß auch ein Planet mit pflanzlichem Leben gewesen sein.“

Was Sitchin hier mit aller Überzeugungskraft als bewiesene Tatsache beschreibt, läßt sich mit der Realität des Sonnensystems nicht vereinbaren. Leben kann sich nur dort entwickeln, wo es die richtigen Anreize dafür findet: Flüssiges Wasser und ausreichende Wärme. Auf den äußeren Planeten ist das ausgeschlossen, da uns die Daten der Voyagersonden Bilder von Welten übermittelt haben, die in Eis erstarrt sind. Selbst die Gasriesen Saturn, Uranus und Neptun sind zu kalt für organisches Leben auf Kohlenstoffbasis. Lediglich Jupiter und sein Mond Europa bieten Möglichkeiten für organisches Leben. In der Jupiteratmosphäre könnte es Bereiche geben, die nicht nur warm genug sind, sondern die auch genügend flüssiges Wasser in Form von Regen bereithalten. Hier könnte es vielleicht Leben in Form von gigantischen schwebenden Organismen geben. Leider hat die Eintauchsonde der Raumsonde Galileo derartige Bereiche in der Jupiteratmsosphäre nicht nachweisen können (Lorenzen, 1998). Interessant ist allerdings der Jupitermond Europa. Neueste Forschungsergebnisse der Galileo-Mission lassen vermuten, dass sich unter dem globalen Eispanzer dieser Welt ein Salzwasserozean befindet, dem durch unterseeische Vulkane Wärme zugeführt wird. Hier könnte in der Tat Leben entstanden sein, doch ist es gewiß nicht die Form von Leben, die Sitchin sich vorgestellt hat. Für Leben, geschweige denn eine Intelligenz, wäre der 12. Planet, wenn es ihn denn gäbe, denkbar ungeeignet. Die größte Annährung des 12. Planeten soll zwischen Mars- und Jupiterbahn liegen. Selbst das wäre für hochentwickeltes organisches Leben zu weit entfernt. Bereits auf dem Mars, der gerade am Rand der Ökosphäre liegt, ist es ungemütlich kalt, Wasser gibt es, wenn überhaupt, an der Oberfläche nur in gefrorenem Zustand.

3. Katastrophen im Sonnensystem

Sitchin zeichnet in „Der 12. Planet“ ein glorioses Gemälde von gigantischen kosmischen Katastrophen: die Erde sei ein Überrest von Tiamat, dessen andere Hälfte den Asteroidengürtel gebildet habe. Ursache der Zerstörung sei eben jener „Nibiru“ gewesen, der vor 4 Milliarden Jahren in das Sonnensystem eingedrungen sei und für zahllose Katastrophen gesorgt habe. Diese Vermutung ist schlichtweg nicht haltbar, da es dafür keinerlei Hinweise gibt. Heute weiß man ziemlich genau, wie unser Sonnensystem entstanden ist, ja, man findet sogar vergleichbare Vorgänge in unserer Galaxie. Der Stern Beta Pictoris soll hier einmal als Beispiel genügen. Alle Planeten entstanden vor etwa 4.5 Milliarden Jahren aus einer protoplanetaren Scheibe, die damals die Sonne umgab. Sie haben heute noch ihre Position im Sonnensystem, die sie auch damals hatten. Alles andere widerspräche der Titius-Bodeschen Reihe, die zumindest für die inneren Planeten exakt ist. Kurzum: Die Erde befindet sich heute an dem Platz im Sonnensystem, an dem sie vor 4.5 Mrd. Jahren entstanden war. Und der Asteroidengürtel? Könnte er nicht doch der Überrest eines einstmals zerstörten Planeten sein? Mit großer Wahrscheinlichkeit lautet die Antwort darauf: Nein. Im Asteroidengürtel finden wir heute noch das Urmaterial, aus dem sich die protoplanetare Scheibe der Sonne vor 4.5 Mrd. Jahren zusammensetzte. Hier hat sich niemals ein Planet bilden können, da die enorme Schwerkraft des Jupiters ein derartiges Unterfangen von vornherein verhinderte. Nicht umsonst sind übrigens die Abstände zwischen den Gasriesen viel größer als zwischen den terrestrischen Planeten. Wenn Sitchin schreibt, dass sich die Astronomen über die Existenz eines Planeten zwischen Mars und Jupiter sicher seien, ist das gezielte Fehlinformation, ja sogar Manipulation der Tatsachen. Typisch Sitchin: Er konstruiert nicht vorhandene Rätsel, um diese dann im Rahmen seiner „Marduk-Theorie“ lösen zu können. Ein Vorgehen, das sich übrigens auch bei anderen Autoren finden läßt. Sitchin schreibt, vor 13.000 Jahren habe sich eine gewaltige Sintflut ereignet, ausgelöst von Nibiru, dessen Schwerkraft habe bewirkt, dass die Eisdecke ihr Gleichgewicht verlor und der Atlantik „umgekippt“ sei. Hier müßte jeder, der nur marginale astronomische Kenntnisse hat, staunen, zumal sich Sitchin eklatant widerspricht. Nibirus größte Annährung an die Sonne läge im Asteroidengürtel, jenseits der Marsbahn … und doch habe er derartige Auswirkungen auf die Erde? So etwas geht nicht. Die Gravitationskraft eines Planeten nimmt mit dem Quadrat der Entfernung ab, das heißt: ein Planet, der das Sonnensystem auf Asteroidenhöhe durchzieht, hat keinen pysikalisch meßbaren Einfluß auf die Erde. Zuguterletzt noch diese hübsche Fabel:

„Nachdem Marduks Nordwind der Erde ihre eigene Bahn um die Sonne gegeben hatte, wodurch unsere Jahreszeiten bedingt sind …“.

Auch das ist eine Verdrehung der Tatsachen: Die Bahn der Erde um die Sonne hat nichts mit den Jahreszeiten zu tun, diese ergeben sich bekanntermaßen aus der Neigung der Erdachse relativ zur Umlaufebene um die Sonne (Siebenhaar, 1995).

4. Rollsiegel VA 243 – eine sumerische Sternkarte ?

Sitchin selbst behauptet, die Zählweise der Planeten ergebe sich aus mesopotamischen Überlieferungen, beispielsweise aus Rollsiegeln wie dem Siegel VA 243. Dieses Siegel stellt nach Ansicht Sitchins das Sonnensystem dar, wie es die Sumerer kannten, und er glaubt daraus den Schluß ziehen zu können, es habe zwischen Mars und Jupiter einen weiteren Planeten gegeben – die Heimat der Außerirdischen. Problematisch an dieser Theorie ist allerdings, dass das 4500 Jahre alte Rollsiegel VA 243 gar nichts behauptet – Sitchin hat seine Feststellungen ohne Angaben von Quellen und Belegen in das Siegel hineininterpretiert. Verweilen wir ein wenig bei diesem Rollsiegel. Was stellt es wirklich dar, wie lautet seine Botschaft? Auch wenn Sitchin in seinem Buch „Am Anfang war der Fortschritt“ behauptet, die Beweise, die er in seinem Buch „Der zwölfte Planet“ vorgestellt habe, seien seit 1976 unwidersprochen geblieben, gab es in der Tat Wissenschaftler, die sich einiger Behauptungen Sitchins annahmen und unter anderem das Siegel VA 243 genauer untersuchten. Dr. Klaus Abrahamson zufolge zeigt das Rollsiegel die in Mesopotamien häufige Darstellung einer Einführungszene. Gezeigt wird ein Mensch, der von einer rangniederen Gottheit vor einen thronenden Gott geführt wird, um dort sein Anliegen vorzutragen. Aus der eingerahmten Inschrift ergibt sich ein Bezug zum thronenden Gott, das Siegel stellt sich als Markierung des Eigentums dar. Einen Bezug zu dem Stern und den kugelförmigen Objekten darauf gibt es nicht, die Gebilde stellen sich als rein ornamentale Darstellung dar (Siebenhaar, 1995). Signifikant sind auch die Untersuchungen des Berliner Assyrologen Dr. Joachim Marzahn. Er hat festgestellt, dass der ehemalige Besitzer des Rollsiegels, bei dem es sich um eine symbolische Weihinschrift handelt, ein gewisser Illi-Illat war. Die angebliche Sternkarte stellt sich als Nebenszene dar, die mittels eines Kugelbohrers hergestellt wurde und dazu dienen sollte, als Ornamentik eine markante leere Bildfläche des Siegels zu füllen. Der Stern selbst stellt nicht die Sonne, sondern eine nicht näher benannte Gottheit dar. Genaue Untersuchungen des Rollsiegels ergaben ferner, dass es sich nicht um zwölf, sondern um fünfzehn Vertiefungen handelt. Es handelte sich demnach um eine „Sonne“ mit 14 „Planeten“. Eine optomikroskopische Untersuchung der Bohrungen konnte den Nachweis erbringen, dass nicht jede Vertiefung mit der gleichen Sorgfalt angebracht wurde, sondern dem Steinschneider bei der Anordnung der Bohrungen die Symmetrie verloren gegangen ist. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit zeitgenössischen Rollsiegeln, in denen die Symmetrie gewahrt wurde. Die beim Ansetzen des Bohrers entstandenen kreisrunden Spuren, die Sitchin als Planeten interpretiert, bieten also keinerlei Analogien zu Planeten, zumal ein kritischer Blick auf die Form und Struktur der Vertiefungen ergibt, dass sie nicht in Größe und Anordnung mit Sonnensystem übereinstimmen, wie von Sitchin behauptet wird (Marzahn, 1995).

Irdisches

1. Erschaffung des Menschen

Glaubt man Sitchin, dann haben intelligente Lebewesen von dem absolut lebensfeindlichen Planeten Nibiru den Homo sapiens erschaffen, um diesen auf der Erde Gold abbauen zu lassen. Sitchin entwickelt hier eine Story, die prähistorische Science Fiction ist, mehr aber auch nicht. Der geplagte Leser seines Buches „Die Kriege der Menschen und Götter“ soll folgende Phantasien ernst nehmen:

„Die Annunaki, die in den Goldminen arbeiten, meutern. Enki und Ninharsag erschaffen durch genetische Manipulation mit einem weiblichen Affenmenschen die primitiven Arbeiter, die die Schwerarbeit der Annunaki übernehmen. Enlil überfällt die Minen und verschleppt diese Arbeiter nach Mesopotamien. Sie erhalten die Fähigkeit, sich fortzupflanzen, und der Homo Sapiens beginnt sich zu vermehren. (…) Die Annunaki arbeiteten schwer. (…) Vierzig Perioden lang, das heißt, während vierzig Umläufen ihres Planeten vor 144.000 Erdenjahren. (…) Ununterbrochen arbeiteten die Annunaki, Tag und Nacht erlitten sie Mühsal. Während die Schächte immer tiefer und die Plackerei immer schlimmer wurde, beklagten sie sich, murrten hinter vorgehaltener Hand im Bergwerk.“

Es ist eine amüsante Geschichte, der jeder Bezug zur Realität fehlt. Noch im vergangenen Jahrhundert fand man in Südafrika (hier siedelt Sitchin seine Goldminen an) Gold an der Erdoberfläche, andernfalls hätte es in den 1880er Jahren keinen Goldrausch in Südafrika gegeben (er war u.a. Auslöser des Krieges zwischen Großbritannien und den Burenrepubliken Oranje und Transvaal). Wo ist die Logik, wenn den Annunaki erst nach 144.000 Jahren dämmert, dass sie eigentlich den Menschen als Arbeitssklaven schaffen können, und warum murren sie über die Abbauarbeit, wo ihnen doch als hochtechnisierten Außerirdischen entsprechende Mittel zur Verfügung gestanden hätten? Wie kommt es, dass es heute noch große Goldvorkommen in Südafrika (z.B. Witwatersrandrevier) gibt, wenn doch der Mensch als Arbeitssklave der Annunaki 300.000 Jahre die Goldvorkommen geplündert hat? Und: Wo sind die Spuren der damals angelegten Bergwerke? Sie müßten doch heute noch zu sehen sein, das Gelände müßte völlig durchwühlt sein. Ich will nicht auf die wissenschaftliche Forschung zur Entstehung des Menschen eingehen, nur soviel sei gesagt: Der Homo Sapiens entstand vermutlich vor etwa 110.000 Jahren in Südafrika aus dem Homo Erectus und bewegte sich von dort im Laufe der Jahrzehntausende nach Nordafrika, Europa (wo er auf den Neanderthaler traf), nach Asien, Ozeanien und Amerika. Bislang gibt es von Seiten der Paläoanthropologie keine ernstzunehmenden Hinweise auf außerirdische Eingriffe in die menschliche Evolution. Übrigens: Die ersten Vertreter des Homo Sapiens waren keine Arbeitssklaven, sondern Jäger und Sammler, die große Ähnlichkeit mit den heutigen Buschmännern in Südafrika hatten.

2. Die Cheops-Pyramide

Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn uns Sitchin erklärt bzw. zumutet zu glauben, warum die Cheops-Pyramide erbaut worden sei – als Orientierungspunkt für Raumschiffe, die in Baalbek landen wollten. So schreibt er:

„Ist etwa anzunehmen, dass sich die Annunaki darauf verließen, diesen zwischen zwei Bergen eingeklemmten Ort mit flugtechnischem Geschick ansteuern zu können, oder es nicht doch vorzogen, so schnell wie möglich einen pfeilartigen Landungskorridor nach Baalbek auszuarbeiten? (…) Mit Baalbek als Mittelpunkt zog er eine Kreislinie durch den höchten Gipfel der Halbinsel Sinai. Die Stelle, wo sie sich mit der Ararat-Baalbek-Linie schnitt, kreuzte er an. Dann zog er zwei gleich lange Linien, die eine verband Baalbek mit dem Gipfel des Sinaimassivs, die andere mit der angekreuzten Stelle. Das wird unser dreiwinkliger Landungskorridor sein, sagte er, der uns geradewegs nach Baalbek führt. Da ist aber nichts, wandte einer an Bord ein. An der angekreuzten Stelle ist nichts, das uns als Signal dienen könnte. Wir müssen dort eine Pyramide bauen, sagte der Befehlshaber (…) Ob das Gespräch so an Bord der Fähre nun stattgefunden hat oder nicht, wir können sicher davon ausgehen, dass die Pyramiden in Ägypten auf diese Weise entstanden sind.“ (Aus: „Stufen zum Kosmos“).

„So war die Flugstrecke beschaffen, und so entstanden die großen Pyramiden von Gise (…) Denn die alten Ägypter glaubten, die Pyramiden hätten den Göttern den Weg zu den Stufen zum Kosmos und auch zum Flughafen auf der Sinai-Halbinsel gezeigt.“ (aus: „Die Kriege der Menschen und Götter“).

