Ulrich Magin
Schon zum fünften Mal fand die traditionelle Arbeitstagung der deutschen UFO-Forscher vom 28. bis 29. 9. 2002 in Cröffelbach statt, organisiert unter der bewährten Leitung von Rudolf Henke. 26 Teilnehmer fanden in das schwäbische Dörfchen, darunter die wichtigsten Vertreter der UFO-Gruppen GEP (Gesellschaft zu Erforschung des UFO-Phänomens e. V.), CENAP (Centrales Erforschungsnetz außergewöhnlicher Himmelsphänomene), Gesellschaft für Anomalistik (ehemals Forum Parawissenschaften) und des alien.de-Internet-Portals.
Den ersten Vortrag hielt der Sprachwissenschaftler Dr. Ulf Harendarski: "Über Gewissheitsbehauptungen". Gewissheitsbehauptungen sind Behauptungen, die im Duktus der Gewissheit auftreten, die damit als Grund für weitere Schlussfolgerungen verwendet werden können und implizit andere Behauptungen in sich tragen. Ein Beispiel: "Ich habe bereits 100 Fälle untersucht, in denen Menschen von Außerirdischen in Raumschiffe verschleppt wurden." Neben der Behauptung, dass 100 Fälle untersucht wurden, behauptet dieser Satz auch, dass es Außerirdische gibt, die in Raumschiffen zur Erde kommen, um Menschen zu entführen, ohne hierzu einen Beleg zu nennen; er kann dann aber gerne - unter Berufung auf eben diese 100 Fälle - als "Beweis" für weit generellere Behauptungen dienen.
Warum werden solche impliziten Gewissheitsbehauptungen aufgestellt? Wer Behauptungen aufstellt, muss Gründe liefern - um das zu umgehen, werden Behauptungen häufig als Gewissheit vorgetragen. Weil natürlich auch eine gegnerische Seite - und oft zu Recht - solche Gewissheitsbehauptungen aufstellt, folgt der erbitterte Streit, der das weite Feld der Anomalistik kennzeichnet, weil hier unterschiedliche Gewissheiten aufeinander prallen. Vermeiden lassen werden sich Gewissheitsbehauptungen im Diskurs um anomale Phänomene kaum; sie in der eigenen und fremden Stellungnahme zu erkennen, das allerdings kann hilfreich sein.
Um Gewissheitsbehauptungen - denen der vorgeblich "neutralen" Presse - ging es auch bei dem Referat von Gerhard Mayer, "Grenzgebiete im Blick. Berichterstattung zu UFOs und anderen Themen aus dem Bereich der Anomalistik in Spiegel und Bild". Mayer, Mitarbeiter des IGPP in Freiburg, untersuchte Artikel im Spiegel ab 1947 sowie in ausgewählten Jahrgängen der Bild-Zeitung. Grundsätzlich, so der Referent, ist die Elusivität der Phänomene für die Massenmedien attraktiv - wobei er drei Arten des Umgangs definierte: Entschärfung, Ambivalenz und Beliebigkeit/Gleichgültigkeit. Während Bild an einer guten Geschichte interessiert ist und die Haltung der Autoren beliebig ist, sieht sich der Spiegel als Aufklärer und Kämpfer gegen die Irrationalität und wendet verschiedene Strategien zur Entschärfung von Fakten und Inhalten an.
So berichtete der Spiegel in seinen Anfangsjahren relativ häufig über Hypnose, wobei - dem damaligen Zeitgeist unter vielen Wissenschaftlern folgend - der hypnotische Zustand mystifiziert dargestellt wurde. Gleichzeitig wurde sie in einem rationalistischen Schema interpretiert, sodass sie auch als Erklärung für ungewöhnliche Phänomene brauchbar schien. Nachdem die Hypnose in den 50er Jahren als Therapiemethode akzeptiert worden war und sich eine gemäßigtere Sicht ihrer Möglichkeiten durchsetzte, tauchte sie im Spiegel seltener auf. Hinweise auf massive, den rationalen Geist provozierende Effekte unterblieben. Als rationalistisches Erklärungsmodell für rätselhafte Phänomene hatte sie ausgedient, ohne dass der Spiegel diesen Wandel problematisierte. Sachkenntnis war nicht unbedingt die Hauptstrategie beim Umgang mit ungewöhnlichen Phänomenen; mit teilweise polemischen Texten und Bildunterschriften wurde in dem Hamburger Blatt ein Kampf gegen Irrationalität geführt.
