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GWUP / Thema / Aberglaube

13.07.2012

ABERGLAUBE

 

Der eine trägt immer ein vierblättriges Kleeblatt mit sich; der andere bleibt an einem Freitag, dem 13., lieber im Bett; und manche Studenten gehen nur mit ihrem Glücksbringer in die Prüfung. Aberglaube ist gar nicht so selten.

 

Was ist Aberglaube überhaupt?

 

Darauf gibt es verschiedene Antworten – je nachdem, wen man fragt.

 

Die meisten verstehen darunter den Glauben an wissenschaftlich nicht nachweisbare, magische Kräfte, die auf den Menschen wirken. Abergläubische Vorstellungen beziehen sich oft auf Vorzeichen oder auf Rituale zur Abwendung von Unglück („Auf Holz klopfen“). In den letzten Jahrzehnten hat der Glaube an solche guten und schlechten Vorzeichen in Deutschland zugenommen. Bei einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2005 sahen 42 Prozent der Befragten in einem vierblättrigen Kleeblatt einen Glücksbringer, 1973 waren es nur 26 Prozent gewesen. Eine Sternschnuppe am Nachthimmel war für 40 Prozent lebensbedeutsam (1973: 22 Prozent). Und 36 Prozent betrachteten die Begegnung mit einem Schornsteinfeger als Glück verheißendes Omen (1973: 23 Prozent).

 

Anders definiert die Kirche den Begriff. Für sie ist alles Aberglaube, was dem „guten“ Glauben widerspricht. Oft betrifft dies Elemente früherer Religionen, etwa des germanischen und griechisch-römischen Götterglaubens, die bruchstückhaft erhalten geblieben sein soll.

 

Volkskundler vermeiden den Begriff Aberglaube lieber, weil er häufig als Abwertung verstanden wird (siehe dazu auch das Interview mit Dr. Stephan Bachter, Volkskundler). Wenn sie trotzdem von Aberglauben sprechen, meinen sie damit Formen der Zauberei, der Magie und des Wahrsagens (Harmening 1983).

 

Zum Beispiel: Freitag, der 13.

 

Ein Unglückstag? 

Kurz gesagt: Nein. Statistiken zeigen, dass sich an einem Freitag, dem 13., nicht mehr Unglücksfälle ereignen als an anderen Tagen. So hat sich zum Beispiel die Zürich-Versicherung die Schadensmeldungen im Jahr 2009 angesehen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es an einem Freitag, dem 13., sogar zu besonders wenigen Versicherungsfällen kommt (Zugriff am 30.06.2012).

Dass sich viele Menschen dennoch an eigene Unglücksfälle an diesem Datum erinnern, liegt an unserem Gedächtnis. Geschieht uns an einem Freitag, dem 13., ein Unglücksfall, erinnern wir uns besonders gut daran, weil wir wissen, das Freitag, der 13., als Unglückstag gilt. Kommt es an einem beliebigen anderen Tag zu dem gleichen Unglück, merken wir uns das einfach nicht, weil wir keinen Zusammenhang zwischen dem Tag und dem Ereignis herstellen. Psychologen kennen dieses Phänomen als „confirmation bias“: An die Ereignisse, die unsere Erwartung bestätigen, erinnern wir uns - an andere nicht.

 

Auf dem Prüfstand

Regelmäßig stellt die Hamburger GWUP-Regionalgruppe an einem Freitag, dem 13., den Aberglauben öffentlich auf die Probe. Im Test vollführen die freiwilligen Versuchspersonen entweder glücksbringende oder unglücksbringende Handlungen und versuchen anschließend ihr Glück beim Würfeln. Das Ergebnis aller Tests zeigt, dass der Würfel im Durchschnitt stets dieselbe Anzahl von Treffern liefert. Die Zahl 6 als Gewinnzahl wird bei einem Sechstel aller Würfe erzielt – egal, ob die Probanden vorher einen Spiegel zerschlagen oder ein vierblättriges Kleeblatt gepflückt haben.

Am Freitag, dem 13. Juli 2012, lädt die Regionalgruppe Köln Neugierige ein, Glücks- und Unglücksbringer auszuprobieren. Ab 13 Uhr sind die Kölner Skeptiker auf der Schildergasse (Höhe Krebsgasse) zu finden.

 

Uralte Tradition? 

Ist denn die Sache mit Freitag, dem 13., nicht einfach eine alte Überlieferung? Die Antwort ist überraschend: Erst in den 1950er Jahren wird der Tag in Deutschland als der Unglückstag schlechthin bekannt. Vor dem Zweiten Weltkrieg kannte man diesen Aberglauben in Deutschland kaum.

 

Aber so ein bisschen Aberglaube schadet doch nicht...oder?

Wer sich vor Freitag, dem 13., fürchtet, macht sich höchstens unnötig das Leben schwer.

Doch in einigen Ländern Afrikas fordert eine andere Form des Aberglaubens jedes Jahr viele Todesopfer, vor allem Kinder, Alte, Kranke und Behinderte (siehe dazu das Interview mit Leo Igwe, Humanist und Menschenrechtler).

Auch in anderen Teilen der Welt hat der Aberglaube verheerende Auswirkungen. Der amerikanische Skeptiker Tim Farley hat dokumentiert, welchen Schaden Aberglaube und verwandte Annahmen anrichten. Sein Fazit: bis heute (Stand: 30.06.2012)verursachte der Aberglaube: 368.379 Tote, 306.096 Verletzte und ein wirtschaftlicher Schaden von 2.815.931.000,00 US$.

 

 

Zum Weiterlesen:

 

Bachter, S. (2005): Anleitung zum Aberglauben. Zauberbücher und die Verbreitung magischen „Wissens“ seit dem 18. Jahrhundert. Dissertation Universität Hamburg 2005.

 

Doering-Manteuffel, S. (2008): Das Okkulte. Eine Erfolgsgeschichte im Schatten der Aufklärung. Von Gutenberg bis zum World Wide Web. Siedler, München.

 

Daxelmüller, C. (1993): Zauberpraktiken. Eine Ideengeschichte der Magie. Artemis & Winkler, Zürich.

 

Groschwitz, H. (2008): Mondzeiten. Zu Genese und Praxis moderner Mondkalender. Münster 2008 (Regensburger Schriften zur Volkskunde/Vergleichenden Kulturwissenschaft 18).

 

Harmening, D. (1983): Artikel „Aberglaube“. In: Kindlers Enzyklopädie Der Mensch. Band VI. Kindler, Zürich. S. 707-718.

 

Harmening, D.: Wörterbuch des Aberglaubens. Stuttgart 2005.

 

Hood, Bruce M. (2011): Übernatürlich? Natürlich? Warum wir an das Unglaubliche glauben. Spektrum Akademischer Verlag. Heidelberg.

 

Sawicki, D.: Magie. Frankfurt am Main 2003.

 

 

 

 

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