Auch dies eine Manipulation. Sitchins Ausführungen zum Glauben der Ägypter sind durch nichts belegbar. Außerdem stelle man sich einmal vor: Eine hochtechnisierte außerirdische Zivilisation braucht gewaltige Pyramiden, um einen Raumhafen anfliegen zu können. Da sind wir ja heutzutage fortschrittlicher mit unseren VOR, NDB und ILS-Einrichtungen, die Flugzeugen die Navigation und die Landung erheblich erleichtern. Auch was den Bauherren der Cheops-Pyramide angeht, hat Sitchin so seine eigenen Ideen. Er versucht, Howard Vyse, der als einer der ersten Europäer 1837 die Cheops-Pyramide betreten konnte, mit rethorischen Mitteln als „ruhmsüchtigen Schatzsucher“ und Fälscher zu überführen. Weil Vyse es angeblich darauf anlegte, dass sein Name in die Geschichte einging, weil er eine eigene, sensationelle Entdeckung benötigte, habe er gezielt eine Cheops-Kartusche in der Pyramide angebracht, um so einen Beleg zu präsentieren, dass Cheops der Bauherr der Pyramide sei. So absurd dieser Vorwurf Sitchins auch ist – er wurde von vielen Autoren in den Grenzwissenschaften unkritisch übernommen, so beispielsweise von Erich von Däniken, der sich dazu in „Die Augen der Sphinx“ äußerte (S. 262 – 266). Was sagt Sitchin über die Kartusche? In „Stufen zum Kosmos“ schreibt er:

„Der Hersteller war auch des Schreibens nicht sehr kundig: Viele seiner Hieroglyphen waren entweder unklar, unvollständig oder waren ganz und gar unbekannt (…) Sie stehen in scharfem Gegensatz zu der Genauigkeit, Feinheit und vollkommenen Proportion der alten ägyptischen Hieroglyphen, die sogar in den echten Steinmetzzeichen zutage tritt.“

Laut Sitchin wurde der Name des Chufu (Cheops) falsch geschrieben, Vyse habe nicht den Namen „Chufu“, sondern „Ré-u-fu“ geschrieben – in den Augen Sitchins ein Beleg für die Fälschung, denn ein Ägypter, der diese Kartusche während des Baus der Pyramid angebrachte, hätte sich der Blasphemie schuldig gemacht und wäre dafür hingerichtet worden. Außerdem sei die Kartusche in hieratischer Schrift abgefaßt worden, die es zur Zeit Cheops‘ noch gar nicht gegeben habe, zudem sei sie unleserlich geschrieben. Dabei stützt sich Sitchin auf eine Expertise von Samuel Birch aus dem Jahre 1837, die diese Bewertung angeblich untermauern soll. Der angebliche Schreibfehler Vyses (für den Sitchin, wie üblich, keinen dokumentarischen Beweis vorlegt) existiert jedoch gar nicht, vielmehr war der Name des Chufu richtig ausgeschrieben. Dass die betreffenden Schriftzeichen nicht in Ausführung und Darstellung vollkommen sind, mag damit zusammenhängen, dass es sich dabei nicht um eine „offizielle“, von einem Schreiber angefertigte Inschrift handelt, sondern um eine Bauarbeiter- oder Steinmetzinschrift. Ganz gewiß waren Steinmetzen und Bauarbeiter keine qualifizierten Schreiber! Im Übrigen verläßt sich Sitchin auf Aussagen aus dem 19. Jahrhundert (Birch: 1837; Lepsius: 1838), ohne die neueren Forschungsergebnisse über die Hieroglyphen zu berücksichtigen. Im Übrigen kannte man damals erst 15 Jahre die altägyptische Sprache – wie verläßlich sind also die Expertisen der sonst sicher hochgeachteten Gelehrten des vergangenen Jahrhunderts, wenn selbst heute die Ägyptologen nicht in der Lage sind, alle Hieroglyphen eindeutig zu interpretieren. Zudem ist Sitchin mit der Expertise von Birch sehr freizügig umgesprungen, hat neuere Literatur wie beispielsweise Andrew Reisner’s Mykerinus gar nicht zur Kenntnis genommen (Stower). Die angeblich von Vyse gefälschte Kartusche – eine Erfindung Sitchins. Fest steht – und darüber sind sich die Gelehrten heute einig – dass Cheops die Große Pyramide errichten ließ. (Haase, 1996; Haase 1997; Verner, 1999).

3. Das Geheimnis der „Isis-Stele“

Doch damit nicht genug: Sitchin versucht, Cheops nicht nur die Bauherreneigenschaft mit der Fälscherthese abzusprechen, er stützt sich in seiner Argumentation auch auf eine Kalksteinstele, die Auguste Mariette 1858 im Allerheiligsten des Isis-Tempels nahe der Pyramide der Prinzessin Henutsen ausgrub. Für Sitchin ist diese so genannte Isis-Stele der Beleg dafür, dass die große Pyramide von Gizeh nicht von Cheops erbaut wurde, sondern bereits stand, als Cheops Pharao war (Stufen zum Kosmos, S. 289):

„Die Frage, ob Chufu die Große Pyramide wirklich gebaut hat, begann ernste Ägyptologen schon vor rund 130 Jahren zu verwirren, als nämlich der einzige Gegenstand, der Chufu erwähnt und ihn mit der Pyramide in Zusammenhang bringt, zu erkennen gab, dass er sie nicht gebaut hat: Sie war schon da, als er regierte! Der schlagende Beweis ist eine Kalksteinstele, die von dem französischen Kunstschriftsteller und Kunstsammler Jean Pierre Mariette in den 1850er Jahren in den Ruinen des Isis-Tempels in der Nähe der Großen Pyramide entdeckt wurde. Aus der Inschrift, einer Selbstverherrlichung, geht hervor, dass Chufu sich dieses Denkmal zur Erinnerung daran gesetzt hat, dass der Isis-Tempel von ihm restauriert und die darin gefundenen Bilder und Embleme der Götter instandgesetzt worden sind. Seine Kartusche wies ihn als Verfasser der Eröffnungsverse unmißverständlich aus. (…) Laut der Inschrift auf der Stele (…) stand die Große Pyramide schon, als Chufu auf dem Schauplatz erschien. Ihre Herrin war die Göttin Isis – sie gehörte dieser Göttin, nicht dem Chufu.(…) Chufu vermerkt dann in seiner Inschrift, er habe ’neben dem Tempel der Göttin‘ eine Pyramide für die Prinzessin Henutsen erbaut.“

Sollte dies stimmen, wäre dies in der Tat ein Hinweis darauf, dass die große Pyramide längst fertiggestellt war, als Cheops Pharao wurde. Doch um ein klares Bild zu bekommen, sollten wir uns den Teil der Stele, auf den Sitchin sich bezieht, einmal genauer anschauen. Dort finden wir eine Passage, die uns Sitchin vorenthält (Haase, 1996):

„Er fand die Domäne der Isis, der Herrin der Pyramide, neben der Domäne des Hurun im Nordwesten der Domäne des Osiris, des Herren von Ra-Setau. Und er errichtet seine Pyramide neben dem Tempel dieser Göttin. Er errichtete (auch) die Pyramide der Königstochter Henutsen neben ihrem Tempel. (Übersetzung nach Wildung, 1969).“

Die Aussage ist eindeutig und verdeutlicht zugleich Sitchins Vorgehensweise: Aus der Stele geht hervor, dass Cheops die Pyramide errichtet hat, und zwar zusätzlich zu der der Prinzessin Henutsen. Sitchin hat in seiner Argumentationskette diesen Teil des Textes einfach ausgeblendet und so eine Spekulation geschaffen, die sich als angeblich bewiesene Tatsache in den Grenzwissenschaften etabliert hatte. Kein Autor aus diesem Bereich kam überhaupt auf die Idee, sich den gesamten Text der Stele einmal gründlich anzuschauen: Ihm wäre die Manipulation durch Sitchin sofort aufgefallen. Somit ist auch die „Isis-Stele“ keine Stütze für Sitchins Behauptungen.

4. Baalbek – ein Raumhafen der Götter?

Wenn nach der Überzeugung Sitchins Außerirdische auf der Erde weilten und Einfluß auf die Entwicklung der Menschen nahmen, müssen sie auch ihre Stützpunkte gehabt haben. Diese müssen sich im mesopotamischen Raum befunden haben, und das Gilgamesch Epos gibt in den Augen Sitchins zumindest einen Hinweis darauf, wo einer der Stützpunkte lag: Im Zederngebirge im Libanon. Der Ort ist schnell ausgemacht: Die Tempelplattform von Baalbek, auf der sich die Reste eines Jupitertempels aus römischer Zeit befinden. Für Grenzwissenschaftler wie Sitchin oder Erich von Däniken bietet diese als „Terrasse von Baalbek“ bezeichnete Ruinenfeld Anlaß für Spekulationen, schließlich finden sich hier gewaltige Felsblöcke, die von den Menschen der Antike mit deren einfachen Methoden wohl kaum zu bewältigen waren. Doch lassen wir Sitchin selbst zu Wort kommen (Stufen zum Kosmos, S. 199):

„Nach Berechnungen wiegen schon die Steinquader, die für den Sockel und die vorstehende Eckplatte der Plattform verwendet wurden, über 500 Tonnen, im Vergleich dazu beträgt das Gewicht der größten Blöcke der ägyptischen Pyramiden ,nur‘ 200 Tonnen. Noch übertroffen an Größe und Gewicht werden diese Quader jedoch, so unglaublich es klingen mag, von denen, die die Mittelschicht des Podiums bilden. Moderne Forscher finden sie, gigantisch, kolossal, riesenhaft‘; die alten Historiker nannten sie den Trilithon – das Wunder des Dreisteins. Man sieht nämlich auf der Westseite des Podiums nebeneinander drei Steinblöcke, die auf der ganzen Welt nicht ihresgleichen haben. Exakt gemeißelt und festgefügt, ist jeder der drei Steinblöcke fast 20 m lang, 4 m hoch und über 3 m dick. Jeder wiegt 1000 Tonnen! (…) Halb vergraben im Boden liegt hier ein kolossaler Granitblock, der von seinem unbekannten Steinmetz aufgegeben wurde. Allem Anschein nach wurde er fertig gemeißelt. Er ist über 23 m lang, fast 5 m hoch und fast 4 m breit. Ein Mensch, der ihn erklettert, sieht darauf lächerlich klein aus. Man schätzt das Gewicht des Quaders auf über 1200 Tonnen. (…) Verwirrend ist die Tatsache, dass es nicht einmal heute einen Kran oder ein Fahrzeug oder sonst einen technischen Apparat gibt, der ein Gewicht von 1000 bis 1200 Tonnen heben oder tragen könnte, ganz zu schweigen von der Beförderung über Berg und Tal und der genauen Plazierung hoch über dem Boden.(…) Doch in ferner Zeit hat irgend jemand das auf unerklärliche Weise vollbracht… Aber wer ?“

Sitchin zieht in seiner Argumentation eine alte Sage zu Rate, die Johannes Maro im 7. Jahrhundert überlieferte. Danach sollte es sich bei der Feste auf dem Berg Libanon um das älteste Gebäude der Welt handeln. Kain habe sie 133 Jahre nach der Schöpfung in einem Wahnsinnsanfall errichtet und habe ihr den Namen seines Sohnes Henoch gegeben. In der Sintflut sei die Anlage zerstört worden, danach habe sie Nimrod wieder aufgebaut. Ein Reisender des 17. Jahrhunderts habe berichtet, die Festung sei zu Ehren des Gottes Baal errichtet worden. Für Sitchin ist das Ergebnis klar: Alles deutet seiner Auffassung nach darauf hin, dass es sich bei den Sagen um Erinnerungen an uralte Ereignisse handele, und die Betrachtung der Gesamtanlage spreche für einen Raumhafen der Außerirdischen (Stufen zum Kosmos, S. 201):

„Wenn wir die große Plattform betrachten, ihre ganze Anlage, das ungeheure Podium, das den Zweck hat, schwerstes Gewicht zu tragen, die Ummauerung des heiligen Gebiets, können wir uns leicht ein Bild machen von einem großen Tempel und einer raketenartigen ,fliegenden Kammer.‘ Denken wir auch daran, wie der verborgene Ort im Gilgamesch-Epos beschrieben wird: Unten ein Ort, wo die Befehle gegeben werden‘, die, Geheimwohnung der Annunaki‘, die furchterregenden ,Strahlen‘, die von dem ungeheuerlichen Wärter ausgehen. Dann können wir nicht mehr bezweifeln, dass wir in Baalbek Baals Gipfel von Zaphon gefunden haben, das Ziel von Gilgameschs erster Reise.“

Fassen wir zusammen: Im heutigen Libanon befindet sich die Tempelplattform von Baalbek. Diese weist scheinbar unerklärliche Phänomene auf: Felsbrocken von erheblicher Größe und Gewicht. Wurden sie von Außerirdischen gefertigt, um eine Plattform für einen Raumhafen zu bieten? Wohl nicht, Sitchins Argumentation zeigt vielmehr eine typisch grenzwissenschaftliche Vorgehensweise: Da man den Erbauern der Tempelplattform und des Tempels selbst die enorme Leistung nicht zutraut – schließlich handelte es sich um Erbauer mit primitiven Mitteln – müssen es wohl Außerirdische gewesen sein. Vergeblich sucht man bei Sitchin eine Beschäftigung mit dem archäologischen Umfeld der Tempelplattform, wie so oft wird nur das berichtet, was zur eigenen Theorie paßt, damit dann das Ergebnis feststeht: Baalbek war der Raumhafen der Außerirdischen. Auffallend auch das für grenzwissenschaftliches Vorgehen so typische argumentieren mit Quellen aus späterer Zeit. So verweist Sitchin auf Johannes Maro, während v. Däniken arabische Quellen anführt, die ebenfalls das hohe Alter der Anlage zu bestätigen scheinen (Wir alle sind Kinder der Götter, S. 46). Dabei fällt auch die Widersprüchlichkeit grenzwissenschaftlicher Argumentation auf: Während nach Maro der Bau um 3894 v. Chr. stattgefunden haben soll, war es nach den arabischen Quellen die Zeit des König Salomos, als etwa zwischen 965 und 932 v. Chr. Nur eine der Sagen kann richtig sein. Wenn Sitchin einen Zusammenhang herstellt zwischen der Tempelplattform und dem Ort, zu dem Gilgamesch im Zederngebirge reiste, dann müßten sich in Baalbek Hinweise auf einen uralten Kultplatz finden lassen, doch gibt es dafür keine Belege. Jörg Dendl hat sich intensiv mit der Tempelplattform von Baalbek befaßt und die Sage, die Johannes Maro überlieferte, näher untersucht (Dendl, 1996):