Die Berichterstattung über das Thema UFO in Bild zeigt ebenfalls zeitgeistabhängige Tendenzen. Galten fliegende Untertassen der Zeitung in Zeiten des Kalten Krieges zuerst meist als sowjetische Geheimwaffe, über die recht gewissenhaft berichtet wurde, diente das Thema bald nur noch der Unterhaltung, mit einem deutlichen Favorisieren der außerirdischen Erklärung. Dabei ist die Haltung der Autoren beliebig, mal kritisch, mal leichtgläubig - sie sollen vor allem Sensationen liefern.
"Kein Interesse - sprechen Sie lieber mit dem Betrunkenen da drüben!"
In Mayers Analyse sind Bild und Spiegel ähnlich unzuverlässig, wenn über Paraphänomene berichtet wird - mit dem Unterschied, dass das eine Blatt Sensationen will, das andere "Aufklärung" - selbst wenn die "rationalen" Erklärungen, die es anführt, einander widersprechen. Für Bild ist das Paranormale ein Spektakel, für den Spiegel eine Provokation des rationalen Weltbildes.
Anschließend referierte Roland Gehardt über "Die Augen der Aliens. Wie sehen Kinder und Jugendliche Außerirdische und 'UFOs'?" Gehardt führte mehrere Berichte von Gruppen von Kindern an, die gelandete UFOs und deren Insassen gesehen haben wollten. Um zu prüfen, wie weit UFOlogische Stereotypen bereits die Jüngsten erreichen, ließ er Grundschulkinder Außerirdische und UFOs malen - und verglich die so erhaltenen Zeichnungen mit den Charakteristika von Aliens, wie sie in der Literatur, die den Besuch von Außerirdischen für UFOs annimmt, dargestellt sind. Angesichts der Präsenz des Themas und auch des großäugigen Aliens in den Medien, als Spielzeug und in der Werbung verwundert es kaum, dass sich signifikante Übereinstimmungen finden ließen.
Als es dunkel wurde, startete Hans-Werner Peiniger von der Lüdenscheider Forschungsgruppe GEP einen so genannten Modell-Heißluft-Ballon - neben Lichteffektgeräten und Himmelskörpern einer der häufigsten Auslöser von UFO-Meldungen über orange pulsierende Lichtkugeln.
Werner Walter und Hansjürgen Köhler von der Mannheimer UFO-Gruppe CENAP zeigten Videoaufnahmen von vermeintlichen UFOs. Neben einer recht behäbigen US-Dokumentation aus den 50er Jahren, die die Vorgehensweise der US-Luftwaffe bei gemeldeten Erscheinungen vermitteln sollte, faszinierte vor allem ein Video aus Korea, das zweieinhalb Stunden lang die Kondensstreifen von Flugzeugen zeigte - das kuriose Dokument einer besessenen Suche nach Erlösern in Weltraumschiffen.
Am Sonntag berichtete Rudolf Henke über die Ergebnisse seiner Forschungen über "Das 'Hinterhof'-Phänomen 'Kugelblitze' - ein Thema für die UFO-Phänomen-Forschung?" Er wies darauf hin, dass viele bisherige Studien zu dem Thema unzulänglich seien - Datenmaterial wie etwa die ursprünglichen Zeugenaussagen fehlte häufig, zudem gingen die Autoren oft auch recht selektiv mit ihrem Material um.