„Die von Johannes Maro überlieferte Sage hat ihren Ursprung in der Bibel. Im Buch Genesis heißt es: ,Und Kain erkannte sein Weib; die ward schwanger und gebar den Henoch. Und er baute eine Stadt, die nannte er nach seines Sohnes Namen Henoch.‘ Genaue Angaben zum Standort dieser Stadt werden nicht geliefert. Beachtenswert ist, dass Maro Baalbek mit ,Riesen‘ in Verbindung bringt. Die Bibel spricht an einigen Stellen von der Existenz der Riesen, sogar noch in den historischen Büchern. Diese mythischen Wesen galten bei den Juden wie bei anderen Völkern des Altertums als die Urheber megalithischer Anlagen (…) So konnten die Riesen in späterer Zeit auch als Erbauer und Bewohner von Baalbek gelten, da man keine Erklärung mehr für die gewaltige Leistung hatte, die Steine des ,Trilithon‘ zu bewegen. Weiterhin bringt Maro Baalbek in seiner Erzählung mit den Ereignissen um König Nimrod und dem Turmbau zu Babel zusammen. Dabei fällt sofort auf, dass der Autor dieser Sage recht willkürlich Überlieferungen miteinander verband, die in der Bibel mit weit entfernten Orten in Verbindung gebracht werden. (…) Es ist damit davon auszugehen, dass es sich bei dieser Sage um eine Spekulation über die Erbauung des Tempels von Baalbek anhand der biblischen Quellen handelt. In der jüdischen Überlieferung gibt es keine solchen Sagen, womit eine alte Tradition für die Geschichte des Johannes Maro nicht zu erweisen ist.“

Halten wir also fest: Die von Sitchin als Beleg für das hohe Alter der Tempelplattform von Baalbek herangezogene Sage des Johannes Maro erweist sich bei genauer Betrachtung als völlig ungeeignet zur Untermauerung von Sitchins Theorie und entpuppt sich vielmehr als der hilflose Versuch eines Christen aus dem 7. Jahrhundert, die für ihn völlig unbegreifliche Leistung zu begreifen, die die Baumeister der Tempelplattform geleistet hatten. Obwohl die Erkenntnisse Dendls für Sitchin ohne weiteres erkennbar gewesen sein müssen, wird mit dieser Sage der Beweis für die außerirdische Herkunft der Tempelplattform geführt. Wenn aber nicht Außerirdische die Baumeister waren, wer waren sie dann? Wer war in der Lage, derart große Felsblöcke zu bewegen? Die Antwort liegt auf der Hand: Die Römer, die nicht umsonst als hervorragende Ingenieure gelten und in der Antike wahre Meisterleistungen der Ingenieurskunst vollbrachten. Der Beginn der Bauarbeiten liegt zwischen 20 v. Chr. und 138 n. Chr. Archäologische und kunsthistorische Untersuchungen lassen den Schluß zu, dass die Fundamente des Tempels erst in römischer Zeit errichtet wurden und zu keinem früheren Zeitpunkt. Und wenn es die Römer waren, die Plattform und Tempel errichteten – wie konnten sie dann die gewaltigen Steinblöcke bewegen? Auch hier gibt es plausible Antworten. Dass die Menschen in der Antike dazu in der Lage waren, gewaltige Steinmassen mit den ihnen vorhandenen Mitteln zu bewegen, gilt als erwiesen. Die Pyramiden von Gizeh sind ein beeindruckendes Beispiel für diese Leistung. Auch in griechisch-römischer Zeit war man in der Lage, Felsblöcke mit erheblichem Gewicht und großen Ausmaßen zu bewegen. Gerade die Römer waren mit der ihnen eigenen Hartnäckigkeit in der Lage, derartige Leistungen zu vollbringen. Es bleibt also auch hier nur der Schluß, dass es einen Raumhafen Baalbek nur in der Phantasie Sitchins gab. In Wirklichkeit handelte es sich um einen in römischer Zeit errichteten Tempelkomplex, dessen Errichtung sich die Menschen nach Niedergang des römischen Reiches sich nur nicht mehr erklären konnten.

Fazit

Zum Abschluß unserer Beschäftigung mit den Theorien Zecharia Sitchins bleibt als Ergebnis nur folgender Schluß: Es liegen genügend Belege vor, um Sitchin vorwerfen zu können, dass er Tatsachen verdreht oder sie falsch interpretiert, um seine Theorie, die er für bewiesen hält, argumentativ zu untermauern. Er erfindet Rätsel, wo es keine Rätsel gibt, damit er sie dann im Sinne seiner Theorie lösen kann. Die von Sitchin aufgestellte Behauptung, bislang sei seinen Beweisen noch nicht widersprochen worden, stimmt so nicht, es sei denn, man ersetzt das „können“ durch „wollen“. Die Argumente, die Sitchin zur Untermauerung seiner Theorie vorträgt, würden für ihre Widerlegung mehrere Bücher in Anspruch nehmen, und das ist ein Aufwand, der sich nicht lohnt. Sitchin und diejenigen, die seinen Ideen folgen, beweisen nicht nur ihre Unkenntnis in Bezug auf naturwissenschaftliche und historische Zusammenhänge, sie tragen auch ein völlig verzerrtes Bild kritischer Geschichtsanalyse in die Öffentlichkeit. Darüber hinaus fordert Sitchin aufgrund seiner Manipulationen und Verdrehungen die Wissenschaft zur Klarstellung an und für sich eindeutiger Sachverhalte heraus. Und eine Reaktion seitens der Wissenschaft ist notwendig, wenn man sieht, auf welch fruchtbaren Boden die Thesen Sitchins und seiner Nachfolger fallen. So arbeitsaufwendig es auch manchesmal sein mag, die Thesen Sitchins zu widerlegen: Es ist im Interesse der Wissenschaft und ihrer Akezptanz in der breiten Bevölkerung notwendig.

Literatur:

  • Asimov, I: Die exakten Geheimnisse unserer Welt, München 1988
  • Bauval, R./ Hancock, G.: Der Schlüssel zur Sphinx, München 1996
  • Buttlar, J.v.: Adams Planet, München 1991
  • Croswell, K.: Die Jagd nach neuen Planeten, Bern u.a. 1998
  • Däniken, E.v.: Wir alle sind Kinder der Götter, München 1987
  • Däniken, E.v.: Die Augen der Sphinx, München 1989
  • Dendl, Jörg: Die ‚Terrasse‘ von Baalbek und ihre Geheimnisse, G.R.A.L. 2/1996, S. 78 – 87.
  • Fiebag, J: Gesicht und Pyramiden in der Cydonia-Region des Mars, Teil 2, Astronautik Heft 3, 1990, S. 75 -77
  • Haase, M: Das Chufu-Syndrom, G.R.A.L. 3/1996, S. 150 – 164
  • Haase, M: Das Geheimnis der „Isis-Stele“, G.R.A.L. 4/1996, S. 238 – 246
  • Haase, M./Sasse, Th.: Im Schatten der Pyramiden, Düsseldorf 1997.
  • Heuseler, H./Jaumann, R./Neukum, G.: Zwischen Sonne und Pluto, München 1999
  • Lorenzen, D.: Raumsonde Galileo, Stuttgart 1998.
  • Marzahn, J.: Zur sumerischen Sternkarte des Vorderasiatischen Museums, Sterne und Weltraum 7/95, S. 524; G.R.A.L. 4, 95, S. 224-230.
  • Pössel, M.: Phantastische Wissenschaft, Hamburg 2000
  • Reichel, E.: Dark Star oder Planet X?, STAR OBSERVER Special Nr. 7 (2000), S. 24 – 33
  • Rétyi, A.v.: Auf den Spuren des zehnten Planeten, STAR OBSERVER 3/99, S. 12 – 25
  • Sagan, C.: Unser Kosmos, München 1982
  • Sagan, C.: Blauer Punkt im All, München 1996
  • Siebenhaar, W: Fehler und Fehlinterpretationen in den Büchern Zecharia Sitchins, SAS 2 (1995), S. 58 – 67
  • Siebenhaar, W: Sitchin und die Sumerer, ein Interview mit Dr. K. Abrahamson, G.R.A.L. 3/1995, S. 177 – 179
  • Sitchin, Z: Der zwölfte Planet, Unterägeri 1979
  • Sitchin, Z: Die Kriege der Götter und Menschen, München 1991
  • Sitchin, Z: Am Anfang war der Fortschritt, München 1991
  • Sitchin, Z: Stufen zum Kosmos, München 1989
  • Sitchin, Z: Forging the Pharao’s Name, Ancient Skies Vol. 2, 1981 (US-Ausgabe)
  • Verner, M.: Die Pyramiden, Hamburg 1999.
  • Weiden, S v. der.: Die Suche nach Leben im All, München 1998
  • Walter, U.: Zivilisationen im All, Heidelberg u.a. 1999
  • Wildung, D.: Die Rolle ägyptischer Könige im Bewußtsein ihrer Nachwelt, Teil 1, MÄS 17, 1969
  • Zillmer, J.: Darwins Irrtum, München 1998
* unter Einbeziehung des gleichnamigen Artikels von W. Siebenhaar, erschienen in „Scientific Ancient Skies“, Ausgabe 2/1995. Dank an Wolfgang Siebenhaar und Michael Haase.
Zuletzt geändert: 30. Juni 2003

Klaus Richter

Messleeren als Hilfsmittel der Pyramidenbauer?

In der Ausgabe 1/2003 von „Sagenhafte Zeiten“ präsentiert das Autorengespann Eenboom, Belting und Fiebag einen Erklärungsansatz für die Bedeutung der Schächte in der Königs- und der Königinnenkammer der Cheops-Pyramide. Die Autoren vertreten die These, die ägyptischen Baumeister hätten, als die Pyramide immer höher wurde und es dadurch immer unsicherer geworden sei, einen konstanten Böschungswinkel von 51,84 Grad durch bodenorientierte Messverfahren zu kontrollieren, dynamische Messleeren eingesetzt. Diese seien, ausgehend von der Königinnenkammer, in Nord- und Südrichtung exakt auf die Mittelsenkrechte ausgerichtet worden. Die Form dieser Messleeren habe möglicherweise der des Buchstaben „T“ entsprochen; aus Vierkanthölzern exakt gefertigt, sei der senkrechte Balken im Winkel des späteren Schachtverlaufes von ca. 39 Grad einjustiert worden; das horizontale Segment sei dem senkrechten in einem Winkel zugeordnet worden, der dem Böschungswinkel der Pyramide entsprochen habe (Eenboom et al., S. 11). Einen möglichen Hinweis auf die Verwendung derartiger Messleeren sehen die Autoren in einem Graffito, das auf einem Abdeckstein der östlichen Barkengrube neben der Cheops-Pyramide gefunden wurde (vgl. Haase, Cheops, S. 209). Angesichts dieses Graffito vermuten Eenboom et al., dass es noch einen dritten Miniaturgang im unteren Bereich der Pyramide geben könne (Eenboom et al., S. 12). Der Beitrag von Eenboom, Belting und Fiebag weist „Licht“ und „Schatten“ auf.

a. „Licht“

Positiv zu bewerten ist, dass sich drei führende Autoren der A.A.S. Gedanken über den Pyramidenbau machen, der in eine Richtung weg von außerirdischen Kulturbringern, für die die Ägypter allenfalls die „Drecksarbeit“ machten (von Däniken, Spuren im Sand) hin zu den wahren Erbauern der Pyramiden führt: Den alten Ägyptern selbst. Interessant ist auch der – scheinbare oder gewollte? – Gegensatz zu Erich von Dänikens Ausführungen, die unter dem Titel „Ägyptologisches Wunschdenken“ in Sagenhafte Zeiten 6/2002 erschienen sind (vgl. „Erich von Däniken und die Cheops-Pyramide“). Erich von Däniken übte dort „Manöverkritik“ an der am 17. September 2002 weltweit ausgestrahlten Öffnung des Blockiersteins im Südschacht der Königinnenkammer und griff darin unter anderem Michael Haase an, der vor der Live-Übertragung der Öffnung zu Gast im ZDF-Studio war und dort zur Öffnung interviewt wurde (von Däniken, 2002, S. 12): „Michael Haase (…) meinte, ‚massive Blockierungssysteme‘ würden ausschliessen, dass sich dahinter (dem Gantenbrink-Schacht) eine Kammer befinde. ‚Sie wäre auch nicht begehbar.‘ Haase schlägt vor, vielleicht hätten die schmalen Schächte in der Pyramide eine ‚logistische Funktion‘ gehabt, sie wären also ‚bautechnisch begründet‘ gewesen. Und etwas später noch die Feststellung von Michael Haase, die ganze Bauerei sei ‚Bestandteil eines grossen Logistiksystems‘ gewesen. Nach diesen gescheiten Zitaten möchte ich durchatmen. – Hinter dem Gantenbrink-Schacht kann sich nichts befinden, weil Blockierungsysteme dies verhindern und weil der Schacht ohnehin zu klein wäre, also ’nicht begehbar.‘ Gleichzeitig war die Bauerei ein gigantisches Logistiksystem. Weshalb haben die cleveren Logiker im alten Ägypten ‚Blockierungssysteme‘ vor einer Türe angelegt, hinter der sich gar nichts befindet? Und der wiederholte Hinweis – nicht nur durch Michael Haase – durch den engen Schacht könne niemand kriechen, geschweige denn einen Sarkophag oder Schatz verstecken, eben weil er ’nicht begehbar‘ sei und sich demnach nichts dahinter befinden könne, ist gerade das Tüpfelchen auf dem ‚i‘ des Wörtchens ‚Unsinn.‘ Wer das Interview gesehen hat, weiß, dass von Däniken hier Haase eine Äußerung in den Mund gelegt hat, die dieser nie gemacht hat. Die „massiven Blockierungssysteme“ erwähnte Haase im Zusammenhang mit dem Kammersystem der Cheops-Pyramide, das klar als typisches Kammersystem der 4. Dynastie zu definieren sei und das weitere geheime Grab- oder Schatzkammern ausschließe. Eine geheime Kammer hinter dem Blockierstein des Südschachtes, so Haase weiter, sei nicht vorstellbar, denn der Schacht sei wegen seiner Breite und Höhe von 20,5 cm nicht begehbar, eine Kammer könne gar nicht betreten werden. An dieser Stelle war von Blockiersystemen gar keine Rede: es gibt keine Blockiersysteme in den Schächten. Zur Funktion der Schächte ging Haase dann auf zwei Lösungsansätze ein, die in der Wissenschaft diskutiert werden: Einerseits könnten die Schächte einem religiösen Aspekt gedient haben, und zwar als „Modellkorridore“ für die Seele des verstorbenen Königs. Andererseits sei aber auch eine rein logistische Funktion der Schächte vorstellbar, beispielsweise um die Arbeiter in der Pyramide mit Luft zu versorgen (Einzelheiten bei Haase, Sokar 5, S. 8 -11). Angesichts dieser klaren Aussagen Haases muten die Verdrehungen durch von Däniken willkürlich an. In der nachfolgenden Ausgabe von „Sagenhafte Zeiten“ erfolgt eine Rehabilitierung der bautechnischen Interpretation durch Haase: Die Autoren Eenboom, Belting und Fiebag greifen Haases Vorschlag, das Schachtsystem technisch zu interpretieren auf und schließen sich seiner Ablehnung, in den Schächten Elemente eines religiösen Sternenkultes zu sehen, an. Eenboom et al. zitieren Haase auf S. 10 wie folgt (Cheops, S. 147 f.):

„Ich halte dies für Spekulation und frage mich, wieso niemand bisher auf den Gedanken gekommen ist, dass Lage und Orientierung der vier Schächte in der Cheops-Pyramide lediglich durch einfache meßtechnische Bedingungen zustande kamen, die einzig und allein aus dem Konstruktionsprinzip des Kammersystems entstanden. Beispielsweise erkennt man (…), dass alle Schächte in gewisser Weise fast im rechten Winkel auf die Außenverkleidung der Pyramide zusteuern.“

Eenboom et al. regen an, die Denkansätze von Haase bautechnisch zu konkretisieren und schlagen auf dieser Grundlage ihr Modell einer Messleere vor. Eine interessante – scheinbare ? – Kehrtwendung in der Bewertung von Haases Interpretation des Schachtsystems in der Cheops-Pyramide. Vier weitere Punkte fallen ebenfalls auf:

  1. Die Autoren kommen bei der Darstellung ihrer These ohne die in pseudowissenschaftlichen Kreisen sonst übliche Wissenschaftsfeindlichkeit aus, ganz anders als noch Erich von Däniken in der vorherigen Ausgabe von „Sagenhafte Zeiten.“
  2. Während Erich von Däniken den Südschacht der Königinnenkammer als „Gantenbrink-Schacht“ bezeichnet, wird er bei Eenboom et al. vorsichtiger als „sogenannter Gantenbrink-Schacht“ bezeichnet (Eenboom et al., S. 11). Diese Vorsicht ist durchaus angebracht, denn niemand in der Fachwelt nennt diesen Schacht „Gantenbrink-Schacht.“ Diese Bezeichnung existiert allein in der Pseudoarchäologie.
  3. Während Erich von Däniken von einer „Tür“ am Ende des „Gantenbrink-Schachts“ spricht (von Däniken, 2002, S. 12), verwenden Eenboom et al. zwei zutreffendere Bezeichnungen: „Blockierstein“ (S. 11) und „Verschlussstein“ (S. 12). Von einer „Tür“ kann angesichts eines 20,5 cm hohen und ebenso breiten Schachts kaum gesprochen werden.
  4. Auch eine letzte Beobachtung ist von Interesse: Während Erich von Däniken, so legt es das Zitat aus „Sagenhafte Zeiten 6/2002“ nahe, durchaus einen Schatz oder einen Sarkophag in einer Geheimkammer hinter einer „Tür“ am Ende des „Gantenbrink-Schachtes“ annehmen kann, sehen Eenboom et al. das anders. Im Zusammenhang mit drei Gegenständen, die 1872 im Nordschacht gefunden wurden und die sich jetzt im Britischen Museum in London befinden (vgl. Haase, Sokar 1, S. 9 f.) äußern Eenboom et al. (S. 12):

„Sollten sich weitere solche oder ähnliche Objekte hinter dem Verschlussstein befinden, liessen sich durchaus interessante Ergebnisse erhalten (auch ohne den obligatorisch vermuteten Schatz – eine Mumie oder Papyrie).“

Sind das Zeichen einer „Palastrevolution“ innerhalb der A.A.S.? Oder handelt es sich um den Versuch, die Wogen zu glätten, die von Dänikens sehr emotional gehaltener Beitrag in der vorherigen Ausgabe von „Sagenhafte Zeiten“ nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der A.A.S. angerichtet haben mag (dafür würde beispielsweise auch die Veröffentlichung eines kritischen Leserbriefes von F.J. Hermes in Sagenhafte Zeiten 1/2003 sprechen)? Zumindest bieten die Ausgaben 6/2002 und 1/2003 interessante Gegensätze.

b. „Schatten“

Bei allen positiven Ansätzen, die der Beitrag von Eenboom et al. enthalten mag, es bleibt ein pseudoarchäologischer Artikel mit den typischen Mängeln.

1. Auf S. 9 zitieren die Autoren aus dem Buch „Geheimnis der Pyramiden“ von Mark Lehner (ebd., S. 218):

„Eine Schlüsselfrage des Pyramidenbaus lautet, wie die ägyptischen Maurer die Achsen und Diagonalen kontrollierten, während sie die Pyramide hochzogen. Sie mußten sicherstellen, daß sie sich oben genau in der Mitte trafen, um nicht buchstäblich den entscheidenden Punkt zu verfehlen.“

An dieser Stelle endet das Zitat, beginnen die Autoren ihre Überlegungen, die sie dann zu ihrer These der Verwendung von Messleeren führen. Dabei wird es bei Lehner erst jetzt interessant, denn er erklärt, wie die alten Ägypter den Winkel maßen (ebd.):

„Die Ägypter maßen den Neigungswinkel in sequed, eine Einheit, die angibt, wie weit die Pyramidenfläche pro Elle Höhe zurückspringt. Ein Rücksprung von einer Elle pro Elle Höhengewinn ergibt eine # Neigung von 45o. Auf diese Weise lassen sich Winkel festlegen, indem man lediglich in Höhen und Weiten rechnet. Um beispielsweise die Neigung der Cheops-Pyramide zu erzeugen, hätten die antiken Maurer 14 Einheiten nach oben und 11 nach innen abstecken können.“

Somit stellt sich der Versuch der Autoren, ihre These einzubringen, als eine typische pseudowissenschaftliche Vorgehensweise dar: Der Schaffung eines Rätsels, das dann im Sinne der Autoren gelöst werden kann. Dafür spricht auch eine ausführliche Beschreibung der altägyptischen Meßmethode in „Das Rätsel des Cheops“, das die Autoren, wie ihr Beitrag zeigt, durchaus gelesen haben (siehe Haase, Cheops, S. 49 – 53). Auf S. 79 dieses Buches, wo Haase ebenfalls die altägyptische Messmethode beschreibt, wird von Eenboom et al. sogar hingewiesen (vgl. S. 11), ohne dass sie einen Hinweis auf die Messung des Neigungswinkels in sequed geben. Ebenfalls eine typische pseudowissenschaftliche Vorgehensweise: Aussagen aus der Literatur werden verwendet, solange sie in das eigene Konzept hineinpassen; ansonsten werden sie ausgeblendet (oder, wie andere Beispiele zeigen, verdreht).

2. Zur Untermauerung ihres bautechnischen Ansatzes greifen die Autoren auf ein Zitat aus Haase, Das Rätsel des Cheops zurück (dort S. 147 f., siehe oben). Interessant ist, dass Eenboom et al. das Zitat unvollständig wiedergeben: Sie haben nämlich eine Passage herausgenommen, die nicht in ihre Messleeren-These hineinpasst. Hier ist das vollständige Zitat, die ausgelassene entscheidende Passage wurde markiert (Haase, Cheops, S. 147 f.):

„Ich halte dies für Spekulation und frage mich, wieso niemand bisher auf den Gedanken gekommen ist, dass Lage und Orientierung der vier Schächte in der Cheops-Pyramide lediglich durch einfache meßtechnische Bedingungen zustande kamen, die einzig und allein aus dem Konstruktionsprinzip des Kammersystems entstanden. Beispielsweise erkennt man einerseits, dass die oberen Königsschächte etwa auf der gleichen Steinlage enden und andererseits, dass alle Schächte in gewisser Weise fast im rechten Winkel auf die Außenverkleidung der Pyramide zusteuern, wobei die nördlichen Kanäle nicht geradlinig verlaufen, da sie dem Strukturbereich der Großen Galerie ausweichen müssen.“

Dieser Teil des Zitates stellt ein ernsthaftes Problem für die Anwendung einer Messlehre dar (vgl. unten Punkt 4). Ihn auszublenden, ist ein weiterer Beleg für das selektive pseudowissenschaftliche Vorgehen der Autoren.

3. Auf S. 11 gehen die Autoren auf die Schächte ein und greifen dabei auch auf Lehner zurück:

„Auffällig erscheint uns in diesem Zusammenhang die exakte Auskleidung der Schächte mit geglätten Sandsteinplatten, wodurch eine quadratische Vierkantform entsteht. Mark Lehner vergleicht diese eigentümlichen Strukturen mit ‚Antennen‘, die sich durch den Pyramidenkörper ziehen. Auch hier zeigen sich Ansätze einer technischen Interpretation.“

Zunächst zu der „Auskleidung“ der Schächte mit „geglätten Sandsteinplatten.“ Man fragt sich, wo die Autoren diese Information hergenommen haben, denn eine Quellenangabe fehlt. Von einer „Auskleidung“ mit „geglätten Sandsteinplatten“ findet man in den Schächten jedenfalls nichts, vielmehr zeigt sich die Konstruktion wie folgt (Haase, Sokar 5, S. 4):

„Die beiden Schächte der Königskammer wurden auf ihren horizontalen, innerhalb der granitenen Kammerverkleidung liegenden Streckenabschnitten (2,63 Meter im nördlichen bzw. 1,72 Meter im südlichen Schacht) aus insgesamt jeweils drei Granitblöcken konstruiert. Hierbei hatte man die aneinanderliegenden oberen Kanten von zwei Granitblöcken derart abgearbeitet, dass sich nach dem Zusammenschieben der Quader eine rechteckige ‚Schachtrinne‘ bildete. Ein weiterer Granitblock wurde dann auf diese ‚Konstruktion‘ gelegt, so dass dessen Unterseite die Decke des Schachtes bilden konnte. Im aufsteigenden Bereich der Schächte der Königskammer (auch bei denen der Königinnenkammer) wurden dagegen ausschließlich Kalksteinblöcke für deren Aufbau verwendet. Hier sah das Konstruktionsprinzip (bis auf zwei Ausnahmen, jeweils zu Beginn der ansteigenden Schachtabschnitte) vor, dass auf einer Steinunterlage (Boden des Schachtes) ein Steinquader gesetzt wurde, in dessen Unterseite man zuvor eine im Durchschnitt etwa 20,5 Zentimeter breite und 21,5 Zentimeter hohe Schachtaushebung (Decke und Wände) gemei´ßelt hatte.“

Den Vergleich Lehners der Schächte mit „Antennen“ muss man mangels Quellenangabe ebenfalls suchen. Nach geraumer Zeit wird man auf S. 112 von „Geheimnis der Pyramiden“ fündig, und zwar in einer Bildbeschriftung:

„Die ‚Luftschächte‘ gehen sowohl von der Kammer des Königs als auch der Königin wie Antennen durch den Pyramidenkörper. Von der Königskammer aus reichen sie bis ins Freie, obwohl diese (vielleicht ursprünglich auch in der Kammer selbst verschlossen) reinen Kultschächte höchstwahrscheinlich vom Außenmantel überdeckt wurden.“

Wie man aus dieser Aussage Lehners „Ansätze einer technischen Interpretation“ herauslesen kann, bleibt schleierhaft.

4. So interessant die These von der „Messleere“ auch sein mag, es stellen sich Fragen, die die Autoren nicht diskutieren: Die Schächte der Königinnenkammer reichen, anders als die der Königskammer, nicht bis zur Außenwand der Pyramide. Wie kann hier eine Messleere eingesetzt worden sein, um den Neigungswinkel zu bestimmen? Wie erklärt sich in diesem Zusammenhang, dass die Schächte der Königinnenkammer zur Kammer hin versiegelt waren, die der Königskammer dagegen nicht? Welche Rolle spielen dabei die Blockiersteine, die in beiden Schächten der Königinnenkammer vorhanden sind (Haase, Sokar 5, S. 8)? Wenn, wie die Autoren annehmen, Hohlräume mit Füllmasse verschlossen wurden (Eenboom et al., S. 11): Warum nicht die Schächte in ihrer gesamten Länge, und warum nicht die Schächte der Königskammer? Angenommen, die Messleere wurde sowohl in den Schächten der Königs- wie auch der Königinnenkammer eingesetzt (wie die Autoren durch den Hinweis auf das „Bootsgrubengraffito“, (S. 11 f.) nahelegen), weshalb dann nur in den Südschächten? Welche Funktion hatten die Nordschächte? Angenommen, auch in den Nordschächten wurden Messleeren eingesetzt: Wie kann im Nordschacht der Königinnenkammer – nach der These der Autoren – eine Messleere sinnvoll eingesetzt werden, wenn dieser Schacht 18,50 Meter nach dem Schachteingang um 45 Grad nach Westen abknickt, um dem Strukturbereich der großen Galerie auszuweichen (Haase, Sokar 5, S. 7)? Und wie erklären sich die unterschiedlichen Winkel der Schächte (Nordschacht Königskammer: 32,6 Grad; Südschacht Königskammer: 45 Grad; Südschacht Königinnenkammer: 39,61 Grad; Daten bei Haase, Sokar 5, S. 5 f.)? Das sind reichlich Fragen, und es spricht vieles dafür, dass die Messleeren zwar auf den ersten Blick eine gute Idee sein mögen, auf den zweiten hin jedoch kaum praktikabel waren für den Bau der Cheops-Pyramide. Vermutlich hatten die Schächte eine bautechnische Funktion, jedoch nicht für die Verwendung einer Messleere. In der „Lady Arbuthnot-Kammer“, der zweitobersten Entlastungkammer über der Königskammer, finden sich zahlreiche Bauarbeiterinschriften, darunter an der östlichen Seite der Nordwand die der Baumannschaft „Die weiße Krone des Chnum-Chufu ist mächtig.“ Die Inschrift dieser Mannschaft ist an drei Stellen vorhanden und wurde an jeder Stelle durch eine horizontale Vermessungslinie überschrieben. Die Höhenlinie findet sich auch an der Südwand der Kammer, wo sie zwei Bauarbeitergraffiti überlagert. In keiner anderen Entlastungskammer befinden sich solche Markierungszeichnungen (Haase, Sokar 5, S. 12, m.w.N.). Haase hat hier einen interessanten Befund festgestellt (Haase, ebd.):

„Der vertikale Abstand der Höhenlinie zum Basisniveau beträgt ungefähr 59,60 Meter. Interessanterweise enden ungefähr auf dieser Höhe (etwa 35 Meter weiter südlich bzw. ca. 55 Meter weiter nördlich) auch die Schächte der Königinnenkammer. Wenn man diese Korrelation nicht als zufällig abtun möchte, muß man sich die Frage stellen, ob zwischen der an der Nord- und Südwand der ‚Lady Arbuthnot-Kammer‘ angebrachten Höhenlinie und den Endpunkten der beiden Schächte der Königinnenkammer ein konstruktiver Zusammenhang besteht. Man darf also auf die weiteren Untersuchungen gespannt sein.“