Rudolf Henke hat rund 750 Kugelblitz-Fälle aus dem Internet, den Printmedien und der bereits veröffentlichten Literatur gesammelt und - wenn möglich - dazu eigene Zeugenbefragungen unternommen. Er stellte fest, dass es ein Kernphänomen gebe, dessen Beschreibung recht konsistent sei, fast schon langweilig konsistent. Er fand nur wenige stark psychologisch beeinflusste Schilderungen, musste aber auch feststellen, dass in manchen Fallsammlungen bis zu 60 % der Berichte konventionell identifizierbar waren - als Modellheißluftballone, als Boliden oder gar - in einem Fall - als der Mond. Und obwohl ein konsistentes Kernphänomen aus dem Material herauszuragen scheint, gibt es doch viele feine Widersprüche und physikalische Unstimmigkeiten in den Berichten. Was der Kugelblitz sein könnte, oder wie gesichert man seine Existenz annehmen kann, darauf kann es im Moment noch keine definitive Antwort geben.
Den Abschluss bildete ein Vortrag von Hans-Werner Peiniger, dem Vorsitzenden der Lüdenscheider GEP. Er hielt einen unterhaltsamen Rückblick auf 30 Jahre Vereinsgeschichte - eine Geschichte, die auch viel über die UFO-Forschung in Deutschland allgemein aussagt. Die GEP - weiteres Gründungsmitglied war Gerald Mosbleck - begann 1972 als "UFO-Jugendclub Lüdenscheid"; als Fanclub, der begeistert "die Erforschung außerirdischer Weltraumschiffe" betrieb. Der Club war zuerst mit dem Kontaktlerverein DUIST assoziiert, dann ab 1973 mehrere Monate lang mit August Wörner aus Mayen in der Eifel, der mit seinen Helfern Tausende von eigenen Sichtungen protokollierte. Die Erfahrung machte die Jugendlichen kritischer, sie trennten sich von den religiös gefärbten UFOlogen, die von Machtkämpfen im Weltraum phantasierten, und schlossen sich von 1974 bis 1986 der "wissenschaftlichen" Münchner Gruppe MUFON-CES unter ihrem Leiter Illobrand von Ludwiger an. Später kam es zu Auseinandersetzungen, die schließlich dazu führten, dass man die Gruppe verließ. Ab 1984 firmierte der Jugendclub unter seinem heutigen Namen GEP, seit 1988 hat die GEP nach langem Kampf den Status der Gemeinnützigkeit. Seit ihrem Bestehen wurden rund 700 Sichtungen untersucht und meist einer einfachen Erklärung zugeführt.
Besonders wichtig sind für Peiniger zwei empirische Studien, die die GEP initiierte und durchführte. Zum einen die Experimente zur Verlässlichkeit von Größenschätzungen, bei denen Vergleichsdaten zur Schätzung der Größe von Mond/Sonne bei ausgestrecktem Arm erhoben wurde. Die Versuche ergaben, dass die scheinbare Größe heller Himmelskörper häufig zu hoch eingeschätzt wird.
Die zweite Studie war ein Wahrnehmungsexperiment, das zusammen mit CENAP ab 1988 durchgeführt wurde. Dabei wird Versuchspersonen für 10 Sekunden das Dia eines Modellheißluftballons gezeigt. Sie sollten die Zeit schätzen sowie das Gesehene zeichnen und beschreiben. Bei der Zeitschätzung zeigte sich schnell, dass einzelne Angaben unbrauchbar sind, da sie zu weit streuten, dass aber der Mittelwert aller Schätzungen der tatsächlichen Zeit sehr nahe kamen. Zeitschätzungen sind also höchstens bei Gruppensichtungen verlässlich. Bei der Qualität der verbalen Beschreibung waren selbst die Durchschnittswerte mäßig, ebenso bei der Qualität der Objektskizzen. Berichte von Einzelzeugen, so präzise sie auch wirken, sind nur mit Vorsicht zu gebrauchen. Ein wichtiges Ergebnis in einem Studienfeld, das hauptsächlich von der Analyse anekdotischen Materials lebt.
Der Sprachwissenschaftler Ulrich Magin beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Forteanischen Phänomenen und hat mehrere Bücher dazu veröffentlicht. Er ist Redaktionsmitglied des "Skeptiker".
Dieser Artikel erschien im "Skeptiker", Ausgabe 2/2002.