5. Geradezu begeistert sind die Autoren angesichts von Haases Ausführungen zu einem Graffito, das auf einem Abdeckstein der Cheops-Barke gefunden wurde. Zu diesem Graffito, das bisher noch nicht eindeutig entziffert werden konnte, äußerte sich Haase zurückhaltend (Haase, Cheops, S. 209 f.):

„Abschließend möchte ich noch ein besonderes Graffito, das auf einem der Abdecksteine der Cheops-Barke gefunden wurde, aus der Masse der fast unzähligen Bauarbeiterinschriften herausstellen, da es auf den ersten Blick wie eine zeitgenössische, skizzenhafte Darstellung der Cheops-Pyramide aussieht. Es bleibt noch zu prüfen, ob es sich bei dieser Zeichnung wirklich um eine grobe Skizze des Grabmals handelt oder sich dahinter – wie die Zahlendarstellung andeuten könnte – eine ganz andere Bedeutung verbirgt, vielleicht ein Markierungszeichen für eine Richtung oder Höhe.“

Trotz dieser vorsichtigen Bewertung durch Haase glauben Eenboom, Belting und Fiebag, dass Haase mit seiner Vermutung bereits 1998 kurz vor der Auflösung des ‚Graffito-Rätsels‘ gestanden habe (Eenboom et al., S. 12):

„Denn was in dieser Zeichnung wiedergegeben wird, scheint nichts anderes zu sein, als die Abbildung von Messleeren, die, eingeschoben in die Schächte, den Winkel der Pyramide anzeigten.“

Sogar einen dritten „Messleeren“-Schacht wollen die Autoren aus diesem Graffito herauslesen und regen zur genaueren Suche nach diesem Schacht an (ebd.). Das Problem bei der Sache ist: Die Bedeutung dieses Graffitos ist bislang nicht bekannt. Schon von daher erscheint die Interpretation der Autoren mehr als gewagt. Im übrigen darf man die Gegenfrage stellen, was denn eine Darstellung von Messleeren an der Pyramide auf dem Abdeckstein des Cheops-Bootes zu suchen hatte? Liegt hier nicht die Vermutung nahe, dass die Darstellung im Zusammenhang mit den Bootsgruben im Umfeld der Cheops-Pyramide steht? Oder ist es das Symbol eines Arbeitertrupps, der mit der Bearbeitung oder dem Transport des Abdecksteins bzw. der Ausschachtung und Abdeckung der Bootsgrube beschäftigt war? Die weitere Forschung wird es zeigen.

6. Die Autoren gehen auch auf den Befund der Blockiersteinöffnung im September 2002 ein (ebd., S. 12):

„Nach der jüngsten Erkenntnis, dass sich im Südschacht hinter dem von Gantenbrink 1993 entdeckten Verschlussstein eine kleine Kammer und dann erneut eine Steinplatte befinden, bleibt es natürlich für alle ein Rätsel, was sich konkret hinter diesem zweiten ‚Türchen‘ befinden könnte: Setzt sich der Gang wirklich weiter linear fort? Existiert womöglich eine weitere grössere oder kleinere Kammer, in der sich Gegenstände befinden?“

Zunächst einmal befindet sich hinter dem Blockierstein im Südschacht keine Kammer, nicht einmal eine kleine. Vielmehr handelt es sich um einen 45 Zentimeter tiefen, dem Anschein nach leeren Hohlraum, der eine Verlängerung des Südschachtes darstellt (Haase, Sokar 5, S. 7). Und das angebliche „Türchen“ am Ende des Hohlraums entpuppte sich als anscheinend unpolierter, strukturell mit dem Blockierstein nicht vergleichbaren Steinblock, der einige Risse aufweist (Haase, ebd.):

„Anscheinend hat man hier nun das definitive Ende des Schachtes erreicht und trifft hinter der Hohlraumstruktur bereits auf das massive Kernmauerwerk. Es kann aber derzeit auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich in diesem Bereich noch ein weiterer kleiner, bautechnisch begründeter Hohlraum befindet.“

Eine kleinere oder größere Kammer, in der Gegenstände gelagert werden (nach Auffassung der Autoren müssen das nicht unbedingt Mumien, Papyri oder sonstige Schätze sein) ergibt keinen Sinn: Wer hätte eine solche Kammer betreten können, und welchen Zweck hätte sie in dem klar definierten Kammersystem der Cheops-Pyramide erfüllen sollen? Die Spekulationen über Geheimkammern am Ende des Südschachtes (und jetzt vermutlich auch am Ende des Nordschachtes) werden aber nicht aufhören, bis nicht eine weitere Forschungsmission den Befund vor Ort genauer erkundet hat.

Fazit: Auch wenn Eenboom, Belting und Fiebag einen für die A.A.S. wichtigen Schritt vorgenommen haben, in dem sie Cheops-Pyramide von den außerirdischen Konstrukteuren weg zu ihren menschlichen Erbauern gerückt haben, weisen die Argumente, die sie für ihre These von einer Messleere vortragen, zu viele Mängel auf, als dass diese These ernsthaft berücksichtigt werden kann. Die Verwendung von einer Messleere beim Pyramidenbau ist auch nicht notwendig, da die altägyptischen Baumeister mit der Messung des Neigungswinkels in sequed ein wohl erprobtes und gängiges Mittel zur Hand hatten. Viel spricht aber dafür, dass die „Luftschächte“ in der Cheops-Pyramide eine bautechnische Funktion hatten und nicht allein religiös interpretiert werden können. Welche Funktion das genau war, wird die weitere wissenschaftliche Forschung zeigen. Außerirdische und Pyramidenrampen ? Algund Eenboom, Peter Belting und Peter Fiebag stellten in „Sagenhafte Zeiten 1/2003“ ein Modell zur Lösung des Pyramidenbaus vor: Flexible Anstellrampen. Auf zwei Seiten handeln die Autoren, ohne jegliche Literatur- und Quellenangabe, „en passant“ das äußerst komplexe Thema der Konstruktion von Pyramidenrampen anhand eines einzigen Beispiels ab, nicht ohne den abschließenden, für die A.A.S. typischen Schlenker auf extraterrestrische Kulturbringer. Keine Erwähnung finden Lösungsansätze und Modelle, die in der Ägyptologie erwähnt werden, wie beispielsweise Mark Lehners Spiralrampenmodell (Lehner, S. 215 f.; Haase, Re, S. 111 ff.). Ebensowenig wird Bezug genommen auf den umfangreichen Literaturapparat zu diesem Themenbereich. Die archäologische Fundlage wird nur anhand von zwei Beispielen erwähnt, deren Quelle noch nicht einmal genannt wird. Auf S.14 ihres Beitrages beschreiben Eenboom et al. Anhaltspunkte für Baurampen an der Pyramide in Meidum:

„Dort befinden sich Reste einer Schleifpiste sowie eines ‚Aufweges‘, der jedoch nach Mark Lehner ‚als sehr dünne und wunderlich hohe gerade oder Steigrampe zur Pyramidenseitenfläche‘ hin konstruiert war.“

Wer in Lehners Buch „Geheimnis der Pyramiden“ recherchiert, wird auf S. 217 fündig. Dort schreibt Lehner:

„In Meidum finden sich Überreste einer Schleifpiste oder möglicherweise Rampe, die von Südwesten her kommt. Sie scheint direktüber die Nebenpyramide zu führen und projiziert die höheren Pyramidenlagen der Westseite. Eine weitere sogenannte Rampe kommt von Osten her, ist aber diesmal eher ein Aufweg als eine Baurampe. Sie liegt jedoch auf einer Linie mit dem Rücksprung auf Höhe der fünften oder sechsten Stufe der zweiten Stufenpyramide (E2); dies veranlaßte Borchardt, sie an dieser Stelle als sehr dünne und wunderlich hohe gerade oder Steigrampe zur Pyramidenseitenfläche zu rekonstruieren.“

Eine gänzlich andere Aussage als es Eenboom et al. suggerieren wollen. Einen weiteren Fund machen Eenboom et al. in Süd-Abydos aus (Eenboom et al., ebd.):

„Eine solche schmale Rampe, ebenso die Minirampen von Stufenpyramiden wie in Süd-Abydos, mögen zudem in einem einigermassen angemessenen Verhältnis von Aufwand und Ertrag gestanden haben.“

Der Leser gewinnt dadurch den Eindruck, dass Eenboom et al. dies durch Recherche vor Ort selbst ermittelt haben, denn eine Quellenangabe fehlt. Der Eindruck verflüchtigt sich jedoch, wenn man einen Blick in „Das Rätsel des Cheops“ von Michael Haase wirft. Dort findet sich auf S. 100 – 102 ein Kapitel über die Stufen-Pyramide von Abydos, die zwischen 1980 und 1981 durch das DAI unter der Leitung von Gunter Dreyer untersucht wurde und bei der man Reste der Baurampen gefunden hat. Und was ist mit der „Flexiblen Baurampe“, die Eenboom et al. als „Lösung für den Pyramidenbau“ präsentieren? Die Idee dahinter ist nicht neu. Bereits Illig/Löhner haben sich mit diesem Modell beschäftigt (Illig/Löhner, S. 118 ff., Abb. 78), und die wiederum bauen auf einer Veröffentlichung von Strub-Roessler aus dem Jahr 1952 auf. Auch hier fehlen bei Eenboom et al. jegliche Quellenangaben, ebenso ein Hinweis auf dieses Modell imText. Den Abschluss des Beitrages bilden die für solche Beiträge üblichen Floskeln (Eenboom et al., ebd.):

„Nach wie vor bleibt die Frage offen, wer die wahren Pyramidenkonstrukteure und Logistiker waren oder wer den damaligen Menschen diese Anleitungen vermittelt hat. (…) Wer, so fragen wir uns, waren also die ‚Entwicklungshelfer‘ der Menschheit?.“

Leider muss Eenboom, Belting und Fiebag an dieser Stelle gesagt werden, dass diese Frage wohl nur in den Köpfen der Pseudoarchäologen „offen“ ist. Die Ägyptologie hat diese Frage längst geklärt: Es waren die alten Ägypter selbst, die die Meisterleistung von Planung, Bau und Logistik vollbracht haben. Dabei konnten sie sich nicht nur auf einen effizienten, straff zentralistisch organisierten Beamtenstaat stützen, sondern auch auf die Erfahrungen, die sie seit der 3. Dynastie im Bau von Pyramiden gesammelt hatten. Das haben wohl auch Eenboom et al. gesehen, denn sie schreiben (ebd.):

„Ausser Acht gelassen wird bei den meisten Vorschlägen jedoch immer wieder, dass die Menschen vor jahrtausenden im Stande waren, durch multifunktionale logistische Konzepte ihre technischen Probleme auf höchst effektive Weise zu bewältigen. Unser Konzept berücksichtigt diese Verhaltensweise.“

Wenn dem so ist: Wozu braucht man dann „himmlische Lehrmeister“? Wieso fällt es so schwer zu akzeptieren, dass die Menschen von ganz allein auf die Lösung von konstruktionsbedingten oder logistischen Problemen gekommen sind? Schließlich waren unsere Vorfahren vor 4500 Jahren nicht dümmer als wir heutigen Menschen, und – allen gegenteiligen Behauptungen aus pseudoarchäologischen Kreisen zum Trotz – die alten Ägypter konnten beim Bau der Cheops-Pyramide auf eigene, mit „Blut, Schweiß und Tränen“ erworbene Erfahrungen zurückgreifen.

Literatur:

  • Michael Haase, Das Rätsel des Cheops, München 1998
  • Michael Haase, Im Zeichen des Re, München 1999
  • Michael Haase, Am Rande der Ewigkeit, Sokar 1, S. 4 – 11.
  • Michael Haase, Brennpunkt Giza – Die Schachtsysteme der Cheops-Pyramide, Sokar 5, S. 3 – 13.
  • Mark Lehner, Geheimnis der Pyramiden, München 1999
  • Hermann Strub-Roessler, Vom Kraftwesen der Pyramiden, in: Technische Rundschau 42/43 (17./24.10.1952).

Pseudoarchäologische Literatur:

  • Erich von Däniken, Ägyptologisches Wunschdenken, in: Sagenhafte Zeiten 6/2002, S. 12 – 14.
  • Algund Eenboom, Peter Belting, Peter Fiebag: Messhilfen der Erbauer, in: Sagenhafte Zeiten 1/2003, S. 8 – 12.
  • Algund Eenboom, Peter Belting, Peter Fiebag: Flexible Anstellrampen – Die Lösung für den Pyramidenbau?, in: Sagenhafte Zeiten 1/2003, S. 13 – 14.
  • Heribert llig/ Franz Löhner, Der Bau der Cheops-Pyramide, 4. Auflage, Gräfelding 1999.
  • Spuren im Sand, Sagenhafte Zeiten 5/2000, S. 19 – 22.

Stand: 16. Februar 2003

Klaus Richter

„Und was liegt denn nun hinter dem Schacht? Freunde, inzwischen geht es um zwei Schächte! Ich tippe auf Kammern, und von dort aus wird es weiter zu anderen Räumen gehen. Und noch etwas: Sollten sich hinter den Verschlussblöcken Kammern zeigen, die nichts mit Cheops zu tun haben, werden wir sie mit ihrem Originalzubehör nie zu Gesicht bekommen. Wetten?“

So beendet Erich von Däniken, Schweizer Buchautor und weltbekannter Vertreter der Behauptung „Die Götter waren Astronauten“, seine Stellungnahme zur weltweit im September 2002 im Fernsehen übertragenen Öffnung des Blockiersteins im südlichen Schacht der Königinnenkammer der Cheops-Pyramide (v. Däniken, 2002, S. 14). Darin kommentiert von Däniken die Übertragung im ZDF, in der auch ein Interview mit Michael Haase, Diplommathematiker, Wissenschaftsjournalist und Autor mehrerer Bücher über ägyptische Pyramiden. Veröffentlicht wurde die Stellungnahme von Dänikens in Ausgabe 6/2002 von „Sagenhafte Zeiten“, einem Magazin, das an Mitglieder der „Forschungsgesellschaft für Archäologie, Astronautik und SETI“ (A.A.S., vormals „Ancient Astronaut Society“) verteilt wird. Die Aussage von Dänikens, die vermutlich auch über den Mitgliederkreis der A.A.S. hinaus Wirkung entfalten wird, ist nicht ohne Brisanz, hält sie doch eine Verschwörungstheorie am Leben, die schon seit langem in pseudoarchäologischen Kreisen kursiert:
Die Ägyptologie arbeite unseriös, denn sie manipuliere Entdeckungen so, dass das über viele Forschergenerationen hinweg liebgewonnene Theoriengebäude nicht in sich zusammenbrechen und nicht „Querdenker“wie Erich von Däniken und andere Anerkennung finden können. Diese Verschwörungstheorie entbehrt jeglicher Grundlage, dennoch fällt sie bei vielen Menschen ganz unterschiedlicher Bildungs- und Gesellschaftsschichten auf sehr fruchtbaren Boden. Den ägyptischen Pyramiden haftet, trotz ihrer Erforschung durch die Wissenschaft, anscheinend immer noch etwas rätselhaftes und mythisches an, und besonders bei der größten, der Cheops-Pyramide auf dem Giza-Plateau nahe Kairo, fällt es vielen schwer zu akzeptieren, dass sie hier vor der eindrucksvollen Leistung von Menschen stehen, die um 2550 v. Chr., gerade der Steinzeit entkommen, mit einfachen Werkzeugen innerhalb von 20 Jahren ein wahres Wunderwerk der Baukunst zu einem einzigen Zweck errichteten: Als Grabmal eines Pharao der 4. Dynastie, Cheops, mit angeschlossenem Tempelkomplex für die Verehrung des nach seinem Tode in den Götterhimmel aufgestiegenen Königs.

Der Anlass für von Dänikens Beitrag in „Sagenhafte Zeiten“ war die Untersuchung des Blockiersteins im Südschacht der Königinnenkammer in der Cheops-Pyramide durch eine Forschungsexpedition unter der Leitung des Leiters der ägyptischen Antikenverwaltung, Zahi Hawass. Millionen Menschen weltweit konnten in der Nacht vom 16. zum 17. September 2002, gemeinsam mit den Technikern und Wissenschaftlern in der Cheops-Pyramide, an ihren Fernsehern mitvefolgen, was sich hinter dem Blockierstein verbarg: Nur ein leerer Hohlraum, etwa 45 cm lang und eine Verlängerung des Schachtes, an dessen Ende man einen unpolierten Steinblock erkennen konnte, der anscheinend zum Kernmauerwerk der Pyramide gehört: Hier war der Schacht zuende (Haase, 2002, S. 7). Zuvor war ein kleines Roboterfahrzeug, der „Pyramid Rover“, den knapp sechzig Meter langen Schacht (mittlerer Steigungswinkel: 39,61 Grad, Breite und Höhe des Schachtes: 20,5 cm) bis zu dem Blockierstein hinaufgefahren. Der Roboter war mit einem Bohrer ausgerüstet: Damit wurde ein Loch in den Blockierstein gebohrt, durch das anschließend eine ebenfalls am Roboter montierte Kamera hindurchgeführt wurde. Einmal abgesehen von der durch „National Geographic“ mit großem Aufwand betriebenen Ankündigung als Medienereigniss und der anschließenden Enttäuschung bei vielen Zuschauern angesichts des leeren Hohlraums bleibt die Frage nach der Motivation von Dänikens, angesichts des klaren, für jedermann erkennbaren Befundes, weiterhin an einer Verschwörungstheorie festzuhalten. Und was hat jener kleine Blockierstein am Ende eines fast sechzig Meter langen Schachtes an sich, dass er von Däniken und andere Pseudarchäologen derart in seinen Bann zu ziehen vermag?

 

1. Hintergründe (1): Das Projekt UPUAUT 2

Die Cheops-Pyramide ist ein Touristenmagnet. Tag für Tag, Jahr für Jahr, wird sie von tausenden Besuchern aus aller Welt bestaunt. Heute wird nur einer eng begrenzten Zahl von Touristen der Zutritt in das Kammersystem der Pyramide gewährt. Doch das war nicht immer so. Zu Beginn der neunziger Jahre wälzten sich täglich rund tausend Besucher aus aller Welt durch Gänge und Kammern der Pyramide. Das brachte erhebliche Probleme mit sich: Die stickige und heiße Luft in der Pyramide ließ die Besucher schwitzen. Jeder Tourist, der das Innere der Pyramide betrat, hinterließ etwa 20 Gramm Kondenswasser. Der poröse Kalkstein sog das Wasser auf wie ein Schwamm, Salz und Mineralien wurden gelöst, traten an der Gesteinsoberfläche aus und zerstörerische Pilzkulturen fanden an den Wänden eine neue Heimat (Sasse/Haase, 2000, S. 85 f.). Diese Entwicklung veranlasste die ägyptische Antikenverwaltung, Restaurierungsaktionen in die Wege zu leiten. Unterstützen sollte sie dabei das Deutsche Archäologische Institut (DAI) in Kairo, damals unter der Leitung des renommierten deutschen Ägyptologen Rainer Stadelmann, einem ausgewiesenen Fachmann für ägyptische Pyramiden. Gemeinsam mit dem Münchner Ingenieur Rudolf Gantenbrink erarbeitete Stadelmann eine Lösung, um die gefährliche Luftfeuchtigkeit in der Cheops-Pyramide herabzusenken: Es sollte eine Art Belüftungssystem konstruiert werden. Gantenbrink regte an, zu diesem Zweck die Schächte zu nutzen, deren Austritte sowohl in der Königinnen- wie auch der Königskammer erkennbar waren: Hier konnte man den Bau einer Klimaanlage wagen (Sasse/Haase, 2000, S. 87 ff.).

Im Frühjahr 1992 wurden speziell dafür entwickelte Ventilatoren im südlichen Schacht der Königskammer eingepasst. Bereits bei der Generalprobe konnte die Luftfeuchtigkeit in der Königskammer auf 52 % gesenkt werden (Sasse/Haase, 2000, S. 93). Nun wurden die Schächte in der Königinnenkammer in Angriff genommen. Es gab aber ein Problem: Während die Schächte der Königskammer Öffnungen an den Außenwänden der Pyramide aufweisen, fehlen diese bei den Schächten der Königinnenkammer. Wollte man hier ebenfalls eine Klimaanlage installieren, musste der Sache auf den Grund gegangen werden. Gantenbrink brachte jetzt einen von ihm entwickelten kleinen ferngesteuerten Roboter ins Spiel, ein raupenähnliches Fahrzeug, das mit einer Kamera ausgerüstet war, um in das Innere der Schächte blicken zu können. Der Roboter, der mit Einverständnis des DAI und der ägyptischen Antikenverwaltung die Schächte der Königinnenkammer erkunden sollte, wurde „UPUAUT 2“ getauft, nach dem gleichnamigen ägyptischen Gott, dem „Öffner der Wege.“ Im März 1993 wurde die Erforschung des Nord- und Südschachtes in der Königinnenkammer in Angriff genommen. Im Nordschacht kam Gantenbrinks Roboter schon nach einem kurzen Wegstück nicht mehr weiter: Anders als der Südschacht macht der Nordschacht eine durch das Kammersystem der Pyramide erzwungene Biegung. Just an dieser Stelle befand sich eine Holzleiste sowie eine Eisenstange, die Wayman Dixon, der Entdecker der Schächte, 1872 hier zurückgelassen hatte. Die Stange hatte sich verklemmt, die Gefahr, dass sich auch UPUAUT 2 hier verkeilte, war zu groß (Sasse/Haase, 2000, S. 105).
Doch es gab noch den Südschacht. Hier gab es zunächst kein Hindernis für Gantenbrinks Roboter. Gebannt verfolgten Ingenieure und Wissenschaftler auf Monitoren, die in der Königinnenkammer installiert worden waren, wie sich der Roboter Meter für Meter den Schacht hinaufbewegte. Nach fast sechzig Metern tauchte vor den Augen der staunenden Beobachter eine Blockierung auf, auf deren Oberfläche sich zwei längliche, offenbar kupferne Stifte befanden. Hier war die Reise von UPUAUT 2 zu Ende. Eine Klimaanlage ließ sich hier nicht installieren, doch war man auf eine wissenschaftliche Sensation gestoßen? Jedenfalls überschlugen sich jetzt die Ereignisse: Bereits im April 1993 erschienen erste Zeitungsmeldungen über die Entdeckung von Gantenbrinks Roboter (Sasse/Haase, 2000, S. 115). Die Medien witterten eine Sensation hinter dem Blockierstein, denn seit Jahrtausenden reißen Spekulatonen nicht ab über geheime Kammern und verborgene Schätze in der Cheops-Pyramide. Hatte man jetzt endlich etwas Handfestes gefunden, beispielsweise den Zugang zum eigentlichen Grab des Cheops, einer verborgenen Schatzkammer oder einer „Kammer des Wissens“, in der sich Papyri mit den Geheimnissen der alten Ägypter befanden? Das Foto des Blockiersteins, aufgenommen von UPUAUT-2, machte seine Runde durch die Weltpresse. Die erhoffte Antwort auf die Fragen blieb aus: Das Projekt UPUAUT- 2 wurde gestoppt. Inzwischen war unter den Beteiligten des Projektes nämlich ein heftiger Streit ausgebrochen, der sich nicht allein um die Interpretation des Befundes drehte: Stadelmann vermutete keine geheime Kammer, die Schächte waren nie von Menschen benutzt worden. Gantenbrink hielt dagegen den Ausschluss einer Kammer für unseriöse Spekulation (Sasse/Haase, 2000, S. 117). Das allein reichte natürlich nicht aus, um das Projekt zu stoppen. Hinter dieser Entscheidung verbarg sich auch ein Politikum. Nach der Entdeckung des Blockiersteins hatte Gantenbrink kurze Videotrailer produziert und sie an das DAI, die ägyptische Antikenverwaltung und an seine Sponsoren geschickt. Zwar waren die Bildsequenzen, die den Blockierstein zeigten, mit dem Vermerk „Not For Broadcast“ versehen, doch einmal in der Öffentlichkeit, entwickelte die Information ihre Eigendynamik (Sasse/Haase, 2000, S. 121). Das Ergebnis der Untersuchung wurde somit in der Öffentlichkeit bekannt, bevor die ägyptische Antikenverwaltung und das DAI darüber berichten konnten. Die Ägypter machten dem DAI Vorwürfe, es habe sich nicht an diese feststehende Regel gehalten: Eine peinliche Lage für die Deutschen, ein Ärgernis für die ägyptische Regierung. Diese jedenfalls beendete die Zusammenarbeit mit Gantenbrink, dem dieser Regelverstoß zur Last fiel und der damit die Ägypter in ihrer Ehre tief getroffen hatte (Sasse/Haase, 2000, S. 123): Bereits 1922 hatte ein Ausländer, der Brite Howard Carter, mit der Entdeckung des Schatzes von Tut-anch-Amun den Ägyptern eine Sensation vor der Nase weggeschnappt. Sollte sich das gleiche nun wiederholen?

2. Hintergründe (2): Die Pyramide des Cheops und die Peudoarchäologie

Aus dem zuvor Gesagten wird die Rolle von Gantenbrinks Entdeckung für die Pseudoarchäologen deutlich. Bereits arabische und koptische Mythen berichteten von geheimen Gängen und scharf bewachten Schätzen in der Cheops-Pyramide, von der Verewigung längst vergessenen Wissens und der Errichtung der Pyramide vor der Sintflut. Das „Hitat“ des arabischen Historikers Al-Makrizi (15. Jahrhundert) ist nur ein Beispiel von vielen (Lehner, 1999, S. 40; Haase, 2001, S. 307). Archäologischen Wert haben diese Mythen, wie die Forschungen der letzten 200 Jahre zeigen, nur in begrenztem Umfang, da sie neben einigen Fakten auch viele Gerüchte und Phantastereien überlieferten. Letztere gehören zur Argumentationsgrundlange der Pseudoarchäologen. So auch für Erich von Däniken, der seine Auffassungen von der Pyramide des Cheops in seinem 1989 erschienenen Buch „Die Augen der Sphinx“ veröffentlichte. Im 4. Kapitel dieses Buches erfährt der Leser, warum nach Ansicht von Dänikens das nicht stimmen kann, was uns die Ägyptologen von der Cheops-Pyramide erzählen. Dänikens Zielrichtung ist klar: Es war nicht Cheops, der die Pyramide erbauen ließ. Dahinter stecken außerirdische Kulturbringer. Belege für diese Behauptungen sind jene arabischen und koptischen Mythen, übertriebene Berichte des griechischen Historikers Herodot und die längst wiederlegte, rein sepkulative Behauptung des amerikanischen Pseudoarchäologen Zecharia Sitchin, der britische Forscher Howard Vyse habe eine Kartusche des Pharao Cheops in der Pyramide gefälscht, um der Welt verkünden zu können, er habe den Nachweis dafür gefunden, dass Cheops der Bauherr der Pyramide sei (von Däniken, 1989, S. 262 ff.; Widerlegung bei Haase, 1996, S. 159 – 162; ders., 2001, S. 206 ff.). Das Fazit von Dänikens:

„Wären Mytheninhalte nur in dem Nebel zu suchen, in den man sie unentwegt tunkt, dann ließen sich aus ihnen gar keine Informationen ziehen. Es war schon immer einfacher, an irgendeine Lehrmeinung – ob gesichert oder ungesichert – zu glauben, als den Verstand einzusetzen und die Zeit aufzuwenden, Mytheninhalte auf ihre Gemeinsamkeiten abzuklopfen. Dabei geht es mir hier nicht um eine akademische Vergleichsstudie von Mythen (…), mir geht es immer noch um die Erbauung der Großen Pyramide und um die Möglichkeit, dass in der Pyramide uralte Schriftzeugnisse liegen, die unser gesamtes religiöses Denken, doch auch unsere Vorstellungen über die menschliche Frühgeschichte und die Evolution auf den Kopf stellen können (von Däniken, 1989, S. 275).“

In dieses Konzept passte die Entdeckung Rudolf Gantenbrinks hervorragend hinein: Hier hatte man vielleicht den ersten Hinweis auf eine verborgene Kammer gefunden, in der sich bislang unbekannte Schätze befinden könnten, ganz so wie es die alten Legenden berichten. Und noch etwas kam hinzu: Die Beendigung des UPUAUT 2-Projektes und das Ende der Zusammenarbeit zwischen Stadelmann und Gantenbrink. In seinem Buch „Der jüngste Tag hat längst begonnen“ stellt von Däniken in einem „Nachtrag zur neuesten Forschung“ (von Däniken, 1995, S. 255 ff.) die Entdeckung des Blockiersteins und die sich daran anschließenden Folgen geschickt als eine akademische Verschwörung dar, zu deren Opfer die Öffentlichkeit wurde, der man die Wahrheit hinter dieser Entdeckung vorenthalten wolle. Auch Gantenbrink, der den Stopp des Projektes durch die unautorisierte Weitergabe von Informationen an die Presse provoziert hatte, wurde in die Opferrolle gedrängt. Hier ging Erich von Däniken kürzlich sogar so weit zu behaupten, Gantenbrink sollte ausgeschaltet werden, da man zu Unrecht seiner Verschwiegenheit nicht getraut habe (von Däniken, 2002, S. 13).

Damit war die Konstruktion einer Verschwörungstheorie um den Münchner Ingenieur komplett. Dem DAI und seinem Leiter Rainer Stadelmann, deren guter Ruf bei den Ägyptern durch das Vorgehen Gantenbrinks erheblich angeschlagen war, wurde in dieser konstruierten Verschwörungsgeschichte die Rolle des Bösewichts zugeschanzt. Wasser auf die Mühlen der Pseudoarchäologie war zudem die jahrelange Weigerung der ägyptischen Altertümerverwaltung, den Blockierstein einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Diese aus der Enttäuschung der Ägypter verständliche Reaktion wurde als Vertuschungsaktion gewertet. In diesem Zusammenhang wurde sogar mit einer geheimen Öffnung des Blockiersteines spekuliert (Ercivan, 2001, S. 317 – 326). Für die Pseudoarchäologie war der Blockierstein im Südschacht der Königinnenkammer zum Dreh- und Angelpunkt der weiteren Erforschung der Cheops-Pyramide geworden. Um so größer war die Enttäuschung, als der Blick hinter den Blockierstein keine Schriftrollen, Schätze oder außerirdische Artefakte zu Tage förderte, sondern einen leeren, kleinen Hohlraum.

3. Reaktionen

Wie Pseudowissenschaftler reagieren, wenn von ihnen aufgestellte Behauptungen durch wissenschaftliche Forschung widerlegt werden, lässt sich hinsichtlich des Blockiersteins gut beobachten: Man verweigert die Akzeptanz des niederschmetternden Befundes. Auch Erich von Däniken, so zeigt es sein Beitrag in „Sagenhafte Zeiten“, geht auf diese Art und Weise vor. Der Beitrag ist ein Lehrstück dafür, wie Pseudowissenschaftler mit Informationen umgehen und wie sie argumentieren, um ihre Spekulationen trotz ihrer Widerlegung weiterhin am Leben zu erhalten. Daher lohnt ein näherer Blick auf einige Behauptungen von Dänikens:

1. „Michael Haase (…) meinte, ‚massive Blockierungssysteme‘ würden ausschließen, dass sich dahinter (dem Gantenbrink-Schacht) eine Kammer befinde. ‚Sie wäre auch nicht begehbar.‘ (Von Däniken, 2002, S. 12).“

Von Däniken bezieht sich hier auf ein Interview, das vor der Übertragung der Öffnung des Blockiersteins im ZDF mit Michael Haase geführt wurde.

F.: „Herr Haase, was könnte hinter diesem Stein sein? Sepkulationen reichen ja von gar nichts bis hin zum Schatz des Pharao.“
A.: „Ich kann mir gut vorstellen, dass sich hinter diesem Blockierstein oder dieser Blockierplatte noch ein kleiner Hohlraum befindet, ein strukturell, bautechnisch entstandener Hohlraum, der allerdings nichts birgt, also wirklich leer ist. An Schätzen oder anderen Spekulationen kann man sich nicht beteiligen. Wir haben ein Kammersystem in der Pyramide, das allen Normen entspricht, die die Kammersystem in der Zeit hatten: Wir haben eine Grabkammer, einen Sarkophag und vor allem: Wir haben massive Blockiersysteme, das heißt, eine andere geheime Kammer mit irgendwelchen Schätzen dieses Pharaos angehäuft halte ich für blanke Spekulation.“
F.: „Das schließt ja auch aus, dass da eine größere Kammer ist für eine Mumie.“
A.: „Das ist meine persönliche Meinung. Es gibt zwar noch genug Platz – 16 Meter bis zur Außenseite – aber aufgrund der Befunde, die ich habe und aufgrund meiner Interpretation schließe ich aus, dass es dort eine Kammer gibt. Sie wäre nicht begehbar, sie wäre isoliert. Man müsste erst einmal klären, was für eine Art Kammer sich dort oben verbergen soll. Und das ist schon schwer genug.“

Von Däniken hat Haase offenkundig falsch zitiert, seine Statements aus ihrem Zusammenhang gerissen und so eine Aussage konstruiert, die Haase nicht gemacht hat. Haase ging es in seiner Antwort um die Blockiersysteme im Kammersystem der Cheops-Pyramide, nicht jedoch im Südschacht der Königinnenkammer, wo ein solches Blockiersystem gar keinen Sinn hat. Ein Blockiersytem befindet sich in der Cheops-Pyramide einmal im Durchgang zwischen der Großen Galerie und der Königkammer. Dort legten die ägyptischen Baumeister eine Blockiersteinkammer an, in der sie drei Rutschsperrblöcke installierten, die bis zur Bestattung des verstorbenen Königs an starken Tauen hochgehalten wurden, um den Zutritt zur Königskammer zu ermöglichen. Nach der Bestattung wurde der Zugang mit den drei Fallblöcken verschlossen. Ein weiteres Blockiersystem befindet sich in der großen Galerie. Dort installierten die Baumeister große granitene Blockiersteine, deren Halterung nach der Bestattung des Königs gelöst wurde. Dadurch rutschten sie in der Großen Galerie nach unten in den aufsteigenden Gang und blockierten ihn. Somit waren sowohl Königs- wie auch Königinnenkammer (hier wurde übrigens nie eine Königin bestattet, den Namen erhielt die Kammer von ersten arabischen Erforschern der Pyramide) hermetisch versiegelt (Lehner, 1999, S. 114; Haase, 2001, S. 272; Verner, 1999, S. 228). Den Südschacht in der Könginnenkammer mit einem Blockiersystem zu versehen, hätte dagegen keinen Sinn gemacht: Mit einer Breite und Höhe von 20.5 cm hätte er von niemanden betreten werden können, geschweige denn eine hypothetische Kammer an seinem anderen Ende (vgl. auch Verner, 1999, S. 229). Übrigens bezeichnet niemand in der Fachwelt den Südschacht als „Gantenbrink-Schacht.“ Diese Bezeichnung kursiert nur in der Pseudoarchäologie.

2. „Im Verlaufe der TV-Sendung wurde später eine Computeranimation gezeigt, um zu demonstrieren, dass jeder Schacht und jeder Raum in der Pyramide von Anfang an geplant gewesen sein muss. Phänomenale Architektur zu Cheops Zeiten! Stein oder Kupferzeitgenies! Aber hinter dem Gantenbrink-Schacht darf sich nichts befinden (’nicht begehbar‘). Als ob man den Raum dahinter nicht genauso geplant haben könnte wie den Rest des Bauwerks – wer immer das war (von Däniken, 2002, S. 13).“

Dieses Zitat aus dem Beitrag von Dänikens zeigt deutlich die pseudowissenschaftliche Denk- und Argumentationsweise im Blick auf die Cheops-Pyramide auf: Den alten Ägyptern wird ihre bautechnische Meisterleistung abgesprochen, denn sie seien von ihrem Wissensstand her nicht in der Lage gewesen, diese Planung vorzunehmen. Derartige Genies, so suggeriert es von Dänikens Aussage, habe es vor 4500 Jahren nicht gegeben. Wem von Däniken eine derartige Planung zutraut, sagt er hier nicht explizit, doch dies geht aus einem Interview hervor, das er 2000 für „Sagenhafte Zeiten“ gab:

„Außerirdische werden hier schwerlich Steine herumgeschoben und sich die Finger schmutzig gemacht haben. Das wäre auch nicht nötig gewesen. Schliesslich standen jede Menge gratis Arbeitskräfte zur Verfügung. welche die Drecksarbeit leisteten. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass ET’s bei den Planungen mithalfen, der ‚göttlichen Geometrie‘, denn da gibt es eine ganze Menge von offenen Fragen, die nicht ins archäologische Weltbild der damaligen Zeit passen (v. Däniken, 2000, S. 20).“

Die alten Ägypter waren demnach gerade gut genug für die „Drecksarbeit“, das Produkt „Pyramide“ ist dagegen nicht ihre geistige Schöpfung, sondern die einer außerirdischen Zivilisation. Eine im höchsten Maße unfaire Spekulation, die von einer krassen Ignoranz menschlichen Leistungsvermögens zeugt. Dänikens Aussage geht in eine für Pseudoarchäologen typische Richtung: Sie wollen die Pyramide um jeden Preis aus dem evolutionären Zusammenhang, den sie mit den anderen Pyramiden des Alten Reiches teilt, herauslösen und isoliert betrachten. Dabei sind es gerade die drei Pyramiden von Cheops‘ Vorgänger Snofru, die deutliche Hinweise in der Planung und Konzeption der ägyptischen Pyramiden geben. Planung und Bau der Cheops-Pyramide sind eine Konsequenz aus den Erfahrungen, die Snofrus Baumeister in Meidum und Dahschur machten (Haase, 2000 a; Haase, 2001, S. 150 f.). Einmal mehr sieht man, dass Spekulationen, wie sie von Däniken anstellt, eines außer Acht lassen: Die Menschen, die vor Jahrtausenden das Niltal bevölkerten und denen wir diese großartigen Bauwerke zu verdanken haben. Auf S. 14 seines Beitrages versucht von Däniken seinen Lesern die Argumente nahezubringen, die seiner Meinung dagegen sprechen, dass Cheops der Erbauer der ihm zugeschriebenen Pyramide ist. Wir finden hier die in den meisten pseudoarchäologischen Büchern, die sich mit der Cheops-Pyramide befassen, auftauchenden Behauptungen, die die Pyramide einem anderen Bauherren zuschreiben sollen, nur nicht eben Cheops. Schauen wir uns einige davon näher an.

a. Arabische Mythen

Mythen, die arabische Historiker des Mittelalters über die Cheops-Pyramide berichteten, gehören zum festen pseudoarchäologischen Argumentationsfundus. Von Däniken berichtet uns da beispielsweise von Al-Makrizi, der die Pyramide einem gewissen Saurid zuschrieb, der vor der Sintflut gelebt haben sollte und den die Hebräer Henoch und die Griechen Hermes nannten (v. Däniken, 2002, S. 14; 1989, S. 268 ff.). Treffsicherer noch als alle ägyptologischen Forschungsergebnisse ist für von Däniken eine Aussage von Muhammad ben Abdallah ben abd al-Hakam (14. Jhdt.), die von Däniken wie folgt zitiert:

„Die Pyramide kann nur vor der Flut gebaut worden sein; denn wäre sie nachher erbaut, so wüssten die Araber Bescheid darüber (v. Däniken, 2002, S. 14).“

Genau da liegt das Problem: Anders als Herodot, der Ägypten zur Zeit der Perserherrschaft bereiste und noch – verzerrte – Erinnerungen an einen Pharao Cheops vorfand, schrieben die arabischen Historiker ihre Werke im Mittelalter, lange nach dem Niedergang der antiken Welt und der altägyptischen Kultur. Sie wußten nichts mehr über die Pyramiden und ihren Ursprung, erfanden so phantastische, märchenhafte Beschreibungen, die, wie gezeigt, in pseudowissenschaftlichen Kreisen großen Anklang finden und

„ungeachtet aller wissenschaftlichen Erforschung, immer neue, krankhafte Blüten treiben“ (Stadelmann, 1997 a, S. 265)“.

b. Nur eine Arbeiterinschrift?

Seit dem Erscheinen von Zecharia Sitchins Buch „Stufen zum Kosmos“ hält sich in pseudowissenschaftlichen Kreisen hartnäckig die Legende von einer Kartusche, die den Namen „Chufu“ wiedergibt (die ägyptische Form des griechischen „Cheops“) und die der britische Forscher Howard Vyse in der obersten Entlastungskammer der Königskammer – der „Campbell-Kammer“ – angebracht habe, um sich den Ruhm als Entdecker des Bauherren der Pyramide einzuheimsen (Sitchin, 1989, S. 284 ff.). Haase hat diese als „Fälscherlegende“ bekannt gewordene Spekulation bereits 1996 ausführlich widerlegt (Haase, 1996, S. 159 – 162; ders., 2001, S. 206 – 208). Man kann Howard Vyse so manches vorwerfen: Ein Kartuschenfälscher war er jedenfalls nicht. Im Gegenteil: Besagte Kartusche ist echt und damit ein authentischer Beleg für die Bauherreneigenschaft von Cheops. Die vier oberen Entlastungskammern waren bis zu ihrer gewaltsamen Öffnung durch Vyse 1837 hermetisch abgeschlossene Räume, der inhaltliche Kontext der Inschriften 1837 noch weitgehend unbekannt: Erst 15 Jahre vor Vyses Grabungen in Giza hatte Champollion die Hieroglyphen erstmals entziffern können (Lehner, 1999, S. 50). Im Zusammenhang mit der angeblich gefälschten Kartusche stellt von Däniken auch die Behauptung auf, es gebe nur diese eine:

„Gerade Zahi Hawass und Marc Lehner wurden nicht müde dem Publikum klarzumachen, wie raffiniert die Pyramidenbauer ihre Arbeit organisiert hätten. Da gab es verschiedene Gruppen, die untereinander konkurrierten. Familienbetriebe und Aufseher. Aber nur gerade einer dieser Abertausenden hat in dieser Entlastungskammer einige Pinselstriche hinterlassen. Entsetzlich traurig (v. Däniken, 2002, S. 14).“

Es gibt bereits mehr als eine Inschrift von Arbeitertrupps in den Entlastungskammern. Zahlreicher Bauarbeitergraffiti findet sich in der „Lady Arbuthnot-Kammer“ unterhalb der „Campbell-Kammer“. Dort findet sich an der Westwand beispielsweise auf dem Kopf stehend (!) die Bezeichnungn eines Bautrupps:

„Arbeitermannschaft: Die weiße Krone des Chnum-Chufu ist mächtig“ (Haase, 2002, S. 12).

Das ist ein weiterer Hinweis auf die Bauherreneigenschaft des Cheops. Interessant ist auch der Umstand, dass die Inschriften auf dem Kopf stehen: Das sowie die Tatsache, dass keine Fugen überschrieben werden, deutet darauf hin, dass sie von Bauarbeitern angebracht wurden, bevor die Steine verbaut wurden. Weitere Inschriften dürften sich an den so genannten

„Backing Stones“ finden lassen, wie dies bereits bei der roten Pyramide, die Cheops‘ Vorgänger Snofru in Dahschur errichten ließ und die die erste echte Pyramide der Welt war, geschehen ist. In Dahschur ließen sich Datumsinschriften, Königsnamen und verschiedene Markierungen nachweisen (Haase, 2000 a, S. 166).

Ein weiterer Beweis für die Bauherreneigenschaft des Cheops sind die zahlreichen Grabanlagen von Familienangehörigen, Priestern und Beamten des Königs in unmittelbarer Umgebung der Pyramide. In diesen Gräbern finden sich Aufzeichnungen, die einen klaren Bezug zu Cheops und dem Kult, der nach seinem Tode an der Pyramide betrieben wurde, haben. Eines dieser Gräber gehört einem Priester namens Kar aus der 6. Dynastie. In dem Grab, das jedermann zugänglich ist, stellt sich Kar der Nachwelt mit seinen Titeln vor: „Aufseher der Pyramidenstädte von Cheops und Mykerinos“, „Priester der Chephren-Pyramide“ und „Gärtner von Pepi I. (Haase, 2001, S. 258).“ Hier wird die Pyramidenstadt des Cheops genannt, wobei wir von Kar auch die altägyptische Bezeichnung für die Cheops-Pyramide erfahren: „Achet Chufu“ – „Horizont des Chufu“ (Haase, 1996, S. 154).

c. Die Pyramide: Ein Wallfahrtsort?

Von Däniken ist das Umfeld der Cheops-Pyramide mit seinen Grabanlagen bekannt. Da dies seiner Deutung der Cheops-Pyramide als isoliertem Bauwerk widerspricht, fügt er das Umfeld der Pyramide in seine Argumentationskette ein:

„Aber da sind doch die Gräber um die Pyramide herum. Die Bäckereien, Schlafsäle und so fort. Die können genausogut das Gegenteil von dem beweisen, was Marc Lehner und Zahi Hawass ihren Studenten einbläuen möchten. Wenn es die Pyramide schon lange vor Cheops gegeben hätte, wäre sie so selbstverständlich zum Wallfahrtsort geworden wie das heutige Fatima in Portugal oder Jerusalem in Israel. Bäckereien oder Metzgereien, Kornsilos und Essensabfälle stammen nicht von den Erbauern der Pyramide, sondern von den Wallfahrern (v. Däniken, 2002, S. 14).“

Gräber, Bäckereien, Silos und Schlafsäle im Umfeld der Pyramide: Sind sie vielleicht in der Tat ein Hinweis auf einen Wallfahrtsort?
Was sich auf den ersten Blick als plausibel anhören mag, ist bei näherem Hinsehen nicht haltbar. Arbeitersiedlungen und vor allem Grabanlagen im Umfeld einer Pyramide sind nicht nur bei der Cheops-Pyramide, sondern auch bei anderen ägyptischen Pyramiden nachgewiesen worden, so beispielsweise bei der Knick-Pyramide Snofrus in Dahschur (Haase, 2000 a, S. 140 ff.) oder im Umfeld von Djosers Stufenpyramide in Saqqara, der ersten ägyptischen Pyramide, errichtet um 2600 v. Chr (Haase, 2000 a, S. 39 f.). Wenn von Däniken die Gräber und die Arbeitersiedlung im Umfeld der Cheops-Pyramide einem Wallfahrtsort zuordnen möchte, so ist seine Zielrichtung klar: Er versucht, die Pyramide zu isolieren, aus ihrem evolutionären Zusammenhang mit den übrigen Pyramiden der 4. Dynastie herauszulösen und sie der pseudoarchäologischen Vorstellung folgend nicht Cheops zuzuordnen. Wenn die Pyramide ein Wallfahrtsort war: Warum tauchen in den Gräbern Bezüge zu Cheops auf? Wo soll Cheops begraben worden sein, wenn nicht in der Pyramide? Die gleiche Frage stellt sich bei Djoser, Snofru und anderen Königen. Königsgräber waren im Alten Reich nicht isoliert, sie waren vielmehr groß angelegte Grabkomplexe, bestehend aus Pyramiden, Tempeln, Pyramidenstädten und umgebenden Grabanlagen der Höflinge und Angehörigen des Königs (Lehner, 1999, S. 18 f.; 233 ff.; Wilkinson, 2000, S. 20 ff.).

d. Fehlende Inschriften im Kammersystem

3. „Zudem fehlen in der Cheopspyramide alle Inschriften an Wänden und Kammern, welche auf die phänomenale Leistung eines Cheops hinweisen können. Da ist totale Anonymität. Ich sehe zwei mögliche Gründe dafür: Entweder stammt die Pyramide nicht von Cheops – oder Cheops liess die Inschriften allesamt entfernen (von Däniken, 2002, S. 14).“

Auf den ersten Blick erscheint von Dänikens Behauptung einleuchtend: Warum findet man in den Kammern der Cheops-Pyramide keine Inschriften, die auf ihren Erbauer hinweisen? Wenn wir einen Blick von Giza weg ins Tal der Könige werfen, dann finden wir dort prachtvoll ausgestattete Gräber, in denen sich Bezüge zu ihren Besitzern befinden. Auf den zweiten Blick entpuppt sich von Dänikens Aussage jedoch als weitere unfundierte Behauptung, die das Ziel verfolgt, die Cheops-Pyramide kulturhistorisch isoliert betrachten zu können. Tatsache ist, dass über einen Zeitraum von etwa 270 Jahren in keinem Kammersystem einer Pyramide aus der 4. und dem überwiegenden Teil der 5. Dynastie Inschriften angebracht wurden. Die ersten Inschriften – die „Pyramidentexte“ – finden wir in der Pyramide des Unas, dem letzten Pharao der 5. Dynastie (ca. 2356 – 2323 v. Chr.; vgl.Haase, 1999, S. 212 – 217; Lehner, 1999, S. 154; Stadelmann, 1997 a, S. 185 f.). Das Fehlen der Inschriften ist also weder ein Indiz dafür, dass Cheops die Pyramide nicht errichten ließ noch ein Hinweis darauf, dass Cheops etwaige Inschriften entfernt habe. Grabinschriften in Pyramiden waren zu seiner Zeit unüblich.

e. Bauherr Cheops: Ein ägyptologisches Märchen?

4. „Letztlich – und darum geht es- was habe ich gegen Cheops? Im Grunde nichs. Aber ich habe etwas gegen die dumme Behauptung der Ägyptologen, um Cheops Zeiten sei gerade das Ende der Steinzeit eingeläutet worden. Und jetzt – oh Wunder – kommen Organisationsgenies mit den raffiniertesten Plänen für das phänomenalste Bauwerk mit Kammern, Schächten, Sicherungssystemen daher und errichten in 20 Jahren die grosse Pyramide. Nicht zu reden von der Planung, den Rampen, Taltempeln, den rund ‚6 Kilometern unterirdischen Gängen‘ (Zahi Hawass) und dem weiteren Drumherum. Ich unterschätze die Leistung der Menschen nicht, wenn es um Religion geht (Ideologie ist dasselbe). Doch jede Bauleistung brauchte hervorragende Planung und sehr, sehr viel Erfahrung. Beides war zu Zeiten von dem Cheops, den uns die Ägyptologie einredet, nicht vorhanden. (von Däniken, 2002, S. 14)“

Diese Behauptung deckt sich von ihrer Zielrichtung mit der unter 2. zitierten Aussage von Dänikens: Die Menschen vor 4500 Jahren sollen einfach nicht in der Lage gewesen sein, die grosse Pyramide des Cheops in Giza zu errichten. Deutlich wird auch die bereits mehrfach angesprochene Isolierung der Cheops-Pyramide, ihre Herauslösung aus der bautechnischen Evolution, die mit Djoser zu Beginn der 3. Dynastie ihren Anfang nahm. Von Dänikens Behauptung, „hervorragende Planung und sehr, sehr viel Erfahrung“ sei zu zu Cheops Zeiten nicht vorhanden gewesen, ist reine Spekulation und obendrein falsch. Sie ignoriert ganz einfach die Leistungen, die insbesondere unter Pharao Snofru erreicht wurden: Dieser ließ insgesamt drei Pyramiden errichten. Diese Pyramiden sind natürlich auch von Däniken bekannt. In „Die Augen der Sphinx“ schreibt er:

„Der Einwand, schon vor der großen Pyramide sei an Vorläufern des Bauwerks ‚geübt‘ worden, kann nicht allzu schwer wiegen, denn diese ‚Übungs-Pyramiden‘ liegen zeitlich nur wenige Jahrzehnte vor Cheops. Zudem erreichen die ‚Übungs-Pyramiden‘ bei weitem nicht die Gigantomanie und die mathematischen Raffinesen der Cheops-Pyramide (von Däniken, 1989, S. 159).“

Seinen Lesern möchte von Däniken glaubhaft vermitteln, dass die Pyramiden des Snofru in ihrer bautechnischen Leistung längst nicht an das Meisterwerk des Cheops heranreichen, dies aber eigentlich müssten, wenn sie „nur wenige Jahrzehnte vor Cheops“ errichtet wurden. Konsequenz auch hier: Die Isolierung der Cheops-Pyramide. Bei genauer Betrachtung entpuppt sich von Dänikens Äußerung jedoch nicht nur als falsch, sie wird auch der bautechnischen Leistung, die unter Snofru vollbracht wurde, in keinster Weise gerecht. Die von Däniken geringschätzig als „Übungs-Pyramiden“ bezeichnete Pyramide in Meidum und die „Knickpyramide“ und die „Rote Pyramide“ in Dahschur umfassten gut 1 Millionen Kubikmeter mehr an Bauvolumen als die Cheops-Pyramide und wurden teilweise sogar noch präziser vermessen (dazu ausführlich Haase, 2000 a; Stadelmann, 1997 a, S. 105). Nicht Cheops, sondern sein Vater Snofru war der größte Bauherr der Pyramidenzeit! Snofrus Bautätigkeit bewirkte gewaltige Fortschritte in den angewandten Techniken der Konstruktion, Steinbearbeitung, der Statik, des Steintransports und der Aussschachtung. Gleichzeitig bewirkte sie eine erhebliche Verbesserung der bautechnischen Organisation und Logistik sowie einem Anwachsen der Beamtenschaft zu einem wirksamen Instrument des zentralisierten altägyptschen Staates (Stadelmann, 1997 b, S. 59). Ganz offensichtlich konnten Cheops Architekten und Bauleiter auf die umfangreichen Erfahrungen, die während der Regierungszeit Snofrus gesammelt wurden, zurückgreifen und sie beim Bau der Cheops-Pyramide verwenden (Haase, 2000 b, S. 4 ff.).

4. Fazit:

a. Erich von Dänikens Argumentation kann bei Überprüfung der von ihm aufgetellten Behauptungen nicht überzeugen. Sie ist fehlerhaft und belegt von Dänikens Unkenntnis über fundamentale Grundlagen der ägyptischen Pyramiden, ihrer Erbauung und Funktion als Grabmäler.

b. Von Däniken stellt die Forschungsergebnisse der Ägyptologie verzerrt dar, stellt auf dieser Grundlage Fragen, deren Zielrichtung weg von den eigentliche Bauherren hin zu den erwünschten außerirdischen Konstrukteuren führt.

c. Die Pyramide des Cheops wird aus ihrem evolutionären Zusammenhang und ihrem Pyramidenkomplex herausgelöst, wird isoliert betrachtet und dient so als Projektionsfläche pseudoarchäologischer Vorstellungen, in diesem Fall dem Wirken außerirdischer Planer. Zugleich wird die bautechnische Kompetenz der alten Ägypter ausgeschlossen.

d. Von Dänikens Ausführungen widersprechen allen Fakten, die eindeutig auf die Bauherreneigenschaft des Cheops hinweisen, ebenso wie auf langjährige Erfahrung, die bereits mit früheren Pyramidenprojekten insbesondere unter Snofru gewonnen wurden.

e. Erich von Däniken geht es nicht um die objektive Darstellung eines archäologischen Befundes. Vielmehr erschafft er einen rätselhaften Tatbestand, den er seinen Lesern wirkungsvoll durch Halbwahrheiten, Fehlinterpretationen, Spekulationen und der bewußten Manipulation von Fakten vorspiegelt. Ziel ist nicht die Vermittlung einer seriösen Diskussionsalternative, sondern die Schaffung und Erhaltung eines pseudoarchäologischen Weltbildes: Es gab in der Vergangenheit den Besuch Außerirdischer, die gezielt in die biologische und kulturelle Entwicklung des Menschen eingegriffen haben. Dadurch wird der Charakter des Pseudowissenschaftlichen belegt. Pseudoarchäologische Spekulationen, die sich auf Unterstellungen oder Unverständnis stützen, schaffen gefährliches Halb- und Falschwissen, das nicht nur von den Protagonisten der Pseudoarchäologie, sondern auch von einigen Vertretern der Medien mehr oder weniger kritiklos in der Öffentlichkeit verbreitet wird und dadurch ein breites Publikum erreicht. Pseudoarchäologen verfügen nur in seltenen Ausnahmefällen über eine wissenschaftliche Aubildung, in den meisten Fällen sind es Laien ohne fundiertes Hintergrundwissen. Die Spekulationen der Pseudoarchäologen stehen in Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen. Um bei ihrer Leserschaft keinen Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit aufkommen zu lassen, drehen Pseudoarchäologen den Spieß um: Sie beschreiben sich als gewissenhafte Sucher nach der Wahrheit, die von einer verkrusteten, selbstverliebten Wissenschaft gemieden wird, um nicht die Aufgabe liebgewonnener Lehrgebäude akzeptieren zu müssen. Aus den zitierten Aussagen Erich von Dänikens geht diese Haltung deutlich hervor. Pseudoarchäologen werfen ihren Kritikern „Autoritätsgläubigkeit“ vor, doch das Gegenteil ist der Fall: Es sind die Pseudoarchäologen, die eisern an ihren Spekulationen festhalten, selbst wenn sie längst widerlegt worden sind, und die sich weigern, einen Blick über den Tellerrand zu riskieren.

 

Literatur:

  • Michael Haase: Im Zeichen des Re, München 1999
  • Michael Haase: Das Feld der Tränen, München 2000 (Haase 2000 a)
  • Michael Haase: Bemerkungen zur Architektur des Kammersystems der Cheops-Pyramide, in: Sokar 1 (2000), S. 4 – 11 (Haase 2000 b)
  • Michael Haase: Das Rätsel des Cheops, München 2001
  • Michael Haase: Brennpunt Giza, in: Sokar 5 (2002), S. 3 – 13
  • Mark Lehner: Das Geheimnis der Pyramiden in Ägypten, München 1999
  • Torsten Sasse, Michael Haase: Im Schatten der Pyramiden, München 2000
  • Rainer Stadelmann: Die ägyptischen Pyramiden, 3. Auflage, Mainz 1997 (Stadelmann 1997 a)
  • Rainer Stadelmann: Königsgräber der Pyramidenzeit, in: Regine Schulz, Matthias Seidel (Hrsg.), Ägypten – Die Welt der Pharaonen, Köln 1999, S. 46 – 77 (Stadelmann 1997 b).
  • Miroslav Verner: Die Pyramiden, Hamburg 1999
  • Richard H. Wilkinson: The Complete Temples of Ancient Egypt, London 2000

Spekulative Literatur:

  • Erich von Däniken: Die Augen der Sphinx, München 1989
  • Erich von Däniken: Der jüngste Tag hat längst begonnen, München 1995
  • Erich von Däniken: Ägyptologisches Wunschdenken, in: Sagenhafte Zeiten 6/2002, S. 12 – 14.
  • Erdogan Ercivan: Verbotene Ägyptologie, Rottenburg 2001

Stand: 27.01.2003